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Bundesfinanzen. Anträge Miquel und Wagener. 147

Garantien zu ihren Lasten zu übernehmen. Dringend wiederholte er die früher ausgesprochene Empfehlung, dem Reichstage nicht durch unbegründetes Mißtrauen das übliche Budgetrecht zu verkümmern, und dadurch bei ihm Mißtrauen und Erbitterung zu erwecken. In Bezug auf die feste Summc für das Heeresbudget führte er aus, wie rasch troßdem der parlamentarische Einfluß auch auf diesem Gebiete sich geltend machen würde. Nur zu bald würden die 225 Thlr. nicht mehr genügen; dann würde der Reichstag bei der ersten Mehrforderung die Bedingung stellen, zunächst zu prüfen, ob bei sparsamerer Wirthschaft der Betrag sich nicht in dem bisherigen Budget unterbringen ließe, und damit auch dieses in den Kreis seiner Erörterungen ziehen; so habe man es in Hannover und in Nassau erlebt, dann aber auch erfahren, daß das erzwungene Recht mit geringerer Nachgiebigkeit als ein freiwillig gegebenes ausgeübt worden. Auch hier also beharrte er auf Forckenbeck's Standpunkt, das feste Pauschquantum nur für die Übergangszeit bis Ende 1871 zu genehmigen.

Dagegen ergriff von der conservativen Seite Wagener das Wort. Es sei unerhört, für den wichtigsten Theil des Staatshaushalts ein Provisorium zu verfügen, ohne Angabe des Definitivums, zu dem es hinüber führen solle. Stets rede man von der Pflicht, dem Reichstag dasselbe Budgetrecht zu wahren, dessen sich der preußische Landtag erfreue. Man schließe dabei die Augen vor der Thatsache, daß man die Forderung weit über das preußische Maaß hinaus steigere. Denn in Preußen besize der Landtag zwar das Recht der Bewilligung der Ausgaben, keineswegs aber jener der Einnahmen, da diese, einmal genehmigt, der Staatscasse

unweigerlich weiter zufließen. Mit gutem Grunde erinnerte Wagener daran, von welcher Bedeutung dieser Unterschied für den Verlauf des preußischen Verfassungsstreits gewesen sei. Jezt aber wolle man auch die Bundeseinnahmen von einer jährlichen Bewilligung des Reichstags abhängig machen: unmöglich könnten die verbündeten Regierungen darauf eingehn. Was insbesondere das Heerwesen betreffe, so käme man damit vollständig auf den englischen Fuß des Meuterei-Gesezes, auf welchem die ganze Existenz des Heeres jährlich von der Gnade des Parlaments abhängig ist. Dieser Erörterung entsprach dann ein neuer Antrag Moltke's, um der Bundescaffe wenigstens ihre Einnahmen für das Heerwesen zu sichern, es sollten bis zum Erlaß eines abändernden Bundesgefeßes die bestehenden Beiträge unverändert forterhoben werden.

Einen besonderen Standpunkt zwischen den Parteien ergriffen die frühern hannoverschen Minister Windthorst und Errleben. Sie erklärten sich für den Antrag der Regierungen auf dreijährige Budgetperioden, im Übrigen aber für Miquel's Forderungen, nur daß für Heer und Marine die einmal bewilligten Summen nicht verweigert werden dürften. Dann aber wollten sie von der Form Ses Etatsgesetzes nichts wissen, von dessen Zustandekommen die bindende Kraft aller einzelnen Budgetbeschlüsse nach der preußischen Verfassung abhängt. Statt dessen sollte nach ihrer Meinung die Regel gelten, daß bei einem Streite über die Höhe eines Ansaßes die niedrigste Ziffer angenommen sei, da ja über die Nothwendigkeit dieses Betrags übereinstimmung beider Theile vorliege. Hier ist jedoch der Trugschluß offenbar. Wer für einen Zweck einen höhern Betrag für nothwendig hält, kann sehr wohl einen geringern als schädliche Vergeudung erachten

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Vermittlungsversuche.

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und deshalb ablehnen. Eine Übereinstimmung beider Parteien ist dann nur scheinbar, aber nicht wirklich vorhanden.

An Versuchen, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln, fehlte es nicht. Der nationalliberale Bennigsen vereinigte sich mit dem altliberalen Vincke-Olbendorf zu dem Antrage, für die Zeit nach 1871 sei die auf Grundlage dieser Verfassung geseßlich bestehende Heeresorganisation der weitern Vereinbarung des Militärbudgets zu Grunde zu legen. Danach wäre der künftigen Einwirkung des Reichstags auf den Militäretat der Weg zur Specialkritik der einzelnen Posten eröffnet geblieben, nur hätte er die Friedenspräsenz und die Gesammtkosten nicht maaßlos bis zum Umsturz des ganzen bisherigen Systems herabsegen dürfen. Principiell traten dann Georg Vincke und Gneist übereinstimmend der übermäßigen Ausdehnung des Budgetrechts entgegen. Vincke erklärte, die Bedeutung des Budgetrechts liege nicht in der beliebigen Bewilligung oder Streichung bestehender Einrichtungen, sondern in der Genehmigung neuer Einnahmen. und Ausgaben; bei der vorliegenden Frage werde der Kriegsminister bald genug durch neue Forderungen dem Hause Gelegenheit geben, Einfluß auf den Haushalt der Armee zu üben. Die Richtigkeit dieser Auffassung wurde durch Miquel's Behauptung, daß sie eine absolutistische sei, nicht widerlegt, sondern durch seine Mittheilungen aus den frühern Erfahrungen in Nassau und Hannover lediglich bestätigt. In einer ebenso wuchtigen wie glänzenden Rede wies dann Gneist die steten. Berufungen der Linken auf das angeblich unbeschränkte Budgetrecht des englischen Unterhauses zurück. Freilich sei es weder durch den König noch durch das Oberhaus beschränkt, um so mehr aber beschränkt durch Geseze. Vier Fünftel

der jährlichen Einnahmen und die Hälfte der Ausgaben seien durch gesetzliche Bestimmungen festgestellt und damit der Willkür des Unterhauses entzogen. Wenn jährlich über den Bestand der Armee abgestimmt werde, so gelte das in England selbst für eine reine Formalität, und was bei einem Söldnerheere etwa möglich werden könnte, wäre bei unserem Landwehrsystem unsinnig und verderblich. In jeder Beziehung sei es hier durch das Interesse des Staats und der Bevölkerung geboten, den Bestand des Heeres gesetzlich festzustellen und dadurch gegen die Schwankungen der parlamentarischen Parteien zu sichern: auch dann würde Raum genug zur Kritik einzelner Theile des Militäretats bleiben.

Aber so unläugbar dies Alles war, die herrschende Strömung ließ sich dadurch nicht ablenken. Vergebens wies der sächsische Minister von Friesen darauf hin, daß es sich um die Verfassung nicht eines Einheits-, sondern eines Bundesstaats handle. Hier kämen nicht alle Gebiete der Verwaltung, sondern nur einzelne zur Sprache, an denen nicht gerüttelt werden dürfe, wenn der Bund nicht seine Grundlagen verlieren solle. Als es zur Abstimmung kam, wurde zuerst Forckenbeck's und dann Miquel's Antrag unter Ablehnung sämmtlicher Amendements angenommen. Man hoffte bei der ungewohnten Stärke der Mehrheit, etwas über dreißig Stimmen, auf Nachgiebigkeit der Regierung. Gutes Muthes schritt man zu den lezten Titeln der Verfassung, bei denen allerdings noch wichtige Fragen ihrer Entscheidung warteten.

Ohne weitläufige Verhandlung wurde die Bestimmung des Entwurfs genehmigt, daß politische Verbrechen gegen den Bund ebenso bestraft werden sollten, als wären sie gegen den Einzelstaat, zu dem der Verbrecher gehörte,

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Sieg der Nationalliberalen.

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begangen worden. Als Spruchbehörde in erster und leßter Instanz wurde für Fälle des Hochverraths das Oberappellationsgericht in Lübeck bezeichnet.

Aber um so stärker rührten sich principielle Bedenken gegen den folgenden Artikel, nach welchem Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, so weit sie nicht rein privatrechtlicher Natur und deshalb von den competenten Gerichten zu entscheiden seien, auf Anrufen einer Partei durch den Bundesrath erledigt werden sollten. Verfassungsstreitigkeiten aber in solchen Bundesstaaten, deren Verfassung dafür keine Behörde zur Entscheidung bestimmt, hätte auf Anrufen einer Partei der Bundesrath gütlich auszugleichen, oder wenn das nicht gelinge, auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zum Austrage zu bringen. Eine Phalanx berühmter Juristen, Wächter, Zachariä, Reichensperger, Schwarze, Windthorst, erklärten diese Bestimmungen für ungenügend, gefährlich, den heiligsten Rechtsbegriffen zuwider. Hier handle es sich um Urtheile in streitigen Rechtsfragen; das sei nicht Sache des Gesezgebers, sondern des Richters; so wenig wie der Richter Gesetze machen dürfe, so wenig habe der Gesetzgeber Urtheile zu finden. Ein Bundesgericht also sei zur Entscheidung jener Streitigkeiten einzuschen. Ein Bundesgericht, sagte Reichensperger, sei bereits 1815 von Wilhelm von Humboldt der Schlußstein jeder geordneten Verfassung genannt worden. So finde es sich als Bundesschiedsgericht in den Beschlüssen des alten Bundestags von 1834, so in der Verfassung der Paulskirche, so in der von Preußen vorgeschlagenen Unionsverfassung, so in dem österreichischen Vorschlag von 1863; alle deutschen Regierungen hätten also seine Nothwendigkeit anerkannt. Zachariä beantragte gleich

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