Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Bedeutung von professor extraordinarius als öffentlich angestellter, der Universität und Facultät gegenüber unberechtigter Lehrer muß hinwegfallen.

Besondere Schwierigkeit bietet das Institut der Privatdocenten. Es ist kaum entbehrlich und doch möchte seiner heutigen Gestalt und Bedeutung nach es nicht gut möglich sein, die privatim docentes unter die Zahl der vollberechtigten Lehrer der Universität aufzunehmen. Die alte Universitätsverfassung hatte in dieser Beziehung eine andere Einrichtung, welche mit der eigenthümlichen Stellung der Artistenfacultät in Verbindung stand. In sie trat nach geendigten Studienjahren der junge Mann ein und erwarb sich als Mr. artium bei den höheren Facultäten die Erlaubniß, Vorlesungen über die betreffenden Fächer privatim zu halten. Wenn er so, und bei den Juristen auch noch durch längere advokatorische Praris, seine Tauglichkeit für das akademische Lehrfach bewiesen hatte, wurde er promovirt und dann erst trat er in die höhere Facultät und damit in die Zahl der vollberech= tigten Lehrer ein, - Heutzutage erfolgt die Promotion sofort nach den Studienjahren, die Habilitation einige Jahre darauf, ohne daß der sich Habilitirende von seiner Tüchtigkeit zur akademischen Laufbahn andere Proben gegeben hätte, als die höchst unsicheren durch Bestehen der Examina und die Vorlage von regelmäßig mehr oder minder als Schülerarbeiten anzusehenden Dissertationen. Das ganze Institut wird betrachtet als eine Vorberei tung zum Lehramt. Diese erfolgt jezt eben erst nach der Promotion, während sie in früheren Zeiten vorher geschah. Und da, meine ich, ist denn wieder die alte Einrichtung nachzuahmen und zwar dadurch, daß man der Doctorpromotion ihre ursprüngliche Bedeutung als

1

.

Freisprechung von der Schülerschaft und Ertheilung der Meisterwürde gibt. Lasse man immerhin ungraduirte oder niedrig graduirte junge Männer ihr Glück als Docenten gleich nach Beendigung der Studienfahre versuchen; haben sie sich dann durch wissenschaftliche Leistungen und Lehrgabe als tauglich erhibirt, so promovire man fie zu Doctoren. Aber mit dieser Meistererklärung muß auch der Eintrit in die Facultät als berechtigtes Mitglied verbunden sein und das führt uns auf Wiedereinführung des Institus der Doctores adscripticii oder Adjuncten. Die Facultät muß das Recht haben, Mitglieder zu cooptiren und jeder Dr. rite promotus berechtigt sein, Aufnahme in die Facultät zu verlangen. Wir erhalten dann wieder drei Classen von Lehrein: die Doctores ordinarii mit öffentlichem Lehramt, die Doctores adiuncti mit vollem Lehrrecht, die privatim Docentes (Baccalaurei oder wie man sie sonst nenen will) mit dem Recht, sich durch Lehren auf das Lehramt vorzubereiten oder als gehörig vorbereitet zu erhibiren. Der Stellung der Universitäten als Staatsanstalten wird dadurch kein Eintrag gethan, den Hauptstamm der Facultäten werden that sächlich doch immer die ordentlich angestellten Lehrer bilden und eben dadurch, daß diese der Staat mit aller Ueberlegung wählt, kann er dem vorbeugen, daß durch unüberlegte oder aus engherzigen Interessen hervorge gangene Cooptationen die Facultäten resp. Universitäten Personen in sich aufnehmen, denen entweder das Bewußtsein der Verantwortlichkeit eines öffentlichen Lehrers oder die Fähigkeit dazu abgeht. Noch einen Vortheil würde die Wiedereinführung der Adjunctur gewähren: Wenn wohlverdiente Männer actis laboribus ihren Lebensabend dazu verwenden wollten, als akademische Lehrer

zu wirken, würde man nicht, wie schon vorgekommen, in Verlegenheit gerathen, was für eine Stellung der Universität gegenüber ihnen einzuräumen sei.

Der Hauptunterschied zwischen der mittelalterlichen und der vorgeschlagenen Facultätenverfassung aber möchte das rin bestehen, daß die moderne Facultät ihrem Charakter als Staatsanstalt gemäß immer ihren Stamm in den vom Staat angestellten öffentlichen Lehrern haben würde, welche die Facultät zurückweisen nicht berechtigt ist, während die alte freie Corporation durch das absolute Recht, sich selbst zu ergänzen und einen Aufgedrungenen nicht dulden zu brauchen vor äußerer Einwirkung gesichert nur zu leicht in starre Abgeschlossenheit und widrigen Zunftsinn versant.

Anmerkungen.

1) Statuta facultatis iureconsultorum Vitebergensium a. 1508 compostia edidit etc. I. G. Theod. A. A. Muther, V. I. D. et P. P. O. Reg. Pruss. a. d. MDCCCLVIII. Prostant apud Salomonem Hirzel bibliopolam Lipsiensem. 8vo.

2) S. über ihn Muther in der Zeitschr. für Rechtsgeschichte IV. S. 408 und den dørt citirten Joh. Voigt, Briefwechsel S. 408 mensdogm

III.

Politische und kirchliche Reden aus dem Anfange des 16. Jahrhunds.

Wer das Große begreifen will, darf das schheinbar Geringe nicht mißachten. Besonders in Zeiten mächtiger Umgestaltung, wo die Jahrhunderte lang eingehaltenen Bahnen verlaßen und noch unbetretene Richtungen eingeschlagen werden, wo das Alte wankt und Neues gewaltig sich erhebt, sind es häufig in ihren Anfängen bedeutungslos scheinende oder äußerlich andere Ziele verfolgende geistige Regungen mit rüstigem Ringen nach frischen Gedanken und freieren Formen, welche die Uebergänge vorbereiten und vermitteln, so daß leztere bloß dem stumpfen Blick rasch, plöglich und unerwartet er= scheinen, dem tiefer eingehenden Beschauer aber nicht entgeht, wie die geistige Umwälzung meist vollendet war, als die That siegreich in's Leben trat.

Auch die großen Ereignisse, welche in der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts Deutschland sich zutrugen, kündigte eine bewegungsvolle Vorbereitungszeit an. Nur durch ihre sorgfältige Betrachtung gelingt es, die Reformation richtiger aufzufassen, als es gewöhnlich geschieht. Will man die Großthat derselben lediglich in

Polit. u. archl. Reden aus dem Anfange des 16. Jahıh. 65

der Kirchenverbesserung sehen, so schlägt man ihre welthistorische Stellung zu niedrig an, denn jene ist nur einem kleinen Theil der Christenheit zu Gute gekommen, sie blieb zwar nicht, wie ihr vorgeworfen worden ist auf halbem Wege stehen, aber ihr Endergebniß mag doch eher eine Kirchenspaltung als eine großartige Wiederherstellung der gesammten christlichen Kirche an Haupt und Gliedern genannt werden. So suche und finde ich denn die wahre Bedeutung der Reformation auch in etwas Anderm, nämlich in der geistigen Befreiung Deutschlands von der absoluten Herrschaft Italienischer Wissenschaft, oder, um weniger concret zu reden; in dem Sturz · der Romanischen Raçe mit einer ihrer gemischten Anlage entsprechenden Denkweise und Bildung und der Erhebung rein germanischer Völker auf den Herrscherstuhl im Reich des Wissens und Könnens.

Das zu beweisen und im Einzelnen auszuführen würde in dieser kurzen Stunde nicht möglich sein. Aber ich will aus der Vorbereitungszeit jener großen geistigen Umwälzung Einiges mittheilen, was meine Behaup tung stüßt, aber auch zeigt, wie weit die innere Fertigkeit der deutschen Nation gediehen war, als die That kam und wie die lettere kaum richtig beurtheilt werden mag, wen. man die Vorbereitung übersieht.

Zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts gab es noch keine Journale mit langathmigen Leitartikeln und politischen Raisonnements. Liegt uns daran, die damalige öffentliche Stimmung aus unmittelbarer Quelle kennen zu lernen, so sehen wir uns von den Hülfsmitteln verlassen, deren Benußung freilich auch für jüngere Epochen nur mit Vorsicht und scharfer Kritik statthaft ist. Dagegen besißen wir aus jener Zeit eine Reihe

« ZurückWeiter »