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ciner Batterie auf dieser Schanze verboten hatte. Sie wäre unfehlbar in die Luft geflogen.

Es war, als ob ich eine unbestimmte Ahnung davon gehabt hätte, daß uns der Feind hier eine solche Überraschung zugedacht habe, und mein Widerwille gegen die Schanze auf Notre Dame de Clamart verschwand jezt, nachdem die Gefahr beseitigt war. Ich erteilte dann die Erlaubnis zur Anlegung einer Batterie im Graben der Schanze, aber nur einer Mörser-Batterie, die sich, auf der Sohle des tiefen Grabens angelegt, trop der weit vorgeschobenen Lage und Nähe am Feinde, gegen alles Feuer durch den hohen Wall davor schüßen konnte. Es sind aber darüber selbstverständlich noch mehrere Tage vergangen, und diese Mörser-Batterie hat erst am 20. Januar ihr Feuer eröffnet.

Das Resultat des heutigen Kampfes befundete wieder unsere überlegenheit. Der Feind hatte an mehreren Stellen in neuen Etablissements mit Geschüßen auftreten wollen, war aber erdrückt worden und feuerte weder aus den Forts noch aus den Anner-Batterien, sondern nur noch aus entfernteren Aufstellungen und vom Stadtwalle her. Batterie St. Cloud Nr. 1 hatte wieder einen harten Stand dagegen, sie verlor zwei Offiziere, die durch einen Schuß getötet wurden, ging aber gegen Nachmittag wieder siegreich aus dem Kampfe hervor. In den Details der Geschüßaufstellungen wurden einige Änderungen vorgenommen. Insbesondere wurde die Batterie St. Cloud nur mit den schwersten Vierundzwanzigpfündern bewaffnet, um sich besser wehren zu können. Wir hatten am ganzen Tage außer den beiden Offizieren noch einen Verlust von elf Verwundeten.

Der Nordangriff, Bartsch, meldete, daß der Transport der Belagerungsgeschüße aus Mézières und Péronne erst am 15. Januar beginnen könne. Dies bedeutete, daß dann der Angriff auf St. Denis nicht vor dem 20. Januar werde beginnen können. Die Aussicht, acht Tage so weiterschießen zu sollen, ohne vorwärts zu kommen und ohne dem Feinde täglich neue empfindliche Schläge beizubringen, stimmte unsere Zuversicht zum endlichen, glücklichen Ausgange des Kampfes zuweilen sehr herab. Aber es war ein Glück, daß Kameke und ich vertraute Freunde waren. Wenn einer von uns anfing zu zweifeln, dann heiterte ihn der andere immer durch irgend eine schnurrige Erzählung auf. Da tauschten wir gar im feindlichen Feuer oft die wunderlichsten Anekdoten aus. Ich erinnere mich noch, wie Kameke beim Rekognoszieren einer neuen Angriffsstelle gerade an einer Stelle, die unter dem Feuer der feindlichen Chassepots lag, stehen blieb und sich den Bauch vor Lachen hielt. Ich bat ihn, doch erst dann zu lachen, wenn wir über diese Stelle fort wären, Prinz zu Hohenlohe, Aufzeichnungen. IV.

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er aber schrie und sagte, er könne nicht weiter, und wenn er jetzt getroffen würde, sei ich schuld, weil ich ihm gerade da eine so gute Geschichte erzählt. Dabei pfiffen uns die Chassepotkugeln um die Ohren.

Bartsch sandte seinen Belagerungsentwurf ein. Danach wollte er mit fünfundneunzig Geschüßen auf einmal den Kampf gegen St. Denis und Aubervilliers eröffnen und nur wenige Batterien im Osten in Tätigkeit lassen. Wir billigten seine Vorschläge im allgemeinen und verschoben die etwa zu machenden Detailbemerkungen auf eine mündliche Besprechung.

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Ich mußte heute den König um eine Maßregel bitten, welche mir viele Feinde unter den allervornehmsten Herren machte. Häufig fand ich in den Batterien nämlich Besuch von den regierenden Herren und anderen Fürsten. Diese brachten auch eine größere oder geringere Zahl Adjutanten mit. Wenn nun auch die Anwesenheit vornehmer Herren an gefährdeten Stellen die Mannschaft sehr ermuntert, so ward dadurch doch auch viel Störung verursacht. Die Batteriefommandeure kommandierten bei deren Ankommen Stillgestanden" und machten Meldung, wie im Frieden. Da mußte das Feuer unterbrochen werden und die Mannschaft, die gerade nicht beschäftigt war, die Deckung verlassen und sich den feindlichen Geschossen aussehen. Einige von den Herren gingen noch weiter und bestiegen den Beobachtungsstand und übernahmen dort die Funktion des Beobachtens und Zurufens. Da sie aber ohne Übung und Orientierung waren, beobachteten sie falsch, und die Batterien trafen dann nichts. Ja, eine der Fürstlichkeiten kam zu Pferde, und einmal rief der Offizier, der im Beobachtungsstand mit dem Fernrohr nach dem Ziel auf der Lauer lag, gerade: „Das erste Geschütz abfeuern!", als ich den Kopf dieses berittenen Fürsten in der Scharte sah und durch meinen Zuruf den Schuß verhinderte, der ihm den Kopf abgerissen haben würde. Er hatte sich verritten und kam von vorn eine Straße hinauf in die Batterien. Nur der Herzog von Coburg hat uns niemals in dieser Weise inkommodiert.

Wenn ich dann diese hohen Herren höflich und dringend bat, die Batterien zu verlassen, und ihnen Frühstück in dem gedeckten Beobachtungsstand auf Meudon anbot, wo sie auch alles sehen könnten, dann sagten sie meist, in den Batterien sei es amüsanter. Also schrieb ich dem Könige, was vorging, und bat ihn, den Zutritt zu den Batterien allen zu verbieten, die nicht dienstlich dort zu tun hätten. Es erfolgte ein dementsprechender Allerhöchster Ukas, der bei den Fürsten zirkulierte, und den mir viele unter ihnen sehr übel nahmen.

Der 12. Januar. Der Nebel verschob den Beginn des Tages bis gegen Mittag. Der Kampf war deshalb heute nicht sehr lebendig, die Verluste nicht bedeutend, drei Tote und neun Verwundete. Nur gegen das VI. Armeekorps war der Feind lebendig. Er trat sogar mit FeldBatterien ins Gefecht, die aber wieder durch Feld-Batterien vertrieben wurden.

Entgegen der gestern erhaltenen Meldung kamen heute die ersten Geschüße im Park des Nordangriffs aus Mézières an. Derartige Widersprüche erklären sich dadurch, daß die Lebensmittel heranführenden Eisenbahnzüge den Transportzügen mit Artilleriematerial vorgezogen werden mußten, denn daß die Armee leben konnte, ging natürlich vor, und man konnte bei der Unsicherheit der Bahnen in Feindesland nicht mit Bestimmtheit darauf rechnen, wann die Bahn für das Artilleriematerial frei sein werde. Bartsch etablierte seinen Belagerungspark dicht am Bahnhofe von Gonesse. Der Bau der gegen St. Denis bestimmten Batterien war im vollen Gange.

Heute fiel ein Kuriosum vor, das uns später recht erheiterte. Leute, die in Paris Bescheid wußten, wollten genau in Erfahrung gebracht haben, daß in St. Maur oberhalb von Paris ein Pumpwerk existierte, das die Stadt mit Trinkwasser versorge, als Ersatz für das Trinkwasser, das wir ihr durch Ableitung des Kanals de l'Ourcq entzogen hatten. Würden wir dies Pumpwerk zerstören, so hieß es, dann hätte Paris kein Trinkwasser mehr und müsse kapitulieren. Kameke hatte einen Ingenieuroffizier beauftragt, zu rekognoszieren, ob man dagegen eine Stellung ausfindig machen könne, das Pumpwerk zu treffen. Der Offizier sandte heute einen wunderschönen Bericht mit Zeichnung. Auf dem Mont Mesly, südlich von Creteil, war die Stellung für einige Batterien gefunden, und sie brauchten eine Infanterie-Brigade Bedeckung. Da aber die Batterien Nr. 16 und Nr. 17 des Ostangriffs näher an dem Pumpwerk waren als der Mont Mesly, so hielt ich es für besser, diese Batterien telegraphisch zu beauftragen, einmal danach zu schießen. Sie meldeten dann auch, wie günstig sie getroffen, und daß das Pumpwerk nicht mehr arbeite. Die Kapitulation brachte das Pumpwerk in unsere Hände. Es ward besichtigt. Es war weder ein Pumpwerk, noch getroffen. Der Schornstein war der einer seit langem verlassenen, bankerotten Fabrik. Vielleicht hatten die Unternehmer einmal gepumpt. Ein anderes Pumpwerk existierte dort gar nicht.

Batterien Nr. 21 und Nr. 22 können morgen noch nicht schußfähig sein, weil Felsboden, Frost, Glatteis und feindliches Feuer den Bau zu oft unterbrachen.

Prinz Friedrich Karl meldete seinen Sieg von Le Mans.*) Chanzy war geschlagen und wurde verfolgt. Von dieser Seite war also in nächster Zeit kein Entsatzversuch gegen Paris zu erwarten.

Der 13. Januar. Das Wetter war am 13. Januar des Morgens flar, nachmittags nebelig. Ich war, wie immer, früh in der Angriffsfront und verließ sie mit Einbruch der Dunkelheit. Der Feind feuerte aus Stadtfront und Emplacements mit einzelnen schlecht gezielten Lagen. Unser Verlust betrug zwei Offiziere und acht Mann. Die Offiziere waren nur ganz leicht verwundet.

Beim VI. Korps ereignete sich nichts Bedeutendes, dagegen unternahm der Feind im Laufe der Nacht im Norden gegen das Dorf Le Bourget, gegen das er, wie ich schon erzählte, allnächtlich mit kunstgerechten Parallelen näher und näher herangegangen war, einen nächtlichen Angriff mit allen drei Waffen. Unsere Belagerungs-Batterien hatten sich schon am Tage auf die wichtigsten Punkte eingeschossen und die Richtung gemerkt. Jezt feuerten sie, und die gewaltigen Granaten schlugen in die feindlichen Massen ein. Mit dem Geschrei: „malheur, malheur!" wandten sich diese zur Flucht. Zu einem nächtlichen Angriff gehören eben bessere Truppen, als dem Feinde jezt zu Gebote standen.

Auch gegen Clamart versuchte der Feind einen nächtlichen Überfall, aber seine Infanterie schoß sich schon im dunkeln Courage, ehe sie an uns herankam, und kündigte sich damit an. Daß er alles auf dem Posten fand und kläglich abzog, war die Folge. Wir hatten einen verwundeten Artilleristen von dem feindlichen Schießen.

Wir sagten uns zum Vortrage beim Könige an, um zum Angriff gegen St. Denis die Bestätigung Seiner Majestät zu erhalten. Es ward uns auf morgen früh zehn Uhr Gehör bewilligt.

Der 14. Januar. Mit der Meldung, daß auch die Batterien Nr. 21 und Nr. 22 ihre Tätigkeit begonnen hätten, begaben wir uns zur bestimmten Stunde zum Könige.

Der Inhalt meines Vortrages legte die bisherigen Erfolge dar. Wir hatten im achttägigen Kampfe gegen die übermacht an Zahl drei Forts in Trümmerhaufen verwandelt, unsere täglichen Verluste nahmen in erfreulicher Weise ab, und an Material hatten wir bis jetzt durch seind. liches und eigenes Feuer nur sieben Rohre, sieben Lafetten und neun

*) In den Tagen vom 6. bis zum 12. Januar hatte Prinz Friedrich Karl die gegen 150 000 Mann starke Armee Chanzys in der Gegend von Le Mans vollständig geschlagen und ihr allein rund 22000 Gefangene abgenommen.

Achsen eingebüßt. Der Ersaß war unterwegs. Dagegen war eine Position gewonnen, aus der wir mit drei Batterien Paris täglich bombardierten. Der Zweck der Aufstellung von Artillerie auf der Südfront war somit erreicht. Selbst wenn wir im Besit der Forts Issy, Vanves und Montrouge wären, könnten wir mehr nicht erlangen, weil sie nicht wesentlich näher am Zentrum von Paris lagen als die bombardierenden Batterien Nr. 8, Nr. 18 und Nr. 19. Jch bat daher um den Entschluß, auf die Eroberung der Forts Issy und Vanves definitiv zu verzichten, weil wir von dort nicht mehr ausrichten würden als von den bisherigen Positionen, wohl aber die Linie Issy-Vanves auf nächster Entfernung einer übermächtigen Stadtfront von einer Meile Länge liege, und Geschützaufstellungen sich dort nicht würden behaupten können.

Nachdem der Zweck der Aufstellung von Belagerungsartillerie im Süden erreicht und noch kein Kapitulationsantrag von Paris aus erfolgt sei, müsse man einen anderweitigen Druck auf die Bevölkerung ausüben, um ihre Neigung zum Frieden zu erregen. Ich schlug deshalb, in Übereinstimmung mit Kameke, vor, unter Fortseßung des Bombardements von Süden her, mit den der Maas-Armee zur Disposition gestellten Mitteln St. Denis zu bekämpfen, dessen Festungswerke und Wohngebäude in Trümmer zu schießen, dort eine Position zu gewinnen, um die maßgebende Bevölkerung von Villette und Belleville zu beschießen, und wenn diese Gefahr und die Flucht der obdachlosen Bevölkerung von St. Denis nach Paris noch nicht genügenden Druck auf den allmächtigen Pöbel von Paris ausgeübt haben sollten, dann würde ich, aber erst in den ersten Tagen des Februar, Batterien gegen den Mont Valérien erbauen, deren Positionen ich schon rekognosziert hätte, damit der Brand dieses Stolzes aller Pariser ihnen eine Fackel sei, die ihrem Widerstandsgeist zu Grabe leuchte. Ich bat deshalb, dem V. Armeekorps, das vor dem Mont Valérien lag, zu befehlen, daß es durch Anfertigung des nötigen Strauchmaterials den Bau dieser Batterien jezt schon vorbereite, und uns beiden zu erlauben, uns morgen zum Kronprinzen von Sachsen nach Margency zu begeben, um die Details über den Angriff gegen St. Denis zu verabreden. Über den Munitionsverbrauch und dessen Ersatz konnte ich nach den Zahlen befriedigenden Aufschluß geben. Wenn auch der Munitionsnachschub wesentlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, wegen Glatteis sowohl als wegen unerwarteter Störungen, wie der Abmarsch des II. Korps, so war doch auch der Verbrauch geringer gewesen, als ich anfangs gerechnet, weil oft Nebel am Schießen hinderte, und so hatte ich noch immer einen Vorrat auf sieben bis acht Tage übrig. Die Zufuhr mußte aber alle Tage steigen, der Verbrauch nicht.

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