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forps den dem IV. Armeekorps zugewiesenen Weg zu benutzen. Auch ließ es die wegen Ermüdung der Ochsen zurückgebliebenen Viehtreiber des 2. Garde-Regiments als Marodeure arretieren und nahm das Vieh in eigenen Besit. Bei uns entstand daraus eine große Verstimmung gegen die betreffenden Herren im Hauptquartier des IV. Korps.

Der Befehl der Zweiten Armee für den folgenden Tag begann mit den Worten: „Vom Feinde nichts Neues." Es hat an diesem Tage die Schlacht von Colombey-Nouilly stattgefunden, welche im Generalstabswerk auch die erste Schlacht vor Mez" genannt wird. In einer Luftentfernung von nur vier Meilen hatten wir keinen Kanonendonner gehört, ebensowenig das näher liegende Hauptquartier. Die zerrissenen Täler, vielleicht auch die Windrichtung müssen der Fortpflanzung des Schalles ungünstig gewesen sein. Beweis, daß es sehr unsicher ist, wenn man sich darauf verläßt, daß Kanonendonner gehört werde. Vor Paris kam es sogar vor, daß wir von den schweren Festungskanonen Granaten erhielten, ohne den Knall des Geschützes zu hören, das sein Geschoß eine Meile weit sandte, weil der Wind entgegenstand. Des weiteren bestimmte der Armeebefehl nur ein weiteres Zusammenschließen der Zweiten Armee an der Mosel. Armee-Hauptquartier Pont à Mousson.

Das Gardekorps bestimmte unter anderm: Stab der KavallerieDivision Rogéville, sie schiebt eine Brigade nach Beaumont,*) Sicherung gegen Commerch und St. Mihiel, Verbindung mit der 5. KavallerieDivision und der Avantgarde des X. Armeekorps bei Flirey, eine nach Ménil la Tour, Spißen gegen die Linien der Maas und Mosel bis zum Terrouinbach.**)

Jest ward also die ganze Kavallerie-Division, sechs Regimenter, vor das Korps vorgeschoben. Ihre Spigen streiften bis sechs Meilen Luftentfernung vor der Hauptmasse des Korps, also sechs bis acht Meilen Wegs. Kritiker werden dem Gardekorps vielleicht Vorwürfe daraus machen, daß es nicht gleich im Anfang und erst nach Überschreitung der Mosel die ganze Kavallerie-Division vorgeschoben habe. Aber dies weite Vortreiben der Kavallerie war noch neu und entwickelte sich erst nach Bedarf.

15. August, Dieulonard. Kurz vor dem Abmarsch traf die Meldung von dem zweiten Zusammenstoß von Gardetruppen mit dem Feinde ein. Rittmeister v. Trotha von den 2. Garde-Dragonern hatte mit zwei

*) 6 Kilometer östlich Bauconville. **) 15 Kilometer nordöstlich Toul. Prinz zu Hohenlohe, Aufzeichnungen. IV.

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Zügen feindliche Chasseurs d'Afrique bis Toul verfolgt und in der Vorstadt ein kurzes Reitergefecht mit ihnen gehabt. Er hatte sie in die Festung hineingejagt, wobei die Jagd das Glacis der Festung entlang ging. An den Zugbrücken des Grabens hörte die Verfolgung auf. Trotha mußte denselben Weg zurück und erhielt nun von den Wällen ein derartiges Infanterie- und Artilleriefeuer aus nächster Nähe, daß sein rückwärtiges Tempo vielleicht noch schneller ausfiel als das vorangegangene. Verluste blieben nicht aus. Aber er ließ sich nicht außer Fassung bringen. Sobald er seine Dragoner außerhalb der Vorstädte gesammelt hatte, schickte er einen Parlamentär in die Festung und ließ den Kommandanten zur übergabe auffordern. Die lakonische Antwort lautete: „Repassez, s'il vous plait" und machte uns viel Spaß.

Wir marschierten um acht Uhr von Sivry ab. Der Marsch durch die romantischen Täler über Belleau, Ville au Val nach Dieulouard war nur anderthalb Meilen lang. Als wir vor Dieulouard an die Mosel kamen, begriffen wir die Kopflosigkeit des Feindes nicht. Das Tal ist sehr breit. Die Mosel spaltet sich hier in zwei Arme, so daß man hintereinander über zwei steinerne lange Brücken marschieren mußte, das jenseitige Ufer ist weit höher als das diesseitige und sah aus wie ein furchtbarer fortlaufender Festungswall. Die Brücken waren wegen des Frühjahrshochwassers der Mosel hoch, von Stein, aber nur ein Gleis breit und ohne Geländer. Napoleon III. hatte in der Tat Grund genug dazu, nach Paris von ,,les positions inattaquables de la Moselle" zu melden. Denn diese Übergänge fonnten von je einer Brigade gegen ganze Armeekorps verteidigt werden, und die Brücken waren schnell ungangbar zu machen. Aber wenn man gar nichts zur Verteidigung tut, dann ist alles attackabel. Wir wußten noch immer nicht, wo eigentlich die ganze französische Grande armée sei. Daß wir uns auch nach Süden so sorgfältig sicherten, ist ein Beweis von unserer Unkenntnis; auch die Seitwärtsschiebung der Avantgarde der 2. Garde-InfanterieDivision nach Rosière zeugt davon, daß wir noch erhebliche Kräfte der feindlichen Hauptarmee weiter südlich vermuteten. Wir trauten eben dem Feinde den Unverstand nicht zu, eine so gewaltige Armee hinter den Forts von Mez zusammenzustopfen.

Beim Reiten über die nur ein Geleise breite hohe Brücke ohne Geländer fonnte man schwindlig werden.

Am Vormittage traf der Befehl ein, die Dragoner-Brigade solle unter die Befehle des X. Armeekorps abmarschieren. Die KürassierBrigade rückte an ihre Stelle ein. Ferner traf die schriftliche Meldung

ein, daß auch die übrigen Munitionskolonnen

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sechs, die zweite Staffel ankommen würden. Sie waren gestern in Saargemünd, hofften heute Virming, morgen Nomény, übermorgen Dieulouard zu erreichen.

Sie waren am 6. August in Wittenberg verladen worden und mußten die Eisenbahn am 8. August in Mainz verlassen. Niemand hatte ihnen sagen können, wo das Gardekorps sei. Sic hatten seine Spur aufgesucht und verfolgt und erreichten in neun anstrengenden Marschtagen durch die Pfalz und Lothringen das mehrere dreißig Meilen entfernte Dieulouard ohne zu rasten. Eine sehr anerkennens. werte Tätigkeit.

Da wir früh in Dieulouard waren und auch früh aßen, ritt ich nachmittags nach Belleau zurück, um die drei Munitionskolonnen der ersten Staffel in ihrem Biwak von Belleau zu sehen. Ich fand alles in Ordnung.

Der Befehl für den 16. ward um zehneinviertel Uhr abends ausgegeben. Er begann mit einer lakonischen Notiz über die gestrige Schlacht. Daran knüpfte sich die Mitteilung, daß der Feind im vollen Abzuge nach der Maas sei und die Zweite Armee ihm dorthin folgen werde.

Der Befehl vermutete den Feind vor uns an der Maas, und wir sollten auf ihn zu marschieren.*) Aber es hatte sich die Lage einigermaßen geändert. Unser rechter Nachbar war nicht mehr das X. Korps, sondern das Königlich sächsische (XII. Korps). Das X. und III. Korps waren weiter nach Norden gesandt worden, um die Straße Mez-Verdun zu gewinnen und dort den Feind zu verfolgen. Das X. Korps erhielt die Richtung Mars la Tour-Hannonville.**) Das Gardekorps sollte Dieulouard mit etwa einem halben Bataillon besetzen. Es ordnete an, daß

*) Das Oberkommando der Zweiten Armee vermutete den Feind nach der siegreichen Schlacht bei Colombey-Nouilly vom 14. August, wodurch die Franzosen auf dem rechten Moselufer nach Meß hineingeworfen waren, nunmehr für den 16. August in vollem Rückzuge nach Westen auf die Maas zu und hatte daher nur noch zwei Armeekorps, das III. und X., zu einem Vorstoß nach Norden und Nordwesten gegen die Straßen von Mez nach Verdun bestimmt. Es hatte diesen Befehl auch nicht abgeändert, nachdem die Direktiven aus dem großen Hauptquartier eingetroffen waren, die „eine kräftige Offensive mit allen verfügbaren Mitteln" dorthin anordneten. So kam es, daß das III. und X. Korps am 16. August bei Vionville-Mars la Tour allein auf die ganze noch dicht westlich) und in Meg befindliche Rhein-Armee Bazaines stießen.

**) 5 Kilometer westlich Mars la Tour.

alle Fußkranken und Ermatteten gesammelt werden und als Besazung in Dieulouard zurückbleiben sollten, wo sie sich erholen konnten. Es fanden sich etwa 500 solcher Erholungsbedürftiger.

16. August, Bernecourt.*) Als ich eben zu Pferde steigen wollte, traf der Major v. Heineccius ein, um sich bei mir und dem Prinzen von Württemberg zu melden. Er hatte, durch die Fahrtableaus gezwungen, mit den sechs Munitionskolonnen der zweiten Staffel fahren müssen, war aber selbst diesen Gewaltmärschen vorausgeeilt, um schnell in Verbindung mit dem Korps treten zu können. Ich befahl ihm, von jezt ab vorn bei der ersten Staffel zu bleiben und das Kommando über alle neun Kolonnen nunmehr regelmäßig zu übernehmen.

Wir waren am 30. Juli auf der Bahn in Berlin verladen, und erst am 16. August waren nach dem Eisenbahntransport, an den sich die Operationen gleich anschlossen, alle Teile des Armeekorps in ihrer regelmäßigen Tätigkeit.

Wir marschierten um neun Uhr ab und trafen um zwölfeinhalb Uhr in Bernecourt ein.

Dieser Ort liegt in einer flachen Talmulde. Ehe wir von dem Plateau in diese hinabritten, hörten wir dumpf Kanonendonner, konnten. aber nicht recht unterscheiden, wo er herkomme. Es war vorher die Nachricht mitgeteilt worden, an diesem Tage werde ein Versuch gemacht werden, Toul zu überrumpeln, und der Kanonendonner in dieser Richtung solle uns nicht in unseren Maßregeln beirren. Manchmal aber schien der Kanonendonner von rechts her, aus Norden, zu kommen. Längere Zeit horchten wir seitwärts des Weges, auch liegend auf dem Felde. Endlich unterschied man deutlich einige Kanonenschüsse von Norden und sonst ein dumpfes anhaltendes Getöse. Der Kommandierende befahl zwei Offizieren, den Hauptleuten v. Lindequist und Seyfried, nach Norden auf die Höhe von Flirey**) zu reiten und zu sehen, ob man von da aus etwas bemerken könne. Dann bezogen wir Quartier in Bernecourt. Dort trafen Nachrichten aus Toul ein, das mit Feldgeschüßen bearbeitet werde. Es könne vom Mont St. Michel***) aus eingesehen werden, auch könne man sich der Umwallung auf hundert Schritt nähern, da die Vorstädte nicht rasiert seien. In Toul sei der Herzog von Magenta ver

*) 10 Kilometer östlich Bauconville.

**) 7 Kilometer nördlich Bernecourt.

***) Ein beherrschender Berg in der Nähe von Toul, auf dem jezt ein starkes Fort liegt.

wundet und zwei französische Regimenter vernichtet. Da war Wahrheit und Dichtung. Jedenfalls war die Nachricht von der Verwundung Mac Mahons verfrüht.

Mein Quartier war bei einem wohlhabenden Bauern, der in der Politik zu den begeistertsten Orleanisten gehörte, die in dieser Gegend die Mehrzahl bildeten. Er kam uns sehr freundlich entgegen und begrüßte uns als Befreier von Napoleon, den er haßte und mit den ärgsten Schimpfwörtern bezeichnete. Er bat uns, wenn wir Napoleon fangen sollten, ihn nicht zu töten, sondern in einem Käfig durch alle Dörfer Frankreichs zu führen, damit ihn jeder gute Franzose mit Nadeln stechen könne. Ich stellte dem Manne vor, Napoleon habe doch sehr viel Gutes getan, namentlich gefalle mir der vortreffliche Zustand aller Straßen in Frankreich, der doch auf den Wohlstand des Landes durch Erleichterung des Verkehrs günstig gewirkt haben müsse. Der Orleanist bestritt dies und behauptete, das System der Verkehrswege sei von Louis Philipp beim Beginn seiner Regierung aufgestellt und begonnen. Die Minister des Kaiserreichs hätten es lediglich nach dem ursprünglichen Plane durchführen lassen, der Kaiser wisse gar nichts davon. In anderen Gegenden trafen wir dagegen vorwiegend Verehrer des Kaisers an.

Als ich zum fommandierenden General zum Essen kam, waren Lindequist und Seyfried noch nicht zurück. Wir waren etwas unruhig, denn wir fürchteten, diese beiden könnten einer französischen Abteilung in die Hände gefallen sein. Daß eine große Schlacht geschlagen werde, glaubte niemand von uns, denn man hörte seit unserm Einrücken in Bernecourt gar kein Feuern mehr.

Nach dem Essen spielte die Musik der Gardejäger beim kommandierenden General. Wir waren sehr vergnügt beisammen. Hätten wir gewußt, welche Schlacht um diese Zeit tobte, wir hätten keine Muße gefunden, Musik anzuhören.

Abends wurde folgendes befohlen: Die Zweite Armee sett morgen. ihren Marsch bis an die Maas und nördlich von Verdun fort. ArmeeHauptquartier vom 17. mittags ab in St. Mihiel. Das Gardekorps wird infolge von Aufträgen an die Nebenkorps denselben um etwa einen Tagemarsch voraus sein, worauf bei der Sicherung Rücksicht zu nehmen ist.

Das Gardekorps bestimmte danach seinen Vormarsch auf St. Mihiel.

Dieser Befehl war abends expediert. Die Adjutanten der verschie denen Truppenteile waren fortgeritten. Da kamen spät in der Nacht Lindequist und Seyfried zurück. Sie waren dem Kanonendonner nach

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