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prächtigen Gebäude mitten im Walde müsse der feindliche Oberfeldherr, am Ende gar Napoleon sein und von da aus die Schlacht leiten. Es mußte von Einfluß sein, wenn man den Siz des feindlichen Oberkommandos zerstörte. Ich teilte diese Idee dem Prinzen von Württemberg mit und bat ihn um Erlaubnis, dem Louis Napoleon brandstiftend einzuheizen". Zwar belächelte der Prinz meine Idee als eine Phantasie, aber er sagte meinetwegen" und kam, dem Schießversuch beizuwohnen, denn unsere überlegenheit gestattete uns schon den Lurus einer Nebenbeschäftigung mit einer Batterie. Nach wenigen Probeschüssen trafen wir das große Gebäude in einer Entfernung von 4000 bis 5000 Schritt, und bald brannte es lichterloh und bis auf den Grund ab. Es war nachher zu sehen, daß, obgleich der ganze Gebäudekomplex, QuerimontFerme genannt, abgebrannt war, das dicht daran gebaute Glashaus unversehrt blieb. Nicht einmal eine Granate war hineingekommen. Zwar ist Napoleon nicht darin gewesen, aber die Feuersbrunst hat doch die Hauptverbindung durch den Wald von Garenne gesperrt und den Feind verhindert, sich durch denselben zu bewegen. Alles, was sich später von Jlly dort nach Süden wenden wollte, fonnte dort nicht vorbei und hat sich dem Gardeforps ergeben.

Flüchtende Kavallerie. Dann begab ich mich wieder auf den äußersten rechten Flügel zur 2. Fuß-Abteilung, um dort zu sehen, welche Fortschritte die uns gegenüber im Rücken des Feindes vorgehenden Truppen des Kronprinzen von Preußen machten. Ich fand die Batterien in der heitersten Stimmung der Welt. Die feindliche Artillerie gegenüber war verschwunden, und man schoß wie auf einer Hajenjagd nach dann und wann sich zeigenden anderen Truppen. Eben war auch eine Bewegung weit rechts oben im Ardenner Walde zu sehen. Die Fernrohre zeigten. uns, daß es feindliche Kavallerie war, die über eine Waldblöße auf schmalem Waldpfade zu Zweien nach Norden ritt. Die Entfernung war sehr groß, und ich erlaubte, um nicht zuviel Munition zu verschwenden, nur einige Probeschüsse dorthin. Es schien, als ob wir mit der Distanz von 3200 Schritt getroffen hätten, denn alsbald beschleunigte sich die Gangart des Feindes. Nachdem noch einige Granaten ebendahin gesendet waren, zeigte sich nichts mehr. Andern Tags ist Kaas dorthin geritten, um zu sehen, was wir getroffen. Er fand eine ganze französische Batterie auf einem schmalen, rechts und links von tiefen Schluchten. begleiteten Gebirgspfad. Eine Granate hatte von dem vordersten Geschütz die Stangenpferde getötet. Damit war der Weg gesperrt. Nur die Leichen der beiden Pferde lagen noch bei der verlassenen Batterie,

deren Offizierequipagewagen mir meinen verlorenen Wagen ersezte. Die Kavallerie, der wir hier den Laufpaß gegeben, hat keinen Ausweg nach Belgien gefunden, soll sich dann über Le Warcan und Jlly_nach Westen gewendet haben und gegen Floing von der Artillerie und Infanterie des Kronprinzen von Preußen vernichtet worden sein.

Vorgehen zur entscheidenden Artilleriestellung. Von jezt ab war aber hier nichts mehr zu tun, kein Feind mehr im Schußzbereich sichtbar, dagegen schien die Kronprinzliche Armee uns gegenüber in ihrem Vorschreiten durch einen heftigen Kampf aufgehalten. Es war also dringend notwendig, daß wir ihr jezt durch kräftigere Wirkung Luft verschafften, wie sie uns durch ihr Erscheinen im Rücken des Feindes diesen ab- und auf sich gezogen zu haben schien. Ich ritt deshalb wieder zum Prinzen von Württemberg und wiederholte meine bereits zweimal ausgesprochene Bitte. Ich wurde zwar erst ziemlich ungnädig abgewiesen, aber ich wiederholte meine Bitte nur um so dringender. Endlich gab er nach, wenn auch sehr mit Widerstreben und mit sehr ungnädigen Worten. Zuletzt sagte er: „Aber ich bitte mir aus, daß Sie jede Position vorher selbst rekognoszieren, damit Sie Ihre Batterien nicht gefährden." Da antwortete ich ein wenig gereizt: Meine Batterien haben meine Befehle noch nie von hinten, sondern stets von vorn erhalten“ und wollte fortreiten. Da rief mich der Prinz noch einmal zurück und sagte heftig: Sie stehen mir übrigens mit Ihrem Kopf dafür, daß die Batterien nicht wieder so schwere Verluste haben, wie heute vor vierzehn Tagen." „Mit meinem Kopf sehr gern", sagte ich, weiter befehlen wohl Euer Königliche Hoheit nichts von mir", und jagte zurück zur 2. FußAbteilung. Unterwegs fragte mich der Adjutant, ich glaube, es war Braumüller, wie ich denn das anfangen wollte, mit meinem Kopf dafür zu stehen, daß ich keine so starken Verluste erleiden werde. „Das ist sehr einfach", sagte ich. „Mißglückt, was ich unternehme, so richte ich es so ein, daß ich mit zu den Verlusten zähle.“

Es gab keine nähere Stellung für meine Artillerielinie, als etwa nicht ganz 1000 Schritt vorwärts der Stellung, welche Bychelbergs Abteilung jest innehatte, dicht an dem Taleinschnitt, den der Givonne-Bach bildet, das in der Schlucht liegende Dorf gerade vor der Front. Dieses Dorf war zwar inzwischen von dem Garde-Füsilier-Regiment und den Garde-Jägern genommen, aber darüber hinaus stand die feindliche Infanterie noch. Links begrenzte diese Stellung die tiefe Seitenschlucht, die bei dem Dörfchen Haybes in das Givonne-Tal fällt, und jenseits dieser Schlucht stand die 3. Fuß-Abteilung im Anschluß an die Artillerie

der Sachsen. Weiter rechts von dieser von mir ins Auge gefaßten Stellung waren tiefe Schluchten und Gründe, aus denen sich das unzugängliche Ardenner Waldgebirge abhob. In einer dieser Schluchten führt die Chaussee von Sedan nach Bouillon. Aber der einzige Zugang zu dieser näheren Stellung war eben durch die Artillerie Bychelbergs versperrt, die mit dem Rücken dicht an dem Gestell im Feuer stand. Es blieb mir nichts anderes übrig, als diese Artillerie, welche ohnedies am nächsten am Feinde stand, zuerst avancieren zu lassen. Das konnte ich ihr aber in dieser Nähe des Feindes nur in einer schnurgeraden Vorwärtsbewegung zumuten. Jede Flankenbewegung hätte dem Feinde zu günstiges Ziel geboten und noch mehr Zeit ohne Feuer verstreichen lassen. So blieb mir nichts übrig, als eine Bewegung ausführen zu Lassen, welche nach den Regeln der Artillerietaktik zu den größten Fehlern gehört, nämlich das vorderste im Feuer befindliche Echelon zuerst vorgehen und dann, hinter diesem fort als Kugelfang, von rechts nach links - denn der Plaz für die anderen war links von Bychelberg die übrige Artillerie folgen zu lassen.

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Ich ließ zunächst die 2. Fuß-Abteilung, v. Krieger, zum Avancieren aufprozen, mit Zügen geschlossen links abschwenken, diese dichte Kolonne das Gestell einschlagen und im Walde einen Augenblick den Moment abwarten, bis der Ausgang frei werde, dann befahl ich Bychelberg, nach vorheriger Erlaubnis des Generals v. Pape, der auf dessen linkem Flügel hielt, so weit als möglich gerade vorzugehen. Bychelberg sah mich erst groß an, als ich ihm zumutete, noch näher heranzugehen, aber als ich ihm meine Absicht mitteilte, war er schnell fertig und trabte vor. Das ungezielte Feuer des Feindes verursachte ihm hierbei weder einen Mann noch ein Pferd Verlust. Kaum hatte er sich in Bewegung gesezt, als auch Krieger mit seinen Batterien im Trabe aus dem Gestell vorkam, die Tete links schwenken ließ, und hinter Bychelberg fort nach dessen linkem Flügel eilte. Ich befahl ihm, jede Batterie baldmöglichst Front machen zu lassen, um Bychelberg so schnell als angängig zu verstärken und somit batterieweise in die Feuerlinie einzurücken. Durch dieses Manöver kam innerhalb der Abteilung die Batterie, die zuerst auf dem linken Flügel gestanden hatte, zuerst dicht links von Bychelberg in die Stellung, also auf den rechten Flügel der Abteilung, und umgekehrt. Es war eine wahre Freude, den braven Krieger und seine Abteilung bei dieser bedenklichen Bewegung zu sehen. Auf der feindlichen Seite der vordersten Batterie reitend, suchte er die Aufmerksamkeit der Mannschaft durch Ererzierkorrekturen von dem Schwirren und Saufen der feindlichen Geschosse abzuziehen. Tempo!", rief er. „Richtung! Die

Augen sind rechts! Da galoppiert einer! Trab ist geblasen! Will der Vorderreiter vom dritten Geschüß wohl Richtung halten! Da galoppiert ein Kerporal! Führen Sie Ihr Pferd ruhiger. Herr Hauptmann, es ist Zeit, Front zu machen!" Dann jagte er vor in der Linie und bezeichnete den Platz für die Batterie. Hierauf sprengte er zur nächsten Batterie, dieselbe ebenso korrigierend, und auf diese Weise wurde das ganze Manöver durchgeführt mit einer Ruhe, Schnelligkeit und Ererzierpräzision, die auf dem Friedens-Ererzierplaze gelobt worden wäre. Obgleich viele Geschosse in der Luft schwirrten, obgleich Krieger als Kugelfang hinter Bychelberg fortgetrabt war, hatte auch er keinen Verlust, weder an Mannschaft noch an Pferden bei dieser ganzen Bewegung.

Wenn eine Batterie in eine neue Stellung rückt, so kommt alles darauf an, daß sie baldmöglichst einen Anhalt gewinnt, wie weit die gegenüberliegenden Gegenstände von ihr entfernt sind. Sie tut daher zunächst einige Probeschüsse gegen einen sich scharf markierenden feindlichen Gegenstand. Da drüben lagen nun die Trümmer jener SchimmelBatterie, die am besten sichtbar waren. Jeder neu einrückende Batteriekommandeur kommandierte also: „Richtung nach der feindlichen ArtilIerie!" und fandte dorthin seinen ersten eisernen Gruß. Da war es recht kläglich zu sehen, wie von den dort verlassenen, an den Kanonen mit zertrümmerten Rädern angespannten Pferden eins nach dem andern immer von neuem zum Ziel genommen ward, bis der Batteriechef erkannte, daß die Entfernung 1200 Schritt betrug, und daß diese Artillerie nicht wiederschoß, so daß er sein Feuer anderswohin richtete, wo noch ein kämpfender Feind standhielt, dessen Entfernung er dann durch den Vergleich leichter tarieren konnte. Zuletzt stand da noch ein unglückliches Pferd auf drei Beinen kläglich mit gekrümmtem Rücken, bis auch dieses durch einen Schuß niedergestreckt war. Sehr amüsant für mich war General v. Pape. Er war mit Vychelberg vorgeritten und hielt, von seinem Stabe begleitet, auf dessen linkem Flügel. Ich bat ihn, Plaß zu machen. Er ritt etwas links. Aber da kam noch eine Batterie, und noch eine und noch eine, und er mußte immer wieder Play machen. Endlich sing er an zu schimpfen: „Donnerwetter, da weiß man ja gar nicht, wo man hinreiten soll, wenn Sie mir soviel Zeug von Artillerie anschleppen.“ „Beruhigen sich Herr General“, sagte ich, „von dem Zeug kann ich nicht genug anschleppen. Bald kommt soviel, daß Sie gar keinen Platz finden.“ Beim ersten Schuß der letten Batterie der 2. FußAbteilung sah ich nach der Uhr, es war halb ein Uhr. Die Bewegung war in kürzerer Zeit beendet, als die Beschreibung derselben erfordert.

Ich hatte jest drei Batterien der 1. Fuß-Abteilung, vier der 2. in vorderster Linie, links des Grundes von Haybes die 4. der 3. FußAbteilung. Die 1. schwere, Samezki, und die reitende Artillerie standen noch links des Gehölzes von Cernay etwa 1500 Schritt weiter zurück. Ich fand das nicht nötig, und da noch rechts und links der 1. und 2. FußAbteilung etwas Plaß vorn war, ließ ich sie vorholen. Nur zwei Batterien der reitenden Artillerie hatten links dicht am Grunde von Haybes Plaz, die dritte, Anfer, mußte ich rechts der 1. Fuß-Abteilung senden, wo die 1. schwere einrückte. Um halb zwei Uhr standen somit meine neunzig Geschüße in einer Front, dicht nebeneinander, nur durch die schmale Schlucht von Haybes unterbrochen. Es war ein wahrer Höllenspektakel, den sie machten.

Kavallerie-Division. Der Prinz von Württemberg hatte, während ich die Vorbewegung der Artillerie ins Werf jezte, teils um meinen rechten Flügel vor jedem Unfall zu schüßen, teils um den sich immer mehr nähernden Truppen des Kronprinzen von Preußen die Hand zu bieten, die Garde-Kavallerie-Division rechts vorgeschickt, um sich mit dem Rücken gegen die belgische Grenze aufzustellen und keinen Feind dorthin entkommen zu lassen. In gleicher Absicht war von drüben die 4. Kavallerie-Division zu gleicher Zeit zu uns gesandt. Während somit die Garde-Kavallerie nach Givonne herunter, dann das Givonne-Tal aufwärts nach Fleigneur zu trabte und sich dort in der Nähe, Front gegen Jlly, aufstellte, fam die 4. Kavallerie-Division nach Givonne und stellte sich da auf, wo die Garde-Kavallerie gestanden hatte. Prinz Albrecht Vater und Sohn hatten auf diese Weise chassez-croisez gemacht. Die Umarmung, mit der wir die französische Armee umfaßten, begann sich zu vollenden. Hierbei bildeten wir, das Gardekorps, die rechte, die vordringenden Truppen des XI. und V. Korps die linke Hand dieser lieblosen Accolade, und die beiden vorgenannten Kavallerien die Finger, die sich auf dem Rücken des Umarmten freuzten.

Artilleriewirkung. Meine sich allmählich bis auf neunzig Stück vermehrenden Geschüße richteten eine entsetzliche Verwüstung beim Feinde

an.

Auf die nahe Entfernung konnte kein Schuß fehlgehen, umsoweniger als meine Kanoniere durch das Übergewicht ihres Feuers den Feind derart in Schach hielten, daß sie selbst gar keine Verluste mehr erlitten und mit derselben Ruhe und Sicherheit zielten, als ob sie bei Tegel nach der Scheibe schöffen. Bald verkrochen sich die feindlichen Truppen im Hohlwege und in die Schützenwälle, die beim Beginn des Kampfes jenseits Daigny für die feindlichen Batterien erbaut waren. Prinz zu Hohenlohe, Aufzeichnungen. IV.

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