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aber gelang es nicht, Wasser durch sie zu erzielen. Es kam nämlich auf den Boden an. Hier am Fuße des Gebirges war der Unterschied recht deutlich. Wo die Batterie ein wenig höher lag, also noch Gebirgsboden unter sich hatte, war es nicht möglich, den Brunnen einzubohren. In der Ebene aber, in Sand und weichem Boden, hatte man binnen einer halben Stunde gutes Wasser. Das war sehr bequem, denn man konnte den Brunnen mitten im Batteriestall einbohren und brauchte die Pferde nicht nach der Tränke zu reiten. Dennoch hat die Freude nicht lange gedauert. Wenn man mit dem Bohrer auf einen Stein traf, ruinierte man ihn leicht. Unfehlbar trat dies mit den Bohrern ein, die auf gebirgigen Boden stießen. Die Reparatur ist schwierig, und einige Wochen später war keiner dieser Brunnen mehr brauchbar. Da waren die Röhren, Stangen und Bohrer von Eisen nur tote Last auf dem Packwagen und verschwanden allmählich von demselben. Ich glaube, es hat keine einzige Batterie einen solchen Brunnen mit nach Hause gebracht.

Es ward dem Korps eine Operationsübersicht der Armee des Prinzen Friedrich Karl für vier Tage mitgeteilt. Sie erstreckte sich auf sieben Armeekorps, nämlich III., IV., Garde-, IX., X., XII. und I. Korps. Nach dieser Übersicht erreichte das IV. Korps Homburg am 5. August, das Gardekorps am 6., das IX. am 7. und das XII. am 8. August. Es marschierten also vier Armeekorps hintereinander auf derjelben Straße. Wenn man daran denkt, daß ein Armeekorps mit seinen Trains und Munitionskolonnen eine Marschlänge von fast sechs Meilen hat, aber hier diese vier Korps nicht in einer Tiefe von vierundzwanzig Meilen, sondern nur von zehn bis zwölf Meilen marschierten, so sicht man ein, daß nicht alle Truppen gleichzeitig marschieren konnten, sondern die einen vormittags, die anderen nachmittags, wieder andere nachts. Es konnten daher nicht alle Truppen die beste Tageszeit zum Marsch benußen, sondern sie konnten nur marschieren, wenn die Straße für sie frei war. Was für Anstrengungen die Folge davon waren, kann man sich leicht vorstellen. Die Ärzte mögen warnen, wie sie wollen, man solle in dieser oder jener Jahreszeit die oder die Tageszeit zum Marschieren. wählen. Das ist im Kriege unmöglich. Da marschiert man, wenn die Straße frei ist.

6. August, Homburg. Eine halbe Stunde vor dem Abmarsche von Landstuhl traf mein Wagen mit der Bagage meines Stabes ein, und er mußte sich dem Marsche nach Homburg mit anschließen. Er hatte vier. neue starke Räder, die auch über drei Wochen ausgehalten haben.

Wir marschierten um siebeneinhalb Uhr ab. Unterwegs trafen wir

mit der Spige der Korpsartillerie zusammen, ich beurlaubte mich vom Prinzen von Württemberg, blieb auf dem Felde anderthalb Stunden halten und ließ die Korpsartillerie an mir vorüberziehen. Ich freute mich über die gute Verfassung und fröhliche Stimmung dieser Batterien. Dann trabte ich wieder vor und erreichte Homburg zugleich mit dem Prinzen.

Dort war alles überbelegt. Das Oberkommando der Zweiten Armee, Prinz Friedrich Karl, hatte plötzlich seine ursprüngliche Absicht geändert und Homburg auch zum Hauptquartier gewählt. Dadurch häuften sich die höheren Offiziere in diesem kleinen Städtchen derart an, daß sie mit dem dürftigsten Unterkommen fürlieb nehmen mußten. Mir ward eine leere Stube für uns alle vier angewiesen. In dem ganzen frei stehenden Hause waren kein Stuhl und kein Tisch. Von Betten war keine Rede. Mit Mühe ward Stroh zum Lagern aufgetrieben. Meine Feldstühle und Tische, die Ausrüstung meines Zeltes, wurden für die schriftlichen Arbeiten benußt. Das Haus gehörte zum Bahnhofe, der in der Nähe war. Dort erfuhr ich, daß der Kronprinz am vorgestrigen Tage die Weißenburger Linien passiert und in Weißenburg die Division Douay vernichtet habe.*) Ferner ward telegraphiert, daß bei Saarbrücken Gefecht stattfinde.**) Mit gutem Ohr und noch besserer Einbildungskraft konnte. man auch den Kanonendonner wahrnehmen.

Da waren wir endlich am 6. August in dem Homburg, das wir nach dem ursprünglichen Eisenbahnfahrplan schon am 1. August hatten erreichen sollen.

War es ein Nachteil oder eine Zeitversäumnis, daß wir erst fünf Tage später in Homburg eintrafen? Ich glaube, nein! Eine Zeitversäumnis konnte es nicht sein, denn hinter uns rollten noch immer Truppentransporte nach, also war die Armee noch nicht genügend vereint, um den Feind energisch anzugreifen. Ein Nachteil aber war es nicht, daß wir vier Tage marschierten, statt stillzuliegen. Ersteres ibt, letteres erschlafft.

Ich begab mich in die Stadt in der übelsten Stimmung der Welt. Denn daß der Kronprinz bei Weißenburg gesiegt hatte, daß man sich bei Saarbrücken schlage, und daß wir hier in Homburg nach einem nicht zu

*) Im Treffen bei Weißenburg am 4. August schlug der Kronprinz mit dem V. Armeekorps, der 21. Division und der bayerischen Division Bothmer die französische Division Abel Douay entscheidend.

**) In der Schlacht bei Spicheren oder Saarbrücken wurde am 6. August das französische Korps Frossard von Teilen des VII, VIII. und III. Armeekorps geschlagen.

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starken Marsche stillagen, das wollte mir nicht in den Sinn. Ich begriff nicht, warum man nicht von Homburg den fämpfenden Truppen zu Hilfe eile. In dieser Stimmung traf ich in der Stadt auf den Prinzen Friedrich Karl, der spazieren ging. Er begrüßte mich und sah mein saures Gesicht. Darauf Bezug nehmend, fragte er mich, wie es mir gehe. „Schlecht!" war die Antwort, unter aller Würde schlecht." Wiejo? Was ist Ihnen? Sind Sie frank?" fragte er. „Nein,“ sagte ich, „aber vorgestern ist ein Sieg in Weißenburg gewesen, und heute schlägt man bei Saarbrücken, und ich muß noch immer faulenzen. Schlechter kanns mir nicht gehen.“ „Na, seien Sie ganz ruhig,“ sagte der Prinz, „es kommt die Reihe auch an Sie."

Nach dem Essen fand ich heiterere Gesichter, denn ich ging aufs Feld ins Biwak der 1. Garde-Division, wo die 1. Fuß-Abteilung ihr Quartier unter freiem Himmel aufgeschlagen hatte und lustig und guter Dinge war.

7. August, Aßweiler. Abmarsch von Homburg früh sieben Uhr bei angenehmem Marschwetter über Blieskastel auf Aßweiler. Der Kommandierende mußte wieder sehr viel über die Marschordnung zanken, weil die Infanterie die Gewehre auf der Straße zusammenseßte und den Verkehr sperrte, statt seitwärts aufs Feld herauszutreten. Mit der Marschordnung der Artillerie bezeugte er sich sehr zufrieden und äußerte. sich, dies sei in diesem Feldzuge die einzige Truppe, welche ihm noch feine Ursache zur Unzufriedenheit gegeben. Der Marsch ging bis Blieskastel das Gebirge entlang in romantischer Gegend, dann in diesem fleinen Städtchen die Höhe hinauf.

Hier traf das Oberkommando, Prinz Friedrich Karl, wieder mit uns zusammen. Elf Uhr. Es hatte eingehende Meldung von dem Ausgang der Schlacht von Saarbrücken von gestern erhalten und ein Telegramm vom Kronprinzen des Inhalts: „Kronprinz in einer größeren Schlacht bei Wörth die Korps von Mac Mahon und Canrobert entscheidend geschlagen."*)

Prinz Friedrich Karl nahm den Prinzen von Württemberg und den ganzen Stab mit sich auf eine Höhe jenseits Blieskastel, links der Straße

*) Der Kronprinz schlug am 6. August bei Wörth mit dem V. und XI. Armeekorps den beiden bayerischen Armeekorps und der Württembergischen Division das 1. französische Armeekorps, die 1. Division des 7. Korps und die Kavallerie-Division Bonnemains unter Befehl des Marschalls Mac Mahon. Das 6. Armeekorps unter Marschall Canrobert nahm nicht an der Schlacht teil, sondern war zu dieser Zeit noch auf der Fahrt nach Nanch begriffen.

nach Azweiler, und jezte mit gedämpfter Stimme die Lage auseinander: Das III. Korps, das gestern bei Saarbrücken mit geschlagen hatte, sollte seine Avantgarde heute nach Forbach vorschieben, das IV. Korps, das vor uns marschiert war, hatte nach links ausbiegen müssen, wir marschierten. also gerade auf den Feind zu. Von links drohte uns noch Failly,*) der von Bitsch kommen konnte, von rechts war Ladmirault**) zu erwarten, in der Front fonnte uns Bazaine***) angreifen. Die äußerste Vorsicht sei angeraten.

Nachdem der Oberkommandierende uns verlassen und wir alle mit den Fernröhren weit und breit vergeblich nach dem drohenden Feinde ausgeschaut hatten, erteilte der Prinz verschärfte Weisungen an die vorgeschobene Kavallerie, um das Gelände in Front und in beiden Flanken aufzuklären. Ehe wir dann auf dem Weitermarsche Aßweiler erreichten, trafen die Meldungen ein, welche bejagten, daß weit und breit vom Feinde nichts zu sehen sei. Hauptmann v. Lindequist†) vom Generalstabe, dem der Humor nie ausging, sang lachend den Refrain des Helmerdingschen Liedes: Das Gas verlischt, 's war wieder nischt!"

Prinz Friedrich Karl hatte vor seinem Scheiden noch die Bestimmung des Gardekorps dahin geändert, daß es den nächsten Tag nicht auf Saargemünd, sondern mehr links in der Richtung auf Rohrbach vorgehen solle, indem Saargemünd dem X. Armeekorps als Ziel angegeben worden war.

Ehe wir in Aßweiler einrückten, begegneten wir einem braunschweigischen Husarenoffizier, Leutnant v. König,††) dem Schwager meines bisherigen Brigadeadjutanten, Hauptmanns v. Elern, der jetzt eine Batterie der Korpsartillerie führte. Er kam von einer Patrouille, die er mit vier Husaren gemacht hatte, und trug einen ungcheuren Schlüssel in der Hand. Er war bis Saargemünd geritten. Mitten in dem Städtchen hatte er

*) Das 5. französische Korps Failly hatte allerdings mit seinen Hauptkräften bis zum 6. August bei Bitsch gestanden, ging aber nach der Schlacht von Wörth sofort auf Saarburg zurück, wo es sich schon am 7. mit Mac Mahon vereinigte. Man glaubte aber deutscherseits nach verschiedenen Nachrichten damals annehmen zu dürfen, daß Mac Mahon auf Bitsch zurückgegangen sei und dort aufs neue Widerstand leisten würde.

**) Tas 4. Korps Ladmirault war am 7. August in Wirklichkeit schon auf dem Rückzuge von Bolchen nach Meg begriffen.

***) Marschall Vazaine befehligte seit dem 5. August das 2. Korps Frossard, das 4. Korps Ladmirault und sein eigenes, das 3. Storps.

†) Zur Zeit General der Infanterie und General-Inspekteur der 3. ArmceInspektion zu Hannover.

††) Generalleutnant Freiherr v. König war bis 1905 Inspekteur der 4. Kavallerie-Znspektion.

zwei feindliche Kompagnien getroffen, weshalb er sich den Maire kommen ließ und ihm drohte, Saargemünd sofort bombardieren zu lassen, wenn dieje Kompagnien die Stadt nicht alsbald räumten. Der Maire wußte nicht, was diesen vier Husaren folgte, erbat und erlangte die sofortige Räumung der Stadt durch die feindliche Infanterie und übergab dem Offizier den Schlüssel der Stadt für den Prinzen Friedrich Karl. So fiel dieser wichtige Engweg ohne Schuß in unsere Hände. Auf diese Meldung sandte man gleich Infanterie auf Wagen dorthin, und der Prinz Friedrich Karl kommandierte sich den kühnen Braunschweiger sofort als Ordonnanzoffizier in seinen Stab, wo er den Scherznamen „Herzog von Saargemünd" erhielt.

Aßweiler war unser leztes Quartier auf deutschem Boden. Es ist ein armes Pfälzer Grenzdorf oben auf der Hochfläche. Am ärmsten war es an Wasser, besonders in diesem trockenen Sommer. Die Einwohner waren gut deutsch gesinnt und empfingen uns mit großem Jubel.

Die Bauernstube, die mir angewiesen war, ließ an Schmuß und idyllischer Einfachheit nichts zu wünschen übrig. Die dicke alte Bäuerin war sehr zutraulich, versicherte mich, wir müßten ja siegen, denn unsere Leute seien zu schmuck und rein, aber die Franzose sein alls verlariert," meinte sie. Ich glaubte, ich hörte nicht recht, aber sie seßte mir auseinander, sie habe drei Überläufer gesehen, die ganz verlariert gewesen. Das käme von den weiten Hosen her, die unten zugebunden seien. Da genierten sich die Kerle nicht, meinte sie.

3. Von der Grenze bis zur Schlacht von St. Privat.

8. August, Moranweiler. Das Hauptquartier des Korps marschierte um sechs Uhr früh von Aßweiler ab. Schon seit vier Uhr früh zogen die Truppen der 1. Garde-Division durch den Ort. Die Spize derselben sollte die Besezung von Saargemünd verstärken, bis das X. Armeekorps dort eingetroffen sei.

Dem Gardekorps aber war, wie erwähnt, aufgegeben, sich weiter links zu wenden. Wir folgten der Saargemünder Chaussee bis Bebelsheim, mußten uns von da aber auf Reinheim links wenden. Der Weg war anfangs, nachdem er die Chauffee verlassen hatte, ein ganz leidlicher Fahrweg das Gebirge hinauf. Allmählich ward er steiler und weniger gepflegt, und bei dem lezten Hause des Tales oben verwandelte er sich in einen einfachen Fußpfad über das Felsengebirge. Stellenweise war es nicht bestimmt zu sagen, ob dieser Pfad nicht eher den Namen eines Prinz zu Hohenlohe, Aufz eichnungen. IV.

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