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schanzungen eine Menge Trümmer von Artilleriematerial. Nur dann und wann tauchte eine Batterie auf und wurde dann von den achtzehn Geschützen Bychelbergs gottsjämmerlich zugedeckt. Die Entfernungen waren auch entscheidende, 1600 bis 1800 Schritt. Gerade als ich da war, erschien uns gegenüber eine feindliche Batterie, mit Schimmeln bespannt. Sofort vereinigten unsere drei Batterien ihr Feuer dagegen auf der wohlbekannten Entfernung, denn diese Batterie wollte da in Stellung gehen, wo schon die Trümmer von zwei Batterien lagen, halbwegs zwischen dem Bois de la Garenne und Givonne, auf dem diesseitigen Abhange. Die Wirkung war vernichtend. Die Batterie brach förmlich in Stücke zusammen. Pferde, Menschen, Kanonen, Geschirre bildeten Knäuel. Es gelang der feindlichen Batterie nicht, auch nur einen einzigen Schuß zu tun. Bald war aus dem Bereich der plagenden Granaten geflohen, was noch gesund war, und nur noch Trümmer, verwundete Pferde, Leichen, kennzeichneten den Plaz. Napoleon sagt in seiner Broschüre ,,Les causes de Sédan": ,,L'empereur lui-même essaya de placer trois batteries. Elles furent écrasées sans coup férir." Nach seinen Angaben hat dies stattgefunden, als er ungefähr um zehn Uhr morgens aus dem Fond de Givonne an das Bois de la Garenne heraufritt. Zeit und Ort stimmen, und es ist somit sehr wahrscheinlich, daß wir bei dieser Episode die Ehre hatten, den Kaiser persönlich zu bekämpfen.

Im Zentrum. Ich begab mich jezt hinter dem Walde herum nach dem Zentrum und dem linken Flügel der Gefechtslinie des Korps. Da hielten hinter dem Walde auf dem Plan im Generalstabswerk „Gehölz von Villers Cernay" genannt - - das 1., 2., 3. und 4. GardeGrenadier-Regiment in Rendezvousstellung gedeckt und troß der Nähe am Feinde ganz unbelästigt. Die Gewehre waren zusammengefeßt. Die Regimentsmusiken spielten, um der Mannschaft etwaige trübe Gedanken zu verscheuchen, und die Leute tanzten lustig, während rechts und links davon die blutigste Schlacht tobte. Es machte mir dies einen eigenen Eindruck, denn meine Gemütsstimmung stand noch unter dem Einfluß des Verlustes von Scherbening. Links vom Gehölz von Cernay stand die Batterie v. Samezki der Abteilung v. Bychelberg, welche vorn feinen Play mehr gefunden, und schoß gegen die feindliche Gefechtslinie drüben am Bois de la Garenne.

Der kommandierende General hielt in der Nähe dieser Batterie mit seinem Stabe. Ich machte ihm Meldung vom Tode Scherbenings und von meinen Anordnungen, und er genehmigte sie. Links von Sa

meşti, in einer Entfernung von etwa 300 Schritt, stand die 2. FußAbteilung, Rheinbaben, im Feuer gegen den gegenüberstehenden Feind. Der linke Flügel schoß mehr nach links, wo ein feindlicher Vorstoß gegen die Sachsen Fortschritte zu machen drohte. Die 2. Garde-InfanterieDivision, Budriyki, zu der Rheinbabens Artillerie gehörte, stand links rückwärts davon in Reserve, zum Eingreifen bereit und hatte nur einige Kompagnien des Regiments Franz zur Deckung der Artillerie vorgeschoben.

Ich stellte dem kommandierenden General vor, daß wir dem Feind vor uns im Artilleriekampfe überlegen seien, weshalb ich es an der Zeit hielte, zu entscheidender Wirkung näher heranzugehen. Aber da wurde er sehr unwillig und sagte mir, das dürfe ich auf keinen Fall. „Bilden Sie sich ein, daß ich ein Armeekorps kommandiere? Ich habe, nach dem heutigen Stärferapport noch 13 000 Feuergewehre, alles in allem, das ist nicht mehr als eine Division. Damit soll ich die Front von einer Meile bis an die belgische Grenze gegen einen Feind verteidigen, der etwa nach Osten durchbrechen will. Er stößt schon gegen die Sachsen vor. Zweimal haben diese zu mir geschickt um Hilfe, ich habe sie bis jezt verweigert, denn ich sehe, sie haben selbst noch Reserven. Aber ich werde vielleicht doch genötigt werden, ihnen zu helfen, und deshalb kann ich mich mit den wenigen Truppen nicht zu fest engagieren. Sie sind mir ohnehin schon zu nahe vorgegangen. Jezt gehen Sie keinen Schritt weiter."

So beschieden, ritt ich in die 1. schwere Batterie, Samezki, um zu sehen, ob sie treffe. Nach den Erfahrungen, die ich bei der Korpsartillerie eben gemacht hatte, argwöhnte ich, diese Batterie werde auch übereilt schießen. Ich stellte mich auf den Flügel und beobachtete mit meinem Fernrohr. Der Schuß war zu weit, Hauptmann S.“ „Nein“, sagte der Hauptmann ruhig, er war zu kurz." „Aber sehen Sie doch, die Granate plagte ja im Walde." „Das war nicht die meine." Jetzt befahl ich dem, wie ich meinte, eigensinnigen Hauptmann, 500 Schritt kürzer schießen zu lassen. Richtig, da schlug die Granate dicht vor uns ein. Der Hauptmann lächelte verschmitt und bat mich um Erlaubnis, mir einen schönen Treffer vormachen zu dürfen. Er kommandierte eine viel weitere Entfernung, und richtig, Patsch!, saß die Granate mitten im Feinde. Lächelnd, aber auch triumphierend, sah mich der Hauptmann an. „Woher wissen Sie das so genau, denn Sie sehen ja gar nicht nach dem Feinde hin?", fragte ich. Ich sehe bloß nach dem Freiwilligen Klorsch. Der hat so gute Augen, daß er jede Granate fliegen sieht, muß sich hinter jedes feuernde Geschüß stellen und mir ein Zeichen machen.“

„Na, dann schießen Sie weiter mit Klopsch," sagte ich lachend und wandte mich nach links.

Dort stand auf dem rechten Flügel der 2. Fuß-Abteilung die Batterie des Hauptmanns v. Koon. In diesem Augenblick sah ich diese Batterie zum Zurückgehen aufprozen. Ich bekam einen Schreck und glaubte schon, die Batterie wolle weichen. In diesem Verdacht befangen, sandte ich schleunigst Braumüller zu Roon mit der spißen Frage, was denn diese rückgängige Bewegung zu bedeuten habe, zu der ich keinen Grund entdecken könne. Roon ließ mir ebenso spit antworten, er habe den Befehl erhalten, vom rechten auf den linken Flügel zu gehen, und da könne er sich doch nicht vorn vor den feuernden eigenen Kanonen vorbeibewegen. Ich hatte das Gefühl, ihn ungerechterweise im Verdacht zu haben. Das tat mir umsomehr wehe, als ich ihn nicht wiedergesehen habe. In der neuen Stellung, dicht bei Daigny, feuerte er gegen den Feind in die Flanke, der gegen die Sachsen vordrang. Der Feind ant wortete mit Chassepotfeuer, und Roon erhielt einen Schuß in den Unterleib, dem er nach zwei Tagen erlag.

Kronprinz Friedrich Wilhelm in Sicht. Nach kurzem Aufenthalt ritt ich zur Korpsartillerie zurück auf den rechten Flügel. Dort war es jezt recht amüsant. Die feindliche Artillerie auf dem Calvaire d'Illy war zurückgezogen. Nur hin und wieder erschien noch eine Batterie, um einige Schuß zu tun und dann, von unserer Artillerie scharf bearbeitet, wieder zu verschwinden. Es ward jezt eine große Kavalleriemasse sichtbar, die auf dem Felde zwischen dem Calvaire d'Illy und dem Dorfe Jlly hielt. Die Entfernung war zwar sehr groß, aber die Kavalleriemasse war so groß, daß man sie doch nicht gut fehlen konnte. Unsere Granaten sausten dorthin und richteten eine große Verwirrung und allgemeine Bewegung an. Eben erschien wieder eine neue feindliche Batterie auf dem Calvaire d'Illy, die gegen uns zu feuern begann. Während ich sie mit dem Fernrohr betrachtete, glaubte ich an dem dahinter liegenden fernen Horizont Bewegung zu bemerken. Es war sehr weit. Ich stellte mein Fernrohr schärfer und sah auf den in blauer Ferne sichtbaren Höhen weiße Wolken entstehen und sich wieder verziehen. Nachdem sich mein Auge durch die Gewöhnung an die Stellung des Glases verschärft hatte, erkannte ich deutlich, daß es Artilleriefeuer war. Dieses Artilleriefeuer war nach mir zu gerichtet, aber Granaten konnten von da nicht kommen, es war ja fast eine deutsche Meile bis dahin. Also mußte dies Artilleriefeuer gegen den dazwischen stehenden Feind gerichtet sein und demzufolge von preußischen Kanonen herrühren. So

hätten wir also den Feind vollständig umfaßt? Ich konnte erst an einen jo glücklichen Ausgang nicht glauben. Daher faltete ich meine Karte auf dem Pferde auseinander, verglich) sie mit der Gegend und stellte fest, daß die Höhen hinter dem Calvaire d'Illy die von St. Menges sein mußten. Tort konnten die Truppen des Kronprinzen von Preußen allerdings jeßt, es war gerade elf Uhr, angekommen sein, wenn der Feind so dumm war, ihnen an den Brücken von Donchery und im Defilee von St. Albert kein Hindernis in den Weg zu legen. Die Sache schien mir so unwahrscheinlich und so großartig, daß, ehe ich davon Meldung machte, ich erst die Beobachtung durch andere bestätigt wissen wollte. Ich rief Buddenbrock und Krieger und teilte sie ihnen mit. Beide sahen nichts dergleichen durch ihre Gläser. Aber als ich ihnen mein Glas lieh, rief einer nach dem andern: Bei Gott, es ist wahr!" Jezt sandte ich dem Prinzen. von Württemberg eine Meldung von dem, was ich sah. Er kam alsbald geritten, und sein erstes Wort war: „Was haben Sie mir da für eine Fabel melden lassen?" Aber er sah alsbald selbst, was ich geschen. Als er ebenfalls mit Tannenberg Karten ausbreiten wollte, erschien noch eine feindliche Batterie auf dem Calvaire d'Illy und überschüttete uns mit Schrapnells. War es Zufall, oder hatte der Feind den großen Stab des Prinzen ankommen sehen, denn es begleitete ihn das ganze Hauptquartier. Ich weiß es nicht. Aber Schrapnell auf Schrapnell plate über uns, zum Glück ein wenig zu hoch, etwa doppelte Reiterhöhe, und ein Unbedeutendes zu weit hinten. Die Kugeln sausten und schwirrten hinter uns ins Feld und taten keinen Schaden. Aber die Pferde erschraken über den plötzlichen Lärm dicht über ihnen so sehr, daß sie sich drehten, sprangen, nach oben blickten und das Herausnehmen einer Karte und Betrachten derselben unmöglich machten. Dannenberg schlug dem Prinzen vor, hinter dem Walde abzusteigen, um die Situation auf der Karte mit Ruhe überlegen zu können, aber das wollte der Prinz nicht, denn er hielt es für unanständig, sich einen sicheren Ort aufzusuchen, wenn das feindliche Feuer heftig werde. So wurde damit gewartet, bis unser Feuer den störenden Gegner wieder zum Schweigen gebracht hatte. Als der Prinz jetzt meine Auffassung teilte, stellte ich ihm vor, der Gegner, der uns gegenüber stehe, könne sich leicht mit seiner Hauptmacht gegen die Spiten der Kronprinzlichen Armee bei St. Menges wenden, wenn wir ihn nicht fester anfaßten. Die Verminderung des feindlichen Widerstandes uns gegenüber scheine schon darauf hinzudeuten. Ich bat ihn deshalb jest um Erlaubnis, mit der ganzen Artillerielinie zu entscheidender Wirkung ganz nahe an den Feind herangehen zu dürfen. Aber davon wollte der kommandierende General nichts

wissen. Er sagte mir, er sei im Gegenteil gefommen, um von mir eine Linksschiebung der Artillerie zu verlangen. Denn der feindliche Vorstoß gegen die Sachsen habe derartige Fortschritte gemacht, daß er genötigt gewesen, die ganze 2. Garde-Infanterie-Division zu deren Hilfe zu beordern. Während also diese Division sich links wende, um durch einen Stoß in die linke Flanke des vorgedrungenen Feindes den Sachsen Luft zu schaffen, sollte die reitende Artillerie die dadurch entstehende Lücke in der Schlachtlinie ausfüllen, und ehe der feindliche Vorstoß abgewiesen sei, dürse ich mich nicht durch eine nähere Aufstellung am Feinde stärker engagieren.

Die reitende Artillerie vor. Die Reitende Abteilung harrte schon lange ungeduldig der Verwendung. Als sie daher den Befehl erhielt, segte sie sich sofort in eine beschleunigte Gangart und rasselte hinter dem Wäldchen von Cernay fort, links der Batterie Sametki, zwischen dieser und der 2. Garde-Division, ihre Aufstellung zu nehmen, und ihr Feuer ward schon eröffnet gegen den jenseits Daigny stehenden Feind, ehe der fommandierende General dorthin zurückgekehrt war. Dieser war ebenso erfreut als überrascht durch die schnelle Ausführung seines Befehls, worüber er sich wiederholt sehr befriedigt ausgesprochen hat. Auch belohnte er es später am Führer der Abteilung, Grävenit, durch das Kreuz 1. Klasse. Es war um halb zwölf Uhr. Als die Reitende Abteilung eben ihr Feuer eröffnete, traf die Anforderung der KavallerieDivision ein, die Abteilung solle zu ihr stoßen, um hinter ihr bei Villers Cernay in Reserve zu halten, wenn nicht die ganze Abteilung, so doch eine Batterie. Ich ließ ihr antworten, die reitende Artillerie habe für heute nicht die Ehre, unter den Befehlen der Kavallerie-Division zu stehen und besseres zu tun, als in Reserve zu halten.

Etwa gleichzeitig mit dem Vorgehen der Reitenden Abteilung hatte das Erscheinen der 2. Garde-Division auch einen Umschwung in dem Vorstoß des Feindes herbeigeführt, der jezt nach und über den GivonneBach zurückwich. Sachsen und Preußen drangen in Laigny ein. Noch ward ihnen verboten, sich auf einen Angriff auf die gegenüberliegenden Höhen einzulassen. Die 3. Fuß-Abteilung nahm eine Stellung auf dem nach Daigny herabführenden Höhenzuge ein und traf von da aus den gegenüberstehenden Feind schräg in der rechten Flanke. Von jezt ab wurde unser übergewicht immer entschiedener. Der Feind knallte noch, traf aber nichts mehr.

Querimont. Während ich mich eine Zeitlang beim Hauptmann v. Samezki aufhielt, schoß mir der Gedanke durch den Kopf, in jenem

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