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stets in geschlossener Phalanr einig entgegen traten.

Falsch, fährt Bebel fort, ist die Ansicht des Strabo, welcher den Namen der Germanen daher leiten will, daß sie gleichsam Brüder der Gallier seien. Auch die ge= genwärtigen Franzosen, obwohl ein großer Theil der= selben germanischen Ursprungs, sind vielleicht durch Einfluß des milderen Klima, so degenerirt, daß sie Brüder von uns sowohl was die Tüchtigkeit des Körpers als des Geistes betrifft, nicht genannt werden mögen. Auch die Ansichten Anderer z. B. die des Tacitus über den Namen Germanen sind unrichtig. Es bleibt also bei der gegebenen, völlig befriedigenden Erklärung.,,Denn wo wird eine andere Nation gefunden, welche so viel edle Geschlechter und solche Volksmenge, wo eine, die so viel Körper und Geistesstärke besit?"

Nun werden Beweise für die Tapferkeit der Germanen beigebracht, ihre Feldzüge von Zeiten der Cimbern und Teutonen an erzählt. Alle Völker haben die Schwerter der Deutschen gefühlt, überall haben sie ruhmvoll sich geschlagen. Man lese nur, was sie den Römern für Noth machten! Und dabei kennen wir die Feldzüge Cäsars und Octavians gegen unsere Vorfahren nur aus Römischen Quellen. Wie würden die Berichte lauten, wenn wir einheimische Geschichtsschreiber hätten? — Der Germanischen Tapferkeit hat man die Erweiterung der Grenzen zu danken. Aber nicht blos auf diese, auf unser Wachsthum und unsere Großthaten können wir stolz sein, auch unserer Abstammung und unseres Alters dürfen wir uns rühmen. Tuisco der Sohn des Noa war der erste deutsche König. Billigkeit und Recht, Standhaftigkeit und vor Allem ächte Glaubenstreue war von jeher unser

Erbtheil. Das bezeugen unsere hohen Dome, unsere keuschen Klöster für beide Geschlechter, die Kriege unserer Vorfahren zur Erhaltung und Ausbreitung christlichen Namens. Wie oft sind unsere Kaiser für die Römische Kirche, für den katholischen Glauben, für das Wohl ge= meiner Christenheit durch ganz Europa gezogen? Wie oft haben sie eben deshalb asiatischen Boden betreten? Wie oft haben sie Jerusalem zurückgefordert, wie oft Spaltung aus der Kirche entfernt und Auflehnung gegen die päpstliche Gewalt gezüchtigt? Wenn einzelne Kaiser von dem päpstlichen Bannstrahl getroffen wüden, so lag der Grund nicht in ihrer Schuld, sondern in der Habsucht und Herrschbegier mancher Päpste. Hätten die Kaiser den Päpsten in Italien stets freie Hand gelassen, so würden jene Excommunicationen nicht erfolgt sein.

Ausführlich werden nun die Verdienste deutscher Könige um die christliche Kirche aufgezählt; dann aber die Klage wiederholt, daß alle diese Großthaten in das Dunkel der Vergessenheit begraben seien, da es an Deutschen Geschichtsschreibern fehle. Das werde jedoch in Zukunft besser werden. Denn endlich habe Gött Kaiser Marimilian gesendet unter dessen leitenden Auspicien unsere glänzende Geschichte wieder zu Ehren komme. „Es blühen die Studien, tüchtige Talente treten überall auf, denn der Kaiser licht die Gelehrten und unterstüßt sie, ja er verschmäht es selbst nicht, gleich Julius Cäsar, über die Geschichte seines Reichs zu schreiben“.

Damit schloß Heinrich Bebel seine Rede. Sie hatte die Hörer nicht unbewegt gelassen. Der Kaiser ergriff einen Lorbeerkranz und drückte ihn auf das Haupt des Redners. Das war damals die Form, wissenschaftliche Leistungen von eleganterem Charakter zu ehren. Ein

gekrönter Poet (poeta laureatus) zu werden war das Streben Aller, welche sich durch die geist und geschmackLose Weise, mit welcher noch die große Menge der Literaten das, was sie Wissenschaft nannte, betrieb, nicht befriedigt fühlten. Bebel, eines schwäbischen Bauern Sohn, erscheint in mehrfacher Beziehung als Bahnbrecher der neuen Richtung. Auch seine Rede in laudem Germaniae ist meines Wissens der erste öffentliche Ausdruck, welchen die frisch erwachte patriotische Begeistrung fand. Und sie ist ein würdiger Ausdruck. Denn nicht blos die Freimüthigkeit, mit welcher der Redner vor dem Kaiser auftritt, verdient unsere Achtung, auch der Inhalt selbst zeigt, wie der Gedanke an die Größe des Vaterlands in großartigerer Weise ergriffen und innerlich verarbeitet wird, als es vorher geschah. Kein schneidenderer Contrast als die possenhaften scholastischen Streitigkeiten um Lumpereien, an denen man sich bisher erfreut hatte, und die würdige, ernste Weise, mit welcher Bebel die Tugenden seines Volkes zu erkennen und das Erkannte schön und geschmackvoll vorzutragen bemüht ist!

An die Schriften Jacob Wimphelings und Conrad Peutingers, welche ebenfalls das patriotische Bestreben und Zusammenschließen der deutschen Humanisten beurkunden, will ich hier nur erinnert haben. Sie tragen äußerlich einen anderen Charakter als die Reden, für welche ich Aufmerksamkeit in Anspruch nehme.

Wir sagen Bebel vor den Thoren von Innspruck Balet. Er wendet sein Roß heimwärts nach der lang= gestreckten Hügelstadt, welche die raschen Wogen des Neckar bespülen. Wir ziehen füdwärts über die Alpen. Vier Jahre sind in's Land. gegangen, da betreten wir eines Tags die freundlichen Straßen Bologna's. Troß

der auch in Italien fühlbaren Frische des Novembermorgens herrscht reges und lebhaftes Treiben. Große Studentenhaufen schaaren sich gruppenweise: Deutsche, Engländer, Franzosen, Spanier, Polen, ja Dänen und Schweden sind an ihrem Aeußeren und den hie und da mit dem lateinischen Jargon, welches gesprochen wird, vermischten Ausrufen ihrer Muttersprache erkennbar. ,,Eine Rede zum Lob Deutschlands, das ist brav und wacker" tönnte es aus den Trupps der Deutschen und stammverwandten Landsmannschaften; ,,eine Rede zum Lob Deutschlands, das ist unerhört und eine Beleidigung der anderen Nationen“, sprechen Italiener, Franzosen und andere Romanen.

Wir nähern uns dem Ort, wo die öffentlichen Bekanntmachungen der Hochschule publicirt werden. Ein solenner Anschlag verkündet, daß heute die feierliche Uebergabe der Insignien seiner Magistratur an den aus der deutschen Landsmannschaft gewählten neuen Rector stattfinde und daß diesen Act in hergebrachter Weise eine aus Auftrag des Rectors durch Christoph Scheuerl von Nürnberg zu haltende Rede einleiten werde.

Als Thema der Redeist das Lob Deutschlands bezeichnet. Zur festgesetzten Stunde begeben wir uns in die Kirche des heil. Dominikus, wo Schulter an Schulter die Studentenwelt Bolognas, besonders aber die Angehörigen der deutschen Landsmannschaft dicht gedrängt stehen. Kaum finden wir einen Plaz, der uns den Blick auf den pompösen Zug der Würdenträger beider Corporationen in der damaligen Sprache Universitäten —, aus welchen die Hochschule zu Bologna bestand, freiläßt. Es sind nicht die Lehrer der Academie, welche hier als Repräsentante und Beamte der Universität auftreten:

der alte wie neue Rector beider Corporationen, die Procuratoren oder Vorsteher der Landsmannschaften, alle übrigen Magistrate sind der Zahl der Studirenden entnommen. Wir sehen jugendliche Gesichter unter ihnen: Sprößlinge fürstlicher oder gräflicher Familien, die man vorzugsweise durch die Wahl zu Universitätsämtern zu ehren bemüht war, aber auch ältere gereifte Männer, welche Amt und Haus im Vaterland verlassen haben, um sich zu ihrer Erfahrung die Wissenschaft zu holen. So waren schon seit drei Jahrhunderten wißbegierige Männer und Jünglinge nach Bologna gezogen, denen es darum zu thun war die Lehren des Römischen Rechts, welches als angestammtes Recht der Kaiser des heil. Römischen Reichs deutscher Nation galt, aus dem Mund weltberühmter Docenten zu vernehmen. Das Erlernte verwerthete man später im Rath der heimischen Fürsten oder auf der Gerichtsbank, und so war es gekommen, daß von Bologna aus die Disciplin des Römischen Rechts das gesammte Europa, namentlich aber auch Deutschland, sich unterworfen hatte.

Wir lassen die Bischöfe und Prälaten, Herzoge, Fürsten und Grafen, Räthe und Ritter, welche bei uns vorbeizogen, zu Ruhe kommen und wenden unsere Aufmerksamkeit einem jungen hochgewachsenen Mann, flugaber treublickenden Auges und von feingeschnittenen Zügen zu, welcher nach beendigtem Hochamt das im Chor der Kirche errichtete Katheder betritt. Es ist Christoph Scheurl, der Sohn eines Bürgers aus Nürnberg, der, obwohl er eben erst sein vierundzwanzigstes Lebensjahr vollendet hat, doch schon seit etwa neun Jahren die Rechtswissenschaft zu Bologna studirt und solches Vertrauen bei seinen Commilitionen genießt, daß er bereits zwei Jahre hinter

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