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tonierenden 6 Eskadrons Ulanen zur Verfügung gestellt, von denen das Regiment meines Bruders bereits die Festung beobachtete. Einen Parlamentär hatte der Feind in die Festung eingelassen und dort abschlägig beschieden.

Zur Ermöglichung des rechtzeitigen Zusammenziehens der Truppen ward mir befohlen, ins Bureau des Generalkommandos zu gehen, dort die Disposition zu diktieren, da die Befehl holenden Adjutanten der Truppen dort noch warteten. Dort gab mir Dannenberg Karte und Dislokation. Danach hatte ich unter den Truppen nicht viel Auswahl. Nachdem die Brigade des verwundeten Generals v. Knappe*) zum Transport von Gefangenen fortgeschickt war, konnte ich nur die Brigade Medem**) wählen, denn die beiden anderen Brigadekommandeure der Infanterie hatten ältere Generalspatente als ich. Die sechs Ulanen-Eskadrons ergaben sich aus der Dislokation, sofern sie der Festung Montmédy nahe waren, und an Artillerie bat ich mir alle Batterien aus, die so disloziert waren, daß sie möglicherweise Montmédy noch erreichen. konnten. Das waren die Batterien der 1. Garde-Division und die ganze Korpsartillerie, in Summa elf Batterien oder 65 Geschüße, eins war während der Schlacht von Sedan geborsten. Die Artillerie der 1. Division war zu weit von Montmédy. Ein Blick auf die Karte belehrte mich, daß die Straße von Carignan nach Montmédy in der Nähe dieser Festung bei Thonne le Thil über einen Bergrücken führt und von der Festung gesehen werden kann. Dieser Bergrücken mußte daher in der Dunkelheit überschritten werden, wollte ich den Angriff auf die Festung überraschend bewirken. Denn nur durch überraschung war ein Erfolg möglich. Deshalb mußte ein Nachtmarsch gemacht werden, und die Truppen mußten früh sechs Uhr bereits die deckende Senkung von Thonnelle erreichen. Alles übrige mußte ich mir nach Rekognoszierung der Festung vorbehalten.

Die Disposition, die ich danach diktierte, und die vom Generalkommando den Adjutanten um fünf Uhr nachmittags als Korpsbefehl mitgegeben wurde, lautete:

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„Es soll die Festung Montmédy durch eine überraschende Kanonade zur Übergabe gezwungen werden. Hierzu werden dem Generalmajor Prinz zu Hohenlohe zur Disposition gestellt: die 2. Garde-InfanterieBrigade, sechs Eskadrons Ulanen, die 1. Garde-Pionier-Kompagnie mit einem Teil des Feldbrückentrains, die Artillerie der 1. Garde-InfanterieDivision und die Korpsartillerie.

*) Die 3. **) Die 2.

Die 2. Garde-Infanterie-Brigade marschiert so ab, daß sie am Montag den 5. September, früh sechs Uhr, vor Montmédy mit der Tete an Thonelle an der Chauffee ausgeruht steht.

Die sechs Eskadrons Ulanen unter dem Kommando des Obersten Prinzen zu Hohenlohe gehen so gegen Montmédy vor, daß sie um sechs Uhr früh, Montag den 5. September, beim Rendezvous der 2. GardeInfanterie-Brigade bei Thonelle bereits Meldung machen können:

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1. über die Beschaffenheit der Höhe nördlich Montmédy,

2. über die Wegbarkeit für alle Waffen von der Chaussee SignyThonelle-Montmédy nach dem Chiers-Tal hinüber und nach der Höhe nördlich Vigneul, westlich von Thonne les Prés.

Die Pionier-Kompagnie mit einem vom Oberstleutnant v. Wangenheim zu bestimmenden Teile des leichten Feldbrückentrains folgt der 2. Garde-Infanterie-Brigade. Die Artillerie-Abteilung der 1. GardeInfanterie-Division folgt der 2. Garde-Infanterie-Brigade, und wenn der Feldbrückentrain sich angeschlossen hat, diesem und hat danach ihre Abmarschzeit zu bestimmen. Die Korpsartillerie schließt sich der Queue

der Artillerie der 1. Garde-Infanterie-Division an und hat danach ihre Abmarschzeit zu bestimmen. Sie wird mit ihrer Tete nicht vor vier Uhr von Linah aufzubrechen brauchen.

Die Korpsartillerie nimmt eine Sektion ihres Sanitätsdetachements mit.

Carignan, den 4. September 1870, nachmittags fünf Uhr.“

Nach Ausgabe des Befehls wurde noch eine Kapitulation aufgesetzt, die der Kommandant unterzeichnen sollte, wenn er sich einschüchtern ließ, ein Opus, das Lindau noch einer Revision in sprachlicher Beziehung unterzog. Nachdem mir nochmals eingeschärft war, mich nicht auf allzu gewagte Unternehmen einzulassen, denn seit ich bei Sedan wiederholt auf energisches Vorgehen gedrängt hatte, hielt mich der Prinz von Württemberg für einen Hizkopf, wurde ich entlassen und legte mich schlafen.

Der 5. September. Montmédy. Mouzon. Früh zwei Uhr ritt ich von Carignan ab, an den marschierenden Truppen vorbei, und befand mich um fünf Uhr an deren Spize bei Thonelle. Mein Bruder fand sich daselbst bei mir ein. Er war vollständig über die Festung orientiert und führte mich von Thonelle den Weg gegen Le Petit Verneuil, dann rechts auf dem Höhenrücken nach Montmédy zu, auf einen Punkt, von dem aus ich die Festung von Norden her vor Sonnenaufgang übersehen konnte. Hier macht der Gebirgsfluß Chiers Windungen und Schleifen in einem rings von fünf bedeutenden, von einander durch tiefe Täler getrennten Höhen umgebenen Talkessel von unregelmäßiger Form und nicht ganz einer halben Meile Durchmesser. Mitten in dem Talkessel erhebt sich ein steiler Felsen, augenscheinlich vulkanischen Ursprungs, und oben auf dem Felsen ist das Fort erbaut, das ich wegzunehmen versuchen sollte.

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Von diesen Höhen aus konnte man die Festung dominierend mit entscheidender Wirkung beschießen. Aber wenn man hätte versuchen wollen, sie durch Infanterie zu nehmen, dann hätte diese Infanterie die Höhen hinabsteigen und in dem ganz freien und baumlosen Talkessel gegen den Felsen vorgehen müssen. Selbst wenn dies gelungen wäre, hätte man die Festung noch nicht genommen. Denn dann hätte die Infanterie erst noch aus der am Fuß der Felsen gelegenen kleinen Stadt den Felsen ersteigen müssen. Dies war an dem senkrechten Felsen unmöglich und nur auf der in Schlangenwindungen hinaufführenden Straße möglich, die durch Festungsbauwerke gesperrt war. Wenn man die Festung daher auch mit Artillerie noch so arg beschoß, so brauchte der Verteidiger nur zu schweigen und sich zu verkriechen, bis die Infanterie des Angreifers vor

ging und dessen Artillerie wieder schweigen mußte. Dann konnte er hervortreten und hinter den Mauerscharten gedeckt die anstürmende Infanterie niederschießen, für welche es gar keine Möglichkeit gab, einzudringen, denn die Mauerwerke konnten durch Feldartillerie nicht zerstört werden. Auf meine Frage an meinen Bruder, ob er glaube, daß dies Felsennest durch Feldtruppen genommen werden könne, erklärte er es für unmöglich, aber er bat mich dringend, den Kerlen da drinnen einen Denkzettel zu geben und sie gehörig zusammenzuschießen, denn sie hätten ihm einen seiner besten Trompeter als Parlamentär völkerrechtswidrig erschossen. Dabei schäumte er vor Wut. Wenn auch ein solcher Akt außerhalb eines jeden strategischen Zwecks lag, so wollte ich doch wenigstens versuchen, durch eine Kanonade den Kommandanten einzuschüchtern.

Zum Zweck der Beschießung konnte ich von den fünf die Festung umgebenden Höhen nur zwei benußen, nämlich die beiden, welche der Straße Carignan-Montmédy zunächst lagen. Um auf die anderen zu gelangen, hätte ich meilenweite Umgehungen machen und mehr Zeit verlieren müssen, als mir gestattet war. Diese beiden Höhen genügten aber meinem Zweck, denn ich konnte von da aus die Festung von zwei Seiten fassen, und die eine Höhe konnte diejenigen Verteidiger in Flanke und Rücken beschießen, die gegen die andere feuerten. Auf diese Betrachtung gründete sich der Befehl, den ich, nach Thonelle zurückgekehrt, den Adjutanten der Truppen in die Brieftafeln diktierte:

,,Thonelle, den 5. September 1870, sechseinviertel Uhr früh.

Die rechte Seitenkolonne, Generalmajor v. Medem, drei Bataillone, eine Eskadron, fünf Batterien der Korpsartillerie, nimmt den Weg durch den Wald rechts von Thonelle, welcher bei Thonne les Prés aus dem Walde mündet.

Die Infanterie besezt die Waldlifiere gegen Montmédy hin zum Schuß der aufgestellten Batterien. Die Batterien schlagen den Weg bereits von Thonne le Thil aus ein. Kavallerie geht in das Chiers-Tal hinunter.

Die linke Seitenkolonne, Oberst Prinz zu Hohenlohe, ein Bataillon, drei Eskadrons, sichert den linken Flügel bis an den Grund von Le grand Verneuil.

Die 1. Fuß-Abteilung, gefolgt von zwei reitenden Batterien der Korpsartillerie, marschiert auf einem ihr von meinem Adjutanten zu zeigenden Wege auf der Höhe nördlich Montmédy so auf, daß sie von der Festung aus nicht gesehen werden kann.

Zwei Bataillone, zwei Eskadrons bleiben in Thonelle in Reserve zu meiner Disposition.

Die Batterien des Generals v. Medem beginnen das Feuer, worauf die Batterien des Zentrums sofort ebenfalls einstimmen.

gez. Kraft Prinz zu Hohenlohe."

Während Medem seinen Weg durch das Bois de Geranvaux einschlug und mein Bruder bis in das Tal bei Le Grand Verneuil die Festung einschloß, führte ich die sechs Batterien des Zentrums, 1. Fuß-Abteilung und 1. und 2. reitende, auf der Höhe, die ich soeben verlassen hatte, auf das Feld in eine Mulde, die man von der Festung aus nicht sehen konnte. Von hier aus konnten die Batterien, die entwickelt standen, wenige hundert Schritte gerade vorgehend, ihre dominierende Position erreichen. Es gelang mir, die Artilleriemasse von fünfundddreißig Kanonen in die Mulde zu bringen, ohne daß sie in der Festung gesehen wurde, denn man hörte kein Lebenszeichen in dem Fort, und fein Schuß begrüßte uns, obgleich wir im wirksamsten Bereich der Festungsgeschüße waren. Hier licß ich absitzen und warten, bis Medem in Position sei, denn er hatte einen weiteren Weg einzuschlagen, und ich wollte die Kanonade nicht früher beginnen, als bis ich alle fünfundsechzig Kanonen zugleich spielen Lassen konnte. Medem brauchte unendlich viel Zeit. Die Sonne war herrlich aufgegangen. Die Luft war klar, wie während der Schlacht von Sedan. Kein Lüftchen rührte sich. Man sah die Festungswerke so deutlich, daß man jede Scharte, jedes Geschüß zählen konnte. Die Zeit wurde mir unendlich lang, und ich zitterte vor Ungeduld. Mit einem Male hörte man Signale in der Festung, man sah Truppen auf den Wällen, Bewegung, ein Schuß krachte, und ein immenses Geschoßz sauste durch die Luft. Aber es flog nicht zu uns, es schlug oben auf dem Berg ein, links von mir. Ich sah dorthin und glaubte meinen Augen nicht zu trauen! Da war, während ich meine Truppen versteckte, der ganze Stab der Kavallerie-Division oben auf dem Berge, mit Adjutanten, Ordonnanzoffizieren, Stabsordonnanzen und Bedeckung, eine ganze Menge Reiter, aufgestellt, um meiner Erpedition als einem Schauspiel zuzusehen. Aus Langeweile waren die Herren, nachdem sie Montmédy mit dem Fernglase betrachtet, abgestiegen, um zu frühstücken. So hatten sie in ihren bunten Uniformen meine Anwesenheit verraten, und die so vorsichtig eingeleitete überraschung war vereitelt. Ich war sehr aufgebracht, ließ die Herren mit wenig verbindlichen Worten an und ersuchte sie, sich zu verbergen. Sie folgten meiner Aufforderung recht gern, denn das Geschoß war mitten unter sie gefahren. Ein erschrecktes Pferd hatte sich

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