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sion, weil die Truppen noch keine Erlaubnis erhalten hatten, ihre Bagage heranzuholen, obgleich Ruhetag war. Sie konnten also den Ruhetag gar nicht ausnußen. Da ich nun wußte, daß in dem Korpsbefehl vom Tage zuvor gesagt war: „Die Divisionen können ihre Bagage heranziehen“, so begab ich mich zum Divisionsstabe. Ich sprach mit dem Generalstabsoffizier, welcher jenen Befehl so ausgelegt hatte, als ob nur die Bagage der Divisionsstäbe herangezogen werden dürfe. Die Regimenter waren sehr froh, daß ich wenigstens für diesen Nachmittag das Mißverständnis aufgeklärt hatte.

Im Laufe des Tages traf der Befehl der Armee ein, wonach das Gardekorps für diesen Tag nicht nach Saargemünd heranrücken, sondern in Moranweiler bleiben, den nächsten Tag nach Saaralben rücken sollte, das III. Korps St. Avold (das der Feind geräumt), das X. Korps Saargemünd, Avantgarde Puttelange, das IV. Korps Saarunion. Hinter uns das II. Korps Saarbrücken, das IX. Forbach, das ganze XII. Saarbrücken. Es war also für heute kein Gefecht zu erwarten, und wir standen zwischen dem X. und IV. Korps.

10. August, Saaralben. Wir marschierten von siebendreiviertel bis zwölf Uhr bei angenehmem Wetter von Moranweiler über Groß-Rederchingen, Singling, Aachen, Herbißheim nach Saaralben. Es war die höchste Zeit, daß wir eintrafen. Viele Einwohner waren aus Furcht vor uns geflohen und andere plünderten deren Eigentum auf unser Konto. Zwar war es für uns schwer, zu unterscheiden, wer zu Recht in einem. Hause war, aber in wenigen Stunden gelang es uns doch, den Plünderungen Einhalt zu tun.

Mein Quartier war bei einem wohlhabenden Deutschen, der eine Französin zur Frau und Gebieterin in des Wortes verwegenster Bedeutung hatte. übrigens ward mir aller Komfort mit scheinbarem guten Willen gewährt.

Man fing an, die Bevölkerung zu entwaffnen, und bediente sich zu diesem Behufe des ortsüblichen öffentlichen Ausrufers. Dieser war sehr trunken und fügte dem Gebot, alle Waffen abzuliefern, Redefloskeln von eigener Erfindung hinzu, als da waren: ,,Sous peine de mort" oder: ,,Sous peine d'être fusillé immédiatement", die er dann mit einem Fausthieb durch die Luft begleitete. Dies erheiterte uns sehr, denn in dem angekündigten Befehl stand gar nichts von Strafandrohungen. Die Maßregel, der Bevölkerung die Waffen abzuverlangen, war nur dadurch notwendig geworden, daß eben übeltäter mit den Waffen in der Hand in den verlassenen Häusern geplündert hatten, indem sie sich als

Nationalgarden aufspielten. Auch war schon in einzelnen Fällen von Einwohnern auf unsere Soldaten geschossen worden.

Bald aber bemerkten wir, welches Unheil der trunkene Ausrufer angerichtet hatte. Die ganze Einwohnerschaft geriet in Schrecken vor uns und wollte fliehen. Solcher Verwirrung mußte vorgebeugt werden, und es ward allerseits mündlich, dann durch öffentliches Anheften der Proklamation das durch den Trunkenbold verursachte Mißverständnis aufgeklärt. Der leichtlebige Franzose beruhigte sich dann auch wieder und lachte.

Abends traf der Armeebefehl ein, welcher für den folgenden Tag den Vormarsch gegen die Mojel anordnete. Tafür, daß wir in so langen Kolonnen durch das Gebirge hatten ziehen müssen, ist der Aufenthalt von nur einem Tag zum Aufmarsch der Armee gewiß nur gering. Solche Schnelligkeit war ermöglicht dadurch, daß die in zweiter und dritter Linie marschierenden Korps bereits in den letzten Tagen starke Märsche gemacht hatten, sobald Plak dazu vorhanden war, und daß sie eben feinen Ruhetag hielten. Zunächst wurden auch noch nicht alle Korps in erster Linie verwendet, das X. und II. Armeekorps folgten noch im Reserveverhältnis.

Die tiefen Marschkolonnen nötigten dazu, wo man es fonnte, jeder Division einen besonderen Weg anzuweisen, denn dicht hintereinander marschierende Divisionen können nicht als so vereinigt betrachtet werden als nebeneinander marschierende, und wenn die betreffenden Wege auch über eine Meile voneinander entfernt wären, denn eine Division muß fünf Stunden auf sich angewiesen sein, che sie von der hinter ihr marschierenden Division unterstützt werden kann, wogegen die eine Meile neben ihr marschierende Division ihr bereits binnen zwei Stunden zu helfen imstande ist.

11. August, Gueblingen. Wir brachen erst um zwölf Uhr auf, denn der Marsch des Hauptquartiers betrug wenig über eine Meile. Bald nach ein Uhr erreichten wir Gueblingen, und ich besuchte noch die in meiner Nähe biwakierende Korpsartillerie. Die Truppen waren schon recht hübsch an den Krieg gewöhnt, denn von dem Biwak sah man nichts. Mannschaften und Pferde waren in zwei Orten, Audweiler und Wenzweiler, unter Dach gekommen, und im Biwak standen nur die Geschütze und die Wachen. Es ist sehr wichtig, daß man die Truppen unter Dach bringt, wenn man irgend kann.

Unsere Unterkunft war so dürftig wie möglich. Der ärmliche Ort Gueblingen oben auf der Hochfläche bot wenig. Eine Anzahl Offiziere

des Hauptquartiers richtete sich im Schulhause ein, wo die Schulbänke das einzige Möbel waren. Je dürftiger das Quartier, desto besser die Stroh wurde herbeigeschafft. Aber als der Korpsauditeur darauf schlafen wollte, ward er mit Stroh in der Nase gekißelt und ähnlicher Unfug getrieben.

Der Kommandierende lag bei einem widerwilligen Pastor und war sehr üblen Humors. Ich schlug ihm eine Partie L'Hombre vor, um ihn zu erheitern. Er spielte, blieb aber mürrisch. Ich hatte einen großen Fehler gemacht, den ich erst nachher entdeckte. Er spielte nämlich lieber Whist. Als ich dies entdeckte, schlug ich ihm von da ab immer eine Partie Whist vor, und da ward er besserer Laune. Es ward während des ganzen Feldzuges von da ab zur Regel, daß nach dem Mittagessen und nach dem Abendtee Whist gespielt ward, und zwar, je nachdem sich drei oder vier daran beteiligten, drei oder vier Robber. Prinz von Nassau, Tannenberg, Oberst von Wangenheim der Ingenieur, Lindau und ich waren die Mitspieler, welche wechselten, je nachdem einer oder der andere keine Zeit hatte. Diese Whistpartie fiel selten aus, höchstens in den Tagen der kritischen Entscheidungen, an denen keine Möglichkeit dazu vorhanden war. Ich habe durch meine eifrige Beteiligung an dem Whist des kommandierenden Generals mehr für die taktische Verwendung der Artillerie gewirkt, als ich durch die dringendsten Vorstellungen oder Memoires hätte wirken können. Der Kommandeur der Artillerie eines Korps hat im Kriege eigentlich keine Truppe unter sich, sondern er ist nichts weiter als der artilleristische Beirat des fommandierenden Generals, auf dessen Befehl er erst im Gefecht unter gewissen Umständen das Kommando einer fechtenden Artillerielinie übernimmt. Er erteilt seinen Nat nur, wenn er gefragt wird. Hält er sich zurück, verkehrt er wenig mit dem kommandierenden General, ist er ihm wenig bekannt und nicht sympathisch, so erfährt er wenig, wird selten gefragt und kann nicht viel für die Verwendung der Artillerie tun. Ist er aber viel um den kommandierenden General, so erfährt er alle Meldungen, fann gleich die die Artillerie betreffenden Vorschläge machen und wird. mehr verwendet. Ich aß mit ihm, spielte mittags und abends Whist mit ihm, er sah es deshalb gern, wenn ich auf dem Marsche neben ihm ritt, und bald wurden nicht nur die artilleristischen, sondern auch die. übrigen Maßregeln mit mir besprochen. Ich hatte eine Stellung und einen Wirkungskreis, wie ich ihn mir nicht besser wünschen konnte.

Im Befehl für den Vormarsch für den 12. August war zum ersten Male der Munitionsfolonnen Erwähnung getan. Es hatte nämlich heute die erste Staffel derselben, die ersten drei, den Anschluß an das

Korps wieder erreicht, so daß täglich Befehl dahin gegeben werden fonnte, nachdem sie in Kaiserslautern Aufenthalt gehabt, weil die Heerstraße noch lediglich für andere Armeekorps benugbar war, die man bei der Nähe des Feindes bald in die vorderste Linie bringen wollte.

Nur mit großer Mühe hatten die Führer dieser Kolonnen ihren Vormarsch fortseßen und erfahren können, wo das Gardekorps marschiert war. Denn solange die Straße durch Truppen bedeckt war, durften feine Munitionsfolonnen marschieren. Manchmal waren sie nachts marschiert, manchmal lauerten sie am Tage stundenlang, bis die Truppendurchzüge beendet waren.

Da hatten sie eines Tages auch einen sehr interessanten Konflikt. Sie lagen seitwärts von Homburg im Biwak und wollten die große Straße, auf der man in dem Städtchen anlangte, benußen. Sie fanden marschierende Sachsen und schlossen sich der Queue einer Division an, nicht ahnend, daß diese auf dem Markte in Homburg en parade vor unserem Könige und dem Kronprinzen von Sachsen vorbeimarschierte. Letterer führte sein Korps dem Könige vor und hatte eine Entfernung von 1000 Schritt zwischen seinen beiden Divisionen angeordnet. Wer beschreibt aber das Erstaunen des Kronprinzen von Sachsen, als er, neben dem Könige haltend, plötzlich an Stelle seiner anderen Division Munitionskolonnen der Garde-Artillerie ankommen sieht, die sich ahnungslos in die Lücke geschoben hatten! Sein Zorn war machtlos, denn wollte man den dauernden Fluß der Vorwärtsbewegung des ganzen Heeres nicht aufhalten, so konnte man doch diese Kolonnen nicht Kehrt machen lassen, die dadurch die Straße auf längere Zeit verstopft hätten. So blieb nichts anderes übrig, als daß der König auch die Parade dieser Kolonnen abnahm, wobei er mit ihrem Zustand sehr zufrieden war.

12. August, Morhange. Abmarsch acht Uhr bei Regenwetter; später flärte es sich auf. Wir ritten durch Wenzweiler, überkingen, Kapelfingen, Insming, Rening, Lening, Altroff, Virming und trafen um halb ein Uhr in Morhange ein.

Wir ritten erst bei Kapelkinger an der Korpsartillerie von hinten vorbei und überholten bei Virming die 2. Garde-Division. Der kommandierende General war mit der Infanterie höchst unzufrieden. Zahllose Marode lagen rechts und links in den Straßengräben. Die Schuld lag einzig und allein an den Führern. Nach dem Regen war es drückend schwil geworden. Troßdem hatte man der Infanterie nicht erlaubt, die Kragen aufzumachen. Die Mannschaft mußte stramm marschieren, ohne Zwischenräume und Abstände, und in den Massen zusammengepackter

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Menschen entstand eine Hiße und eine Stickluft, die beim Vorbeireiten bemerklich war. Die Leute mußten umfallen. Zudem kam, daß die Halte, um den Soldaten eine Ruhe zu gewähren, brigadeweise abgehalten wurden. Wenn es Zeit war, zu ruhen, mußten hierzu die letten Leute noch fast eine Stunde stramm aufmarschieren auf dem Felde neben der Straße und mit Points - vor" die Bataillone eingerichtet werden, ehe das Gepäck abgelegt und geruht wurde. Der Prinz von Württemberg mußte die Führer erst lehren, daß man, um zu ruhen und die Straße frei zu machen, nur zu kommandieren brauche: ,,Halt! Rechts um! Aufs Feld! Gewehre zusammenseßen !", und ebensogut in der Marschformation ausruhen könne als in wohleingerichteter parademäßiger Brigademasse. Seine Geduld ward durch allerhand unbegründete Vorstellungen auf eine starke Probe gestellt. Es ist in der Tat unglaublich, wieviel Unverstand durch Gedankenfaulheit erzeugt wird.

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Als der Prinz von Württemberg in die höchste Aufregung über die Marschordnung der Infanterie geraten war, wandte er sich mit zornigen. Blicken zu mir und rief ganz laut: Wie kommt es denn, daß ich bei der Marschordnung der Artillerie nie etwas auszusetzen habe. Da war doch gestern und vorgestern alles in Ordnung und heute alles musterhaft. Das ist die einzige Truppe, die mir in diesem Feldzuge zu keinem Tadel Veranlassung gibt. Ich bitte mir aus, daß es ihr bekannt gegeben wird." Ich entledigte mich dieses Auftrages gern und fügte hinzu, daß ich erwarte, die Artillerie werde sich im Gefecht das gleiche Zeugnis verdienen.

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Wir sahen auf dem Marsche noch zwei Batterien des Gros der 2. Garde-Division zwei waren bei der Avantgarde in guter Verfassung. Unterwegs trafen uns Nachrichten von dem Rest der Armee. Es war eine sehr gute Maßregel des Oberkommandos, daß es die Korps immer von allem unterrichtete, was vorging, damit sie, wenn sie in den Fall kamen, selbständig zu handeln, dies der Lage entsprechend zu tun. imstande waren.

Unterwegs sahen wir neben uns in einiger Entfernung das X. Korps marschieren. Es gewährt immer einige Sicherheit, wenn man mit eigenen Augen sieht, daß die andern auch da sind.

Ich ritt vor dem Einmarsche in Morhange noch nach der Avantgarde, ihre Stellung von Baronville zu sehen. An den Batterien hatte ich meine Freude, ich hatte nun heute wieder drei Viertel meiner Artillerie gesehen und fand die Stellung vortrefflich stark in der Front, aber ohne Flügelanlehnung, also nur geeignet, um einen Feind aufzuhalten,

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