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ist klar. Oder es werden einige Daten aus dem Leben eines berühmten Mannes, wie des Hannibal, des Alexander gegeben (z. B. Biedermann, lat. Elementarbuch am Schlusse). Eine solche Verschwommenheit des Inhalts ist natürlich von Anschaulichkeit weit entfernt. Ein einzelner Zug aus dem Leben eines berühmten Mannes fesselt die Schüler viel mehr. Freilich liegt gerade für die Verfasser von Übungsbüchern jene Art der Darstellung, welche in einer nackten Aufzählung von Daten besteht, besonders nahe: es ist für sie leicht aus einem grofsen Schatz historischer Tatsachen das für den grammatischen Stoff Geeignete auszuwählen.

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Auch mufs, gerade im Anfang, zu der geistigen noch die sinnliche Anschauung hinzutreten.,,Der dem Begriff des ,Konkreten' nahestehende Begriff des ,Anschaulichen bezieht sich auf eine Grundeigenschaft der Kindesseele. Wo auch wir nicht anschaulich - noch enger genommen:,sinnlich' sind, bleiben wir ihr fremd.") Indes gehört ein feines Gefühl dazu zu wissen, wie weit die sinnliche Anschauung beizuziehen ist. Es kann darin auch leicht zu viel geschehen, wie Th. Ziegler) zeigt, so dafs der Phantasie gleichsam Schranken gesetzt und ihr nicht Gelegenheit geboten wird sich frei zu betätigen. Im Zweifelfall aber halten wir es für besser die Hilfe der sinnlichen Anschauung nicht zu verschmähen. Diese wird nach meiner Erfahrung im Unterricht noch immer nicht so gewürdigt, wie sie es verdient. Est wird im allgemeinen noch immer das Ohr zu viel, das Auge zu wenig in Anspruch genommen, ich meine natürlich nicht, vom Lesen, sondern vom Betrachten von Anschauungsmitteln. Wenn Ziegler vom ,,ewigen Bildersehen" spricht, so ist dies eine Übertreibung.,,Selbst die lateinische Fibel und der Cäsar müssen sich diesen Schmuck (Ausstattung mit Bildern) gefallen lassen!" ruft er aus. Wie wenn dies so etwas Unerhörtes wäre! Dank denen, die sich die Mühe nicht verdriefsen lassen unsrer Jugend jene Objekte auch im Bilde zu zeigen, die für sie zu leicht leere Namen bleiben, wenn nicht dem Wort durch das Bild nachgeholfen wird! Wir würden es vielmehr für eine schwere Unterlassungssünde halten, wenn nicht im Anschlufs an die lateinische Fibel, die die Schüler in das antike Leben einführen will, die neuen Objekte auch dem Auge vorgeführt würden. Ziegler fragt:,,Was will man damit ?" Aber die Antwort, die er darauf gibt, ist ungenügend. Wir wollen hier vor allem, dafs der Schüler an die Sache denke und dafs die Worte, die er hört und liest und auch spricht, nicht leere Laute für ihn sind. Auch will man damit im Unterricht Zeit sparen; denn was so ein kurzer Blick lehrt, dazu braucht man oft viele Worte, ohne dafs indes die Klarheit erreicht wird, die ein einziger Blick gewährt. Und weiter bezweckt man damit auch, dafs der Schüler sich nicht leeren Phantastereien hingebe und dafs der Einbildungskraft eine solide Grundlage

1) Schmidkunz, Psychogenesis und Pädagogik, in Lehrpr. und Lehrg. 1900 S. 8; vgl. auch W. Münch,,Die Rolle der Anschauung in dem Kulturleben der Gegenwart' in den Preufs. Jahrbüchern 1901, 104 Bd. S. 139 ff., besonders S. 219 ff. 2) Allgemeine Pädagogik, 2. Vortrag 4. Teil S. 32 f.

geboten werde. Die geistige Anschauung und die Betätigung der Phantasie geht ja doch im Grunde auf die sinnliche Anschauung zurück und mufs schliefslich versagen, wenn sie nicht durch diese fortwährend Nahrung und Kräftigung erhält.

Die Objekte, die bei den Römern ein anderes Aussehen hatten, oder überhaupt bei uns in keiner Form zu sehen sind, werden also in den meisten Fällen, wenn nicht zufällig noch bessere Anschauungsmittel vorhanden sind, den Schülern wenigstens im Bilde zu zeigen sein.

So stellt sich bei dem Inhalt, den wir fordern, eine Einrichtung geradezu als unumgänglich heraus, die bei einem andern Inhalt zwar auch höchst vorteilhaft wäre, dann aber auch ihre Nachteile hat. Ich meine, auch dann, wenn dem Schüler Wörter dargeboten werden, die bekannte Gegenstände bezeichnen, wäre es an sich sehr zweckmäfsig, wenn er gleichzeitig Bilder von den Gegenständen oder diese selbst sehen würde, damit er eben bei den Wörtern wirklich an die bezeichnete Sache denkt und nicht leere Laute plappert eine Gefahr, die bekanntlich sehr nahe liegt und auf deren Verhütung wir bedacht sein müssen, wenn wir nicht gedankenlose Schwätzer heranziehen wollen. So gut es also bei der sprachlichen Darbietung selbst bekannten Stoffes wäre die lebendige Anschauung hinzutreten zu lassen, damit die so notwendige innige Verbindung zwischen Wortlaut und Sache zustande komme, so finden doch die Schüler, weniger allerdings die in der 1. Klasse, die für diese Unterstützung sehr dankbar sind, als die in höheren Klassen, z. B. in der 4. Klasse beim Griechischen, eine solche Unterstützung zu naiv und mehr dem Kinde angemessen als ihnen, die sich nicht mehr gern als Kinder behandelt sehen. Aber dieses Gefühl kann nicht entstehen bei der Einführung in die alte Welt, für die eine solche Beihilfe durch die Anschauung notwendig ist und auch dem Schüler als notwendig erscheinen muss. So kommt der grofse Vorteil, der für das Erlernen der Sprache in der Anschauung liegt, bei dem von uns geforderten Inhalt dem Schüler ganz natürlicherweise zugute. Und wir sind der Ansicht, dafs der Schüler durch die ganze Umgebung in seinem Schulzimmer gleichsam in die alte Welt versetzt werden solle, wie ja dies schon oben als zweckmäfsig erkannt wurde. Also es schadet gar nicht, sondern ist vielmehr recht gut, wir lassen uns durch Ziegler nicht irre machen. wenn ringsum an den Wänden Tafeln mit Darstellungen aus dem römischen, gegebenenfalls aus dem griechischen Leben angebracht sind, wie ich lese, dafs dies in den französischen Schulen der Fall ist, wo noch andre Mittel angewandt werden um im Schüler recht lebhaft das Gefühl entstehen zu lassen, als befände er sich wirklich in der alten Welt.

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Wie Bedacht darauf zu nehmen ist, dafs durch eine lebensvolle Darstellung und die Beihilfe der sinnlichen Anschauung im Schüler klare Vorstellungen erzeugt werden, so ist es auch nicht unwichtig, dafs ein andrer Vorzug der zusammenhängenden Stücke zur Geltung komme, dafs nämlich durch den Inhalt ethische Gefühle geweckt

werden. Der Schüler soll ein Gefühl dafür erhalten, durch welche Einrichtungen und Sitten. durch welche Eigenschaften seiner Bürger Rom so grofs wurde. Es sollen ihm Vorbilder gezeigt werden, in denen die verschiedenen römischen Tugenden ausgeprägt sind. Und die römische Geschichte ist reich an solchen. In einem Horatius Cocles, einem Mucius Scaevola, einem Cincinnatus und Curius Dentatus, einem Fabricius, einem Decius Mus und Regulus, einem Scipio, einem Cato sehen wir schöne Bürgertugenden verkörpert, die da sind: Tapferkeit und Mut, Patriotismus und Aufopferungsfähigkeit, hohe Gesinnung und Unbestechlichkeit, Einfachheit der Sitten und Standhaftigkeit. Durch die spätere Vorführung aber der wesentlich anders gearteten Gestalten aus dem schönen Hellas kommt eine prächtige Ergänzung hinsichtlich der Ausbildung des Charakters zustande.

Wenn wir auch darauf verzichten für die Darstellung im einzelnen Normen aufzustellen, so können wir es doch nicht unterlassen darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, dafs bei den Stücken gerade die einleitenden Sätze das Interesse für den Inhalt wecken. Es mufs dies besonders deswegen hervorgehoben werden, weil eben in diesem Punkt unsre Übungsbücher schwer fehlen. Sie häufen z. B. gleich im ersten Satz eine Reihe von Namen aufeinander, mit denen der Schüler keine klaren Vorstellungen verbinden kann, so dafs derselbe von Anfang an vom Inhalt abgestofsen wird. Wenn man beispielsweise die ersten Sätze in Pistners griech. Übungsbuch für die 4. Klasse, 4. Aufl., von den Stücken 70 c, 79 c, 81 c liest, so wird man sofort fühlen, wie von vornherein jedes Interesse für den Inhalt erstickt wird. Als Probe will ich den Anfang von Kap. 70 c hersetzen: ,,Theseus hatte zuerst Hippolyte geheiratet, eine der Amazonen, gegen die er mit Herakles gekämpft hatte; als aber diese starb, vermählte er sich mit Phädra, einer Tochter des Minos. Da er indes einen seiner Verwandten ermordet hatte, so siedelte er mit seiner zweiten Gattin nach Trözen zu Pittheus über, bei welchem auch Hippolytos, der Sohn des Theseus und der Hippolyte, lebte." Eine gesunde Darstellung, die immer darauf ausgeht das Interesse des Lesers zu gewinnen, wird doch nie so beginnen. Ist hingegen durch die ersten Sätze das Interesse geweckt, dann hält es leicht nach; wenn aber gleich der Anfang an Unklarheit leidet, dann bleibt der Schüler leicht zu kalt gegenüber dem Inhalt und es besteht Gefahr, dafs er diesen überhaupt nicht beachtet. Solange wir es aber für einen schweren Fehler halten, wenn der Schüler nur leere Worte liest, so lange müssen wir es als eine Versündigung an der Jugend betrachten, wenn man diese Gedankenlosigkeit begünstigt.

Was wir hier hinsichtlich der Weckung des Interesses für den Anfang der einzelnen Stücke aufstellen, gilt für den Anfang des Buches überhaupt. Es ist von Bedeutung, dafs gleich die ersten Kapitel durch ihren Inhalt und ihre Darstellung den Schüler ganz besonders ansprechen, seine Aufmerksamkeit gewinnen und fesseln. So können die ersten Stücke den Schüler zum Freunde des ganzen Buches machen. Dafs auf den Anfang ungemein viel ankommt, darf auch bei

Blätter f. d. Gymnasialschulw. XLIV. Jahrg.

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der Anlage eines Übungsbuches nicht aufser acht gelassen werden; ἀρχὴ ἥμισυ παντός hat auch in diesem Sinne Geltung.

Auch die Setzung einer passenden Überschrift zu den einzelnen Stücken ist keineswegs unwichtig für die Erweckung des Interesses. Ein Hinweis hierauf ist notwendig, weil die Kapitel unsrer Übungsbücher teilweise nichtssagende, vielfach überhaupt keine Überschriften tragen, was eben damit zusammenhängt, dafs man den Inhalt als nebensächlich und seine Beachtung durch den Schüler als unnötig betrachtet. In der Überschrift soll aber nicht bofs in nuce zusammengefafst sein, was die Ausführung enthält, sondern ihre Form soll derart sein, dafs schon sie selbst den Leser anspricht und zur Lektüre des Ausgeführten veranlafst, sie soll eine man verzeihe das Bild!

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Art Reklameschild für das Stück sein.

Die letztgenannten Punkte, welche alle darauf abzielen die Aufmerksamkeit des Schülers für den Inhalt zu gewinnen, mögen wohl unwesentlich scheinen, in Wirklichkeit aber sind sie sehr wirksam für den Zweck, der nach unsrer Ansicht so wichtig ist, dafs er nie aus dem Auge verloren werden darf.

Ich suchte auch diesen Abschnitt mit derselben Gründlichkeit durchzuführen, deren ich mich in den vorangegangenen Abschnitten beflissen hatte. Aber während meine früheren Ausführungen sich auf der Praxis aufbauen konnten, führte mich hier die Untersuchung insoferne auf eine besondere Schwierigkeit, als ich durch die angestellten Erwägungen zu Vorschlägen gelangte, die ich selbst noch nicht Gelegenheit hatte durch ausreichende Versuche zu erproben. Es müfste also die Zweckmäfsigkeit dieser Vorschläge, die für unsre bayerischen Gymnasien Neuerungen enthalten, erst durch den Erfolg in der Praxis nachgewiesen werden; denn die anderwärts gemachten Versuche dürften vielleicht noch nicht vollständig genügen.

Weiden.

J. Stöcklein.

(Fortsetzung folgt.)

Zur Reform der Schülerbibliotheken.

(Vortrag gehalten in der Ortsgruppe Nürnberg und Umgebung des Gymnasiallehrer-Vereins. Dezember 1907).

Ich würde nicht Ihre Geduld und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, wenn ich nicht die vorliegende Frage für ernst und wichtig genug hielte um sie auch vor solchen unserer Herrn Kollegen zu behandeln, denen ihre amtliche oder fachliche Aufgabe eine Beschäftigung mit Schülerbibliotheken nicht zur Pflicht macht; ich habe aber auch eine Art persönlichen Grundes dabei, warum ich über diese Frage spreche: handelt es sich doch dabei um eine alte Liebe von mir, eben zur Schülerbibliothek.

Ich brauche nicht davon zu sprechen, dafs alle unsere staatlichen Mittelschulen meist schon seit langer Zeit derartige Einrichtungen hatten, wonach die Schüler in bestimmtem Turnus bald aus einer gemeinsam

geführten Schülerbücherei bald aus Klassenbibliotheken Lesematerial erhielten, zum Teil freilich früher verdächtigsten Aussehens. Nun ist im Januar 1904 ein Ministerial-Erlafs ergangen, der nicht nur allgemeine Weisungen enthielt für die nunmehrige Führung der Schülerbibliotheken sondern auch eine durchgängige Revision der. Bücherbestände nach corpus und animus anordnete. Man mag gegenüber dieser M.-E. vielleicht bedauern, dafs die Rücksicht auf ein Reglement, das für alle Mittelschulen gleiche Geltung haben sollte, dazu führte, dafs der Eigenart einer Schule, der Eigenart ihrer Bücherbedürfnisse wenig freier Spielraum gelassen wurde: Das wird man stets als eine segensreiche Wirkung anerkennen müssen, dafs viel alten Schundes, viel unhygienisches Zeug, vielleicht auch in diesem und jenem Fall ein wirklicher Ansteckungsherd beseitigt worden ist. Insofern also ist bereits diese neue Verfügung, die uns so viel Arbeit und Kopfzerbrechen gemacht, gewifs von hohem Erfolg gekrönt.

Dafs mit dieser M.-E. aber noch nicht für alle Zeiten das letzte Wort gesprochen ist, das ist meine feste Überzeugung, nicht nur meine sondern auch die vieler Kollegen, vor allem auch der blauen Blätter: Dort wurde s. Zt. bald nach Veröffentlichung der erwähnten M.-E. die Aufforderung an die Kollegen gerichtet selber Vorschläge zu der neuen Organisation zu machen. Und dies tue ich hiemit, nachdem sich die Wirkung der M.-E. schon einigermafsen übersehen läfst, und dies in möglichster Kürze.

Wenn ich an diese Sache herantrete, so frage ich zuerst: Was sollen unsere Schülerbibliotheken? Diese Frage scheint so ganz überflüssig und ist es doch nicht auch nicht angesichts der höchsten M.-E. Sind sie ein Unterrichtsmittel, eine Beihilfe für den Lehrer zur Ergänzung seines Unterrichts, oder dienen sie abseits vom Gleise des Schulbetriebes der freien geistigen Entwicklung des Schülers oder endlich sind sie ein Zuchtmittel, mit dem Belohnung und Strafe ausgeteilt werden kann?

Gegen die Verwendung als Unterrichtsmittel wird wohl schon die praktische Erwägung sprechen, dafs es in den meisten Fällen nicht oder nur sehr schwer möglich ist alle Schüler einer Klasse in einem enger umgrenzten Zeitraum von einem bestimmten Werke Kenntnis nehmen zu lassen: und anders, als dafs ein ,,Unterrichtsmittel" sich an alle Schüler wendet, hat es ja keinen Zweck; ich nehme dabei etwa die sog. Schülervorträge in den oberen Klassen aus, denen nach meiner Erfahrung gelegentlich oder auch häufig derartige Bücher aus den Beständen der Schülerbibliothek zugrunde liegen.

Für ein Lehrmittel halte ich somit die Schülerbibliothek nicht, d. h. für keines im engeren Sinn; im weiteren Sinn, ja, in jenem Sinne, der in allem ein Lehrmittel sieht, was dem suchenden, hungernden Geist Eindruck und Nahrung zuzuführen vermag. In diesem Sinne also schon, im engeren nicht; dann wäre es besser, man schlösse diese Bibliotheken zu, wenn sie nur dem Unterricht dienen sollten, Lehrmittel sein sollten. Denn ungesund möchte ich den Jugendinstinkt nicht nennen, der zu den hübsch eindringlich verab

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