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bis Verstärkung komme, um dann angriffsweise vorzugehen, aber nicht, um sich darin dauernd defensiv zu schlagen. Tann ritt ich nach Morhange und suchte mein Quartier auf. Es war bei einem Doktor, der mir die Hälfte seines Zigarrenvorrats verkaufte. Das war mir sehr wichtig, denn wir hatten nirgends mehr Zigarren zu kaufen gefunden. Überall waren sie schon von der Kavallerie und den Avantgarden aufgekauft.

Mittags traf die Meldung ein, daß unsere Patrouillen in der vergangenen Nacht die Telegraphenverbindung zwischen Nancy und Mey zerstört hätten. Es schien uns dies fast unmöglich, denn niemand glaubte, daß uns der Feind ohne Kampf bis an die Mosel lassen werde. Aber die Nachrichten, die vom Oberkommando um Mitternacht eintrafen, besagten noch mehr. Die 5. Kavallerie-Division fand Nancy verlassen, zwischen den vorgeschobenen Forts von Met sind große Biwaks gesehen, die Verschanzungen an der Nied bei Pange und Mons hatte der Feind verlassen, zwei Offiziere des X. Armeekorps hatten in Pont à Mousson an der Mosel keine feindlichen Truppen mehr angetroffen. Man hatte Zeitungen gefunden, nach denen Napoleon die Niederlagen vom 6. August nach Paris mitgeteilt hatte, mit dem Zusage: Tout peut se rétablir.

Daraus ging hervor, daß der Feind infolge der Ereignisse des 6. August, die wir nur als Erfolge zweiter Ordnung ansahen, die Fassung verloren und anscheinend beschlossen hatte, sich unter den Schuß der Festung Metz zu begeben. Mit der Ratlosigkeit des Feindes wuchs unsere Zuversicht. Tannenberg bezeichnete dies scherzhaft mit den Worten: Es kommt nur darauf an, daß wir uns ein wenig weniger fürchten als die da drüben."

Der Armeebefehl ordnete an, daß den 13. August der Marsch nach der Mosel fortgesetzt werden und das Hauptquartier der Zweiten Armee nach Telme kommen solle, Tete des IV. Korps und dessen Hauptquartier nach Château Salins, Gardeforps Cron, X. Korps eine Division Delme, Hauptquartier Lucy. Die 5. Kavallerie-Division wird morgen über die Mosel und gegen die Straßze Mez-Verdun vorgehen.

Man sieht, wie kühn wir uns nach vorwärts ausdehnten. Die Dragoner-Brigade ward schon acht Meilen voraus an die Mosel gesandt, und die 5. Kavallerie-Division sollte sogar diesen Fluß überschreiten. Von jezt ab begann die weite Ausbreitung unserer Kavallerie nach vorwärts, die mehrere Tagemärsche vor der Armee das Land überflutete und den Schrecken vor den Uhlans" im ganzen französischen

Reiche verbreitete. Die Kavallerie brauchte nur losgelassen zu werden, und sie wurde verwegen, wie die des großen Königs. Bald brachte sie uns die genaueste Kunde von den Bewegungen des Feindes, dieser aber, der seine Kavallerie nicht in derselben Weise verwandte, blieb ohne alle Nachrichten über unsere Heeresmassen und lebte, fortwährend von unserer Kavallerie umschwärmt, in steter Besorgnis vor einem Angriff, von dem er nicht wußte, wann und wo er kommen werde. Wir aber marschierten mehrere Tagemärsche hinter diesem Kavallerieschleier in derselben Sicherheit wie im Frieden, nur mit größerer Bequemlichkeit, denn wir brauchten keine Rücksicht auf Land und Leute zu nehmen. Nur die zur eventuellen Aufnahme der vorgesprengten Kavallerie bestimmten Avantgarden brauchten zu biwakieren. Alle anderen Truppen richteten Marsch und Unterkommen nach möglichster Bequemlichkeit ein. So konnten die Truppen, troß der großen Massen, Marschleistungen ausführen, wie sie sonst selbst ein Napoleon I. für unmöglich gehalten haben würde, ohne dadurch zu leiden. Der einzige Nachteil, den die Truppenmassen durch das Vorsenden der Kavallerie empfanden, war, daß sie in den Quartieren keine Zigarren und keinen Tabak vorfanden. Die Kavallerie hatte immer alles bereits aufgebracht.

Die reitende Batterie, die 1., Hauptmann v. der Planit, welche zur Dragoner-Brigade stoßen sollte, hatte einen Marsch von Bermering über Oron nach Dieulouard von fast acht Meilen zu machen. Einer reitenden Batterie kann man dies und noch mehr zumuten, einer FußBatterie nicht. Wichtig für diejenigen, welche die reitende Artillerie für unnüt halten! Wir kommen später zu noch überzeugenderen Erfahrungen in dieser Richtung.

13. August, Oron. Wir brachen um acht Uhr auf und marschierten bei angenehmem Wetter über Baconville, Bréhain, Château Bréhain nach Oron. Ehe wir dort einrüdten, trafen wir mit dem Oberkommando zusammen und wurden von ihm über die Lage aufgeklärt. Die Erste Armee, Steinmez, marschiert auf Meß, die Zweite, wir, auf die Mosel südlich Mez, die Dritte, der Kronprinz, auf Nancy. Der Moselübergang von Pont à Mousson wird heute von der 19. Division -X. Armeekorps beseßt, die 5. Kavallerie-Division von dort weiter vorgeschoben. Die Zweite Armee hat heute und morgen mit ihrem rechten Flügel - III., IX., XII. und II. Korps bereit zu bleiben, die Erste Armee, wenn nötig, unterstüßen zu können, während der linke Flügel - X., Garde- und IV. Korps — in starken Märschen über die Mosel geht.

Ich erwartete, die 1. reitende Batterie noch bei Cron zu finden, wo sie Mittagsrast halten sollte, erfuhr aber, daß sie schon um neun Uhr daselbst gewesen war. Der tatendurstige Batteriechef hatte gefüttert und getränkt und war dann weitergeeilt, nur die Meldung zurücklassend, er rechne darauf, mittags drei Uhr in Dieulouard einzutreffen.

Es kam auch die Meldung, braunschweigische Husaren hätten bereits in der vergangenen Nacht die Eisenbahnverbindung zwischen Met und Nancy zerstört. Ein feindlicher Militärzug hatte halten müssen. Infanterie hatte die Wagen verlassen und die Husaren vertrieben, von denen einige verwundet wurden. Aber man hatte auch feindliche Gefangene gemacht, welche aussagten, die Armee ziehe sich auf Châlons zurück.*) Es kam jett darauf an, den Feind anzufassen und zu feffeln, damit er nicht zu seinen Verstärkungen nach Châlons gelange.

Die 1. reitende Batterie ist noch an demselben Nachmittage zum Gefecht gekommen. Sie hatte sich mit der Dragoner-Brigade vereinigt, als diese sich der Mosel näherte. Da kam ein französischer Militärzug angebraust, augenscheinlich in der Absicht, die zerstörte Stelle der Bahn wiederherzustellen. Die Batterie propte ab und empfing den Zug mit Granatfeuer. Der Zug hielt, Infanterie stieg aus und avancierte. Abgesessene Dragoner beseßten die Weinberge und tiraillierten mit ihren Karabinern gegen die Infanterie. Diese sah nur Helmspißen und Kleingewehrfeuer, glaubte es also mit einem größeren Truppenteile aller Waffen zu tun zu haben. Daher bestieg sie ihren Zug wieder, der sich eiligst entfernte.**) So ward durch die als Infanterie fechtende Kavallerie-Brigade nicht nur die Eisenbahnverbindung zwischen Frouard und Met dem Feinde untersagt, sondern es wurden auch alle Brücken über die Mosel erhalten, die wir jezt zum übergange benutzen konnten, denn der Feind wagte auch nichts mehr zu deren Zerstörung zu tun. Dies war für den Fortgang unserer weiteren Operationen von der äußersten Wichtigkeit. Die Batterie hat nachher noch mit der DragonerBrigade marschieren müssen und an diesem einen Tage gegen zehn Meilen gemacht und gefochten.

*) Es war die 4. Eskadron Hujaren-Regiments Nr. 10 unter Rittmeister Brauns, die mit großer Kühnheit und Umsicht die Eisenbahn auf dem linken Moselufer südlich Frouard zerstörte; der mitgenommene Divisionsküster Dockhorn, Eisenbahnbeamter im Zivilberuf, leitete die Zerstörung im feindlichen Feuer mit großer Umsicht. Das Nähere vgl. v. Pelet-Narbonne, Die Reiterei der Ersten und Zweiten deutschen Armee vom 7. bis 15. August 1870, S. 122 ff.

**) Vgl. v. Pelet-Narbonne, Die Reiterei der Ersten und Zweiten deutschen Armee. Berlin 1898. E. S. Mittler & Sohn. S. 155.

Unsere Quartiere in Oron waren idyllisch durch ihre Beschränkung. Der kommandierende General hatte das geräumigste Quartier bei einem Kultivateur, aber es bot in seinen Zimmern doch nicht Raum genug, um einen Tisch für alle Offiziere des Hauptquartiers zu decken. Deshalb war ein Tisch unter einem vorspringenden Dache nach dem Hofe zu aufgeschlagen, indem Bretter auf Böcke gelegt wurden. Wir saßen auf Holzbänken. Unsere Aussicht ging auf die Ställe des Hofes. Als die Insassen der Ställe Witterung von den Lebensmitteln bekamen, entstand viel Quieken und Grunzen, und mehrere hungrige Schweinerüssel ragten aus den runden Löchern heraus, die sich in den Türen der Schweineställe befinden, was unsere Heiterkeit erregte.

Die Befehle für den folgenden Tag lauteten, nachdem die Kavallerieteten die Mosel erreicht und überschritten hatten, und heute schon ein Bataillon des Gardekorps zur Sicherung der Moselübergänge der Tragoner-Brigade nachgesandt war, ungefähr so:

Die Zweite Armee rückt näher an die Mosel und überschreitet diejelbe, X. Korps geht bei Pont à Mousson über, IV. Korps bis Manhoué an der Scille.*) Das Gardekorps hat noch eine Kavallerie-Brigade mit reitender Artillerie über die Mosel vorzuschieben und bis Frouard und Toul zu streifen.

Da dem Gardekorps nur ein einziger Moselübergang bei Dieulouard**) zur Verfügung gestellt war, so mußte es sich wieder auf eine einzige Straße setzen.

Man sieht, daß bei allen Märschen die Korpsartillerie der vordersten Infanterie-Division folgte, und wird den Unterschied gegen die Marschordnung vom Jahre 1866 bemerken, wo die Korpsartillerie zwei Märsche hinter dem Korps folgte und zu den Trains gerechnet wurde. Das Terrain, welches wir jetzt durchzogen, war ebenso schwierig, wenn nicht noch schwieriger als der Übergang über die Sudeten 1866. Ich freute mich dieses Erfolges meiner Arbeiten von 1868 und 1869. Es lag der entschiedenste Wille vor, die Artilleriemassen früher und entscheidender zu verwenden als 1866.

Heute erhob ich im Feldzuge die erste Schwierigkeit von seiten der Artillerie. Meine beiden Adjutanten, Braumüller und Kaas, hatten während der Märsche nicht viel zu tun, die schriftlichen Arbeiten waren gering. Im Gefecht hätte ich allerdings lieber vier als zwei Adjutanten gehabt. Nun gab es beim Armeekorps junge Ordonnanzoffiziere. Ich

*) 15 Kilometer südöstlich Nomeny. **) 7 Hilometer südlich Pont à Mousson.

glaube drei oder vier an der Zahl. Diese mußten nach dem Marsche abwechselnd nach dem Hauptquartier der Armee reiten, den Befehl zu holen. Da die Befehle doch erst ausgegeben werden konnten, nachdem die Meldungen über die Ereignisse des Tages eingetroffen waren, so kamen sie gewöhnlich erst gegen Mitternacht zurück, nachdem sie früh abmarschiert waren. Die Folge war eine überanstrengung ihrer Pferde und ihrer Person, und da sie den anderen Morgen früh wieder mit abmarschieren mußten, so stellte sich heraus, daß, wenn sich solche Anstrengung jeden dritten oder vierten Tag wiederholte, die Ordonnanzoffiziere bald am Ende ihrer Kräfte ankommen würden. Meine beiden Adjutanten, zweiundzwanzig und dreiundzwanzig Jahre alt, waren die jüngsten von allen. Sie baten mich, ebenfalls zum Befehlholen verwendet werden zu dürfen, um ihre Kameraden zu erleichtern. Ich freute mich ihres Eifers und trug dem General v. Dannenberg vor, daß bei der Artillerie eine Schwierigkeit" entstanden sei. Dannenberg, noch von 1866 her mißtrauisch gegen die von der Artillerie bereiteten Schwierigkeiten, wurde nervös und fragte, was denn geschehen sei. Ich stellte ihm die Sache vor. „Na, wenn die Artillerie keine anderen Schwierigkeiten macht, dann soll sie mir immer willkommen sein." Seitdem wurden wir Artilleristen immer besonders gut behandelt, und man ging gern auf alles ein, was wir vorschlugen. Will die Artillerie, daß der Truppenkommandeur auf ihre Wünsche eingehe, dann muß sie sich erst recht niißlich machen, ehe sie Wünsche ausspricht.

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14. August, Sivry. Angenehmer Marsch von Cron*) über Fare, Lemoncourt, Ajoncourt, Moivron nach Sivry von acht Uhr bis halb ein Uhr. Die vielfach benutten Landwege waren in vortrefflicher Verfassung, wie Chausseen, und erleichterten den Marsch in dem sehr bergigen Gelände. Ich dachte unwillkürlich an den Widerwillen, den Friedrich der Große gegen die Anlage von Chausseen hatte, weil ihm sonst der Feind zu leicht ins Land komme.

Unterwegs berührten wir eine Brigade des X. Armeekorps General v. Dieringshofen, mein alter Freund, den ich mich freute zu begrüßen. Sie hatte einen falschen Weg eingeschlagen und war auf die uns angewiesene Straße geraten. Da unsere Truppen gerade Ruhepause machten, so ließen wir die Brigade vorbei.

Nicht so kameradschaftlich war das IV. Armeekorps gegen uns. Es erlaubte nicht einmal einem einzelnen Ordonnanzoffizier des Garde

*) 8 Kilometer nordöstlich Delme.

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