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I.

Bilder aus dem mittelalterlichen Universitäts

leben.

Am 27. April 1460 hielt bei Einweihung der Albertus-Universität zu Freiburg im Breisgau deren erster Rector:,,Meister Matthäus Hummel, geistlicherRechte und der Arzneikunde Lehrer" eine denkwürdige Rede. Die Weisheit hat sich ein Haus erbaut", war das Thema derselben.

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Im ersten Theile schilderte der Redner den Seegen der Weisheit mit Worten, deren idealer Schwung zur Begeistrung fortriß. Dann aber ging er zur Beantwortung der Frage über:,,Warum ist es nöthig, daß die Weisheit gerade jezt zu Freiburg ein Haus erbaue?", oder, um es in heutiger Redeweise auszudrücken: „Warum ist die Stiftung einer Universität zu Freiburg Bedürfniß ?"

Die Antwort Hummels ist klar und unendlich einfach. Sie lautet: „Weil die Weisheit nirgends aufge= nommen wird, weder in den Häusern des Klerus noch in denen der Laien."

Und nun folgte eine Schilderung des damaligen Klerus, die um so mehr unser Interesse in Anspruch

nimmt, als sie aus dem Munde eines Klerikers kommt und wiederum zeigt, wie schon lange vor der Reformation die Ueberzeugung von der Verderbniß der Geistlichkeit bei einsichtsvollen und der katholischen Kirche keineswegs entfremdeten Männern durchgedrungen war. „Pfui der Schande, ruft Hummel, in diesen entarteten Zeiten werden wissenschaftliche Uebungen jeder Art, gemeinsame wie Privatstudien, gleich als ob es einen Feldzug wider dieselben gelte, aus den Häusern der Kleriker entfernt. Ihre Stelle nehmen Allotria und von der Kirche verpönte Dinge ein. Statt der Schriften zum Studiren finden wir bei ihnen in kostbaren Behältern feine Leinwand, Seidenzeuge und Prunkgewänder aller Art. Da erblicken wir silberne Gefäße, Leiern und Lauten, bunte Polster, Würfel und Karten, weiche Lotterbetten, geschnäbelte Waschgefäße, herumgestreute Locken und Aehnliches. Die Bücher dagegen, wo sie etwa noch vorhanden, sind in schaudererregendem Zustand und liegen in Staub und Schmuß, wie Hiob. Doch keine Stimme ruft:,,Lazarus, komme hervor! Läßt sich von ungefähr ein alter Koder blicken, so schwört der verläugnende Petrus, er kenne den Mann nicht und der Pöbel der Umgebung ruft: Kreuziget ihn! Der alte Soldat ehrt die Waffen, mit denen er gefochten hat, aber der ignorante Kleriker veräußert die merkwürdigsten Pergamente an Maler und Kürschner, oder gibt sie Goldarbeitern, um sie zu Behältern für Armbänder und Halsketten zu verwenden, oder klebt wohl gar mit ihren Blättern Oeffnungen in den Fenstern zu."

,,So bei den Weltgeistlichen, fährt der Redner fort; noch schlimmer aber sieht es in den Klöstern aus: Die Sorge der Mönche geht auf ihren Bauch, ihre Kleider,

ihre Paläste. Und erbarme der Himmel sich ihrer Schulen! Wie träge Fischer bedienen sie sich alter Neße, welche sie kaum dürftig auszubessern verstehen, an das Stricken neuer ist nicht zu denken. Sie stehlen fremde Arbeit, indem sie fremde Werke vorlesen und fremde Ansichten oberflächlich wiedergeben. Wie Papageien schreien fie im Komödiantenton unverstandene Worte nach: bloße Nachbeter, keineswegs Autoren! Ohne gründliches Studium der freilich nicht leicht zu bewältigenden, dickleibigen Quellen, schöpfen sie ihre Weisheit aus tractätchenartigen Compendien und so kommen sie zu ganz spanischen Fabeleien und apogryphischen Unsinn. Auf diese Weise wird ein lernbegieriges Gemüth keineswegs er= quickt, vielmehr das Ohr des Hörers mit Wortgeklingel betäubt; die heilige Schrift erklärt man nicht, sondern tritt sie durch solches Gebahren auf der Gasse mit Füßen."

Von den Laien führt Hummel aus, daß sie die Wissenschaft weder kennen noch lieben. Ihre Kinder werden, sobald sie der Wiege entwachsen sind, an gotteslästerliche und üppige Späße, an lascive Reden gewöhnt; bald im Sattel, bald auf der Jagd, bald Vögel fangend, dann auf dem Turnirplaß tummeln sie sich herum, He prahlen förmlich mit Lastern, ja es gewährt eine Auszeichnung, zu Unthaten bereit zu sein und den Eitelkeiten der Welt sich hinzugeben. Besonders der Adel deutscher Nation wird wegen seiner Unwissenheit gezüchtigt und seiner Ahnen gemahnt. Diese stifteten Zufluchtsörter für Religion und Wissenschaft, ihre Burgen waren der Sit geistiger Kultur und guter Sitte. Kaiser mie Könige beschäftigten sich mit Studien und be kannt ist, daß jedes Gemeinwesen durch die Einsichtsvollsten und Weisesten am besten regiert wird.

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