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einander das Amt eines Syndicus beider Universitäten zu verwalten hatte1).

Passend hebt der Redner im Eingang die große Bedeutung Bolognas für den gesammten Culturzustand Europas hervor. Bologna ist die Mutter des Rechts für alle Nationen. Das Recht aber ist Hüter und Schüßer des menschlichen Gemeinlebens:,,die wahre Philosophie". Daher ist es nicht wunderbar, daß ein so großer Zusammenfluß von Studirenden in Bologna stattfindet. Diese Menge bedarf eines Leiters und die Installirung des nenen Rectors ist Zweck der heutigen Versammlung. Die Heimath desselben ist Meißen, der Wohnsiß eines edlen deutschen Stammes. Es scheint daher passend, Einiges zum Lob Deutschlands zu reden.

Aus dem was nun folgt, erkennen wir, daß die uns bekannte Rede Bebels, und auch die zuerst 1496 ge= druckten,,Tischreden Peutingers, von den wunderbaren Alterthümern Deutschlands" schon ihren Weg über die Alpen gefunden haben und daß unser Redner sie mehr, als es mit unseren heutigen Begriffen von literarischem Anstand vereinbar ist, ausbeutet. Für uns wird er erst interessant, als er die Bebel'schen und Peutinger'schen gelehrten Deductionen von der ehemaligen Größe Germaniens verlassend darauf übergeht, seinen Hörern ein schönes Bild von dem damaligen Deutschland zu zeichnen. Er knüpft an die Bebel'sche Etymologie des Namens ,,Germanen“ die Ausführung, noch immer seien die Deutschen Brüder. Das zeige ihr gemeinsames Festhalten an alter eigenthümlicher Sitte, die Neigung zu geselligem und gaftlichem Vergnügen, die häufige Vereinigung zu gemeinsamer Tafel, das Darreichen der rechten Hand beim Gruß, der Zusammenfluß des gesammten Volks in den

Gotteshäusern gleich einer großen Familie, die durchgehende Sitte, Knaben außerhalb des elterlichen Hauses bei befreundeten Familien erziehen zu lassen 2c. Das Alles sei Deutschthum und zugleich Bruderthum (germanitas).

Was das Land selbst betrifft, fährt Scheurl fort, so zeichnet es sich aus durch große Anmuth und Fruchtbarkeit, besonders wo Flüsse es durchströmen. Das Klima ist mild, der Boden fruchtbar. Sonnige Hügel wechseln mit grünen Halden und schattigen Hainen. Groß ist der Reichthum an Getreide, edler Wein wächst auf den Bergen. Ueberall offene Wasserstraßen mehren Handel und Verkehr. Fremde finden gastfreie Aufnahme, Hülfsbedürftige Freundschaft. Und auch an Talenten und tüchtigen Männern besonders im Kriegswesen sind die Deutschen eben so reich, wie andere Nationen. Dazu birgt die Erde einen großen Schaß edler Metalle: Italien, Frankreich und Spanien beziehen dorther ihr Silber, auch Kupfer und Zikn. Salzquellen gibt es in Menge. Was aber die Hauptsache bleibt: Deutschland allein ohne fremde Hülfe ist im Stande so viel Reiter und Fußtruppen zu bewaffnen, daß es den übrigen Nationen zusammen die Stirn bieten kann.

Nachdem nun dieser Zustand mit der Beschreibung des Tacitus zusammengehalten und ausgesprochen worden ist, Deutschland habe alle günstige Veränderung dem Christenthum zu danken, erzählt Scheurl weiter:,,Deut sche Kaufleute, deutsche Studenten und Künstler finden sich durch die ganze Welt. Deshalb sagt mein berühmter Lehrer Philipp Beroaldes: die Kenntniß der deutschen Sprache halte er für Nichtdeutsche unentbehrlich, denn sie sei neben der Lateinischen unter allen Sprachen die

verbreitetste und daher für Kaufleute wie Reisende überhaupt weitaus die nützlichste. Die kernige Sprache wird gesprochen von einem körperlich tüchtigen Volk, das von früher Jugend auf zum Krieg und andern Strapazen abgehärtet ist. Das zeigt sich schon in der äußeren Erscheinung. Die Kleidung der Deutschen ist nicht lang und faltenreich wie die der Italiener, nicht bauschig und aufgebläht wie die der Franzosen, nicht herabhängend · wie die der Griechen, nicht lar und offen wie die der Armenier und Perser, nicht knotenreich und vernestelt wie die der Inder, sondern so wie sie kriegerischen Männern wohl ansteht: kurz, knapp, leicht und den Waffengebrauch nicht hindernd. Das Alles zeigt den kriegerischen Charakter der Deutschen an, der nicht blos bei Männern, sondern auch bei Frauen sich findet, die oft selbstmitkäm pfend dem Feind gegenüber traten".

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Unser Redner hält sich hierauf wieder an Bebel, die Verdienste der Deutschen v Ausbreitung des Christenthums schildernd. Dies bilde. den Uebergang zur Erhebung geistiger Größen Deutscher Nation. Vor Allem werden ihre Erfindungen namentlich die des Schießpulvers und der Buchdruckerkunst gepriesen und dabei Gedichte des Deutschen Sebastian Brant und der Italiener Ricardus Sbrulius und Philipp Beroaldes recitirt. Dann Aufzählung der Deutschen, die zu Päpsten gewählt waren. Ferner weitläufige Auseinanderseßung über den Erwerb der Römischen Kaiserkrone durch die deutschen Könige. Karl d. Gr., König der Franken, erhielt das Kaiserthum von den Griechen. Aber erst unter Otto I. wurde durch den Papst förmlich anerkannt, daß die Wahl des Kaisers den Ostfranken d. i. den Deutschen zustehe. Von da an wählt Mainz für das eigentliche Deutschland,

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Trier für Gallien, Cöln für Italien, die weltlichen Kurfürsten im eigenen Namen. Bei dieser Gelegenheit wird der Thaten deutscher Kaiser von Karl d. Gr. bis Marimilian gedacht. Weiter geht der Redner darauf über von den deutschen Städten eine hervorzuheben, die vor andern des Preises würdig sei, seine Vaterstadt Nürnberg.

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,,Nürnberg der bedeutendste Stapelplay deutschen Handels, eine freie und edle Stadt, geschmückt mit großartigen Werken, öffentlichen sowohl als privaten; dort sieht man wunderbare Häuser und stolze Paläste, saubere Straßen, kunstvolle Springbrunnen und gewaltige, schönverzierte Kirchen." Und was für Männer hat Nürnberg hervorgebracht? Von vielen sind zu nennen: Erasmus Dopler, Sirtus, Antonius und Andreas Tucher, Wilibald Pirkheimer, vor Allen: Albrecht Dürer. Lezterer war vor Kurzem in Italien. Da nannten ihn die Künstler von Venedig und Bologna Apelles und mit Recht, denn es ist eine wahre Anecdote, daß Dürers Hund, das selbstgemalte Portrait des Herren sehend, vor Freude bellte und an der Staffelei emporsprang, die Hände zu lecken. Wie ich nun, sagt der Redner, von den deutschen Städten eine ausgezeichnet und eingehender geschildert habe, will ich auch von den deutschen Fürstenhäusen eines herausgreifen und seiner Verdienste gemäß preisen. Es sind die angestammten Herren unseres neuen Rectors welche ich mir hierzu ausersehen habe: die Herzoge zu Sachsen. Nach kurzem Rückblick auf die Geschichte der Wettiner ertönt das Lob Kurfürst Friedrichs des Weisen. Er hat vor Kurzem die Universität Wittenberg als ein Asyl wahrer Gelehrsamkeit gestiftet, den elenden Ort in eine Marmorstadt verwandelt, eine herrliche Stiftskirche erbaut, für sie große Privilegien erlangt

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der heiligen Anna von Rhodus

darunter den Daumen

angeschafft. Gerecht ist Friedrich und ein Freund der Gelehrten. Er liebt die Musik und versteht es sogar schnell zu lesen und in ungebundener Rede elegant zu dictiren. Doch was ihn besonders ziert und was man bisher bloß von August und Tiber gehört hat, er schreibt selbst eine so schöne Hand, daß es ihm kein Kunstschreiber gleichthun

fann.

Wir erlaßen Scheurl das Resumée über den Inhalt der Rede, welches er in üblicher Weise den Hörern vorträgt und befragen uns nach dem Eindruck, den er auf uns gemacht hat? Ich denke sowohl was wir gehört muß uns ergreifen, als daß wir es gehört. Diese Rede voll glühenden Patriotismus auf welschem Boden vor einer Versammlung von Literaten aus allen Ländern Europas gehalten, ist ein gewaltiger Markstein für den, welcher die Gränze der alten und neuen Zeit sucht. Wenige Jahre früher wäre es keinem Deutschen eingefallen derartiges zu denken, vielweniger zu sprechen; ja wenn er selbst das Gefühl von alle dem gehabt hätte, was Scheurt sagt, er wäre nicht im Stande gewesen, das selbe sich zu klarem Bewußtsein zu bringen, da es nicht in das traditionelle Denksystem paßte und in diesem keinen Ausdruck fand.

Wie eine Vorahnung klingt es, daß Scheurl zum Schluß seiner Rede auf Wittenberg hinweist, welches allerdings dazu bestimmt war, das gewaltige Vermögen deutschen Geistes der erstaunten Welt zuerst zu zeigen. Nun hatte zwar unser Scheurl einen besonderen Grund Wittenberg zu erwähnen, denn er war zur Zeit als er die Rede hielt schon dorthin als Professor des

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