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zeichnet, dagegen findet sich sein Sohn Vincentius zu Anfang des Wintersemesters 1503/4 als ,,Vincentius de Thomais Ravennas utriusque iuris doctor paduensis" in die Wittenberger Matrikel eingetragen und wurde derselbe am 1. Juni 1504 zum Rector der Universität erwählt. Als vor Ostern 1505 D. Nicolaus Marschalk Wittenberg verließ, erlangte Vincentius das Ordinariat des Coder und behielt dasselbe bis zu seinem Abzug. Walburgis 1507 succedirte ihm D. Hieronymus Schür p f Petrus las daher in Wittenberg bloß extraordinarie und mag dieß seinen doppelten Grund darin haben, daß ihm in Padua seine ordinaria lectio iuris canonici offen gehalten war und daß er bei Herzog Bogislav X., dessen Universität er soeben mit der ausgesprochenen Absicht, nach Italien zurückzukehren, verlassen hatte, nicht durch Annahme einer ordinaria lectio an einer andern Hochschule anstoßen wollte. Daher tragen auch des Petrus Vorlesungen in Wittenberg einen anderen Charakter, als die herkömmlichen und vorschriftsmäßigen eragetischen Hauptcollegia jener Zeit. Zunächst nämlich trug er seine ,,Sermones extraordinarii" vor d. h. Reden über verschiedene religiöse und moralische Themata und das sind wohl die Vorlesungen, welche Kurfürst Friedrich und sein Bruder Johann fleißig besuchten. Ferner aber lehrte er auf Grundlage seiner eigenen Compendien des Civilund des canonischen Rechts. Das Compendium iuris civilis erschien schon im Jahr 1503 zu Wittenberg im Druck2); ebenso Ende Aprils 1504 die ersten Theile des Compend. iuris canonici3)

Auch andere seiner Werke ließ Petrus während des Aufenthalts in Wittenberg dort und in Leipzig drucken. Unter seinen Wittenberger Freunden sind Nikolaus

Marschalk 4), Chilian Reuter aus Mellerstadt 5) und Herrmann Trebelius aus Eisennach®) hervorzuheben, welche die Drucke der Schriften des Lehrers mit lobpreisenden Gedichten zierten. Marschalk schrieb auch die Vorrede zum Compend. iur. civil. Petrus hinwieder bemühte sich, die Sächsischen Fürsten, den ersten Kanzler der Universität Wittenberg Göswin v. Orsoy, Präceptor der Antonierherrn zu Lichtenberg, den Kurfürstlichen Rath Heinrich v. Bünau, den Kurfürstl. Secretär Degenhardt Pfef= finger und Andere mit Lobgedichten zu verherrlichen.

Mit viel Selbstgefühl erzählt Petrus, daß er ein sehr vornehmes Auditorium in Wittenberg gehabt habe. Entrüstet gedenkt er eines Sächsischen Gelehrten der auf die Frage der Kurfürsten, ob er Petrus schon lesen gehört, sofort antwortete:,,Nein, Erlauchtester Fürst, obwohl ich es wußte, daß er lese." Im Sommer 1506 kam die Pest nach Wittenberg und wüthete so stark, daß die Universität am 7. August (in die Udalrici episcopi) nach Herzberg verlegt wurde. Schon vorher aber hatte Petrus Wittenberg verlassen. Im Juli hatte er seine Vorlesungen über das Compend. iuris civilis mit den Worten geschlossen: „Wie ihr seht, liebe Zuhörer, vertreibt uns die Pest von der Universität. Seiner Zeit gedenke ich das begonnene Werk, will's Gott, zu vollenden.")

Petrus wendete sich nach Köln.,,Ortuin Gratius schilderte die große Spannung, mit welcher man dem öffentlichen Auftreten des Ankömmlings entgegensah. Der Tag der ersten Vorlesung brach an. Ein sehr ge räumiger Hörsaal vermochte nicht die Menge der Hinzueilenden zu fassen. Dicht gedrängt standen sie im Innern und bis weit über die Thüre hinaus im Freien: Mancher suchte sich einen Platz auf den Westen der Bäume

vor den Fenstern, mancher im Sparrenwerk des Daches. Dem gewaltigen Getöse, welches durch das Zusammenströmen so vieler Menschen entstanden war, folgte plößlich lautlose Stille. Petrus war erschienen und begann zu sprechen. Wie ein majestätischer Strom floß seine Rede, Alles lauschte mit gespanntester Aufmerksamkeit. Und als er geendet hatte erscholl ein gewaltiger Beifallssturm, wie er in Köln kaum noch gehört war.

In Folge dessen beeilte sich der Nath der freien Reichsstadt, den wandernden Gelehrten für die Univer sität auf längere Zeit zu gewinnen. Petrus übernahm es, in beiden Rechten außerordentlich zu lehren und erhielt dafür eine allerdings nicht hohe - Besoldung 8).

Hierauf wurde Petrus am 3. Dez. 1506 bei der Universität immatrikulirt und ihm ,,ob reverentiam personae" die Inscriptionsgebühr erlassen o).

Petrus las nun über sein Compendium iuris canonici. Doch scheint die Vorlesung nur darin bestanden zu haben, daß Petrus das Buch dictirte und einzelne Zusäße und Erläuterungen anschloß.

Auch seine,,Sermones extraordinarii" trug er wieder vor und besorgte im Winter 1506 auf 1507 den Druck derselben, sowie einiger anderer damit verbunde ner Werke (Repetitio cap. Inter alia; Libellus de potestate papae et imperatoris; Clypeus contra Caium Doctorem) 10). Wir erfahren aus dem Schluß des Werkes, daß Petrus und seine Gattin Lucretia der Welt Valet gesagt und das Gewand der Brüder und Schwestern vom Orden des heil. Franciscus, der soge nannten Tertiarier, genommen hatten. Der Drucker vollendete seine Arbeit in den ersten Wochen des Februar 1507.

Bald darauf, am 6. März 1507, fand auf Antrag einiger Magistri artium und Professoren der Theologie eine Universitätsversammlung statt, zum Anhören,,mehrerer verwerfender und mißbilligender Schlüsse über Schlüsse und Lehren" des Italieners Petrus Ravennas, I. V. D. und miles aureatus, wie er selbst angebe, den sein Geschick nach Köln verschlagen habe.

Es wurde beschlossen, die Sache einer Commission bestehend aus dem Rektor, der Juristenfakultät und einzelnen Doktoren der anderen Fakultäten zu übergeben. Dieselbe sollte Widerruf der Dogmen von Petrus fordern und im Weigerungsfall mit dem Rechtsweg drohen, oder aber Vertheidigung der Dogmen ohne die Schlüffe in öffentlicher Disputation verlangen.

Petrus versprach von der Veröffentlichung und Wiederbehauptung der Dogmen abzustehen 11).

Es scheint, als ob längerandauernde Streitigkeiten vorhergegangen wären, Näheres aber läßt sich aus dem kurzen Bericht über die Universitätsverhandlungen nicht ermitteln.

Bald jedoch sind wir im Stande bestimmter zu erkennen, um welche Streitpunkte es sich dreht, und wer die Gegner des Petrus Ravennas waren.

Um Johannis 1507 ließ er eine neue Ausgabe seines Compendium iuris canonici erscheinen 12).

In derselben wird zweier Streitfragen Erwähnung gethan, über welche Petrus mit Theologen in Differenzen gerathen war.

Die eine bezieht sich auf die Zehnten. Petrus ver theidigt den Sat. der Canonisten, daß die Zehnten iuris divini seien gegen die weitläufigen Ausführungen eines Doctors der Theologie, welcher jenen Sah angreifend

aufstellte, die Zehnten seien iuris humani. Die praktische Bedeutung dieser Controverse ist, daß nach jener Ansicht die Verpflichtung Zehnten zu leisten durch Verjährung nicht untergeht, während nach der zweiten sich dieß anders verhält. Petrus führt aus: die Autorität der Rota Romana, sowie die Praris der bischöflichen Gerichte sei für den canonistischen Sah, denn täglich würden Urtheile gefällt selbst gegen solche, welche die längste Verjährungszeit hindurch (per longissimum tempus) schuldige Zehnten nicht entrichtet hätten. Der Gegner sei, wie Petrus hört, in Wahrheit und ein großer Theologe, der auch als Lehrer wirke, doch irre derselbe stark, namentlich auch, wo er sich auf St. Thomas (Stus Doctor), Scotus und Gerson (,,Cancellarius Parisiensis") be rufe; anscheinend verfalle er sogar in den großen Fehler, ein allgemeines Concilium über den Papst zu stellen 13).

Der Gegner, wider den Petrus sich wendet, ist vielleicht der Tübinger Theologe Conrad Summenhart, welcher ein Buch), betitelt:,,Tractatus bipartitus de decimis: defensivus opinionis Theologorum adversus communiter canonistas de Quotta decimarum si debita sit iure divino vel humano", gegen Ende des 15. Jahrhunderts 14) herausgegeben hatte. Summenhart ist, wie bekannt, ein Anhänger Gersons. Ob nun gerade mit der Polemik gegen ihn Petrus in Köln Anstoß erregte, lasse ich dahin gestellt sein: von vornherein wäre dieß kaum zu vermuthen, da in Köln die papistische Richtung vorherrschend war und Petrus ja gerade auf dieser Seite kämpfte.

Aber auch die zweite von Petrus hervorgehobene Controverse, um die sich in der Folge der Streit concentrirte, zeigt, daß bei der ganzen Angelegenheit noch

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