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wieder einen offenen Kampf im Felde zu bestehen oder durch das überlegene Feuer unserer Belagerungsgeschüße wieder in den Stand gesezt zu werden, das Haupt stolz in die Höhe erheben zu dürfen.

Mit Sehnsucht hofften wir wenigstens auf einen Ausfall, damit wir im offenen Felde wieder einen Kampf mit den Franzosen bestehen und unseren Soldaten die alte Zuversicht zu ihrer überlegenheit wiedergeben könnten. Aber es schien, als ob uns gegenüber der Feind sich nicht rühren. werde. Am 30. September hatte er sich beim VI. Armeekorps im Gefecht von Chevilly, am 13. Oktober bei Bagneur von den Bayern, am 21. Oktober bei Malmaison und Bougival vom V. Armeekorps und der GardeLandwehr blutige Köpfe geholt.

Theater. Unterdessen wurde alles Mögliche getan, um die Soldaten zu beschäftigen. Ja, die Mannschaften des 4. Garde-Regiments übten sich sogar mit denen der Garde-Husaren Theaterstücke ein und gaben einige Lustspiele im Freien im Park von Arnouville. Eine große Wiese bildete die Bühne, die Bäume waren die Kulissen, und die patriotischen Stücke, welche aufgeführt wurden, waren recht unterhaltend, denn die Akteure waren, glaube ich), in ihrem Zivilverhältnis Schauspieler von Beruf. Der kommandierende General, und ich mit ihm, wohnte einer solchen Vorstellung bei. Eines der Lustspiele war eine Parodie über Napoleon III. Als der dickbäuchige Kaiser gerade auf der Bühne schimpfend und tobend mit den Worten erschien: „Ich werde diese verdammten Deutschen mit meinen Bomben und Granaten traktieren", da ertönte ein Kanonenschuß aus St. Denis, und ein schwerer Brummer sauste über unsere Köpfe und schlug 200 Schritt von uns ein, wo er platte. Ihm folgte ein zweiter und ein dritter, aber weder die Schauspieler noch die Zuschauer ließen sich auch nur einen Augenblick dadurch stören.

Baracken. In den ersten Tagen des Monats Oktober ward ein Barackenlager im Tale des Morée-Bachs für ein Bataillon dicht östlich der Route de Lille am Pont Jblon fertiggestellt, um die Verteidiger dieser durch eine Barrikade geschlossenen Brücke und des dortigen Staudamms möglichst nahe an dem wichtigen Punkte unserer Verteidigungsstellung unterzubringen. Dies Lager ward mit vollständiger Kasernierung versehen. Offiziere und Unteroffiziere hatten sogar einen Gesellschaftsraum darin, eine Art von Kasino, und diese Kasinos wurden mit allerhand improvisierten Scherzen geschmückt. Der Leutnant Prinz Radziwill vom Ingenieurkorps, der es erbaut hatte, wurde zum Ehrenbürger von Pont Jblon ernannt und erhielt ein lateinisches Diplom darüber als „civis honoris causa pontis iblontis“.

Luftballons. Häufig verursachten aus Paris aufsteigende Luftballons allgemeine Bewegung und erregten die Aufmerksamkeit unserer Kantonements. Kavalleriepatrouillen jagten ihnen nach, Infanterie schoß danach, wenn Südwind so einen Ballon über uns hin trieb. Mein polnischer Trainsoldat Polomb rief, als er den ersten sah: „Jessus, Jessus, is er großer Vogel!" Einer mag wohl getroffen worden sein, denn er fing an zu sinken, und nachreitende Patrouillen fanden ihn im Walde. Das Schiff war diesmal nicht zur Aufnahme von Menschen eingerichtet sondern enthielt nur Privatbriefe in einem Briefbeutel. Diese Briefe wurden gelesen und verrieten die Unzufriedenheit und Entmutigung der Briefsteller und den Beginn recht schmaler Kost in Paris. Gleiches sagten einzelne überläufer aus, und wir fingen wieder an, an eine baldige Kapitulation zu glauben. Zu gleicher Hoffnung berechtigte uns der Umstand, daß jezt Scharen von Einwohnern, zuweilen unter dem Schuß einer Tirailleurlinie, sich unseren Vorposten näherten, um Kartoffeln zu ernten. Soweit unser Infanteriefeuer reichte die Vorposten wurden auch neben ihrem Gewehr mit erbeuteten Chassepotgewehren ausgerüstet, deren jede Division tausend Stück erhielt, wurden solche Kartoffelsucher daran verhindert. Auch in dem großen Hauptquartier Seiner Majestät gab man sich der Illusion wieder hin, daß der Widerstand von Paris nicht mehr lange dauern werde. Ein Privatbrief, den ich in dieser Zeit von Podbielski aus Versailles erhielt, sprach die Überzeugung aus, daß Met bald fallen und der Prinz Friedrich Karl über Orléans in das Land des Bordeaurweins zichen werde, während wir uns schlüssig zu machen haben würden, ob wir unseren Champagner bei den Frères Provençaur oder bei Philippi trinken sollten. Bis jest hatte v. der Tann Orléans am 11. Oktober bejeßt. Zu einer weiter gehenden Besetzung des Landes reichten aber die vorhandenen Truppen noch nicht aus, solange noch sechs Armeekorps vor Meß gefesselt waren, denn die langen Verbindungslinien mußten auch durch Truppen gegen den allenthalben beginnenden Guerillakrieg der Franktireurs geschüßt werden.

Gonesse. Am 11. Oktober war unser Hauptquartier des Gardekorps von Roissy nach Gonesse verlegt, während das Oberkommando der MaasArmee nach Margency ging. Wir waren dadurch der vordersten Gefechtslinie um eine halbe Meile näher, was für die ganze Leitung und Aufsicht sehr nüßlich war. In Gonesse belehrten mich Briefe, die ich in einem Sekretär fand, daß der Besizer der Villa, Mr. Luch, ein Schwager des Besizers der Villa war, die ich in Roissy bewohnt hatte. Diese Kenntnis gab mir später Gelegenheit zu einem Scherz, der uns sehr unterhielt. Als nämlich nach dem Präliminarfrieden Mr. Luch aus Paris heraus

kam und sich freute, sein Haus noch so wohl erhalten zu finden, fragte ich ihn, ob sein Schwager in Roissy auch mit seinem Hause zufrieden sei. Er war erstaunt, daß ich von der Existenz seiner Verwandten Kenntnis habe. Mein Gott", sagte ich, wenn man Krieg gegen ein Land macht, muß man doch wissen, wie die Menschen miteinander verwandt sind.“ „Oh mon Dieu“, rief der Franzose erschreckt aus, „comme vous connaissez bien notre pays. Je ne m'étonne plus que vous soyez vainqueurs." Wir ließen ihn bei dem Glauben.

Beobachtung des Feindes. Da die Wege nicht mehr so weit waren, um zu den Vorposten zu gelangen, konnte ich jest täglich mehr und länger bei diesen verweilen und den Feind beobachten. Vor St. Denis kamen manchmal große Massen Infanterie heraus und ererzierten vor unseren Augen. Wenn der Wind günstig war, konnten wir jedes Kommando verstehen. Ein Wäldchen auf der Höhe von Pierrefitte, dicht über Villetaneuse, und der Beobachtungspunkt an der Mühle von Stains waren die interessantesten Punkte in dieser Beziehung.

Zuweilen hörte man auch heftiges Gewehrfeuer im Innern von Paris, auch einzelne Schüsse. Deserteure bestätigten lügenhafterweise unsere Vermutung, daß ein Bürgerkrieg in der belagerten Stadt ausgebrochen sei, und daß einzelne Erschießungen stattfänden. In der Tat war dem aber jezt noch nicht so. Das heftige Gewehrfeuer rührte vom Schießen mit Plakpatronen, die einzelnen Schüsse vom Scheibenschießen her, womit man die neu einrangierten Mobilgarden übte.

Eisernes Kreuz 1. Klasse. Am 19. Oktober wurde mir im Namen. Seiner Majestät vom Prinzen von Württemberg das Eiserne Kreuz 1. Klasse übergeben. Nächst dem kommandierenden General war ich der erste im Korps, der auch diese Dekoration erhielt. Dieser folgte am 25. Oktober das Mecklenburgische Verdienstkreuz 1. Klasse.

Im Laufe des Monats Oktober wurde so viel Batteriebaumaterial von den Batterien und Kolonnen gefertigt und von mir im Park von Arnouville gesammelt, daß es für eine lange Belagerung ausreichend war und wir nach Fertigung von mehr als dem Doppelten des uns Aufgetragenen die Arbeit langsamer fortsetten. So war die Feldartillerie imstande, die Tätigkeit der Belagerungsartillerie vorzubereiten. Seit die Feldartillerie organisch von der Fußartillerie nach dem Kriege getrennt worden ist und nicht mehr lernt, Straucharbeiten zu machen, wird sie das nicht mehr leisten können.

Befestigung der Positionen. Mit Eifer wurde an den Befestigungen. der Stellungen gearbeitet. Dugny, Le Blanc Mesnil, Arnouville

Beobachtung des Feindes. - Eis. Kreuz 1. KI.

Befestigung der Positionen. 287

wurden in Festungen umgewandelt. Wir freuten uns darauf, wie ein feindlicher Angriff daran zerschellen werde. Nur mit der Art, wie die vorgeschobenen Posten, in denen sich nur beobachtende Vorposten aufhalten sollten, eingerichtet wurden, konnte ich mich nicht einverstanden erklären. Statt sie nach hinten für den Fall offen zu halten, daß der Feind unsere Vorposten zurückdrängen sollte, wurden auch diese Orte, wie besonders Stains, allseitig, auch nach hinten, stark verschanzt.

In Bourget geschah an der Nordseite gar nichts. Die langen Mauern, welche dort die an die Häuser anstoßenden Gärten einschlossen, sowie die des rechts (nach Dugny zu) liegenden Kirchhofs blieben stehen und mußten einem Feinde, der Bourget beseßte, nachdem er die Vorposten zurückgetrieben hatte, Gelegenheit bieten, den Ort schnell zur Verteidigung gegen uns einzurichten. Diese Versäumnis sollte uns bald viel Blut und gerechte Vorwürfe der obersten Heeresleitung in Versailles zuziehen.

2. Die Erftürmung von Le Bourget.

Der 28. Oktober. Nachdem ich des Morgens ungewöhnlich viel schriftliche Arbeiten erledigt hatte, wollte ich mich zu Mittag gerade nach dem Park von Arnouville begeben, um dort einige Anordnungen wegen der Materialien zu treffen, als mir die Meldung gemacht wurde, die reitenden Batterien ständen im Kampfe in den Positionen. Ich eilte sofort zu Pferde dorthin und alarmierte im Vorbeireiten die beiden Batterien der Malmaison Ferme. Bei meiner Annäherung sah ich den ziemlich heftigen Geschüßkampf, an dem sich eine feindliche Batterie bei Le Bourget und mehrere Forts beteiligten. Granaten platten in der Luft über den reitenden Batterien. Soviel war von weitem zu sehen: Bourget war in den Händen des Feindes, der auch von dort aus den Artilleriekampf führte.

Auf dem rechten Flügel der reitenden Batterien traf ich den General v. Budrizki, welcher mir das Vorgefallene mitteilte. In den lezten Tagen hatten auf den Feldern vor St. Denis und zwischen den Forts von dieser Stadt, Fort de l'Est und Fort Aubervilliers, wiederholt feindliche Massen, bis zu sechs Bataillonen und ganzen Kavallerie-Regimentern außerhalb des Feuerbereichs unserer Vorposten exerziert, und während des Ererzierens waren Massen von Arbeitern mit der Kartoffelernte beschäftigt gewesen. Heute morgen hatte wieder so ein Exerzieren

und Kartoffelernte stattgefunden. Mit einem Male hatten sich drei bis vier Bataillone direkt auf Le Bourget gewandt und waren in Angriffsformation darauf zu avanciert. Die dort auf Vorposten befindliche Kompagnie hatte der Instruktion gemäß diesen Angriff gemeldet und Le Bourget ohne Schuß und ohne Verlust geräumt. Dies sollte sie im Falle eines ernsthaften feindlichen, mit überlegenen Kräften unternommenen Angriffs tun. Auf die Meldung von der Besetzung des Orts durch den Feind beschoß die auf Wache befindliche reitende Batterie den Ort, meldete nach Le Thillay, und die anderen zwei Batterien eilten herbei in die wohl vorbereiteten Positionen und begannen ihr Feuer gegen die Lisiere des Dorfs sowie gegen den Kirchhof, um die feindliche Infanterie von dort zu verscheuchen, seit halb elf Uhr. Die Windrichtung hatte verursacht, daß ich in meinem Quartier, nicht eine halbe Meile von der Position, nichts von dem Geschüßfeuer gehört hatte. Unsere Batterien hatten aber die erwünschte Wirkung nicht. Die Positionen waren ja auch zur Verteidigung der Inundation und nicht zum Angriff gegen das 2000 Meter weiter entfernte Dorf Le Bourget angelegt, und die leichten Vierpfünder konnten nach meiner Ansicht auf fast 3000 Schritt den hinter den starken Umfassungsmauern stehenden Feinden nichts anhaben. Als man nach einer Weile Patrouillen gegen das Dorf vorschickte, zeigte sich dasselbe besett und den darin befindlichen Feind zur Verteidigung entschlossen. Statt zu weichen, brachte der Feind eine Feldbatterie östlich von Bourget vor, die aber sehr schlecht schoß und, nachdem sechs Granaten der Batterie Anker bei ihr eingeschlagen waren, baldigst wieder verschwand. Das Feuer der feindlichen Batterie war für uns aus dem Grunde von besonderem Interesse, weil die Granaten keine Brennzünder hatten, sondern alle im Augenblick des Aufschlages auf der Erde plaßten wie unsere Granaten. Es war dies ein Beweis, daß der Feind ein anderes Geschüßsystem, dem unsrigen ähnlich, eingeführt haben mußte. Ich habe erst nach dem Kriege erfahren, daß die französische Artillerie schon im Frühjahr ein solches Geschüß, Hinterlader, konstruiert, und daß Napoleon dieses System zur Einführung genehmigt hatte. Seit dem Beginn des Krieges, besonders seit der Katastrophe, hatte man danach massenhaft Geschüße und Munition in Paris und Bourges gefertigt.

Ich hatte mittlerweile noch die beiden Batterien der Malmaison Ferme in die Position gebracht, und General v. Budrißki führte seine 6. schwere Batterie, v. Oppell, herbei, so daß nun sechsunddreißig Ge schüße im Feuer standen.

Die Meldung, daß sich aus Bourget feindliche Massen gegen Dugny

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