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erfolg mit angesehen, den das IX. Armeekorps erlitt, es wäre dann auf demselben verderblichen Fleck vorgestoßen und wäre in dasselbe Unheil mit verwickelt worden. Unterdessen wäre das XII. Korps weit links ab, durch eine große Lücke von der Armee getrennt, isoliert auf die formidable Stellung von St. Privat gestoßen und hätte sich auch blutige Köpfe geholt. Bekanntlich haben an allen anderen Stellen unsere Truppen an diesem Tage so gut wie keine Fortschritte gemacht. Das Resultat des Tages wäre also wahrscheinlich eine verlorene Hauptschlacht gewesen. Die vorhandenen Reserven hätten vielleicht am 19. August den Sieg herbeiführen können, aber um welchen Preis? Dies Verdienst des Prinzen von Württemberg, das ich hier hervorgehoben, ist nie richtig gewürdigt worden.

Rittmeister v. Senden brachte noch vom General v. Stiehle die mündliche Benachrichtigung, die Stellung des Feindes scheine sich von Moskau über Leipzig bis Jerusalem auszudehnen. Dies sind die Namen der Fermen, welche auf dem Plateau der feindlichen Stellung liegen. Senden behauptete, er habe dem General v. Stiehle bemerkt, das Gardekorps habe die Karten von Palästina nicht bei sich. Ich bot Senden eine Wette an, daß er eine solche Antwort nicht gegeben. Er hielt die Wette nicht.

Abmarsch des Gardekorps von Doncourt. Es war ein schöner Anblick, diese 1. Garde-Division, wie sie auf dem Felde hinzog. Voran gingen drei Bataillone Garde-Füsiliere nebeneinander, dahinter die Batterie Dewig in Front, dann folgten die Garde-Jäger. In geringer Entfernung folgte dieser Avantgarde das Gros der Division, und zwar an der Tete die anderen drei Batterien der Division in Batteriefront hintereinander,*) dann die 2. Garde-Infanterie-Brigade, die 1. Garde-Infanterie-Brigade mit der Pionier-Kompagnie. Alles in Brigademassen, drei Bataillone in Front. Der 1. Garde-Infanterie-Division sollte die Korpsartillerie, zur Zeit 2. Fuß-Abteilung und 2. reitende Batterie, in Batteriefront folgen. Sie traf mit der Tete gerade bei Doncourt ein, als die Division antrat.

Als diese imposante Masse mit der Tete zwischen Anour la Grange und dem kleinen Wäldchen bei Jouaville angekommen, begrüßte sie die erste feindliche Granate, aus großer Entfernung sehr steil von oben herabfallend, ohne Schaden.

Ich sah nach der Uhr, es war eben zwölf Uhr vorbei. Der Feind

*) Die Batterien gingen nicht hintereinander, sondern nebeneinander vor.

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hatte einige Batterien aus der Hauptposition vorgeschoben, die uns hier beschossen.

Der Prinz von Württemberg sandte unsere Handpferde zum Schuße hinter jenes Wäldchen, und der General v. Pape*) ließ seine Infanteriemassen ein wenig seitwärts vom Kamm der Höhe, den er des bequemen Marschierens halber bisher eingehalten hatte, in den Grund herabgehen, um sich zu decken. Die Batterie Dewit ging aber alsbald in schneller Gangart vor, um den Kampf gegen die feindliche Artillerie aufzunehmen.

Um diese Zeit hatte der Lärm rechts vorwärts von uns, also beim IX. Korps, bereits derart zugenommen, daß er einem fortlaufend rollenden Donner zu vergleichen war. Einzelne Schüsse waren schon nicht mehr zu unterscheiden. Fortwährend knatterte das Infanteriefeuer. Der Kanonendonner war sehr heftig. Unheimlich hob sich daraus das Schnarchen der Mitrailleusen ab. Ich hörte es hier zum ersten Male. Etwas Neues macht im Kriege immer einen mystischen Eindruck. Wir hatten die bombastischen Erzählungen französischer Journale von der verheerenden Wirkung dieser Kugelsprigen verlacht. Unsere Versuche hatten nicht dahin geführt, daß wir sie einführten. In dem Augenblick aber, wo man ihnen gegenübertreten soll, beschleicht uns unwillkürlich der Gedanke, unsere Gelehrten könnten sich geirrt haben, und wir gingen am Ende doch einer sicheren Vernichtung entgegen. Ich wollte sehen, ob meine Kanoniere sich durch einen solchen Eindruck in der Ruhe der Bedienung beirren ließen, und galoppierte, sobald die Batterie Dewiß abproste, vor, um bei dem Kampf derselben zugegen zu sein. Meine Adjutanten und Doppelmair folgten mir.

Sofort jagte mir ein Ordonnanzoffizier nach und holte mich auf Befehl des Prinzen von Württemberg zurück. Derselbe ließ mich überaus hart an, daß ich ohne seine Erlaubnis hatte fortreiten wollen. Ich schwieg. Er hatte recht. In den Kampf einer einzelnen Batterie gehörte ich nicht.

Einleitung des Gefechts. Die 1. Garde-Division nahm sofort ihre übrigen drei Batterien vor, welche links derart aufmarschierten, daß immer die aufmarschierende Batterie einige hundert Schritt näher an den Feind heranrückte als die stehende. Rechts von uns, dicht am Bois de la Cusse, traten vier Batterien der hessischen Artillerie, Oberstleut

*) Kommandeur der 1. Garde-Infanterie-Division.

nant Stumpff, ins Gefecht,*) und die vorgeschobenen feindlichen Batterien zogen sich auf die Hauptstellung nach der Höhe zurück.

Während die Batterien der 1. Fuß-Abteilung avancierten, kam eine Kavallerie-Brigade aus dem Feuer in der Karriere zurück und jagte zwischen den Geschüßintervallen hindurch. Wenn es auch ganz motiviert ist, eine Kavallerie, die nicht attackieren soll, dem feindlichen Feuer schnell zu entziehen, so erregte diese Rückwärtsbewegung zwischen den vortrabenden Kanonen derart die Heiterkeit der auf den Prozen sizenden Kanoniere, die sich der taktischen Bedeutung der Bewegung nicht bewußt waren, daß sie riefen: Adieu, Kinder, reitet nur bei Muttern!"

Unterdessen erbat sich Dannenberg vom Prinzen die Erlaubnis, auf eine dominierende Höhe zwischen Habonville und Jouaville vorzureiten, um die Stellung des Feindes zu erkennen. Er sandte von da die Bitte, der Prinz möge mich auch hinschicken, was er erlaubte. Oben fragte mich Dannenberg, ob ich der Ansicht sei, die Korpsartillerie vorzuziehen.

Ich sah folgendes: Vor mir in der Tiefe lagen die Dörfer Habonville, St. Ail, Ste. Marie, durch Schluchten voneinander getrennt, welche wiederum in eine andere Schlucht ausliefen, die diesseits dieser Dörfer nach Norden führt. Jenseits der Dörfer erhebt sich das Terrain aber glacisförmig und anscheinend ganz kahl ohne die geringste Deckung eine Viertelmeile weit bis zu der den Horizont begrenzenden Höhe, die sich von St. Privat südlich gegen Amanvillers zieht. Lezteres Dorf, jenseits der Höhe liegend, war nicht sichtbar. Von St. Privat sah man nur den Kirchturm hervorragen, unter welchem sich die Umfassungsmauern der anstoßenden Gärten in einer langen weißen Linie zu erkennen gaben. Rechts von uns lag der fast undurchdringliche Laubwald, Bois de la Cusse genannt. Links vor uns war Ste. Marie vom Feinde beseßt. St. Ail und Habonville waren vom Feinde frei. Der Feind schien eine Vorwärtsbewegung gemacht zu haben, um den linken Flügel des IX. Korps zu bedrohen. Aus dieser Vorwärtsbewegung hatten sich aber die vorgeschobenen Batterien wieder, wie erwähnt, in die Hauptstellung oben auf die Höhe zurückgezogen. Von dorther arbeitete eine zahlreiche Artillerielinie. Ich zählte etwa sechzig Geschüße. So sehr ich auch von der überlegenheit unserer Artillerie über die feindliche überzeugt war, so bewog mich doch der Umstand, daß wir von der Tiefe nach der Höhe schießen und vorgehen mußten, unsere Wirkung schwer beobachten konnten, was noch durch den Umstand vermehrt wurde, daß ein stetiger Ostwind unsere Stellung klar wehte, aber den verschleiernden

*) Die hessischen Batterien trafen erst später an dieser Stelle ein.

Pulverdampf vor die feindlichen Geschüße lagerte, zu der überzeugung, daß die beiden Abteilungen (achtundvierzig Geschüße), welche eben in den Kampf getreten waren oder dazu vorgingen, nicht ausreichen würden, und ich antwortete nach einer kürzeren überlegung, als das Lesen dieser Auseinandersetzung dauert, daß hier nicht Artillerie genug vorgebracht werden könne.

Korpsartillerie vor! Wir begaben uns schleunigst zum Prinzen von Württemberg zurück und sprachen einstimmig die Ansicht aus, daß die Korpsartillerie zur Unterstüßung der Artillerie der 1. Garde-Infanterie-Division vorbeordert werde. Der Prinz genehmigte es, und ich sandte Braumüller in der Karriere zurück mit dem Befehl „Korpsartillerie vor". Darauf wandte ich mich zum Prinzen, um ihm die Gründe auseinanderzusezen. Ich hatte noch keine Minute gesprochen, als ich durch die Meldung des Obersten v. Scherbening unterbrochen ward: „Die Korpsartillerie zur Stelle". Auf mein Erstaunen, wie er so schnell von der weit entfernten Queue der Massen hier sei, sagte er, er habe auf den ersten Kanonenschuß, den er gehört, seine Batterien in Trab gesetzt und sich gedacht, es sei ja Plaß auf dem Felde neben der 1. Division, und wenn er nicht gebraucht werde, dann könne er ja halten und warten, und jezt sei ihm Braumüller unterwegs begegnet. Der brave vortreffliche Mann! Sowie die Kanonen donnerten, fragte er nicht mehr nach Befehlen, wie bei den Paraden auf dem Tempelhofer Felde, sondern handelte und folgte seiner Begier, vor der er brannte, am Gefecht teilzunehmen. Da leuchteten seine Augen vor Freude, und er schmunzelte vor Vergnügen. In der Tat rollten auch die Batterien in Kolonne in geöffneten Batterien links an der Infanterie vorbei im scharfen Trabe heran.

Der Prinz von Württemberg empfahl ihm noch, den Eisenbahneinschnitt vor der Front nicht zu überschreiten, ehe er nicht St. Ail durch Infanterie besezt habe, weil der Feind in Ste. Marie stehe und isoliert vorgehende Artillerie in der linken Flanke gefährde.

Dieser Empfehlung konnte aber nicht nachgekommen werden, weil der Einschnitt der noch unvollendeten Eisenbahn Met-Verdun sich links so scharf von Habonville auf St. Ail zurückbog, das diesseits nicht Raum genug vorhanden war, um alle Batterien gegen Often aufzustellen. Diese Biegung des Eisenbahneinschnittes konnte man von dem Standpunkte des Prinzen aus nicht sehen. Außerdem hatte sich die Aufstellung der 1. Fuß-Abteilung (1. Garde-Division) unterdessen schon derart vollzogen, daß die Bahn überschritten werden mußte; denn die linke

Flügelbatterie war bereits bei dem Versuch, neben den anderen Batterien abzuproßen, dicht an das im Bau begriffene Bahnwärterhäuschen von Habonville geraten und hatte wegen des Dorfes nichts vom Feinde sehen und auch nicht schießen können. Sie war deshalb schon über den Eisenbahneinschnitt hinaus links um das Dorf gegangen und hatte sich vor dasselbe gestellt. Die andere Batterie ließ dann Bychelberg*) folgen. Scherbening wollte da nicht zurückbleiben und jagte mit seinen Batterien noch näher an den Feind, also links von Habonville über die Eisenbahn. Der Übergang über dieselbe verursachte batterieweise Aufenthalt.

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Ich sah die Gefahr, in die sich diese Batterie durch unvorsichtiges Voreilen eine Viertelmeile vor die vorderste Infanterie hin begab, da der Feind Infanterie in Ste. Marie hatte, und wollte eingreifen. Aber eingedenk des erhaltenen Vorwurfes und in Anbetracht der augenblicklichen Stimmung des Kommandierenden, mußte ich mich vorsichtig äußern. Es entspann sich daher folgende Konversation: Ich faßte an die Müge und sagte: „Nach der Instruktion für die höheren Truppenführer gehöre ich jetzt in die Front der Artillerie, um ihr Feuer zu leiten.“ „Nach der Instruktion für die höheren Truppenführer gehören Sie erst dann in die Front der Artillerie, wenn die Hälfte Ihrer Artillerie oder mehr im Feuer ist." Zu Befehl!" „Nun, und wieviel Batterien haben wir?" "Wir haben fünfzehn Batterien. Die 7. prost ab, die 8. kommt eben vorbei, die 9. folgt." Dann erlaube ich Ihnen, zu reiten." Ich jagte nach dem gefährdeten linken Flügel, fand den Anschluß an die lezte Batterie, konnte sie aber nicht überholen, weil sie sich schon in der vollen Karriere befand. Ich folgte dicht hinter ihrer Mitte. Sie jagte in dem schnellsten Tempo den Grund hinab, der sich von Habonville auf St. Ail zieht, auf der anderen Seite hinauf. In dem Geleise eines Geschüßes reitend, war ich erstaunt, daß es da hinaufgekommen war, denn der Abhang war so steil, daß ich beim Hinaufreiten den Hals meines Pferdes umflammern mußte. Im Schritt wäre sie nicht hinauf gekommen. Ich ritt wieder den „Farmer", den ich bei Königgräß geritten hatte. Dann ging die Batterie Grävenit weiter vor und nahm Stellung, mit dem linken Flügel dicht an St. Ail, in den Kohlgärten des Dorfes, Front gegen das Dorf St. Privat. Eine Menge feindlicher Granaten fiel in den Grund und platte daselbst, als die Batterie ihn passierte. Aber diese hatte dabei keine Verluste. Ich untersagte jezt ein weiteres Vorgehen, bis unsere linke Flanke gesichert sei. Als die Bat

*) Kommandeur der 1. Fußabteilung.

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