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AUS DER KAISERL. KÖNIGL. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.

1861.

IN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN IN WIEN.

Die Schlacht am Mincio am 8. Februar 1814.

Nach österreichischen Originalquellen.

(Mit 1 Karte in 3 Blättern, Tafeln No. 20 a, 208 und 20 c.)

I. Einleitung.

Die verschiedenen Gefechte am 8. Februar 1814 auf beiden Mincioufern zwischen Peschiera und Mantua, welche man gewöhnlich mit der Collectivbenennung „Schlacht am Mincio" bezeichnet, fanden unter so eigenthümlichen Verhältnissen und Umständen Statt, dass ihr Studium für die Wissenschaft ebenso anziehend als lehrreich erscheint; denn ihr Beginn, Verlauf und Ende waren so sonderbar, dass man ihnen nicht häufig begegnet.

Nur äusserst selten dürfte es sich ereignen, dass zwei Heerführer, in barer Unkenntniss über die wahre Aufstellung und Absicht des Gegners, einen Fluss mit ausgesprochen offensivem Zwecke überschreiten, den Feind dort suchen, wo er nicht ist, und gezwungen werden, auf beiden Flussufern zu fechten; dass endlich dieser, einen ganzen langen Tag hindurch geführte blutige Kampf ein nutzloser war, indem weder der eine noch der andere Theil seine Absicht durchsetzte, ja dass daraus nicht einmal ein taktischer, viel weniger ein strategischer Vortheil entsprang und beide gezwungen sind, wieder dahin zurückzukehren, von wo sie ausgingen. Die einzelnen Gefechte fanden ohne irgend einen sichtbaren Zusammenhang Statt. Der Mincio bildete nach wie vor die Scheidungslinie zwischen beiden Armeen, und der resultatlose Tag war in der Wagschale des Krieges ein gänzlich verlorener. Denn wo für die gebrachten Opfer keine angemessene Entschädigung aufgewiesen werden kann, ist jede Kriegshandlung, jede Berechnung fehlerhaft, und man hätte sicher weit besser gethan, die gegebenen Mittel für eine gelegenere Zeit zu sparen.

Diese Erscheinungen und die Bemerkungen, so sich daraus abstrahiren lassen, müssen unverkennbar auf alle jene, so sich gerne mit Kriegsgeschichte beschäftigen und aus ihr richtige Lehren zu schöpfen streben, einen überraschenden Eindruck üben, und diess um so mehr, als gar Manches, was damals geschehen, so abweichend vom Gewöhnlichen, vom Hergebrachten und Erprobten ist, dass man an Personen und Sachen bisweilen völlig irre werden könnte und in Verlegenheit geräth, zu deren Beurtheilung den richtigen Massstab zu ermitteln.

Von den Mincioübergängen besass nämlich der Vicekönig, mit Einrechnung jener in den Festungen selbst, deren vier, und zwar vollkommen gesichert, indem die Brücken bei Monzambano und Goito durch Erdschanzen am linken Ufer gedeckt waren. Er hatte somit volle Leichtigkeit für den Übergang, sowie gänzliche SicherÖsterreichische militärische Zeitschrift. 1861. XIII. (3. Band.)

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heit des Rückzuges auch bei einem Unfalle, weil Peschiera und Mantua seine Flanken genügend schirmten.

Der FM. Graf Bellegarde hingegen besass eigentlich gar keinen Übergang, denn die steinerne Brücke bei Valeggio war vom Feinde abgesprengt. Die Örtlichkeit begünstigte dort, und wenn man so will auch bei Pozzolo, ein Überschreiten des Mincio vom linken auf das rechte Ufer; aber dazu musste man immerhin zuvor den Fluss überbrücken, die steinerne Brücke aber gangbar machen; für den Rückzug aber konnte man bei der Kürze der Zeit diese Brücken nicht genugsam versichern, und doch hatte man bei einem etwaigen Unfalle erst in Verona selbst einen angemessenen Rückhalt.

Es waren also die Verhältnisse auf beiden Seiten keineswegs gleich, sondern wesentlich zu Gunsten des Vicekönigs, der bei einer Offensive auf dem Terrain zwischen Mincio und Etsch nur wenig wagte, was bei dem FM. Grafen Bellegarde in dem Abschnitt zwischen Mincio und Chiese keineswegs der Fall war. Der Vicekönig konnte also unbedenklich seine treffliche Defensivstellung hinter dem Mincio aufgeben und den Gegner östlich dieses Flusses aufsuchen, um einen Sieg zu erfechten. der denselben auf alle Fälle hinter die Etsch geworfen haben würde. Nicht so stand es aber auf Seiten des FM. Bellegarde, der blos und allein bei Valeggio und Pozzolo, somit zwischen den feindlichen Brückenköpfen den Mincio zu überschreiten vermochte, daher auf Flankenangriffe von Goito und Monzambano her gefasst sein musste. Seine Offensive konnte eigentlich nur aus der Mitte und blos mit einem Theile der Kräfte erfolgen, weil man sowohl Mantua als Peschiera angemessen beobachten und gegen Monzambano und Goito so viel Truppen stehen lassen musste, um ein Debouchiren von dort aus zu vereiteln.

Die Österreicher konnten gewissermassen blos in einer Colonne vorgehen, und hatten nur einen Rückzugsweg, wo der Vicekönig deren vier besass, also in vier Colonnen sich zerlegen und einen Raum umfassen konnte, der von allem Anfang her eine grosse Entwickelung erlaubte und auf dem man sich eher vor übermässiger Ausdehnung zu hüten hatte, indess Bellegarde nach seinem Übergange sich erst Zeit und Raum zur Entwickelung erkämpfen musste. Das Vorgehen der Österreicher war unter solchen Verhältnissen ein keilartiges, geschah nur auf einer Linie und in einer Richtung, aus welcher der Rückzug ein überaus schwieriger blieb, wo nicht gar völlig unmöglich geworden wäre, wenn nicht eine Handvoll tapferer Soldaten mit heroischer Ausdauer den Feind gehindert hätte, die österreichische Armee zu trennen und im Detail zu schlagen.

Der Plan des Vicekönigs, man mag ihn nun betrachten wie immer, war umsichtig angelegt und verbürgte für den Fall seines Gelingens ein grosses Resultat, denn die Österreicher würden eine gänzliche Niederlage erlitten haben. Dass dieser Plan nicht gelang, daran trugen solche Umstände die Schuld, welche ausser aller Berechnung lagen und für welche man weder den Feldherrn noch seinen Generalquartiermeister verantwortlich machen darf.

Aber was das taktische Detail betrifft, so kamen auf Seiten der Franzosen verschiedene Fehler vor, und einzelne Führer und Truppentheile erwiesen sich nicht tüchtig genug. Diess lag übrigens weit mehr in der inneren Organisation des italienisch-französischen Heeres und in den politischen Verhältnissen im Allgemeinen als

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in der Persönlichkeit mancher Befehlenden oder in Murat's Abfall. Das Eindringen der Verbündeten in Frankreich übte namentlich auf die Treue und Ausdauer der italienischen Soldaten eine zersetzende Wirkung, und schon um diese Zeit begann bei selben der gute Wille zu mangeln und die Desertion einzureissen. Alle Welt sah Napoleon's nahen Sturz vorher.

Wenn nun aber die Schlacht am Mincio so eigenthümliche, nur äusserst selten vorkommende Erscheinungen bietet, so wird es für den Geschichtschreiber eine doppelte Pflicht, die historische Wahrheit nicht nur mit aller Aufmerksamkeit, sondern auch mit jener unparteiischen Gelassenheit zu erforschen, welche die Wichtigkeit des Gegenstandes unter jedem Gesichtspunkte ansprechen darf. Wir werden uns daher bestreben, mit Beseitigung jeder Vorliebe oder Gehässigkeit die Dinge zu schildern, wie selbe wirklich waren, denn nur allein in der Wahrheit liegt Belehrung, alles Andere ist Phantasie, ist verlorene Zeit. Einzelne französische Autoren scheinen diess nicht empfunden zu haben. Und davon können wir selbst einen Vaudoncourt1) und Vignolle 2) nicht freisprechen.

Der Stoff, welchen wir hier behandeln und nutzbringend zu machen streben, wurde, obschon in anderer Weise und nach verschiedener individueller Auffassung, bereits durch Welden, Vacani, Vaudoncourt, Ducasse ), Vignolle und in einigen militärischen Zeitschriften verarbeitet. Der Leser selbst möge nun entscheiden, ob unsere Darstellung hätte unterbleiben können.

Was Ducasse anbelangt, so müssen wir dessen, angeblich auf authentische Behelfe gegründete Arbeit als flüchtig, einseitig ruhmredig und ungenau erkennen, denn dieser Autor stellt sich jederzeit ausschliessend nur auf den französischen Standpunkt und übersieht dabei alles Andere. Die richtige Quellenforschung geht ihm gänzlich ab. Es ist nun eben einmal nicht anders. Die Franzosen können nichts. erzählen, ohne ihre angeborne Eitelkeit auf Kosten der Gegner vorwalten zu lassen. Wer den X. Band von Ducasse mit unserer Bearbeitung vergleichen will, wird auf überraschende Anomalien stossen. Dahin gehört vor Allem der S. 25 etc. abgedruckte amtliche Bericht des Grafen Tascher de la Pagerie an Napoleon über die Schlacht am Mincio, der als eine kaum halbwahre Schilderung deutlich zeigt, in welch' grossartiger Weise selbst der französische Kaiser bisweilen hintergangen wurde, der gutmüthig genug war, den Berichterstatter dafür zum Obersten zu ernennen, statt ihn aus seiner Armee zu entfernen.

Die schon vor mehr denn vierzig Jahren gedruckte, aber 1857 wieder aufgewärmte und mit einem höchst dürftigen Plänchen begleitete Darstellung der Schlacht aus der Feder des nunmehrigen k. k. österreichischen FML. Baron Vacani, welcher als Geniestabsofficier im Heere des Vicekönigs ein Augenzeuge dieser Schlacht

1) Die Geschichte des italienischen Krieges 1813 und 1814 von Vaudoncourt ist zwar im Allgemeinen trefflich gehalten, jedoch lange nicht fehlerfrei. Der Verfasser strebt bisweilen nach voller Unparteilichkeit, ohne dass ihm solches stets und überall gelingt.

2) Précis historique des operations militaires de l'armée d'Italie en 1813 et 1814. Paris bei Barrois 1817. Und doch versah der ehrenwerthe General die Dienste eines Generalquartiermeisters bei dem Vicekönig.

*) Mémoires et correspondance politique et militaire du prince Eugène u. s. w. Paris. Michel Levy frères. 10 Bde. 1858 bis 1860.

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