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heit an, über die ich meinestheils erröthen würde.“ Nun hatte zwar der Student in seinem kleinen Finger mehr Verstand, als der Beanus in dem Kopf, aber gerade deshalb ließ er sich auf dergleichen ungeschliffene Infolenzen nicht ein. Schnellen Schrittes ging er voran, denn der dämmernde Abend brach herein und es war ihm daran gelegen, noch vor völliger Dunkelheit eine Herberge zu erreichen. Allein der Weg dehnte sich und bald waren der immer noch heftig schwadronirende Beanus und sein Begleiter von nächtlichem Thalnebel_umhüllt, der allen Umblick versagte und die Hoffnung benahm, noch heute eine Stadt zu erreichen. Da erblickten die Wanderer hoch oben auf dem Gipfel einer steilen Höhe die ragenden Umrisse von Thürmen und Zinnen. Es war eine inmitten des Gebirgs gelegene Ritterburg; man beschloß hinanzusteigen und zu versuchen, ob mit Gunst der Götter ein Nachtlager zu gewinnen sei.

Als die Wandrer dem Burgthor sich näherten, meinte der Student, man müsse innerhalb der Vorburg vor der aufgezogenen Brücke stehen bleiben und von da um Aufnahme bitten, sonst laufe man Gefahr, den Burgherrn ohne Noth zu beunruhigen. Doch der Beanus, fürchtend, man möge aus der Ferne das Rufen überhö ren, übersprang die durch Emporziehen der Gabel entstandene Lücke der Brücke und fing an mit gewaltiger Wucht an die Thorflügel zu pochen. Der Thorwächter, erschreckt durch das donnerähnliche Getöse, öffnete schleunigst das im Thor befindliche Ausfallspförtchen, stürzte sich zornig auf den immer noch wacker anklopfenden Beanus, ihm mit seiner blechbehandschuhten Faust in's Gesicht schlagend, so daß man noch lange die Zeichen diefer unsanften Berührung in dasselbe eingeschrieben sah.

Und er würde diese Arbeit nicht so bald aufgegeben ha= ben, wenn nicht der mitleidige Student dazwischen gekommen wäre. Auf die Frage des Thorwarts, nach dem Grund des überlauten Anpochens, entgegnete der Student mit bescheidener und kluger Rede:,,Mein Reisegefährte that es im unüberlegten Eifer, uns bemerklich zu machen; er glaubte nicht, daß Jemand in nächster Nähe sich befinde und gleich zur Hand sein werde. Des= halb, bitte ich, mäßige Deine Hiße, laß uns ein und stelle uns weitere Fragen im Angesicht Deines Herren. Den Dienst erweise uns wenigstens, uns vor ihn zu führen. Du mußt wissen, daß wir Studenten sind, und, wie uns unten im Thale erzählt wurde, ist der Söhn des Burgherrn ebenfalls Student auf der hohen Schule zu Paris." Der Thorhüter antwortete:,,Unser Hert Graf ist verreist und niemand zu Hause, außer der gnädigen Herrin, welche sich in diese Angelegenheit nicht mischen wird, doch will ich ihr meine Meldung machen." In die Burg zurücktretend, zeigte der Thorwart das Vorgefallene an.

Die Gräfin war eine mitleidige Dame, welcher bei der Erwähnung von Studenten sofort das Bild ihres eigenen zu Paris studirenden Sohnes vor die Augen trat, daher sie denn auch befahl, die vor dem Thor harrenden Scholaren einzulassen. Nachdem Leßtere ein wenig gerastet hatten, wurden sie von der Gräfin im Beisein der durch fast kindliche Jungfräulichkeit bezaubernden und in vollendeter Schönheit strahlenden Tochter des Hauses empfangen.

,,Erzählt mir von Euerem Herkommen!" redete die Gräfin freundlich die jungen Männer an.

Der Beanus, welcher scheu in einen Winkel gloßend

dagestanden hatte, warf einen schielenden Querblick auf die frisch getünchte dunkelfarbige Seitenwand des Zimmers, trat dann klümpisch an dieselbe heran, spukte in die Hand, zog ein unsauber aussehendes Stück Kreide aus der Tasche und begann der unsinnigen Sitte vagabundirender Scholaren folgend, die reine Wand zu be= klecksen. Zuerst zog er ein Paar Schnörkel, denen mühsam gemalte plumbe Buchstaben folgten, bis sie dastanden die denkwürdigen Worte:,,Das schrieb ich, Johann, Sohn des Schulzen in Winterkasten, Studiosus an der Bachantenherberge zu Ulm."

Ein Zeugniß von seiner Sitte legte dieß Benehmen nun freilich nicht ab; aber obendrein log er auch, unser Beanus, denn sein Vater bekleidete nicht die Würde eines Schultheißen in Winterkasten, vielmehr gab er sich der nützlichen Beschäftigung eines Schafhirten hin. Doch das kümmerte den wohlgerathenen Sprößling des Schäfers wenig. Mit Selbstgefühl trat er von der verunzierten Wand hinweg und löste unterwegs nicht ohne Eitelkeit sein bisher in einem helmartigen Knoten zusammengebundenes sechsfußlanges Haar; er dachte mit der Raabenschwärze desselben der jungen Comtesse zu imponiren, denn auch sein Herz war empfindlich für Schönheit und Liebreiz.

Unterdessen war die Stunde des Abendessens ge= kommen. Die Dienerschaft deckte die Tafeln und es wurde Wasser gereicht, die Hände zu waschen. Der Student, dem die Schaale zuerst präsentirt wurde, dankte mit höflichen Worten, worauf die Damen ohne Scheu davon Gebrauch machen konnten. Die Gräfin vertheilte die Pläße und seßte den Bachanten zur Rechten ihrer Tochter, den Studenten, welchem man seine

Verstandesreife und Gelehrsamkeit bei seinem fast knabenhaften Aeußeren nicht ansah, zur Linken.

Der erste Gang wurde aufgetragen. Die junge Comtesse eben so ausgezeichnet durch seine Maniren, wie durch Eleganz und Lieblichkeit der Erscheinung, hob mit dem Messer einen Hühnerflügel von der Platte und legte ihn zierlich auf den Teller des Beanus; gleichermaßen reichte sie dem Studenten ein Bruststück. Unser Beanus, welcher nie vorher die Schwelle eines feingesitteten Hauses überschritten und höchstens einmal entfernte Vettern einer Jungfrau aus so hohem Geschlecht weitab erblickt hatte, glaubte sich revangiren zu müssen, griff mit seiner schwieligen, übelaussehenden Hand in die Schüssel, nahm das größte der darin befindlichen Fleischstücke und legte so der Comtesse eine Portion vor, wie sie kaum jemals vor oder nachher auf dem Teller einer vornehmen jungen Dame gesehen war.

Die Schüssel wurde abgetragen. Als dieses der Beanus bemerkte, rief er überlaut:,,Es kommt doch noch mehr?!" Eine gelinde Aufwallung von Unwillen niederdrückend, strafte die Gräfin das hervorbrechende Kichern mehrerer als Tischgenossen zugezogener Hofleute mit ernstem Blick.

Die junge Comtesse aber nahm lächelnd von dem neu aufgetragenen Gericht eine ausgesuchte Portion und legte sie dem Studenten vor mit den Worten:,,Nimm, mein Bruder, iß! Denn du siehst, dein Genosse, welcher einen großen und starken Körper besigt, verachtet die Speise nicht; um so mehr bist du mit deiner zarten gebrechlichen Gestalt kräftiger Nahrung bedürftig; wie könntest du sonst Jenem, wenn er voranschreitet, folgen? Geneigten Haupts sprach der Student mit zierlichen

Worten der holden Jungfrau seinen Dank aus. Der Beanus dagegen saß stumm, sein Essen hastig verschlingend. Als er damit fertig war, verspürte er Durst. Und siehe vor ihm stand ein kostbares venetianisches Glas, gefüllt mit Elsasser Wein; und desgleichen vor der Comtesse eine schönvergoldete silberne Kanne, in welcher der delirirende Beanus Italienischen Schaumwein sich vermuthete. Freilich war bloß Trinkwasser darin — denn wer sollte einen starken und ausgezeichneten Wein in einer Kanne auftragen?, doch der Beanus, des Inhalts werth, griff danach und zitternd, unsicher, tölpelhaft, wie er war, stieß er mit dem Krug gegen das kostbare, von weiter Reise als theures Andenken mitgebrachte Glas, so daß dasselbe in tausend Stücke zersprang.

,,Zum Guckuck! rief er, und bei allen Heiligen, so etwas ist mir im Hause meines Vaters nie passirt.“ Und er sprach dießmal die Wahrheit, der Gute, denn im Hause seines Vaters, des Schäfers, eristirte ein einziges Trinkgefäß: ein großer hölzerner Wassereimer, der kaum zerstörbar war. Doch der Student war wie mit Purpur übergossen, so schämte er sich des ungeschickten Benehmens seines Reisegefährten. Die junge Comtesse, seine Verlegenheit wahrnehmend, reichte ihm einen mit Wein gefüllten goldenen Becher, der vor ihr stand, und sagte:,,Nimm diesen, Bruder, trink daraus, ich möchte nicht, daß auch du ein Glas zerschlügest. Denn ihr scheint aus einer Gegend zu sein, wo Glas ein noch unbekannter Artikel ist." Der kluge Student überhörte die letzten Worte absichtlich, er trank von dem dargereichten Wein und gab verbindlich den Becher zurück. Da ließ das junge Mädchen nicht ohne herzlichen An

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