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mandierenden Generals der Kavallerie-Division zugeteilt werden sollten. Der Prinz gab diesen Befehl, und ich habe mich bei jedem Gefecht im Verlaufe des nun folgenden Krieges über diesen Befehl beglückwünscht, denn zu jeder größeren Aktion hatte ich eine imposante Korpsartillerie von zweiundvierzig Geschüßen bei der Hand, welche da, wo der Hauptstoß erfolgen sollte, sich gleich im Anfang mit der betreffenden Divisionsartillerie zu der ungeheuren Artillerielinie von sechsundsechzig Kanonen vereinigte. Wenn aber die Kavallerie isoliert vorgeschoben wurde, gab ihr das Korps die drei reitenden Batterien mit, die sich somit verdoppelten, denn sie traten sowohl als die Artillerie der Kavallerie-Division als auch als Schlachtenartillerie auf. Wir werden sehen, wie sich dies im Verlaufe des Krieges leichter gestaltete, als man es in der Theorie für möglich halten sollte. Niemand war froher über meinen Einfall als Oberst v. Scherbening und der Kommandeur der reitenden Artillerie, der Major Baron v. Buddenbrock.

Audienz beim kommandierenden General. In derselben Zeit hatte ich noch eine kleine unbedeutende, aber sehr komische Etikettendifferenz mit dem kommandierenden General. Offiziere, die ihn und den Chef des Generalstabes, den eben zum General beförderten Obersten v. Dannenberg, sowie mich kannten, hatten sich dahin geäußert, es sei ganz unmöglich, daß wir drei uns im Laufe des Feldzuges vertragen könnten. Allerdings hatte ich 1866 während des Feldzuges Differenzen genug mit dem Generalkommando gehabt, die zuweilen so aussahen wie Streit mit diesen beiden Herren. Aber ich war ja jezt berufen, täglich mit ihnen zu verkehren, und konnte den Unzuträglichkeiten, die mir 1866 das Leben schwer gemacht hatten, an der Quelle vorbeugen. Jezt sagte mir Dannenberg, der kommandierende General wundere sich, daß ich mich noch nicht bei ihm gemeldet. Ich war sehr erstaunt über diese Zumutung, denn ich hatte ja nichts zu melden. Ich war ja in meiner Stellung zu ihm geblieben, die ich seit mehr als zweieinhalb Jahren einnahm. Er wolle mich aber sprechen, hieß es. Ich meinte zwar, er könne mich ja holen lassen, nahm aber die Worte des Generals v. Dannenberg so an, als ob er mich befohlen, und ging zu ihm, aber nicht im Meldeanzuge, sondern nur im Dienstanzuge, und rechtfertigte mein Eintreten, da ich gleich vorgelassen ward, mit den Worten: „Euer Königliche Hoheit haben mich zu sprechen befohlen." Nun entwickelte sich eine spaßhafte Unterredung von lakonischer Kürze: Wie steht's mit den Batterien?" Sehr gut.“ „Na, das ist schön.“ „Wie geht die Mobilmachung?" „Planmäßig, ohne die geringste Störung.“ „Wie sind die Offiziere?“ „Vor

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trefflich.“ „Na, das freut mich sehr." Darauf entließ mich der kommandierende General mit einem Händedruck. Indem ich seine Hand festhielt, sagte ich ihm: „Euer Königliche Hoheit waren 1866 mit der Artillerie zufrieden. Was die Batterien aber jegt leisten werden, soll alles Frühere in den Schatten stellen." Dem Prinzen mißfiel diese Zuversicht nicht. Ich hatte aber auch guten Grund dazu. Meine fünfzehn Batterien schossen vortrefflich, waren gut einererziert, taktisch geschult, und ich hatte doppelt so viel Offiziere als 1866. Nie kann ein Führer mit größerer Zuversicht in seine Truppe in den Krieg gehen als ich damals. Die Stabsoffiziere waren: Scherbening, der Held von Blumenau,*) als Kommandeur der Korpsartillerie, mit den beiden schneidigen Majors v. Krieger und v. Buddenbrock als Abteilungsfommandeuren, bei der 1. Garde-Division Bychelberg, der dieselbe AbteiIung schon 1866 mit Auszeichnung geführt hatte, und bei der 2. GardeDivision mein alter Freund und Dußbruder Rheinbaben. Der lettere wurde zwar durch den Feldzug wahnsinnig, aber diese Krankheit brach erst beim Einzug in Berlin nach dem Kriege aus.

Offiziereinteilung. Bei der Mobilmachung der Munitionskolonnen und der Verteilung der Offiziere machte ich einen glücklichen Griff, der im Laufe des Feldzuges von den nüßlichsten Folgen war. Das Generalkommando überwies mir eine beträchtliche Anzahl von Reserveoffizieren der Garde-Kavallerie zur Dienstleistung für die Dauer des Krieges. Diese Herren fanden ihre natürliche Verwendung bei den Munitionskolonnen. Ich ließ nun die Mobilmachung der Munitionsfolonnen zunächst durch. Offiziere der Artillerie ausführen, denn die Reserveoffiziere der Kavallerie hatten keine Idee von dem, was dazu nötig war. Die mobilen Kolonnen beseßte ich derart, daß ich die Artilleriekolonnen den ältesten zur Batterie heranstehenden Hauptleuten dritter Klasse und Premierleutnants der Artillerie übergab, die Infanteriekolonnen aber durch Reserveoffiziere der Kavallerie führen ließ, denn nachdem der Truppenkörper fertig formiert war, konnten diese Herren recht geeignet erachtet werden, ihn zu führen, da sie meist Gutsbesißer waren, also mit Pferden, Beschirrung und Behandlung der ausgedienten Bauern vertraut sein mußten. Die Hauptleute der Artillerie aber, welche Artillerie-Munitionskolonnen führten, galten mir als Reserve für Verluste durch feind

*) Oberst v. Scherbening hatte sich im Gefecht von Blumenau, den 22. Juli 1866, als Kommandeur der Reserveartillerie besonders ausgezeichnet. Vgl. hierüber das Nähere in den „Denkwürdigkeiten des Generals v. Fransecky“, S. 426, 434, 460. Bielefeld u. Leipzig 1901.

liche Kugeln, denn wir mußten auf harte Kämpfe gefaßt sein. So fonnte ich in der Tat am Tage nach der verlustreichen Schlacht von St. Privat den empfindlichen Abgang an Batteriechefs auf dem Felde durch geeignete Artillericoffiziere derart erseßen, daß nicht die geringste Störung in der Führung stattfand, indem ich die Kolonnenkommandeure zu Batteriechefs machte, und bei den Kolonnen hatten sich andere Kavallerieoffiziere wieder so weit in deren Dienst orientiert, daß ich ihnen ihre Führung anvertrauen konnte. Im Anfang waren die Herren von der Kavallerie wenig erfreut darüber, daß sie bei mir den Munitionskolonnen zugeteilt wurden. Sie hatten geglaubt, an der Spize von Batterien den Feind bekämpfen zu können. Jezt sollten sie Fuhrwerke führen. Später haben sie sich alle getröstet, denn sie sind fast alle ins Gefecht gekommen und haben für ihr Verhalten, das musterhaft war, das Eiserne Kreuz erhalten. Dazu bildete diese Vereinigung von vornehmen, wohlhabenden Herren ein so nettes Offizierkorps, daß sie sich sehr wohl zusammen fühlten. Am spaßhaftesten war die Enttäuschung und nachherige Beruhigung bei einem Herrn v. S., der bei dem 2. GardeDragoner-Regiment sein Jahr gedient hatte und dann Reserveoffizier geworden war. Im Zivil hatte er den Rang eines Referendars oder Assessors. Als er sich meldete, sprach er die Bitte aus, lieber einer reitenden Batterie zugeteilt zu werden als einer Fuß-Batterie, da er Dragoneroffizier sei. Ich mußte ihm eröffnen, er werde den Munitionskolonnen beigegeben. Er erblaßte, und ich glaubte, er werde vor mir umfallen vor Schreck. Ich tröstete ihn und versprach ihm, ihn ordentlich ins Feuer zu bringen. Da er in seinem Beruf mit der Feder gut Bescheid wissen mußte, so machte ich ihn zum Adjutanten der KolonnenAbteilung, deren Kommandeur Hauptmann v. Heineccius, ein sehr schneidiger Offizier, war. Denn bei der Kolonnen-Abteilung sind behufs Nachliquidation der Munition viel schriftliche Arbeiten nötig. In der Schlacht von St. Privat waren beide bald an meiner Seite und trafen mit großer Todesverachtung die ersprießlichsten Maßregeln zur Versorgung der fechtenden Truppen mit Munition. S. strahlte nach der Schlacht vor Freude, denn er hatte diesen großen Kampf von den übersichtlichsten Punkten aus gesehen, seine Tätigkeit war sehr anerkennenswert gewesen, und sein Pferd trug eine Wunde durch eine Chassepotkugel, die es unter ihm erhalten hatte, davon. Auch schmückte ihn das Eiserne Kreuz bald darauf. „Nie will ich wieder anderswo den Krieg mitmachen als bei den Munitionskolonnen“, rief er begeistert.

Colomier. Zum Kommandeur der Artillerie der Zweiten Armee, beim Prinzen Friedrich Karl ward der Generalleutnant v. Colomier

ernannt, der bis jest Inspekteur in Koblenz gewesen war. So stand ich wieder unter den Befehlen meines alten Waffengefährten und Gönners. Ich hatte keine große Freude darüber, denn ich fürchtete, er werde mit seiner schon im Jahre 1866 ausgeübten Pedanterie bei der Anordnung der Munitions-Bestandsnachweisungen die Maßregeln hemmen, die ich getroffen.*) Aber es gestaltete sich anders. Colomier kam in Berlin an und suchte mich bald auf. Er beschwerte sich bitter, daß er so plöglich in diese Stellung gekommen. Er sei ganz unvorbereitet und habe noch gar keine Anordnungen ausgearbeitet, die Artillerie dieser Armee betreffend. Deshalb fragte er mich, was ich denn in dieser Richtung getan. Ich teilte ihm meine Befehle mit und motivierte sie. Er ließ Abschrift nehmen, und lange nachher, als wir schon dem Feinde gegenüberstanden, kam von seiten der Zweiten Armee eine Instruktion über das alles, welche im wesentlichen dasselbe anordnete, was ich befohlen. Es wäre zu spät gewesen, wenn es nicht vorher schon angeordnet gewesen wäre.

Mannschaften. Vom 21. bis 26. Juli dauerte die Arbeit des Eintreffens der Augmentationsmannschaften und Pferde, der Verteilung und Einkleidung. Es ging alles so schnell, daß die Transporte nicht vorher angemeldet wurden. Manche recht großen Transporte von Mannschaften trafen mitten in der Nacht ein. Zu keiner Stunde war man sicher, daß nicht neuc ankämen. Die Leute waren von der langen Eisenbahnfahrt meist sehr müde und hatten sich unterwegs weidlich durch Spirituosen gestärkt. So kamen sie übermüdet an. Da mir das vom Jahre 1866 her bekannt war, so hatte ich Maßregeln vorgesehen, um etwaigen Unordnungen vorzubeugen, die unter sotanen Umständen leicht zu Exzessen hätten führen können. Ich ließ große Räume zu ebner Erde in der Kaserne am Kupfergraben freimachen die Speisesäle der Mannschaften wurden mitbenußt und darin Strohlagerstätten einrichten,

wo die Ankömmlinge sich erholen konnten.

Besichtigung der Batterien. Während wir mit dieser Arbeit beschäftigt waren, erhielt ich Befehl, die Mobilmachung derart zu leiten, daß eine Abteilung, und zwar die dritte Fuß-Abteilung, bereits vom 27. abends ab zur Verladung mit der 2. Garde-Division bereit sei. Diese Abteilung wurde also früher mit Mannschaften und Pferden vervollständigt als die anderen, empfing ihre Munition, und ich besichtigte sie am 27. früh auf dem Schießplate, in dessen Nähe sie kantonierte. Die Verfassung der Batterien überstieg meine kühnsten Erwartungen.

*) Vgl. das Nähere über Colomier in Hohenlohe, III, S. 180.

Denselben Tag trafen die letten Augmentationspferde ein, und am 28. Juli früh konnte ich melden, daß die Mobilmachung beendet sei. Es war der dreizehnte Mobilmachungstag. Der Transport der Truppen. anderer Armeekorps nach dem Rheine zu hatte schon lange begonnen, denn diese hatten weniger Zeit zu ihrer Mobilmachung nötig, da sie in den Provinzen garnisonierten, aus denen sie ihre Mannschaften und Pferde erhielten. Stunde auf Stunde folgten sich die Transportzüge, welche die Truppen nach dem Rheine zu führten. Tag für Tag erwarteten wir, von dem Einbruch des Feindes zu hören. uns, obgleich er seit dem 19. Juli den Krieg erklärt hatte, Zeit, unsere Mobilmachung zu beenden. Was uns jezt klar ist, daß nämlich der Feind noch gar nicht kriegsbereit war, als er uns den Krieg erklärte, das wollte damals kein Mensch glauben.

Aber er rührte sich nicht und ließ

Am 28. und 29. Juli besichtigte ich die übrigen Batterien nach Beendigung ihrer Mobilmachung, und am 29. Juli nachmittags begann der Transport der 2. Garde-Division mit der 3. Fuß-Abteilung meiner Artillerie. Jeder Truppenteil erhielt nun den Befehl der Stunde und des Bahnhofs, wo er sich einfinden sollte. Alles übrige blieb geheim; die ganze Transportdisposition behielt der Generalstab für sich, und niemand wußte, wohin er fuhr. Nur das wußte jeder, daß man lange Zeit auf keine Lebensmittel zu rechnen hatte, denn es mußten Vorräte für Mann und Pferd auf fünf Tage mitgeschafft werden, was seine großen Schwierigkeiten hatte.

Mein Vater in Berlin. In diesen Tagen hatte ich die Freude, meinen Vater noch in Berlin zu sehen. In dem Augenblick, als ich die Nachricht erhielt, daß er im Gasthofe sei, befiel mich erst ein nicht geringer Schreck. Ich wußte, daß alle Eisenbahnzüge dem Privatverkehr verschlossen waren, denn unaufhörlich rollten Truppentransporte, Reservisten- und Landwehrtransporte, Pferdetransporte. hin und her. Es gab kein Betriebsmaterial für den Privatverkehr. Nur mit viel Aufenthalt, Umständen und Anstrengungen konnte man reisen. Daß der im vierundsiebzigsten Jahre stehende kränkliche Herr solchen Mühseligkeiten in der herrschenden Julihiße gewachsen sei, glaubte ich nicht. Ich eilte alsbald erschreckt nach dem Gasthofe, um zu sehen, ob er nicht erkrankt sei. Aber er war sehr vergnügt, und lachend meinte er, soviel Kräfte werde ich doch noch haben, um meine Jungens zu sehen, die gegen die Franzosen gehen". Auch er war der Ansicht, wir würden zuerst Schläge kriegen, aber zuletzt siegen. übrigens war er lange nicht so niedergeschlagen als vor dem Kriege von 1866, denn dieser jezige Krieg war ganz nach seinem

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