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bessere ersetzt werden schon aus dem Grunde, damit Text und Bild nicht allzu stark kontrastieren. Die begeisterten Worte zu Fig. 150 und 152 finden in dem, was auf den Bildchen wirklich zu sehen ist, doch gar zu wenig Stütze. Die Analyse von Einzelheiten (wie z. B. im Gesichtsausdruck der Athena Lemnia S. 61) verlangte öfters die Beigabe eigener Detailansichten. S. 69 würde weit besser die Londoner Karyatide, wie S. 54 versprochen war, allein und deutlich gegeben als das Bild der ganzen Halle, auf dem Einzelheiten der Plastik nicht mehr zu erkennen sind.

Der Text zeigt das löbliche Bestreben der Verständnisstufe der Leser Rechnung zu tragen und nirgends zuviel vorauszusetzen, könnte aber ein Plus nach dieser Richtung inmerhin noch ganz gut vertragen. An vielen Stellen wäre namentlich etwas gröfsere und tiefer eindringende Ausführlichkeit zu wünschen. An kunsthistorischen Fachausdrücken sollten solche Bücher gar nichts voraussetzen, sondern einen jeden bei seiner erstmaligen Verwendung gleich erklären und verständlich machen. Da das Buch „das Wort des Lehrers ganz (!) ersetzen und auf die beim Leser auftauchenden Fragen über Form und Inhalt, über die kunstgeschichtliche Einordnung und den Wert der behandelten Werke völlig (!) erschöpfende Auskunft geben möchte“ (S. V), so ist mit so aufserordentlich knappen Notizen wie zu Fig. 15, 58 (Akropolis), 118/9, 140, 141 u. a. recht wenig getan. Weiterer Ausbau der Texte, Beseitigung gewisser Ungleichheiten und mancher Unstimmigkeiten, Behebung einiger Irrtümer in Beschreibung und Deutung (wie z. B. im Texte zu Fig. 35, 60, 144) werden dem nützlichen Buche noch zu statten kommen. Sehr treffend, anregend und klärend sind die vergleichenden Ausblicke und die Streiflichter, die der in der Kunstgeschichte wohlbewanderte Verfasser häufig von den Erscheinungen in der antiken Kunst ausgehend auf Ähnliches in späteren Epochen oder auf verwandte Gebiete wirft. Auch solche sachlich anziehende crustula, wie sie beispielsweise S. 37, 94, 120 gebracht werden, dann die kurzen Hinweise auf die Kulturzustände, aus denen ein Kunstwerk hervorgegangen ist oder die es widerspiegelt, liefsen sich leicht noch vermehren; sie würden beitragen das Buch bei den Schülern zu einem gern gelesenen und immer wieder hervorgeholten zu machen.

Druckfehler und Versehen sind nicht selten und gar manche sind in dem (auch nicht allen Exemplaren beigegebenen) Verzeichnisse noch nicht vermerkt. Der Skiagraphos S. 116 heifst Apollodor, S. 72 ist unten argivisch-sikyonisch zu lesen, zu Fig. 108 fehlt die Notiz „in Rom“ In dem Texte zur Fig. 5 hätte bei der Besprechung der Anlage des ägyptischen Tempels die gegen das Allerheiligste zu immer mehr sich steigernde Dunkelheit der Räume eine Erwähnung verdient; denn gerade darin kommt die Idee des ägyptischen Tempelbaus, der Gedanke eines allmählichen Eindringens in die göttlichen Geheimnisse, eines Gottsuchens zum klarsten Ausdrucks. Stilistisch hart sind die allzu häufigen gröfseren Einschaltungen, die den Flufs des Satzes wie den Gang der Gedanken oft unangenehm unterbrechen.

Als eine eigenartige und wertvolle Beigabe ist dem Buche

S. 1-13 eine „,,ästhetische Vorschule" vorangestellt. Sie gibt nicht etwa unfruchtbare Erörterungen über das Schöne, sondern stellt wichtige allgemeine Gesichtspunkte auf, die den Schüler befähigen sollen zu Werken der bildenden Kunst Stellung zu gewinnen; sie gibt ihm Fingerzeige, worauf es bei der Betrachtung und Beurteilung besonders ankommt. Dafs freilich auch die ausführliche Wiedergabe der philosophischen Annahmelehre Meinong-Möller für Gymnasiasten besonders fördernd oder interessant sei, läfst sich kaum ,,annehmen". Dafür aber sind andere kurze Erörterungen z. B. über Stilisieren und Idealisieren, über die Gruppen der Malerei nach ihren Stoffen, dann das über Landschaftsmalerei, Porträt u. a. Vorgetragene sehr instruktiv. Die S. 13 aufgestellten Regeln für Kunstbetrachtung dürfte auch mancher angehende Kunstlehrer mit Gewinn lesen. Sie gehen auf Strzygowskis Methode bei den Übungen für Anfänger in seinem kunstwissenschaftlichen Institute an der Grazer Universität zurück. Diesem auch um die Kunst in der Schule hochverdienten Gelehrten ist denn auch Möllers Buch gewidmet.

Die aufsere Ausstattung ist gediegen und vornehm, in der freigebigen Einfügung eigener Titelblätter vor jeder Abteilung sogar luxuriös. Künftig sollte doch auch noch ein Inhaltsverzeichnis beigegeben werden.

Fafst man all dies zusammen und richtet man den Blick mehr auf das Ganze der Leistung als auf Einzelheiten, so mufs man das Buch als eine sehr erfreuliche, dem Verfasser wie dem Verleger Ehre machende Erscheinung begrüfsen. Der berufene Verfasser, der die Bedeutung der Kunst für die ganze Erziehungsarbeit richtig erkannt und S. VIII auch kurz dargelegt hat, hat mit diesem 1. Bande, dem hoffentlich recht bald die übrigen folgen, der Gymnasialarchäologie einen guten Dienst getan. Das Buch mit seinen taktvoll gewählten Bildern kann unbedenklich jedem Gymnasiasten in die Hände gegeben werden und sollte in den Schülerbibliotheken unserer Gymnasialklassen VI bis IX nicht fehlen.

Dr. Anton Kisa, Die Kunst der Jahrhunderte. Bilder aus der Kunstgeschichte. Berlin und Stuttgart, W. Spemann, o. J. VII u. 820 S. 8° mit 32 Tafeln. Geb. M 10.50.

Der Verfasser dieses stattlichen Bandes setzt sich in einen bewufsten Gegensatz zu den meisten für das Laienpublikum bestimmten Kunstpublikationen der neueren Zeit, die nach seiner der Berechtigung nicht ganz entbehrenden Ansicht vor lauter Bilder fülle nicht selten das erläuternde Wort allzusehr in den Hintergrund treten lassen. Er will dagegen dem Worte den breitesten Raum geben und möchte das Verständnis der Kunstwerke fördern durch Schilderungen der grofsen Künstlerpersönlichkeiten, der Zeitumstände, durch welche die Schöpfungen bedingt wurden, der Epochen, denen sie den Stempel aufdrückten. Ähnlich einem biographisch gehaltenen Geschichtsunterricht will er den Gang der Gesamtentwicklung in Einzelbildern aus der Kunstgeschichte geben. Von der Urzeit Europas ausgehend durchwandern wir an der

Hand des Verfassers das Kunstschaffen im Nilland und in Mesopotamien um sodann für längere Zeit im Gebiete der griechischen Kunst zu verweilen. Über Pompeji und die Spuren des antiken Kunsthandwerks am Rhein sowie die altchristliche Kunst geht die weitere, keineswegs geradlinige Wanderung durch das ganze Mittelalter und durch die Renaissance in Italien. Ein in Aussicht gestellter 2. Band soll schildern, Wie die Renaissance über die Alpen kam", und den Leser bis zur Gegenwart herabführen.

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Das Buch ist gedacht,,zur Lektüre im häuslichen Kreise und zum Vorlesen beim Unterricht". Schon der letztere Passus allein zeigt, dafs der Verfasser, vormals Museumsdirektor in Aachen, jetzt Schriftsteller in Godesberg a. Rh., dem praktischen Schulbetrieb von heute und seinen Erfordernissen ferner steht. Trotzdem ist der Berichterstatter mit freudigen Erwartungen an das Buch herangetreten; er hoffte darin zu finden, was die Schülerbibliotheken unserer obersten Gymnasialklassen so gut brauchen könnten, lebensvolle, anziehende Schilderungen jener Zeiträume und Kulturgebiete, in denen die Kunst die Dominante bildete, eindringende und fesselnde Vorführung wenigstens der bedeutendsten und bezeichnendsten Kunstwerke jener Zeiten, Länder und Völker mit Aufzeigung der inneren Zusammenhänge zwischen allgemeiner Kulturentwicklung und Entfaltung der bildenden Künste. Würden dabei auch noch die hervorragendsten Künstlerpersönlichkeiten dem Leser in ihrem Streben und Ringen, Wollen und Vollbringen nahe gebracht und vertraut; könnte er ferner im steten selbsttätigen Vergleichen von Bild und Wort auch in die Sprache der bildenden Kunst sich einlesen, sein Auge schärfen, seinen Geschmack veredeln: so würde die Lektüre eines solchen Buches gewifs ebenso angenehm als nützlich, ebenso förderlich für die Vertiefung geschichtlichen Wissens und Verstehens als für Weckung von Kunstsinn und Kunstfreude werden. Beim ersten Durchsehen erweckten namentlich die Bilder des Buches günstige Erwartungen: sie weisen manche Vorzüge auf, die man in ähnlichen Publikationen vergeblich sucht. Sie meiden alles für die heranreifende Jugend Ungeeignete und sind auch in lehrhafter Hinsicht gut gewählt und ausgeführt: es sind lauter ganzseitige, klar und zumeist in angenehmen Tönen gedruckte Autotypien, die auch im Detail nicht versagen. Leider sind es nur wenige, so dafs beispielsweise auf das ganze Altertum und das Mittelalter bis zur Gotik (also auf 448 Seiten Text) nur fünf treffen. Diesen Mangel sollen Hinweise auf,,Das Museum" ersetzen, die bekannte grofse Bildersammlung und Anleitung zum Genusse der Werke bildender Kunst von Wilh. Spemann. Allein diese Hinweise sind von sehr zweifelhaftem Werte; nur die allerwenigten Leser von Kisas Buch werden die zahireichen Bände jener umfänglichen und teueren Publikation zur Verfügung haben.

Leider haben sich die gehegten Erwartungen beim eingehenderen Studium des Buches nicht erfüllt. Es bringt zwar eine Masse von zum Teil recht interessantem Lesestoff von überallher und unter Berücksichtigung auch der neuesten Funde, es enthält eine bunte Fülle

Blätter f. d. Gymnasialschulw. XLIV. Jahrg.

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von Einzelaufsätzen, Exzerpten und Materialien zur bildenden Kunst und zu ihren näheren und ferneren Nachbargebieten. Aber mag man auch noch so weitherzig sein und einen solchen Strom von Erörterungen der verschiedensten Art als Lesestoff für die älteren und gereifteren Schüler wenigstens nicht a limine abweisen: hier fehlt es doch allzusehr an aller Komposition, an jeder Richtung auf ein bestimmtes, klar gesehenes Ziel. In uferloser Breite dahinflutend, ohne Wahl alles mögliche an Rohstoffen hereinziehend und mitschleppend, so rauscht die trübe und ungeklärte Überschwemmungsflut in Wirbeln dahin und - an einem kritisch ungeschulten Leser ohne rechten Nutzen vorbei. Dabei wird die Rücksicht auf diesen und auf seine wirklichen Bedürfnisse nicht selten aus dem Auge verloren. Was soll ihm die lange Rechnerei über die vermutliche Gröfse des Zeus in Olympia, die Aufzählung aller Basiliken Roms und Ravennas, der breitspurige Abdruck der Übersetzung von Ilias 18 v. 468-618 (Schild des Achilleus), wenn darauf nur etwas mehr als eine Seite recht magerer Erläuterung gegeben wird? Was soll für Nichtfachleute das Schwelgen im winzigsten Detail und in terminis technicis bei der Darstellung der griechischen Säulenordnungen noch dazu ohne jede Veranschaulichung? Das grofse Ganze, die bestimmten Linien der Entwicklung einerseits und der feste, klare Eindruck des Einzelwerkes andrerseits verschwinden nur allzuoft unter dem Wust von Kleinkram an Notizen.

Ebensosehr hindern aber auch die zahllosen sachlichen Versehen und die sprachlichen Unkorrektheiten das Buch zur Aufnahme in die Schülerbibliotheken empfehlen zu können. Die Kommasetzung und die Rechtschreibung, namentlich die der griechischen Eigennamen und Lehnwörter, ist merkwürdig souverän behandelt, Schönheitsfehler durch Druckversehen sind ungewöhnlich häufig. Peloppones kehrt mehrmals wieder, ebenso vaóg statt vaós; entstellte Eigennamen wie Phaistros und Plateä, Rhamnos und Roikos, Apheia und Skropas, Panaus (st. Panainos) und Erechteion finden sich massenhaft. Kyma und Sima (in der Architektur) werden beide unterschiedslos bald als Feminina bald als Neutra gebraucht, die Mondgöttin heifst S. 165 bald Selene bald Semele, in Olympia steht nach S. 119 ein Schatzhaus des Sikyon, nach S. 203 ist Sikyon gar eine Insel. Auf S. 138 wird die Athene Lenormant (natürlich auch noch mit Druckfehler im Namen) fortwährend mit der vom Varvakeion verwechselt. Auch sonst gäbe der Inhalt des Buches im einzelnen noch ebenso oft als seine sprachliche Form Anlafs zu Einwendungen. Auch bei der Auswahl der Lektüre für die Jugend mufs gelten: summa est habenda puero reverentia. So müssen wir uns denn weiter gedulden, bis wir ihr geeigneten Lesestoff auch aus dem Gebiete der bildenden Kunst werden bieten können. Denn die beiden folgenden, in mancher Hinsicht vortrefflichen Werke kommen eben doch nur für die Lehrerbibliotheken in Frage.

Professor Dr. Berthold Haendeke, Kunst analysen aus neunzehn Jahrhunderten. Ein Handbuch für die Betrachtung von Kunstwerken. Braunschweig 1907. George Westermann. 276 S. kl. 4°. Mit über 200 Abbldgn. Geb. M 10.

Niemand spricht öfter und mehr von Gesundheit und ihrer Betätigung als der Kranke; zu keiner Zeit wurde mehr und sehnsüchtiger über bildende Kunst gesprochen und geschrieben als in der unsrigen. Lebhaftes Interesse dafür und allerlei kunstgeschichtliche Kenntnisse sind auch wirklich in unsern Tagen schon weit verbreitet; dagegen lässt sich aber auch noch bis tief in die Kreise der Gebildeten hinein gar häufig die Beobachtung machen, dafs vorläufig nur wenige auch schon die Fähigkeit haben, vor ein Kunstwerk gestellt selbständig dessen künstlerische Absichten verstehen, seinen inneren Aufbau erfassen, seine besonderen und ausschlaggebenden Qualitäten erschauen und erkennen und seine Werte bewufst empfinden zu können. Und doch wird man ohne das, ohne die Kunst des Sehens, zu rechtem Vollgenufs ihrer Werke nicht gelangen. Nur dann kann man auch zu einem eigenen, selbständigen und wohlbegründeten Urteil kommen. Und daran fehlt es in unsern Tagen noch sehr merklich gerade auf diesem Gebiete, wo Meinungsmache, Nachbeterei und Herdengeist noch allenthalben ihre fetteste Weide finden. Die Kunst des rechten Sehens beizubringen mufs also für jede Einführung in bildende Kunst ein Hauptziel sein; sie ist daher auch ganz natürlich ein Hauptvorbedingnis für jeden Kunstlehrer. Anregung und Anleitung dazu und gute Übung bietet nun das Buch von Haendcke in reichem Masse.

Eine grofse Anzahl von einzelnen Kunstwerken, etwa 200, wird im Bilde vorgeführt und einer meist kurzen, aber keineswegs ungründlichen Analyse unterzogen. Die stattliche Reihe umfafst die Gebiete der Architektur, Malerei und Plastik und zwar vom basilikalen Kirchenbau der ersten christlichen Jahrhunderte anfangend bis zu den allerneuesten Schöpfungen unserer Tage. Die Abbildungen, für ein derartiges Werk und seine Absicht ein Punkt von geradezu ausschlaggebender Bedeutung, sind ausnahmslos gut, viele sogar ausgezeichnet. Sie zeigen zumeist auch genügende Gröfse; bei der Blutenburger Madonna, dem B. Colleoni freilich u. a. ist sie unzulänglich. Viele Hauptwerke sind in ganzer und teilweise sogar doppelter Seitengröfse reproduziert; das ergibt dann bei dem stattlichen Format des Buches vortreffliche, für das Studium sehr geeignete Bilder, die auch über das Detail genügende Auskunft geben. Auch die farbigen Wiedergaben sind wohl gelungen. Dieser illustrative Reichtum macht das Buch namentlich für solche Lehrerbibliotheken, in denen es an gröfseren Bilderwerken noch fehlt, zu einem praktischen und vielfach verwertbaren Besitz.

Die Auswahl und Anordnung sowie die Art der Besprechung der Einzelwerke, die im gangen chronologisch, innerhalb der Perioden aber nach Ländern, Schulen, Meistern u. a. gruppiert ist, ermöglicht es dem Leser recht wohl, auch eine Übersicht über die ganze Kunstentwicklung in den christlichen Jahrhunderten zu gewinnen. Doch ist es dem Verfasser nicht in erster Linie um Übermittlung blofser kunstgeschichtlicher Kenntnisse zu tun, sondern er will bei nur loser historischer Verbindung der einzelnen Werke besonders künstlerische Fragen im engeren Wortsinn sachlich erörtern. Die Absichten und

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