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Vierzehntes Kapitel.

Das Nachspiel des schleswig-holsteinischen Krieges vom Wiener Frieden bis zum Vertrag von Gastein. 1864 und 1865.

Schleswig-Holstein war jetzt von Dänemark befreit und für Deutschland erobert. Es fragte sich, in welcher Gestalt es für Deutschland erhalten werden sollte, ob als souveräner deutscher Bundesstaat unter dem Schutz des deutschen Bundes, oder als Theil der preußischen Monarchie. Die öffentliche Meinung in ganz Deutschland sah es als selbstverständlich an, daß, da Dänemark die drei Herzogthümer abgetreten hatte, jezt Prinz Friederich von Augustenburg als rechtmäßiger Erbe eingesetzt werden müsse. Auch in Preußen war diese Ansicht verbreitet und wurde namentlich von der Volksvertretung getheilt. Doch erhoben sich auch Stimmen, die da meinten, was Preußen mit seinem Blut erobert habe, dürfe, ja müsse es auch behalten. Schon während der Londoner Conferenz hatte eine Anzahl hochgestellter conservativer Männer, der Graf Arnim-Boytzenburg voran, in einer vom 11. Mai datirten Adresse an den König es ausgesprochen, daß die Vereinigung Holsteins und Schleswigs zu einem Ganzen unter dem wirksamen Schutz eines mächtigen deutschen Staates oder als Theil dieses letzteren, die einzige Lösung sei, welche die Opfer lohne, die gebracht worden seien, und welche Dauer des Friedens und Wohlbefindens für die Betheiligten verspreche. Und nun nach dem Frieden gab der Oberbürgermeister Seydel von Berlin bei dem festlichen Einzug der aus Schleswig zurückgekehrten preußischen Truppen dem Einverleibungsgedanken Ausdruck, indem er sagte: „Wiederum ist es Preußens gutes Schwert, durch das die Gränzen des deutschen Vaterlands weit hinausgerückt sind. Es ist ein Wort, das einst Friedrich Wilhelm III., gesegneten

Ausbeutung des Sieges.

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und theuren Andenkens gesprochen: Was Preußen erworben hat, es ist Deutschland gewonnen". Ein halbes Jahrhundert, fünfzig lehrreiche Jahre sind seitdem verflossen und ihre Lehren lassen ohne Selbsttäuschung und ohne Uebermuth heute laut es uns sagen: Auch jener Boden, der in diesen Tagen mit unserm Blut getränkt ist, jenes hoch nach Norden sich erstreckende, von zwei mächtig hinaus lockenden Meeren umspülte Land mit dem spröden Erz seiner Bevölkerung es wird dauernd und sicher und zu rechtem Gewinn nur dann Deutschland erworben und sich selbst wiedergegeben sein, wenn und soweit Preußens Macht und Wehr es schirmend umfängt, Preußens strenge Zucht und Ordnung und staatsbildende Kraft es erfaßt und durchdringt. Wir freuen uns des glorreich errungenen Friedens und sind stolz darauf." Aber noch kostete es viele Kämpfe, sowohl mit den deutschen Mittelstaaten als auch mit Defterreich, bis Preußen der Frucht seines Sieges froh werden konnte.

Desterreich war auf die Allianz mit Preußen eingegangen, glücklich darüber, daß der Nebenbuhler, dessen Opposition am Bundestag ihm so viel Noth gemacht hatte, nun mit ihm einig sei, um revolutionäre Tendenzen zu bekämpfen und die deutschen Bundesstaaten zu bevormunden. Für den Fall, daß es Preußen gelingen sollte, seine Macht im Norden auszudehnen, wollte Oesterreich auch dabei sein, um den etwaigen Gewinn mit ihm zu theilen. Aber wenn Graf Rechberg in seiner beschränkten Berechnung meinte, Preußen sei durch seine Unpopularität im übrigen Deutschland verhindert, seinen Sieg auszubeuten, so hatte er keine Ahnung von der überlegenen Willenskraft und dem genialen Vorausblick Bismarcks. Der Mitbesitz Schleswig-Holsteins brachte Desterreich keinen Gewinn, und es bemühte sich nur zu verhindern, daß Preußen das Land nicht ganz in seine Gewalt bekomme. Daher begünstigte es die Erbansprüche des Augustenburgers, um an ihm einen Verbündeten zu bekommen. Man sah wohl ein, daß die Verbindung mit Preußen ein Fehler gewesen sei, und Graf Rechberg, der Träger dieser verunglückten Politik, mußte am 5. Oktober seine Entlassung nehmen. Sein Nachfolger wurde Graf Mensdorff-Pouilly.

Andere Schwierigkeiten ergaben sich aus dem Verhältniß zu der Mehrzahl der deutschen Bundesstände. Die Spannung, welche zwischen der Politik der Großmächte und der des deutschen Bundes bestand, hatte sich auch den beiderseitigen Truppen mitgetheilt. Es war für die auf Holstein beschränkten sächsischen und hannoverischen Truppen eine sehr peinliche Lage, unthätig in ihren Quartieren liegen zu müssen, während ihre

österreichischen und preußischen Kameraden in Schleswig glänzende Waffenthaten verrichteten und sich Ruhm erwarben. In den Orten, wo großmächtliche, besonders preußische Truppen mit den Bundestruppen und ihren Behörden in Berührung kamen, gab es mancherlei Reibungen, und es machte sich in Berlin der Wunsch geltend, die nuglos in Holstein stehenden Bundestruppen ganz beseitigen zu können. In der Festung Rendsburg, wo gleichzeitig Preußen und Hannoveraner die Besaßung bildeten, kam es Ende Juli zu gegenseitigen Neckereien und bald auch zu wirkichen Händeln und Prügeleien. Die hannoverischen Offiziere versäumten es, durch strenge Disciplin die ersten Spuren der Unordnung zu unterdrücken, ja ein Oberstlieutenant Dammer fügte durch gewaltsame Wegnahme österreichischer und preußischer Fahnen, die ein Privatmann nach dem Siege bei Alsen hatte aufstecken lassen, der verbündeten Armee eine Beleidigung zu, die durch Entfernung des schuldigen Offiziers nicht schnell genug gefühnt wurde. Um derartigen Vorkommnissen für die Zukunft vorzubeugen, wurde von Berlin aus verfügt, daß Rendsburg durch eine größere preußische Truppenmasse besetzt werden sollte. General Göben erhielt Befehl, am 21. Juli mit einer combinirten Brigade in Rendsburg einzurücken und sich zum Herrn des Plates zu machen. Prinz Friedrich Karl machte dem Oberbefehlshaber der Bundestruppen, dem General Hacke, Mittheilung von der beabsichtigten Maßregel. Hacke protestirte, aber ohne Erfolg, er mußte, wenn er es nicht zu einem Conflict kommen lassen wollte, den Hannoveranern Befehl zum Abzug geben. Als sie Morgens 11 Uhr vom Exerciren in die Stadt zurückkehrten, fanden sie den Befehl vor, sich innerhalb einer halben Stunde zum Abmarsch fertig zu machen. Kaum waren sie abgezogen, so rückten die Preußen unter dem Klang des Preußenliedes ́ein.

Die Regierungsbehörden in Hannover und Sachsen geriethen auf die Nachricht von diesem Vorfall in große Aufregung. Sie fragten in Wien an, ob Oesterreich mit dieser Maßregel einverstanden gewesen sei, erhielten aber die Antwort, man habe gar nichts davon gewußt. Als die Sache acht Tage später in der Bundesversammlung zur Sprache kam, machte Preußen die militärische Nothwendigkeit geltend, die entgegenstehenden Berichte der Bundescommissäre wurden an den Militärausschuß verwiesen und es erfolgte nichts, da die zunächst betheiligten Staaten doch nicht wagten Genugthuung zu fordern. Die Schwäche der Mittelstaaten war in deutlichster Weise offenbar geworden; Preußen hatte einen unblutigen Sieg gewonnen, den es in den nachfolgenden Verhandlungen über

Niederlagen der mittelstaatlichen Politik.

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Schleswig-Holstein zu nüßen verstand. Die öffentliche Meinung war getheilt, in Preußen gönnte man der Bundesautorität die erlittene Niederlage allgemein, in den Mittelstaaten, besonders in Süddeutschland, klagte man bitter über preußischen Uebermuth und rechtlose Vergewaltigung. Die zweite Kammer in Wirtemberg beschloß am 26. Juli fast einstimmig, einen feierlichen Protest gegen diesen Act der Gewalt zu erheben und die Regierung dringend aufzufordern, in Gemeinschaft mit den übrigen Bundesregierungen der drohenden Vergewaltigung entgegenzutreten. Auch die sächsische zweite Kammer beschloß, die gewaltthätige Besetzung Rendsburgs für eine Verletzung des Rechts des deutschen Bundes und eine Kränkung der Ehre deutscher Bundestruppen zu erklären und gegen diesen Gewaltact Verwahrung einzulegen. Auch die erste Kammer trat diesem Beschlusse bei. Aber bei solchen Erklärungen blieb es; die Regierungen fühlten sich doch nicht stark genug, um mit Erfolg gegen Preußen auftreten zu können.

Auch auf einem anderen Gebiete erlitt die mittelstaatliche Politik eine empfindliche Niederlage. Wir haben oben gesehen, daß Bayern und Wirtemberg gegen den Zollvertrag, den Preußen mit Frankreich im Namen des Bundes abgeschlossen hatte, hartnäckige Opposition machten, wogegen Preußen mit Aufkündigung des Zollvereins drohte. Dabei hatten sich jene Staaten hauptsächlich auf Desterreich gestüßt, das ihnen Hoffnung auf einen Zollvertrag machte. Aber durch die schleswig-holsteinische Angelegenheit und das daraus erwachsene Bündniß Oesterreichs mit Preußen hatte die Agitation gegen den preußisch - französischen Zollvertrag ihren Rückhalt verloren. Sachsen, das aus industriellen und merkantilen Gründen nie auf jene Opposition eingegangen war, ging mit Annahme des Vertrags voran, Baden, Kurhessen und die thüringischen Staaten folgten nach. In Wirtemberg waren Regierung und Stände zwar immer noch gegen den Vertrag, aber die Industriellen setzten eine lebhafte Agitation für Erhaltung des Zollvereins in's Werk, und die Conferenzen, die Bayern, Wirtemberg, Hannover und Hessen-Darmstadt zum Behuf eines schutzzöllnerischen Sonderbundes in München abhielten, ergaben kein Resultat. Hannover fiel zuerst ab und erklärte am 11. Juli 1864 seinen Beitritt zum französischen Zollvertrag. Auch in Bayern wurde die Regierung durch die Industriellen gedrängt, die Erhaltung des Zollvereins durch schleunigste Annahme des beanstandeten Vertrags zu sichern. Desterreich machte noch einmal einen schwachen Versuch zu Gunsten der von der Münchener Conferenz vorgeschlagenen Vermittlungsbedingungen. Aber Preußen beharrte auf seinen Forderungen, und Bayern und Wirtemberg

mußten, wenn sie nicht aus dem Zollverein ausgeschlossen werden wollten, sich beeilen, ihre Opposition fallen zu lassen, und dem neuen Zollverein bedingungslos beitreten, was am 30. September geschah. Dies war ein neuer Sieg Preußens. Daß man in Bayern die Niederlage fühlte, geht daraus hervor, daß der bayerische Minister des Auswärtigen und des Handels, v. Schrenck, der verbissenste Gegner des französisch-preußischen Zollvertrags, am 5. Oktober seine Entlassung nahm. Auch der ein Jahr später erfolgte Rücktritt des wirtembergischen Ministers v. Neurath hing wenigstens mit seiner Politik in Beziehung auf den Zollverein zusammen. Eine weitere Folge der mittelstaatlichen Niederlage war, daß zu den am 25. August in Wien eröffneten Friedensverhandlungen weder ein Vertreter des deutschen Bundes noch des Prinzen von Augustenburg beigezogen wurde.

So sehr man das Erbrecht des Augustenburgers als eine ausgemachte Sache ansah, über welche kein Zweifel bestehen könne, so machte sich doch auch in Schleswig-Holstein selbst die Ansicht geltend, daß der neu zu gründende Staat eines besonderen Schußes gegen dänische Quälereien und Angriffe, die gewiß nicht ausbleiben würden, bedürfe, und daß diesen Schutz nur Preußen in wirksamer Weise gewähren könne. Dieser Ansicht verschloß sich auch der Erbprinz von Augustenburg nicht. Noch während der Londoner Conferenz, sogleich nach jener Erklärung der Großmächte vom 28. Mai 1864 zu Gunsten des augustenburgischen Erbrechts, entschloß sich der Prinz zu direkten Verhandlungen mit Bismarck, und . er hatte mit ihm am 1. Juni eine längere Unterredung, welche der lettere ein Jahr später zu seiner Rechtfertigung veröffentlichte. Bismarck eröffnete ihm, da das Interesse Preußens nur ein deutsches, kein dynastisches sei, so sei er bereit, des Prinzen Ansprüche zu allgemeiner Anerkennung zu bringen, nur unter Bedingungen, welche die Rücksicht auf das preußische Volk erheische, dem die Regierung nach einem blutigen Feldzug nicht mit leeren Händen entgegentreten dürfe. Auf des Prinzen Frage, was denn die Forderungen Preußens seien, erwiderte Bismarck: 1) In Betreff der Marine-Etablissements wünsche Preußen einen von Eckernförde nach Brunsbüttel zu ziehenden Schifffahrtskanal mit zwei befestigten Enden an beiden Meeren, deren Besetzung wie das dazu nöthige Territorium Preußen überlassen werden müsse, sowie das Aufsichtsrecht über den Kanal, nach Analogie einer Staatseisenbahn. 2) Eine Militärconvention, die sich auch auf das Marinewesen erstrecken müßte, so daß die Zahl der zur preußischen Flotte zu stellenden Mannschaften von dem Landcontingent

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