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Pfaueninsel und verweilte daselbst am 20. und 21. März. In Berlin verbreitete sich das Gerücht, daß unter Führung des Prinzen von Preußen eine große Heeresabteilung gegen die Hauptstadt anrücke. Aufs neue kam die Bevölkerung in 'die größte Unruhe. Die neuen Minister glaubten dem König nicht verhehlen zu dürfen, daß es nach ihrer Ansicht sehr zur Beruhigung des Volkes dienen würde, wenn der Prinz eine Reise ins Ausland anträte. Der König gab diesem Wunsche nach und ließ an den Prinzen eine mündliche Mitteilung in diesem Sinne gelangen. Dieser, welcher um keinen Preis den Schein auf sich laden wollte, als weiche auch er vor der Revolution zurück, ließ dem Könige erklären, daß er auf eine bloße mündliche Mitteilung hin das Land nicht verlassen werde, daß er aber bereit dazu wäre, falls ihm ein ausdrücklicher und schriftlicher Befehl des Königs vorgelegt würde. Darauf erteilte der König in einem eigenhändigen Schreiben dem Prinzen von Preußen den Auftrag, sich nach London zu begeben, um dem befreundeten englischen Hofe Aufschluß und Aufklärung über die Zustände und Ereignisse in Preußen zu geben.

Am 22. März, seinem 52. Geburtstage, reiste der Prinz nach London. Er stieg dort in dem Hotel des preußischen Gesandten, des Ritters von Bunsen, ab. Als er zum gemeinschaftlichen Frühstück kam und man für ihn einen Armsessel herbeiholte, stellte er selbst denselben weg und nahm einen anderen Sessel mit den Worten: „Man muß jezt Demut üben, denn die Throne wackeln." Darauf schilderte er die schlimmen Märzereignisse, deren Zeuge er so eben in Berlin gewesen war. Er war viel mit dem Prinzen Albert und der Königin Viktoria zusammen, lernte die Einsicht und das Urteil des ersteren, der sich für die Verfassungskämpfe Deutschlands sehr interessierte, immer mehr hochschäßen und führte in den folgenden Jahren eine lebhafte Korrespondenz mit ihm über politische Fragen. Schon im Jahre 1844 hatte er einen Besuch in Windsor gemacht. Damals schrieb die Königin Viktoria über ihn: „Ueber die öffentlichen Fragen sprach er höchst offen, milde und verständig und würde, glaube ich, ein zuverlässigerer und stetigerer König sein als der gegenwärtige." Nach seinem diesmaligen Aufenthalt schrieb sie am 30. Mai 1848 an König Leopold I. von Belgien: „Er war sehr traurig beim Abschied; Gott schüße ihn! Er ist ein Mann der edelsten und rechtschaffensten Gesinnung, dem man schmähliches Unrecht gethan hat. Er schien großes Vertrauen zu Albert gefaßt zu

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Der Verfassungsentwurf der Siebzehner.

haben, der ihn aufmunterte und ihm immer den besten Rat gab." Zu Frau von Bunsen sagte der Prinz von Preußen beim Abschied: „In keinem anderen Orte oder Lande hätte er den Zeitraum von Kummer und Sorge, den er durchgemacht, so gut verbringen können als hier, wo Land und Volk so viel Interessantes geboten, um seinen Geist abzuziehen und zu beschäftigen.“

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Sein Aufenthalt in England dauerte bis zum 28. Mai. Trog seiner so berechtigten persönlichen Verstimmung zeigte er doch das lebhafteste Interesse für die Ereignisse in Deutschland und äußerte sich mit ebensoviel Wohlwollen als Verständnis über die in Frankfurt auf die Tagesordnung gefeßten Verfassungsfragen. Bunsen teilte ihm den von dem Historiker Dahlmann verfaßten Verfassungsentwurf der Siebzehner" mit. Der Grundgedanke desselben war der der Einheit des Deutschen Reiches. Diese Einheit sollte ihren Ausdruck finden teils in dem „erblichen und unverantwortlichen" Reichsoberhaupt, teils in dem ihm zur Seite stehenden Oberhaus und Unterhaus, teils in den diesen drei Faktoren zustehenden Befugnissen und den den deutschen Reichsbürgern zuerkannten Rechten. Der Prinz sprach sich Bunsen gegenüber so klar und beifällig über diesen Entwurf aus, daß dieser ihn bat, er möchte sein Urteil über den Entwurf niederschreiben und ihm gestatten, Dahlmann und anderen Freunden Mitteilung davon zu machen. Der Prinz willfuhr diesem Wunsche und stellte Bunsen am 4. Mai sein Gutachten zu. Darin hieß es: „Zuvörderst wiederhole ich, wie ich das Ganze des Verfassungswerkes als eine großartige Erscheinung unserer Zeit begrüße und dasselbe wegen seiner Klarheit, Gediegenheit und Kürze als meisterhaft anerkenne. Die Grundsäge, auf welchen das Ganze beruht, sind diejenigen, welche zur wahren Einheit Deutschlands führen werden; es sind dieselben, welche jeder einzelne Staat in Deutschland zu den seinigen machen muß, wenn diese Einheit erstrebt werden soll. Daß auch ich die Annahme dieser Grundsäße für Preußen unerläßlich fand, beweist meine Unterschrift unter dem Patent des Königs vom 18. März, und daß ich hier in England nicht anderen Sinnes geworden bin, ist mehr wie begreiflich." Darauf sprach er sich über einzelne diskutierbare Punkte aus, zunächst über die „Erblichkeit des Oberhauptes", deren Zweckmäßigkeit er nach den von Dahlmann vorgebrachten Motiven vollkommen anerkannte, sodann über die Zusammensetzung des Oberhauses, bei welcher er auszusehen fand, daß den Mo

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narchen Deutschlands, die denn doch, damit ein einiges Deutschland zu= standekommen könne, vielfache Opfer ihrer Macht und Selbständigfeit bringen müßten, auch noch zugemutet werde, im Oberhause zugleich mit ihren eigenen Unterthanen zu sigen, mit diesen öffentlich zu deliberieren und sich allenfalls von diesen überstimmen zu lassen. Dies hielt er für „durchaus unzulässig“, wollte die Fürsten aus dem Oberhaus entfernt wissen und dieselben eine „Fürstenbank für sich bilden“ lassen, mit der das Reichsoberhaupt sich in Verbindung zu sehen hätte, bevor dem Parlament allgemeine Reichsgefeße vorgelegt würden. Endlich hielt er die Anordnung nicht für haltbar, daß das Reichsoberhaupt alle Offiziere der Linie und die Stabsoffiziere der Landwehr ernennen solle. Er glaubte vielmehr, daß dem Reichsoberhaupte nur die Ernennung der kommandierenden Generale der deutschen Armeekorps vorbehalten, die Ernennung der übrigen Offiziere den einzelnen Staaten überlassen werden solle, daß dagegen das Reichsoberhaupt jährlich Inspizierungen der Bundeskorps veranstalten solle.

Die Mitteilung dieses Gutachtens an Dahlmann begleitete Bunsen mit folgenden Worten: „Ist der Prinz ein Absolutist oder ein Reaktionär? Daß er durchaus offen, redlich und konsequent sei, haben selbst die Ungünstigen nie geleugnet, wenn sie mit Kenntnis des Mannes schrieben oder sprachen. Der Prinz hat sich gleich in den ersten Tagen zu einer vollkommenen Klarheit über seine und des Königtums Stellung emporgerungen mit der stillen und redlichen stetigen Verständlichkeit, die ihm eigen ist. Der Aufenthalt in England, der Ideenaustausch mit Männern wie Peel, Lord John Russell, Palmerston und ganz besonders auch mit Prinz Albert hat ihm Vergangenheit und Zukunft noch klarer auseinandergesezt."

Inzwischen war in Preußen der Vereinigte Landtag am 2. April zusammengetreten und hatte ein auf dem allgemeinen Stimmrecht beruhendes Wahlgefeß für die „Nationalversammlung“ beraten. Leştere, mit welcher die neue preußische Staatsverfassung zu vereinbaren war, follte am 22. Mai eröffnet werden. Das Ministerium Camphausen war der Ansicht, daß für den Zeitpunkt, wo die Vereinbarung der Staatsverfassung zustandegekommen sein werde, zu deren feierlicher Anerkennung die Anwesenheit des Prinzen von Preußen „als des Nächsten am Throne unerläßlich" sei, und trug daher in einem Berichte vom 10. Mai dem König die Bitte vor, daß er die sofortige: Kaiser Wilhelm.

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Rückkehr des Prinzen nach Berlin.

Rückkehr des Prinzen veranlassen möchte. Der König war damit einverstanden und richtete an seinen Bruder ein in diesem Sinne lautendes Schreiben. Am 4. Juni langte der Prinz in Wesel an, wo die Be= hörden und das Offizierkorps ihn aufs freudigste empfingen. In seiner Ansprache an dieselben erklärte er: „Ich schließe mich mit vollem Herzen den neuen Verhältnissen an; aber Recht, Ordnung und Gesez müssen herrschen, keine Anarchie; dagegen werde ich mit meiner ganzen Kraft streben; das ist mein Beruf. Wer mich gekannt hat, weiß, wie ich immer für das Vaterland geglüht habe." In Magdeburg traf er am 6. Juni mit seiner Gemahlin und seinen Kindern zusammen, und nachdem er am 7. den König und die Königin in Potsdam begrüßt hatte, begab sich noch am gleichen Tage, dem Todestage des Königs Friedrich Wilhelm III., die ganze königliche Familie nach Charlottenburg, um in dem dortigen Mausoleum, wo die Königin Luise mit ihrem Gemahl ruht, zu beten. Am folgenden Tage erschien der Prinz, welcher von dem Wirsizer Wahlkreis zum Abgeordneten der preußischen Nationalversammlung gewählt worden war, in dieser Versammlung und hielt eine Ansprache, worin er unter anderem erklärte, daß er der konstitutionellen Monarchie, welche die künftige Regierungsform sein werde, seine Kräfte weihen werde mit derjenigen Treue und Gewissenhaftigkeit, wie das Vaterland sie von seinem offen vorliegenden Charakter zu erwarten berechtigt sei. Jedoch ersuchte er zugleich, da seine übrigen Geschäfte ihm die regelmäßige Teilnahme an den Sißungen nicht erlauben würden, den Präsidenten, seinen Stellvertreter einberufen zu lassen.

Aus der Zurückgezogenheit, in welcher der Prinz die nächsten Monate in dem schönen Schloß und Park Babelsberg zubrachte, riß ihn der süddeutsche Aufstand. Am 8. Juni 1849 wurde er zum Oberbefehlshaber der Operationsarmee in Baden und in der Pfalz ernannt. Auf die Märzsonne vom Jahre 1848 waren falte Winterstürme ge= folgt. Die preußische Nationalversammlung war aufgelöst und eine Verfassung oftroyirt; der König von Preußen hatte die von dem Frankfurter Parlament ihm übertragene deutsche Kaiserkrone nicht angenommen; diese Versammlung selbst, zu einem Rumpfparlament zusammengeschrumpft, tagte in Stuttgart und sah dort ihrer Sprengung entgegen; wer noch an der Reichsverfassung festhielt und dieselbe um jeden Preis, auch mit Waffengewalt, gegen die Regierungen und ihre Heere durchsetzen wollte, begab sich nach Baden, wo mit den aus allen

Feldzug in der Pfalz und in Baden.

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Ländern herbeiftrömenden Aufrührern das heimische Militär fraterni= fierte. Der Großherzog war mit seiner Familie entflohen und rief die Hilfe Preußens an. Am 12. Juni hielt der Prinz von Preußen Kriegsrat in Mainz, rückte sofort mit den preußischen Truppen zwischen Kreuznach und Saarbrücken in der Pfalz ein, drängte in kleineren Gefechten die Aufständischen zurück und entseßte das von diesen belagerte Landau. Der Uebergang über den Rhein erfolgte bei Germersheim. Nach den Gefechten bei Wiesenthal, Waghäusel, Ubstadt, Durlach rückte der Prinz von Preußen in Karlsruhe ein. Hinter der Murg hielten die Badener noch einmal stand. Sie wurden bei Bischweiler und bei Kuppenheim aufs neue geschlagen; der Prinz zog am 7. Juli in Freiburg ein, und die Revolutionsarmee mußte auf Schweizergebiet Rettung suchen. Der Prinz schlug sein Hauptquartier in dem bei Baden-Baden gelegenen reizenden Schlößchen Favorite auf und erließ von dort, nach der Kapitulation von Rastadt, einen Armeebefehl, in welchem er den Truppen für ihr braves Verhalten in diesem sechswöchigen Feldzug dankte und ihnen mit Genugthuung sagte: „Während in euren Reihen Zucht, Ordnung und Gehorsam herrschten, habt ihr gesehen, was aus einer Truppe wird, in der diese Erfordernisse eines wohl disziplinierten Heeres fehlen, namentlich, wenn dazu noch der Vorwurf des Gewissens tritt, seinem Herrscher und dessen Fahnen den Eid freventlich gebrochen zu haben." Die Verleihung des Ordens Pour le mérite an den Prinzen von Preußen war die Belohnung für die Führung in diesem Feldzug.

Zum Generalgouverneur von Rheinland und Westfalen ernannt, nahm der Prinz von Preußen vom Ende des Jahres 1849 an seinen. regelmäßigen Wohnsig in Koblenz. Im Jahre 1854 folgte die Ernennung zum General-Oberst der Infanterie mit dem Range eines Feldmarschalls und zum Gouverneur der Bundesfestung Mainz. In allen wichtigen Phasen der preußischen Politik wurde der Rat des Prinzen eingeholt, freilich nicht immer befolgt. Die preußischen Unionsbestrebungen mußten vor dem rücksichtslosen Vorgehen des östreichischen Ministers Schwarzenberg, vor dem Uebelwollen des Kaisers Nikolaus und vor dem Partikularismus der deutschen Mittel- und Kleinstaaten den Rückzug antreten. Vergebens suchte der Prinz von Preußen im Juni 1850, wo er in Warschau mit dem Kaiser Nikolaus und dem Fürsten Schwarzenberg zusammenkam, ersteren für die nationalen Pläne Preußens zu gewinnen; vergebens erfolgte zu dem gleichen Zweck im

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