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Unklarheit im Denken, zur Oberflächlichkeit erzogen? Werden bei jener Methode die Schüler nicht systematisch daran gewöhnt auf die äufsere Form zu achten und den Inhalt als etwas Untergeordnetes zu betrachten, während es doch in Wirklichheit umgekehrt sein sollte? Ist es da zu verwundern, wenn die Schüler schliefslich ganze Sätze herplappern ohne etwas dabei zu denken?

Ein wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Bildung, welche B. besonders für die von ihm vertretene Methode beansprucht, ist es gewohnt zu sein bei allem, was man spricht, liest, hört, an den Inhalt zu denken und diesen möglichst voll zu erfassen. Dies wird aber bei der Methode Baumanns nicht erreicht. Freilich wenn die Frage, was allgemeine Bildung ist und welche Methode mehr Elemente zur Förderung derselben in sich trägt, behandelt werden wollte, so müfste im einzelnen gezeigt werden, worin dieselbe besteht, wie die Geisteskräfte am besten ausgebildet werden und wie dies durch jede Methode bewirkt wird. Dazu reicht hier der Raum nicht. Aber mit ein paar solchen Sätzen, wie sie B. aufstellt, wird die Sache auch nicht entschieden.

Hingegen,,wird allgemein zugestanden, dafs die direkte Methode zur Erzielung der Sprechfähigkeit sehr geeignet ist". So sagt selbst B. Wenn aber das feststeht, so ist für diese Methode schon sehr viel zugegeben. Denn wir haben oben gezeigt, dafs Sprechfähigkeit an sich ein ausgezeichnetes Bildungsmittel ist. Selbstverständlich verstehen wir darunter nicht blofs das Hersagen von eingelernten Phrasen aus dem täglichen Leben, sondern die Beherrschung der Sprache in der Weise, dafs man auf den verschiedenen Gebieten des Wissens seine Gedanken in der Sprache zum Ausdruck bringen kann.

Eggert stellt S. 71 die Forderung auf:,,Sogenannte Sprechübungen sollen sich nicht erst an die Lektüre anschliefsen, sondern umgekehrt, die Lektüre eines Sprachstückes soll den Abschluss einer mündlichen Behandlung seines Inhalts bilden." Diese Forderung nennt B. S. 129,,unnatürlich und widersinnig". Und doch meint E. offenbar nichts anderes, als was Sallwürk S. 73 näher ausführt und was man vernünftig und praktisch nennen mufs. B. ruft S. 130 aus: ,,Gönnt man denn dem Schüler nicht die Freude selbsttätig den Inhalt herauszufinden?" Es ist aber klar, dafs der Schüler viel eher selbst den Inhalt wird auffinden können, wenn der Lehrer von einem Lesestück das Unbekannte und Schwierige zuerst in einer Form und in einer Aufeinanderfolge bringt, dafs der Schüler es leicht erfassen und begreifen kann. Wenn dann der Schüler zum Lesestück selbst übergeht, wird er doch viel weniger die Hilfe des Lehrers brauchen, als wenn dem Stück nicht vorgearbeitet ist. Man darf kaum glauben, dafs die Durchnahme eines Lesestückes dem Schüler viele Freude macht, wenn er auf Schritt und Tritt unbekannte Wörter und Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten vorfindet. Hier ist ein Vorarbeiten. notwendig.

Baumann stellt schliefslich im 8. Abschnitt (S. 135 ff.) in den ,,Ergebnissen" fest, dafs es den drei Gelehrten, deren Schriften er

kritisiert, nicht gelungen ist durch ihre psychologischen Erörterungen eine festere Grundlage für die Methodik des neusprachlichen Unterrichts zu gewinnen,,,weil der Bedeutung der Schriftsprache zu wenig Rechnung getragen worden ist". Dieser Satz richtet sich dadurch, dafs B. den Begriff Schriftsprache verkehrt aufgefafst hat, wie wir oben S. 351 f. zeigten. Wenn aber B. glaubt, sich ein besonderes Verdienst dadurch erworben zu haben, dafs er auf den hohen Wert der Schriftsprache hingewiesen hat im Gegensatz zur Lautsprache, so beruht auch dieser Glaube auf jener unrichtigen Voraussetzung.

Wir wollen B. das nicht vorwerfen, was er mit Unrecht Sallwürk (S. 47) vorgeworfen hat, dafs nämlich infolge seiner Schrift die Verwirrung noch grösser geworden sei und das Interesse des Sprachunterrichts gelitten habe. Sicherlich aber ist von seiner Darstellung viel mehr als von der Sallwürks zu befürchten, dafs sie Schaden stifte. Denn die Ausführungen Baumanns scheinen klar und mancher wird sich dadurch bestechen lassen. Unklarheit, wie er sie so oft seinen Gegnern vorwirft, ist nicht dazu geeignet andere zu bestechen, wohl aber der Schein der Klarheit. Baumanns Darlegungen scheinen aber deswegen so klar, weil sie sich auf der Oberfläche halten. Die Arbeiten Sallwürks, Ganzmanns und Eggerts gehen in die Tiefe; deswegen haben sie oft mit dem Ausdruck zu ringen und erreichen nicht immer die gewünschte Klarheit. Gefördert aber haben sie nach unserer Ansicht die Sache des Sprachunterrichts weit mehr als B.

Vom Standpunkte Baumanns ist es nun auch begreiflich, dafs er kein besonderer Freund der Psychologie ist und sich dahin ausspricht (S. 137): „Die Methode des Sprachunterrichts kann nicht aus psychologischen Voraussetzungen abgeleitet werden." Richtig ist ja, dafs die Psychologie ein sehr heikles Gebiet und ungemein schwierig ist; aber deswegen dürfen wir sie doch nicht einfach beiseite setzen und auf sie verzichten. Das wäre ein zu bequemer Ausweg. Wenn die Methode des Sprachunterrichts nicht psychologisch begründet wird, wie soll sie denn dann begründet werden? B. nimmt seine Zuflucht zu,,Erwägungen, die mehr praktischen als wissenschaftlichen Charakter haben". Aber wer nach Gründlichkeit strebt, der kann sich unmöglich mit solchen Erwägungen begnügen. Ihn wird es nicht ruhen lassen, bis er den Erscheinungen auf den Grund gekommen ist und die Schwierigkeiten werden ihn nicht vom Forschen abhalten. Solange eben keine wissenschaftliche Begründung gefunden ist, so lange fehlt die Gewifsheit, dafs das, was man vertritt, richtig ist. Solange man aber nach wissenschaftlicher Begründung sucht, befindet man sich. wenigstens auf dem rechten Weg zur Lösung. B. hebt wiederholt hervor, dafs der Kampf um die Unterrichtsmethode vielfach einem Parteikampf gleiche, wo es nicht immer regelrecht und sachlich hergeht" (S. 136). Dieses Gefühl erhält man keineswegs bei der Lektüre der objektiv gehaltenen Schriften der drei Gelehrten, die von B. kritisiert werden, wohl aber beim Lesen der Schrift Baumanns selbst; diese kann man als eine Streitschrift in dem Kampf um die Methode bezeichnen. Wenn aber B. gar die Psychologie bei den Unter

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suchungen über die Methode ausschalten und diesen die wissenschaftliche Grundlage entziehen will, dann kann es nicht wohl ausbleiben, dafs der Kampf in einen Parteikampf ausartet.

Ich werde Gelegenheit haben auf die hier nur kurz berührten wichtigen Fragen zurückzukommen und zu ihrer Lösung mein Scherflein beizutragen in der Fortsetzung meiner Arbeit über „,Sprachliche Übungsbücher auf psychologischer Grundlage". Denn für die Anlage solcher Bücher ist der Standpunkt wichtig, den man in der Erlernung der fremden Sprachen einnimmt. Dann wird es auch möglich sein noch auf manche andere Punkte der vier Schriften, von denen hier die Rede war, einzugehen und auf dieselben noch einiges Licht zu werfen.

Weiden.

Dr. J. Stoecklein.

Zu Sophokles Elektra V. 566-569.

πατήρ ποθ' ουμός, ὡς ἐγὼ κλύω, θεᾶς
παίζων κατ' ἄλσος ἐξεκίνησεν ποδοῖν
στικτὸν κεράστην ἔλαφον, οὗ κατὰ σφαγὰς
ἐκκομπάσας ἔπος τι τυγχάνει βαλών.

Mit Recht bemerkt Wecklein zum V. 567, dafs durch αov und mit ¿§exívηoev die Sage geändert sei um die Schuld des Agamemnon so gering als möglich darzustellen; denn Agamemnon ging nicht zum Jagen und nicht mit der Absicht die gottgeweihten Tiere zu töten, sondern zum Vergnügen in den Hain der Göttin, sein Schritt scheuchte den Hirsch auf und jetzt erst regte sich im König die Jagdlust und das Jägerblut, denn es war ein gefleckter (oxiós) Hirsch mit Geweih (xeqάorns), ein Hochgeweihter, also ein seltenes Tier, das vor ihm aufstand und das als Jagdbeute zu erlegen der König sich nicht enthalten konnte. Also auch in orixτós und xeqάorns liegt eine Entschuldigung, denn der Hirsch, welcher auch in erwachsenem Zustand die Zeichnung der Jugend behält, der Damhirsch, war in Griechenland zur klassischen Zeit nicht bekannt und kam erst lange nach Sophokles' Zeit in das europäische Griechenland (Keller, Tiere des klassischen Altertums S. 74), und,,wenn ein griechischer oder römischer Schriftsteller von Hirschen spricht, ist natürlich ein Edelhirsch zu verstehen" (Keller S. 85).,,Edelhirsche aber, welche auf farbigem Grunde weifs gefleckt sind, gelten als seltene Erscheinung" (Brehm, Tierleben III S. 463). Wegen dieser Seltenheit konnte sich auch der König nicht enthalten das Tier zu töten und wegen dieser Seltenheit rühmte er sich auch seines Jagdglücks und gerade dadurch fühlte sich die Göttin beleidigt. Ich kann mich dagegen nicht entschliefsen mit Kaibel anzunehmen, der König sei ohne Speer oder Stab im Walde gegangen, habe das Tier gefangen, zu Hause geschlachtet und geprahlt, dafs mit so leichter Mühe nicht einmal Artenies selbst je ein Tier gefangen habe. Die Auslegung, dafs Agamemnon das Tier gefangen, mit nach

Hause genommen und dort geschlachtet habe, wird nicht blofs jedem. Jäger unserer Zeit widerwärtig und unannehmbar vorkommen sondern auch den Jüngern der Artemis im Altertum höchst unwaidmännisch erschienen sein; dieses Verfahren würde zudem die Schuld des Agamemnon nicht abschwächen, sondern noch vergröfsern, denn er hätte dann nicht in der plötzlich entstandenen unwiderstehlichen Jagdleidenschaft das Tier getötet, sondern es zu Hause geschlachtet, obwohl er hinreichend Zeit gehabt den an der Göttin begangenen Frevel einzusehen und den Hirsch in den heiligen Hain zurückzubringen.

Auch dürfte er sich bei solchem Verfahren kaum seiner Beute gerühmt haben.

Zu Sophokles Elektra V. 1508-1510.

„ω σπέρμ' Ατρέως, ὡς πολλὰ παθὸν
δι' ἐλευθερίας μόλις ἐξῆλθες

τῇ νῦν ὁρμῇ τελεωθέν.“

,,O Geschlecht des Atreus, wie bist du nach vielen Leiden durch den jetzigen Anlauf endlich mit Mühe zur Freiheit gelangt."

Der Scholiast erklärt das δι' ἐλευθερίας μόλις ἐξῆλθες“ mit „ἀντὶ τοῦ μετὰ πολλῶν καμάτων μόλις ἠλευθερώθης", wie mir scheint mit Recht, trotz Kaibels Zweifel. Schon Fröhlich hat in seiner Ausgabe der Elektra, Sulzbach 1815 S. 201 den Schlufs der Tragödie mit den Worten erklärt: ,,Der Chor zum Schlusse preiset den Stamm des Atreus glücklich, dafs er nach vielen Leiden endlich sich Freiheit errungen habe".

Auch Wecklein hat in der ersten Ausgabe 1877 zum Vers 1509 f. die Erklärung gegeben: ,,Du bist heraus (aus dem Unglück) in den Zustand der Freiheit gelangt τῇ νῦν ὁρμῇ (Anlauf) von der Tat des Orestes. Telewer zur Vollendung gebracht, gesühnt und gereinigt.“ Mit Recht hat auch Wolf zur Erklärung dieser Stelle die Verbindungen διὰ φιλίας, διὰ δικαιοσύνης ἰέναι (Plato Protag. 323a) beigezogen; durch seinen Zusatz: Also,,nur mit Mühe betra test du nach vielen Leiden den Pfad der Freiheit ist aber, wie mir scheint, die klare Bedeutung der Stelle wieder etwas verwischt, denn diese ist doch zweifellos nicht: du bist auf den Weg der Freiheit oder auf den Weg zur Freiheit gelangt, sondern: du bist zur Freiheit gelangt; die Freiheit bildet, wie in den oben erwähnten Verbindungen die gilia und dixaloovv nicht den Weg zu etwas, nicht einen Durchgangspunkt, sondern das Ende. dia qilias iéra heifst zur Freundschaft gelangen, Freundschaft eingehen oder schliefsen, διὰ μάχης ἐλθεῖν oder ἀφικνεῖσθαι zum Kampfe kommen, in Kampf geraten mit. In all diesen Beispielen erscheint der Gebrauch von did mit dem Genetiv auffallend und verlangt Erklärung.

Die Verbindung eines Abstraktums mit je einem Verbum der Bewegung 819&iv, ¡évai, àgızvet̃odou, zu denen ich auch das allgemeinere Yevéoα erreichen, gelangen rechnen darf, zeigt, dafs wir einen bild

lichen Ausdruck vor uns haben, welcher der menschlichen Fortbewegung entnommen sein mufs.

Wir finden ferner bei Durchforschung des Gebrauchs der Präposition did mit dem Genetiv eines Konkretums einen häufig gebrauchten Ausdruck, welcher beide Bedeutungen, zuerst die eines Durchgangspunkts, dann die eines Endpunkts in sich vereinigt, es ist die Wendung dià vélovs, welche ursprünglich wohl die Bedeutung ,,durchs Ziel hatte, schliesslich aber zu der sachlich gleichstehenden Bedeutung,,ans Ziel" führte, ja führen mufste. Denn bei Wurf und Sprung häufig, beim Wettlaufe immer wird der Zielpunkt nicht blofs erreicht, sondern der Laufende oder Reitende geht ,,durchs Ziel" dia τέλους wörtlich genommen.

Die von Wolf angeführten Beispiele haben noch eine Menge Genossen wie διὰ μάχης ἐλθεῖν und ἰέναι τινί Εur. Iph. Α. 1415. ἰέναι Her. 6, 9 (proelio aggredi), Thuc. 2, 11; 4, 91. аπixéαто тą Аọлáуq Her. 1, 169, διὰ γλώσσης ἰέναι reden. Eur. suppl. 114, διὰ μιᾶς γνώμης γενέσθαι einmütig werden. Isocr. 4, 138, δι' ὀργῆς ἥκω gerate in Zorn Soph. Oed. Col. 905. dià díxys iévai Tivi Soph. Ant. 738. Thuc. 6, 60, anklagen (Georges), ins Gericht gehen (Wecklein). di éxtoãs γενέσθαι Ar. ran. 1112. τὸν πᾶσι θεοῖς δι' ἀπεχθείας ἐλθόντα (mit allen Göttern in Feindschaft geraten Stein Her. I, 169) Aesch. Prom. 121. dia gilias iévai Xen. An. 3, 2, 8. Vollbrecht: Den Weg der διὰ φιλίας ιέναι Freundschaft wandeln. did λóyov 19eiv ad colloquium venisse.

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Unter diesen Beispielen sind wieder einige, bei denen die mit dem Genetiv nicht den Weg oder das Mittel, nicht einen Durchgangspunkt andeutet, ja zum Teil nicht andeuten kann, sondern das erreichte Ziel, den Endpunkt bezeichnen mufs, wie z. B. dia young yevéσ9αi, δι' ἀπεχθείας, δι' ἐχθρᾶς ἐλθεῖν. Der Ausdruck δι' ἐλευθερίας ἐξῆλθες“ = ἐλευθερίας διεξήλθες ist ebenso wie der bildliche Ausdruck,,dou“ dem Wettlauf oder den Wettkämpfen überhaupt entlehnt, bei welchen vielfach, man kann sagen meist, der Kämpfer selbst oder dessen Werkzeug (der Läufer, Wagenlenker, Speer, Diskus) nicht beim Ziele Halt machte, sondern dasselbe, wenn auch nur um weniges, überschritt oder übertraf, entsprechend dem deutschen ,,durchs Ziel gehen". Aus diesem Grunde wird das erreichte Ziel nicht blofs durch den Akkusativ, sondern auch durch den Genetiv mit. did ausgedrückt, und auch das Kompositum,,diεžéozoμai“, d. h. ganz durch bis ans Ende gehen, hat als Objekt bald den Akkusaliv und bald den Genetiv bei sich. Es deuten also die Worte,δι' ἐλευθερίας hier nicht das Mittel, den Weg an, sondern das Ziel selbst, und das am Schlusse beigefügte Partizip,,telewer" dient nur wie die sonst gebräuchlicheren Partizipien,,Telεvrýoas“ und „diavekéσas" dazu den Begriff des,,diε§εs“ in adverbialer Weise mit der Bedeutung ,,vollends, endlich" zu verstärken.

Die Art der „,λevegía" hat Sophokles nicht näher bezeichnet; er überläfst es dem Zuschauer daran zu denken, dafs Elektra, wohl auch Chrysothemis und Orest aus der dienenden der dienenden schmählichen

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