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bis Blois und Vendôme vorgeschoben, ruhten.*) Den General Faidherbe hatte Manteuffel in einer dreitägigen Schlacht an der Hallue Weihnachten zurückgedrängt. Ein sehr großer, entscheidender Sieg war diese Schlacht nicht gewesen. Auch unsere Truppen waren darin am Ende ihrer Kräfte angekommen. Der Feind hatte sich, von uns beobachtet, zwischen seine nördlichen Festungen zurückgezogen. Jezt regte sich um Neujahr der Feind wieder allerwärts. Die Süd-Armee war in Bewegung. Daß sie nach Belfort ginge und von da in Süddeutschland einbrechen wolle, wurde jezt klar.**) Absendung von noch mehr Truppen dagegen ward dringend erforderlich. Die Armee Chanzys in Le Mans trieb starke Avantgarden vor. Prinz Friedrich Karl erhielt Befehl, ihn jest im Verein mit dem Großherzog von Mecklenburg in Le Mans aufzusuchen. Faidherbe im Norden rührte sich auch schon wieder. Manteuffel konzentrierte sich gegen ihn. Die Proklamationen Gambettas sprachen von so ungeheuren Zahlen von Streitern in diesen Armeen, daß wir nicht daran glaubten. Dennoch kam die Wirklichkeit ihnen nahe. Bourbaki hat gegen Belfort weit über 120 000 Mann in Bewegung gesetzt. Chanzy befehligte mehr als 250 000 Mann, gegen die der Prinz Friedrich Karl mit nicht mehr als 57 000 Mann Infanterie zum Angriff vorging. Faidherbe im Norden war gar nicht zu berechnen, und Manteuffel hatte dagegen höchstens 50 000 Mann.***)

Gelang es, Paris zur Kapitulation zu bringen, so konnten wir, falls dies nicht den Frieden brachte, von den 250 000 Mann, mit denen wir es jetzt einschlossen, 50 000 zur Besatzung verwenden und noch 200 000 erübrigen, vor denen die sämtlichen Neuformationen Gambettas zerstieben mußten, und denen ganz Frankreich keinen Widerstand leisten konnte. Erwägt man alles das, so wird die lebhafte Spannung wieder

*) Ein dritter bedeutender Teil der Armee Aurelle de Paladines' war die Loire aufwärts zurückgegangen und bildete den Stamm zu Bourbakis Süd-Armee. Auch die nach Süden auf Bourges zurückgewichenen Teile der französischen LoireArmee wurden noch im Dezember nach dem südöstlichen Frankreich mit der Eisenbahn transportiert und traten zu Bourbakis Armee.

**) Die Absicht in Süddeutschland einzubrechen, hatte die Armee Bourbakis nicht, sondern sie sollte sich nach dem Entsag von Belfort nur gegen die Verbindungen der deutschen Heere wenden und die Verbindung mit Faidherbe im Norden anstreben, wie der auf Freycinets Vorschlag Bourbaki erteilte Auftrag angibt. Vgl. Generalstabswerk über den deutsch - französischen Krieg, IV., Anlage Nr. 135.

***) Der größte Teil der Heere der Republik bestand aus nach dem Sturze des Kaiserreiches aufgestellten Neubildungen, nur die aus den Häfen herangezogenen Marinetruppen hatten von vorne herein einen festen inneren Halt und bildeten so den Kern der Heere.

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Mit Genehmigung des Kunstverlages von Rud. Schuster in Berlin.

Nach dem Gemälde des Prof. Freyberg.

Leutnant Clauson v. Kaas.

Pr. Leut. Braumüller.

Oberstlt.

Der Russ. Oberst

Heyden

Prinz. v. Doppel

reich.

mair.

Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen vor Paris.

in Erinnerung gebracht, mit der man allseitig dem Beginn der Beschießung von Paris entgegensah.

Ein jeder war sich dessen bewußt, daß man einem Tage von welthistorischer Bedeutung entgegenging. Die Gefühle, die mein Inneres beherrschten, kann ich nicht beschreiben, da ich das Ganze der Beschießung leitete und die Beschießung in mir ihre persönliche Vertretung fand. Äußerlich bewahrte ich meine Ruhe, die sich an die Seelenruhe des Königs und Moltkes anlehnte.

6. Der Artillerieangriff auf Paris.

Der 3. Januar. An diesem Tage mittags begab ich mich mit Kameke zunächst nach Meudon. Bis hinter das Schloß von Meudon konnte man im Walde und hinter Höhen ganz unbemerkt gelangen. Bis dahin sollten die Geschütze bei Tage gefahren und dann bei Einbruch der Dunkelheit in den mit Stroh, um den Lärm zu dämpfen, ausgelegten Kommunikationen in die Batterien gezogen werden. Wie erstaunt war ich, von den sämtlichen Hauptleuten die Meldung zu erhalten, die Batterien seien armiert. Sie hatten am hellen, lichten Tage die Geschüße in die Batterien gefahren, schlankweg, ohne erst die Nacht abzuwarten. Ein günstiger Witterungsumstand hatte sie dazu berechtigt. über uns glänzte ein heiterer Himmel und steigerte die Winterkälte empfindlich durch seine Reinheit. Aber auf dem Erdboden zog sich ein dichter Nebel hin und hüllte die feindlichen Forts derart ein, daß man sie nicht sehen konnte. Ein berechtigter Rückschluß ließ vermuten, daß sie auch uns nicht sahen. Und da ein stetiger Nordwind den Lärm von Paris so deutlich zu uns herübertrug, daß wir jedes Kommando in den Forts verstehen konnten, so war vorauszusetzen, daß der Feind nichts von dem Lärm bemerkte, den unsere Armierung verursachte. Diesen glücklichen Umstand hatten die Hauptleute benutt, um am Tage zu armieren, wobei alles sehr viel sorgfältiger gemacht werden konnte als bei Nacht. Nicht ein einziger feindlicher Schuß verriet, daß der Feind etwas von unserer Tätigkeit bemerkte. Es war ein eigentümlicher Anblick an diesem starren Wintertage von der Terrasse von Meudon herab auf die Forts und die Metropole. Über uns, wie gesagt, der hellste Wintersonnenschein, während der eisige Winternebel bis auf Mark und Bein drang. Zu unseren Füßen dichter weißer Nebel, der die Häuser vor und unter uns sowie die Forts unseren Blicken entzog. Aber aus diesem Nebel ragten die wohlPrinz zu Hohenlohe, Aufzeichnungen. IV.

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bekannten Spizen und Türme der Stadt, von der Sonne vergoldet, blizend hervor. Jenseits hob sich der von der niedrig im Süden stehenden Sonne hell erleuchtete Höhenrand im Nordosten von Paris ab, und deutlich sah man jeden Schuß, den Bartsch abfeuerte. Hatte ich ihn doch telegraphisch aufgefordert, heute den Feind mit doppeltem Granatensegen zu traktieren, um die Aufmerksamkeit desselben nach Norden abzulenken. Und der brave Bartsch war dieser Aufforderung auf das gewissenhafteste nachgekommen. Er sezte den Forts Rosny und Noisy so gewaltig zu, daß, wie ich später aus den französischen Relationen ersah, die Pariser einen gewaltsamen Angriff im Norden erwarteten und Truppen wie Aufmerksamkeit lediglich dorthin konzentrierten.

Batterie St. Cloud Nr. 1 ward ebenso unter dem Schuß des Nebels mit Geschützen armiert.

Aber die Geschüße des Zentrums und des rechten Flügels hatten keine deckenden Wälder, um sich der Gruppe Bayernschanze und der Gruppe Bagneur am Tage verdeckt zu nähern, und hatten deshalb Befehl, sich erst gegen Sonnenuntergang von Villa Coublay aus in Bewegung zu setzen. Ich richtete deshalb meinen Ritt so ein, daß ich um diese Zeit dort eintraf. Ich fand alles angespannt und zum Abmarsch bereit, der alsbald stattfand, und zwar mit der Ordnung einer wohleinererzierten Feldbatterie. Als alles auf der Route Chévreuse auf den Feind zu marschierte, da folgte ich an der Queue und hörte, o Schrecken, welchen Höllenlärm auf dem holprigen Boden diese Unmasse der schwersten artilleristischen Ungetüme verursachte. Es war ein anhaltender Donner, unter dem die Erde dröhnte. Und dennoch fiel vom Feinde kein Schuß! Der Wind war uns günstig. Der Himmel war für uns.

Es gibt Militärgelehrte, welche alle kriegerischen Aktionen gern in Systeme bringen. Sie werden aus dieser Erfahrung die Regel ableiten, daß man zur Armierung, wenn man den Feind überraschen will — und Überraschung ist ja immer der halbe Sieg, möglichst eine Nacht wählen muß, in der die Luft neblig und der Wind günstig ist. Aber man hat aus dem Obigen gesehen, wie lange vorher solche Eröffnung des Feuers bestimmt und vorbereitet werden muß, so daß man sich damit nicht nach Wind und Wetter richten kann, und daß es ganz andere gebieterische Momente sind, die die Eröffnung des Feuers vorschreiben.

Als ich bei den Batterien ankam, war es so dunkel, daß ich höchstens ein Geschütz auf einmal übersehen konnte. Das war keine Tätigkeit mehr für mich, der ich deren dreihundert zu kommandieren hatte, und ich ritt nach Versailles zurück. Es fiel etwas dünner Schnee auf den steinharten

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