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1867

Preußen nimmt Theil. Österreich lehnt ab.

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reich die Annahme des eben gebotenen Allianzvertrags thatsächlich auch die Zustimmung zu der nähern Verbindung Süddeutschlands mit dem Nordbunde in sich schließen würde, sei es nun nach der von Hohenlohe gewünschten Form eines Staatenbundes, sei es nach dem Drängen der Unitarier auf einfachen Eintritt des Südens in den Nordbund. Beust hätte in dem Einen wie dem Andern eine Schädigung des österreichischen Interesses gesehn. Er wünschte die bleibende Vereinzelung der süddeutschen Staaten, um allmählich einen jeden derselben in den Kreis des österreichischen Einflusses zu ziehn, und dadurch zu verhindern, daß Preußen nicht bloß im Norden sondern auch im Westen das Donaureich umklammere. Als die beiden Gesandten ihm den AllianzAntrag vorlegten, bemerkte er: „Ihr sagt, das Bündniß würde den Frieden Europas sichern. Angenommen, es wäre so, dann würde das jezt gar nicht bedrohte Österreich den Haß Frankreichs auf sich laden und dadurch von Preußen unbedingt abhängig werden. Aber wäre der Friede dann in der That so sicher? Es wäre denkbar, daß gerade das Wort Coalition Frankreich zum Losbruch reizte. Es wäre kein erfreuliches Schicksal, wenn wir besiegt würden. Aber wenn wir siegten, was gäbe uns Preußen dann? Können wir es darauf ankommen lassen, daß uns Preußen dann ein Exemplar des Prager Friedensvertrags in die Hand drückte, mit schönem Dank für dessen Vertheidigung ?" 1)

Werther und Tauffkirchen bedauerten nach dieser Rede, daß Beust die vorgeschlagene Allianz ablehne. Beust fiel ein, er verwahre sich bestimmt dagegen, daß er dies gejagt habe, würdigte auch dann aber die angebotenen Garantien

1) Aus Beust's Depesche an Graf Wimpfen in Berlin, 19. April.

feiner weitern Erwähnung. Er war weit entfernt von dem Gedanken einer preußischen Allianz; im Gegentheil, so sehr er zur Zeit den Frieden nicht bloß für Österreich, sondern in ganz Europa zu erhalten wünschte, so hoffte er für die Zukunft Preußen zu isoliren, Rußlands Gunst durch ein Anerbieten zu gewinnen, die für dieses so lästigen Bedingungen des Pariser Friedens aus der Welt zu schaffen1), und zugleich nach einem französischen Schußbündniß zu streben, zu welchem dann Napoleon vielleicht auch Italien herbeibringen könnte. In solchem Sinne erzählte er jezt dem Herzog von Gramont, wie nachdrücklich er Tauffkirchen's Mittheilungen abgewiesen habe 2). „Es gibt Handlungen, habe er dem bayerischen Agenten gesagt, die man im Angesicht Europas sich nicht ohne Entehrung erlauben darf. Vor kaum zehn Monaten hat Napoleon Wien und die Unverleßlichkeit unseres Gebiets gerettet, und heute wagt man uns zu einem Bunde gegen Frankreich aufzufordern? Nie wird Kaiser Franz Joseph sich zu einer solchen Ungeheuerlichkeit herbeilassen; er wird nicht begreifen, wie man ihm eine Zumuthung dieser Art hat stellen können.“

So tapfere Freundesworte blieben nicht ohne Einfluß auf Napoleon, der Tag für Tag zwischen Zorn und Refignation auf und nieder schwankte, nach dem Verzichte auf Landerwerb aber mit wachsender Ungeduld der Lösung der Krisis durch die Räumung der Festung entgegen sah. Am

1) Er hatte bereits am 1. Januar 1867 eine Revision dieses Friedens bei Gortschakoff in Anregung gebracht, aber freilich kein Entgegenkommen gefunden, da er nur eine Revision durch einen neuen Vertrag der Großmächte vorgeschlagen, nicht aber die Unterstüßung eines einseitigen Vorgehns Rußlands versprochen hatte.

2) Rothan 338.

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Wachsende Kriegsgefahr. Die welfische Legion. 129

15. April hatte er im Sinne des Friedens diesen Ausweg ergriffen; schon am 17. aber erklärte er, als ihm Österreichs Vermittlungsvorschläge amtlich vorgelegt wurden, ihm sei jede Lösung genehm, nach welcher Preußen die Festung räume; jedoch, seßte er hinzu, die Entscheidung muß rasch erfolgen, denn nicht lange mehr kann ich die Anwesenheit der Preußen in Luxemburg dulden. Die kriegerische Stimmung hatte wieder Oberwasser gewonnen. Nicht eben mit großen Hoffnungen, immer aber mit entschiedenem Wohlgefallen nahm er damals die Anträge zweier Agenten des Königs Georg von Hannover entgegen, die ihm ein Angriffsbündniß mit dem vertriebenen Monarchen gegen Preußen vorzuschlagen hatten. Sie schilderten ihm die große Militärverschwörung, die ganz Hannover mit ihren Neßen überspannt und Soldaten und Bauern mit brennendem Eifer zum Aufstande erfüllt habe. König Georg habe sich mit den von Preußenhaß erfüllten Demokraten Süddeutschlands verbündet: wenn Napoleon Geld und Waffen zur Verfügung stelle, würden im Augenblick der Kriegserklärung 20000 hannoversche Soldaten nebst ihren Officieren nach Holland übertreten, König Georg selbst sich an ihre Spize stellen, und als Vortrab der französischen Befreier in Deutschland einrücken. Napoleon's Vertrauen zu diesen Helfern, wie gesagt, war mäßig, immerhin aber waren es erfreuliche Möglichkeiten, die sich hier eröffneten. Als nun Bismarck, unaufhörlich von England gedrängt, am 18. April nach London antwortete, seinerseits wolle er den österreichischen Vorschlägen nicht widersprechen, noch aber sei die öffentliche Meinung in Deutschland nicht beruhigt genug, um ihm eine amtliche Entschließung bereits zu verstatten: da fand es Napoleon angemessen,

v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI.

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die scharfe Seite hervorzukehren. Der Kriegsminister, Marschall Niel, rief alle beurlaubten Officiere und Unterofficiere zu ihren Truppentheilen zurück; einige Tage später fand in ganz Frankreich eine Musterung der Reservisten Statt, und eine officiöse Zeitung, der Constitutionel, brachte eine Erklärung, daß die politische Lage bedenklich geworden sei 1).

Da weder König Wilhelm noch Bismarck vor einer Drohung zurückzuweichen pflegten, so war zum zweiten Male der Krieg in nahe Aussicht gestellt.

Es war Kaiser Alexander von Rußland, welcher jett entscheidend zu Gunsten des Friedens eingriff. Auf eine vertrauliche Erkundigung hatte er auch in Berlin günstige Antwort erhalten, und obwohl Anfangs ebenso wenig wie England zur Einmischung geneigt, erklärte er jegt dem Londoner Hofe, das einzige Mittel, Europa vor einem gewaltigen Kriege zu bewahren, sei ein verbundenes Auftreten. der Großmächte. Die neutralen Höfe seien einstimmig darüber, daß mit der Auflösung des deutschen Bundes Preußens Besatzungsrecht in Luxemburg weggefallen sei. Wenn die Mächte dies als Rechtsansicht Europas aussprächen, so müßte die öffentliche Meinung in Deutschland sich dabei beruhigen.

Hienach schlug Rußland eine Conferenz der Großmächte vor, die in London auf der Basis der von Europa zu garantirenden Neutralität Luxemburgs, wonach sich der Abzug der Preußen aus der Festung von selbst ergäbe, zusammentreten sollte. Es war der erste Schritt zum Ausgleich; jedoch war auf dem Wege dorthin noch manches Hinderniß zu überwinden.

1) Marschall Niel erklärte der Kammer am 16. Juli 1867, Frankreich habe am 1. April 385000, am 15. Mai aber 455 000 Mann unter den Fahnen gehabt. Also eine Vermehrung von 70000 Mann, wenn die Zahlen richtig waren.

4. Capitel.

Abschluß der norddeutschen Bundesverfassung.

Unmittelbar nach der Beantwortung der Interpellation Bennigsen, am 1. April, trat der Reichstag in die Berathung der einzelnen Verwaltungszweige ein, deren Leitung oder Beaufsichtigung der Bundesgewalt anvertraut werden sollten.

Der erste dieser Abschnitte, Zoll- und Handelswesen, wurde rasch erledigt. Sein Hauptgedanke, Verschmelzung aller Bundesstaaten zu einem festen Zollverein, mit einziger Ausnahme der Hansestädte, deren Freihafen-Stellung unberührt bleiben würde, bis sie selbst die Aufhebung beantragten, war nicht bloß populär, sondern erschien selbstverständlich. Auch die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs über Zölle, indirecte Steuern, Competenz des Präsidiums und des Bundesraths auf diesem Gebiete machten keine Schwierigkeit.

Man gelangte sofort zu dem folgenden Abschnitt über das Eisenbahnwesen. Der Entwurf gab hier der Bundesgewalt das Recht, Eisenbahnen zu militärischen Zwecken selbst zu bauen und zu verwalten, überließ dies Recht im Übrigen den Regierungen der Einzelstaaten und behielt dem Bunde nur eine allgemeine Aufsicht, wie Einwirkung auf Gleichheit

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