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geprüft und dabei hier wie auch sonst über einen Kernpunkt der Aristarchischen Arbeitsmethode hinweggesehen hat so viel wie möglich nicht fertige Resultate zu verkünden, sondern dieselben auf dem Wege eingehendster und schärfster Argumentation zu begründen, die darum nur solche Stellen als beweiskräftig heranzieht, welche es auch in Wirklichkeit sind.

Freilich, ob Aristonicus selbst von diesem Kernpunkte auch nur eine Ahnung hatte, ist eine wohl aufzuwerfende Frage und muss eine eingehende Untersuchung klarlegen.

Bei diesen allüberall in dem Werke von Lehrs und fast durchweg zu beobachtenden Verfahren war es unausbleiblich, dafs eine Reihe und zwar keine kleine Reihe von Artikeln, z. B. unter Mythologica, wissenschaftlich ganz und gar unzulänglich, von den stärksten, Ruf und Ansehen Aristarchs aufs äufserste blofsstellenden Mifsverständnissen1) durchsetzt und das Ganze geradezu unverantwortlich lückengar vom „Cestus Veneris" S. 194 am Schlusse des ganzen Abschnittes hervorgehoben werden als vielmehr das Hereinziehen von ganz und gar Ungehörigem in dieses Kapitel. Was hat z. B. die xavédpa der Athene und Hera mit Mythologie zu tun? Ebensowenig wie die 'Hypaiótótevzta S. 174 mit Mythologie auch nur einen Berührungspunkt haben. Mythologisch sind auch die Bemerkungen über Andromache und Astyanax S. 176 durchaus nicht und gehören klärlich in ein ganz anderes Kapitel.

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1) So müssen und können wir Aristarch von der unglaublichen Borniertheit erlösen, welche der Unverstand des Aristonicus ihm aufgebürdet; denn unter ἱππότα L. S. 105 Gguriert unter den νεώτεροι (scil. ποιηταί), wie der genauere Nachweis zeigt, auch Euripides, dem also ein Aristarch die Gleichsetzung ἱππότα poyas zugemutet hätte (cf. Philolog. LXV p. 34). Und ferner auch von der weiteren auf Grund der von L. selbst S. 186 zum Abdruck gebrachten Stelle des Strabo (Apollodor), der die Um- und Weiterdichtung Pindars unter dem Banne derselben falschen Auffassung dem Mifsverständnis von B 670 zuschreibt. An so etwas hat Aristarch auch nicht im entferntesten gedacht. Vielmehr hat er die Weiterbildung ganz anders gebucht; ein prächtiges Analogon bietet Eustath. 1710, 40 zu μ 169, welche Verse ich nachzulesen bitte: ἐνταῦθα, φασὶν, οἱ παλαιοί, ὡς ἐντεῦθεν λαβὼν Ἡσίοδος ἐμυθεύσατο ὑπὸ Σειρήνων καὶ τοὺς ἀνέμους Jélyεodai. Also er konstatiert durchaus kein Mifsverständnis, sondern nur eine Anregung (nach unserem heutigen Wissen haben wir am Ende eher eine Um dichtung des homerischen Sängers festzustellen). Was aber noch weiter Lehrs seinem Aristarch zugetraut und zugemutet, zeigt die zweimal S. 189 und „Popul. Aufsätze" p. 44 nur dem Aristonicus nachgebetete Behauptung von einem noch gröberen Mifsverständnis Pindars zu 527 ff., das die genauere Prüfung unserer Quellen vom Sündenregister Aristarchs ebenfalls streichen muss.

Längere Artikel wie Achilleus, Odysseus, *Sarpedon u. a. bekommen durch kritische Sichtung und Verwertung aller unserer Quellen ein ganz anderes Gesicht. Bei manchen ist nichts falsch als alles, z. B. bei Athene.

Die Beweise und zwar die unwiderleglichen Beweise für unsere Behauptungen liefern die kritisch geprüften und richtig verstandenen und verwerteten Quellen, die man allerdings nicht blofs im Venet. A und der durch Aristonicus allein vertretenen und auf das niedrigste Niveau des Erklärungssystems, der oqueiwo15 zugeschnittenen Überlieferung suchen darf.

Wir kommen allmählich, wenn auch hübsch langsam, wofür der „Philologe" Gudemann ein beredter Zeuge ist (cf. Pilolog. LXVII [N. F. XXI] S. 239 Anm.) von einer Überschätzung des Didymus zurück. Der nächste und wichtigste Schritt ist eine Erlösung von Aristonicus, an den ja bekanntlich nur Sengebusch wie an ein Evangelium geglaubt hat, entweder von ihm selbst, d. h. von seinen eigenen oder übernommenen traurigen Mifsverständnissen und insipiden

haft,1) mit einem Worte eines Aristarch ganz und gar unwürdig ist. Dabei soll des allerwichtigsten Umstandes nur nebenbei gedacht werden, dafs die von Lehrs beliebte und ganz und gar ungerechtfertigte Ausschaltung einer unbedingt gebotenen allgemeinen Orientierung über die Grundsätze der Aristarchischen Mythenforschung, über seinen Standpunkt, seine Deutungen, von welchen uns doch hin und wieder unsere Quellen berichten, über den Begriff verεgoι u, a., dafs diese allerdings äusserst bequeme Unterlassungssünde Forscher allerersten Ranges zu recht bedenklichen Irrtümern über Aristarchs Mythenforschung geführt hat, für welche diese gewifs nicht in allererster Linie verantwortlich zu machen sind.

Aber auch die kritische Durchforschung und Behandlung der anderen einzelnen Kapitel die Akzentlehre ausgenommen - liefert nur das eine sichere und unumstöfsliche Ergebnis, dafs für die wissenschaftliche Forschung die Parole nur lauten kann: nicht Erneuerung, nicht Nacharbeit von Lehrs, sondern Erlösung von Lehrs-inhonorem Aristarchi!

Denn bei aller Achtung vor den unvergänglichen Verdiensten des Königsberger Gelehrten auf diesem Gebiete — ὅσιον προτιμᾶν τὴν ἀλήθειαν zu Ehren Aristarchs!

III.

Dieses ὅσιον προτιμᾶν τὴν ἀλήθειαν lenkt uns auch zum Schlusse nochmals zurück zu dem Aufsatz, von dem wir ausgegangen. In demselben heifst es S. 235 Anm. 2: Aristarch sah sich bei seiner streng kritischen Methode Ὅμηρον ἐξ Ὁμήρου σαφηνίζειν nur siebenmal genötigt der Einheitlichkeit des Kulturbildes der Ilias und Odyssee halber in den Text einzugreifen" mit Verweis auf die Abhdl. S. 5.

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Man könnte darauf wetten, dafs alle, die das gelesen, ganz sicher davon den Eindruck bekamen mir ist es wenigstens so gegangen -, dafs Aristarch da Attentate verübt, Lesarten eingeführt hat oder so Schwindeleien, oder von den starken Alterierungen, die sein Werk im Laufe der Zeit erfahren. Dieser Schritt mufs für Aristarch gewagt und gemacht werden.

Gegenüber den von mir und andern auf der Basis des kritisch nicht gesichteten Materiales abgegebenen Ausstellungen, Bemängelungen und Urteilen über den grofsen Exegeten und Kritiker wird es von dem Gelingen dieses Versuches abhängen, dafs Aristarch wieder auf den Platz gesetzt wird, den ihm in richtiger Schätzung das Altertum angewiesen und den er wirklich verdient. Natürlich mufs die gründliche und scharfe Herausarbeitung aller Seiten und Grundsätze seiner exegetischen und kritischen Tätigkeit zu einem klaren Gesamtbilde der Darbietung der Einzelresultate vorausgehen. Dasselbe dürfte wohl zur Evidenz erweisen, was es denn mit der allerneuesten und von Frommgläubigen natürlich nachgebeteten Offenbarung auf sich hat, dass Apollodor von Athen es gewesen, der unsere Wissenschaft im Altertum vor Formalismus und Schablonismus gerettet hat.

Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dafs die hier vorgetragenen Erörterungen keine polemische Spitze gegen den letzten Herausgeber des Aristarch haben sollen; denn die unbedingt gebotenen stärkeren Eingriffe von seiner Seite wären sicherlich nicht blofs mir als eine Pietätslosigkeit erschienen.

1) Nach ungefährer Schätzung fehlen nicht weniger als 20 oder 30 stellenweise ganz ausgezeichnete Artikel.

etwas. Sieht man nun aber die Abhdl. nach, so wollte Verf. damit sagen und das sollte er auch, „Auf Grund der genauen Beobachtungen über das os war Aristarch in der glücklichen Lage gegen das homerische os stark verstofsende Einschübe aus späterer Zeit zu entdecken und zu entfernen". Und zwar fünf, nicht sieben, denn 2 304, 476 fallen weg. Darüber ist ein Wort weiter nicht zu verlieren. Ferner, was zum Teil gegen Ludwich vom Verf. bemerkt ist, kann die Lehre vom lover durch aоévo jeden Augenblick als grobe Fälschung von Aristarchs Ansicht nachgewiesen werden. Dadurch wird er auch von dem blöden Gerede des Schol. zu d 252 S. 29 entlastet.

Erlangen.

Dr. Adolph Roemer.

Differenzierung der Zielleistungen im französischen und englischen Unterricht an den Oberrealschulen.1)

M. H. Den beiden neueren Fremdsprachen, dem Französischen und Englischen, sind in dem neuen Lehrprogramm für die bayerischen Oberrealschulen dieselben Lehraufgaben und dasselbe allgemeine Lehrziel zugewiesen. Darnach steht zu erwarten, dafs die noch nicht veröffentlichten schriftlichen Zielleistungen für das Absolutorium auch identisch sein werden. Und doch haben die beiden Sprachen verschiedenen Unterrichtsbeginn, verschiedene Stundenzahl, sie haben verschiedene Funktionen an den O.-R.-S. zu erfüllen und auch die inneren Vorzüge dieser Sprachen sind wesentlich von einander verschieden.

Während der franz. Unterricht sich von der untersten bis zur obersten Klasse erstreckt und über 37 Wochenstunden verfügt, beginnt das Englische erst in der 5. Klasse und seine Gesamtstundenzahl beträgt nur 19, also ungefähr nur die Hälfte des Französischen. So verschieden schon die aufsere Ausstattung ist, nicht minder verschieden sind die beiden Sprachen in ihrem inneren Werte und in ihren Aufgaben, die sie an den O.-R.-S. zu lösen haben.

Der Unterricht in den neueren Fremdsprachen an unseren höheren Schulen, besonders den O.-R.-S., hat einen doppelten Zweck: 1. Die praktische Spracherlernung, d. h. eine bescheidene Fähigkeit im Lesen, Schreiben, Sprechen und Verstehen der Fremdsprache, 2. Das Eindringen in das Geistes- und Kulturleben der fremden Völker. Die praktische Spracherlernung kommt hauptsächlich den unteren und mittleren Klassen zu, während auf der Oberstufe die Lektüre den Mittelpunkt des Unterrichts bilden mufs. Dieses allgemeine Lehrziel, der richtige Ausgleich zwischen Fertigkeit und Bildung, haben die beiden. Sprachen gemeinsam. Daneben aber hat das Französische an den O.-R.-S. noch eine besondere Mission: es soll, wie das Lateinische an

1) Vortrag gehalten auf der V. Hauptversammlung des bayerischen Neuphilologen-Verbandes in Würzburg vom 12.-14. April 1908. Vgl. den Bericht über diese Vers. unten unter Miszellen.

Gymnasien, durch eine sachgemäfse grammatische Schulung die formale Bildung übermitteln, d. h. der Schüler soll durch den Einblick in die grammatischen Regeln und Gesetze, in das ganze System der Grammatik im sprachlich-logischen Denken geübt werden.

In neuerer Zeit sind Stimmen laut geworden, die, wie Prof. Ruska-Heidelberg1) und auch die badische Oberschulbehörde, verlangen, man solle den fremdsprachlichen Unterricht mit dem Englischen beginnen.

Diese Forderung ist entschieden abzuweisen. Zur sprachlichlogischen Schulung, die für jede Schulgattung nur mittels einer Sprache konsequent durchzuführen ist, ist das Französische aus folgenden Gründen viel geeigneter als das Englische:

1. Die franz. Grammatik hat vor allem straffere, festgefügte Regeln, an denen der jugendliche Geist weit mehr zum logischen Denken erzogen werden kann. Man kann leichter und entschiedener als im Englischen sagen: das ist recht, das ist falsch. Wie man im Lateinischen zwecks formaler Bildung sich auf die Sprache Ciceros und Cäsars 2) beschränkt und die Ausdrucksweise der anderen Zeitgenossen nicht mehr für klassisch erklärt hat, so ist auch im Französischen die Regellosigkeit und persönliche Willkür dadurch eingeschränkt worden, dafs die Sprache durch die Académie française stets kontrolliert und fixiert wurde. Gegen dieses Prinzip der Festlegung des richtigen Sprachgebrauchs verstöfst auch nebenbei bemerkt das Leygues'sche Toleranzedikt, das ein Prinzip der Duldung in Dingen aufstellt, die mehr als alles andere einer festen Regelung bedürfen. Es soll diese Toleranz jugendlichen Lernenden gegenüber angewendet werden, für die nichts schädlicher ist als Tasten, Unsicherheit, Unbestimmtheit (vgl. meine Reform-Literatur Heft III p. 141).

Im Gegensatz zum Französischen ist das syntaktische System im Englischen gemischt. Dadurch dafs es teils den romanischen teils den germanischen Gebrauch, zuweilen beides aufgenommen hat, ist die Fassung der Regeln viel lockerer, vgl. nur The Earl of Grey und Earl Grey, the Poem of Mazeppa und the Poem Mazeppa, I give my brother a book und I give a book to my brother etc.

2. Das Französische ist infolge seines logischen Aufbaues viel klarer und durchsichtiger: ce qui n'est pas clair n'est pas français. Diese Klarheit ist auch durch Art. XV des russisch-japanischen Vertrags vom Jahre 1905 dokumentiert worden, welcher der französischen Fassung den Vorzug vor der englischen gibt:

Le présent traité sera rédigé en double, en français et en anglais. En cas de contestation dans l'interprétation le texte français fera foi.3)

1) Vgl. Zeitschr. f. franz. u. engl. Unterr. 1907 VI p. 21.

2) Die neuen lateinischen Reformbücher von Direktor H. J. Müller (Teubner, Leipzig) beschränken sich in der Hauptsache sogar auf den Sprachgebrauch Cäsars. 3) Vgl. Hausknecht, Emil, Neuere Sprachen in: Die deutsche Schulerziehung von W. Rein, Jena p. 385, und W. Münch in Vietors Neueren Sprachen 1899 VII p. 70.

3. Die französische Synonymik ist weit logischer aufgebaut als die englische; hier ist es oft einfach der Sprachgebrauch, der entscheidet (usus tyrannus).

4. Ein weiterer Vorzug des Französischen ist die schöne Form und die vornehme Feinheit und Eleganz in der Ausdrucksweise, die den Schüler zur Nachahmung aneifern mufs.

Brunetière, der hervorragende franz. Kritiker, fafst die hauptsächlichsten Eigenschaften der franz. Sprache in folgende Worte zusammen: Ordre et clarté, logique et précision, sévérité de la composition et politesse du style.1)

Otto Jespersen kommt in seinem nach allen Seiten hin ausgereiften Werke: Growth and Structure of the English Language (Leipzig, Teubner, 1905, 260 S. 3 M) bei einer Betrachtung über den allgemeinen Charakter der englischen Sprache zu dem Schlusse, dafs dies eine männliche, methodische, energische und nüchterne Sprache sei, die sich nicht viel um Feinheit und Eleganz, dafür aber um so mehr um den Inhalt und die Folgerichtigkeit kümmert und jeden Versuch, ihr Leben durch engherzige Regeln der Grammatik und des Lexikons einzuengen, zurückweist.

Aus diesen Gründen dürfte der Versuch Ruskas zu einer Vertauschung von Französisch und Englisch im Anfangsunterricht entschieden zurückzuweisen sein. Auch der Anglist Prof. Max Foerster hat in seinem Vorwort (p. VII) zum neuen englischen Herrig das Französische zur formalen Schulung für geeigneter erklärt.

Aus den oben angeführten besonderen Qualitäten der beiden Sprachen geht deutlich hervor, dafs der Franzose mehr auf das Äufsere und die Form, der Engländer dagegen mehr auf den Inhalt sieht. Der Schulunterricht nun mufs auf die speziellen Vorzüge und besonderen Eigenarten Rücksicht nehmen. Das Englische gleicht in vielen Beziehungen dem Griechischen. Auch seine Literatur, besonders die englische Lyrik, ist ungleich höher einzuschätzen als die französische. Es mufs also das Hauptziel im Englischen bleiben möglichst bald und ausgiebig zu den dort niedergelegten Schätzen zu gelangen. Da nun die formale Bildung durch das Französische bereits zum gröfsten Teil geschehen ist oder noch weiter geschieht zu der Zeit, da der englische Unterricht einsetzt, so ist die englische Grammatik nur Mittel zum Zweck, d. h. sie soll nur zur Lektüre vorbereiten.

Bei

Ist nun nach dem Gesagten im Französischen die formale Seite stärker zu betonen, so folgt daraus auch, dafs hier mehr die Hin übersetzung zu pflegen ist, denn nur durch die praktische Anwendung wird der Schüler gezwungen sich die Form genauer anzusehen. der Herübersetzung liegt die Sache anders, hier liegt der Nachdruck naturgemäfs auf dem Inhalt, denn dieser ist hier das Gesuchte. Man kann alltäglich in der Schule die Erfahrung machen, dafs bei der Herübersetzung der Schüler nach einiger Zeit sich recht

1) L'harmonieux parler de l'Isle-de-France est toujours l'expression la plus fine et la plus parfaite de la haute culture européenne (Revue bleue 23. II. 07 p. 230).

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