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Zwölftes Kapitel.

Die Anfänge des Ministeriums Bismarck und der FürstenCongreß in Frankfurt a. M.

Der Eintritt Bismarcks in das Ministerium war ein Wendepunkt für die preußischen und deutschen Angelegenheiten. Bisher war der Streit der Regierung mit der Volksvertretung eine Sache für sich, es schien sich nur um die Militärreform und die damit verbundenen Ansprüche der Krone zu handeln; jest aber war ein Staatsmann an die Spize getreten, welcher den Militärconflict nur als einen Zwischenfall ansah, und ihn baldmöglichst überwinden wollte, um freie Bahn für höhere politische Zwecke zu bekommen. Nicht so faßten zwar die preußischen Abgeordneten Bismarcks Berufung auf. Sie glaubten, der König wolle, anstatt das Ministerium nach dem Sinn der Kammer zu ändern, dasselbe in reactionärer Richtung verstärken und der Opposition Troß bieten. Bismarck galt als der Ausdruck einer übermüthigen, volksfeindlichen Junkerpolitik. Man erinnerte sich, daß er in der preußischen Kammer des Jahres 1849 über den Begriff „Volkssouveränität“ gespottet und die Kämpfer des 18. März Rebellen genannt, daß er im Erfurter Parlament gegen die preußischen Unionsbestrebungen gesprochen und das Bedürfniß einer nationalen Widergeburt geläugnet, daß er in einer Rede vom 3. December 1850 Preußen die Aufgabe zugewiesen hatte, sich Oesterreich unterzuordnen, um im Bunde mit ihm die Demokratie zu bekämpfen. Von der Veränderung aber, die in der Schule der Frankfurter Erfahrungen mit ihm vorgegangen war, wußte man nichts, jene merkwürdigen Briefe, die er seitdem geschrieben, waren dem Publikum unbekannt, nur wenige Eingeweihte sahen schon damals in ihm den Mann der Zukunft. Auch

über die ganze Art seiner Persönlichkeit war man schlecht unterrichtet, man sah in ihm, wenn er Andeutungen über seine Absichten gab, nur den bramarbasirenden Junker und Abenteurer. So kam es, daß man seine Versuche freundlichen Entgegenkommens schnöde zurückwies. Er hatte den besten Willen, sich mit dem Abgeordnetenhaus in ein gutes Vernehmen zu setzen und innerhalb desselben eine Stüße für seine deutsche Politik zu suchen. Zuerst wandte er sich an die Altliberalen und schlug ihnen ein Compromiß vor. Aber sie setzten, wie er selbst später gestand, ihm den Stuhl vor die Thüre. Er versuchte es nun mit der Fortschrittspartei; er verwahrte sich auf's entschiedenste gegen jede Identificirung mit der Kreuzzeitungspartei, er eröffnete Aussichten auf eine großartige active Politik nach Außen, aber freilich unter der Bedingung, daß die Militärorganisation durchgeführt werde. Aber es half Alles nichts, man verstand ihn nicht, glaubte ihm nicht, und meinte, es sei gar nicht der Mühe werth, sich mit ihm einzulassen.

Der erste Schritt, welchen er nach Antritt seines Ministeriums der Kammer gegenüber that, war ein versöhnlicher. Am 29. September 1862 erklärte er, er wolle das Budget für 1863 zurückziehen, um bei der gegenwärtigen Stimmung die Hindernisse der Verständigung nicht noch mehr anwachsen zu lassen; in der nächsten Session wolle er dann den Etat vorlegen und zugleich einen Gesezesentwurf, welcher die Lebensbedingungen der Militärorganisation aufrecht erhalte. Er erschien am folgenden Tage auch noch in einer Sizung der Budgetcommission, um für eine Verständigung zu wirken, und zeigte den Abgeordneten, die ihm zunächst saßen, einen Oelzweig, den er in Avignon gepflückt habe, um ihn seinen Gegnern als Friedenszeichen zu bieten, aber leider müsse er hier erfahren, daß die Zeit noch nicht gekommen sei. Er äußerte unter Anderem auch: Preußen habe die Vorliebe, eine zu große Rüstung für seinen schmalen Leib zu tragen; es müsse die Rüstung auch nüßen und sich stärken, damit es mehr hineinwachse. Nicht auf Preußens Liberalismus, sondern auf seine Macht sehe Deutschland. Preußen müsse seine Kraft zusammenhalten für den günstigen Augenblick, der schon einigemale verpaßt worden sei. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse, wie sie 1848 und 1849 aufgeführt worden, werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Blut und Eisen. Alle diese Andeutungen machten jedoch keinen Eindruck; die Abgeordneten hatten für nichts Anderes Sinn, als für die Forderung des Etats. Die Budgetcommission beschloß auf den Antrag Forkenbecks, den Etat für 1863 so vorzulegen,

Gescheiterter Vermittlungsversuch.

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daß die verfassungsmäßige Feststellung vor dem Schluß des Jahres 1862 erfolgen könne, und daß es verfassungswidrig sei, wenn die Staatsregierung über eine Ausgabe verfüge, welche durch das Abgeordnetenhaus abgelehnt sei. Bei der Verhandlung über diesen Antrag in der Kammer stellte G. v. Vince das Amendement: das Haus der Abgeordneten möge erklären, „daß die königl. Staatsregierung, abgesehen von den in Ansehung des Etats pro 1862 zu gewärtigenden weiteren Vorlagen, falls sich die Feststellung des Staatshaushaltsetats für das nächste Jahr nicht noch vor dem 1. Januar 1863 herbeiführen läßt, zur Aufrechthaltung verfassungsmäßiger Zustände verpflichtet ist, noch vor Ablauf des Jahres 1862 die Bewilligung eines vorläufigen extraordinären Credits bei der Landesvertretung zn beantragen." Vince erklärte zur Begründung seines Antrags, die Minorität werde den vom Hause gefaßten Beschluß in der Militärfrage als einen verfassungsmäßigen ansehen und achten; sie sei aber nicht mit der Majorität vollständig einig, da sie die Reorganisation erhalten wolle und nur die zweijährige Dienstzeit fordere. Nachdem Gneist für den Antrag der Commission und der Präsident Simson für das Amendement Vincke's gesprochen hatte, erklärte sich am folgenden Tage Bismarck bereit, das letztere als ein Unterpfand für die entgegenkommende Aufnahme seiner Bemühungen zur Verständigung ansehen zu wollen und Vorschläge zu machen, welche auf den Antrag eingehen, ohne jedoch sich dessen Motive anzueignen. Vincke hatte nämlich eine bestimmte Verwahrung vorausgeschickt, um das Recht der Kammer auf Controlirung des Etats festzuhalten. Diese Erklärung Bismarcks befriedigte die Kammer nicht, und sie stimmte mit 251 Stimmen gegen 36 für den Antrag der Commission. Nun glaubte Bismarck weitere Versuche der Vermittlung aufgeben zu müssen. So wenig ihm auch eine Versöhnung des Ministeriums mit der Kammer gelungen war, so hatte er doch durch sein bisheriges Verfahren das Vertrauen des Königs in vollem Maße gewonnen. Er wurde jest (am 8. Oktober 1862) definitiv zum Präsidenten des Staatsministeriums und an Bernstorffs Stelle zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Denn dies war das Feld, auf welches die großen politischen Plane Bismarcks gebaut waren. Das Herrenhaus stellte sich ganz auf die Seite der Regierung und beschloß am 11. Oktober, die aus den Berathungen des Abgeordnetenhauses hervorgegangene Feststellung des Etats abzulehnen, und dagegen den Entwurf der Regierung anzunehmen. Bismarck sprach sich bei dieser Gelegenheit darüber aus, daß er auf fernere Versuche einer Verständigung mit der zweiten Kammer

verzichten müsse, da von einer Erneuerung der Verhandlungen nur eine Verschärfung der principiellen Gegensäße zu erwarten wäre.

Der König hatte die Genugthuung, durch Kundgebungen aus conservativen Kreisen zu erfahren, daß er bei dem Beharren auf seinem Willen auch im Volke vielfache Zustimmung fand. Er erhielt aus verschiedenen Theilen des Landes Zuschriften und Deputationen, welche ihm die Versicherung gaben, daß bedeutende Schichten der Bevölkerung zu ihm stehen würden. Einer Deputation aus Halle erwiderte er: „Ich bin überzeugt, daß die Durchführung der Militär-Reorganisation für das Wohl des Landes und Volkes schlechthin nothwendig ist, und werde bei ihr beharren. Man hat mich auch recht gut verstanden, aber man will nicht, was ich bezwecke. Man zielt mit dem Widerspruch gegen meine Maßregel auf etwas ganz Anderes. Ich stehe nach wie vor auf dem Programm vom Jahre 1858, und bin fest entschlossen, die Verfassung treu zu halten, so lange man sie mir nicht selbst aus den Händen reißt.“ Einer anderen Deputation aus Potsdam und Spandau antwortete er: Was die Militär-Reorganisation betrifft, so ist diese mein eigenstes Werk und mein Stolz, und ich bemerke hierbei, es gibt kein Bonin'sches und kein Roon'sches Project, es ist mein eigenes, und ich habe daran gearbeitet nach meinen Erfahrungen und pflichtmäßiger Ueberzeugung. Ich werde fest daran halten und die Reorganisation mit aller Energie durchführen, denn ich weiß, daß sie zeitgemäß ist. Ich halte fest an meinem Programm von 1858, die Auslegung des Programms kann aber nur Der geben, welcher es aufgestellt hat, und es darf nichts von Anderen hineingelegt werden, was nicht darin steht."

Das Bestreben des neuen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten war zunächst dahin gerichtet, das Verhältniß mit Desterreich in's Klare zu setzen und dessen beständigen Versuchen, durch Aufheßerei der Mittelstaaten Preußen Schwierigkeiten zu bereiten, ein Ende zu machen. Wir haben oben gesehen, daß Oesterreich am 14. August in Gemeinschaft mit den vier Königreichen und einigen anderen Staaten einen Antrag auf Einberufung ständischer Delegationen beim Bundestag eingebracht hatte. Gegen diese Vorschläge hielt sich Bismarck zu entschiedenem Widerstand verpflichtet, und schon sein Vorgänger Graf Bernstorff hatte erklärt, daß die Maßregel ihm nur geeignet scheine, von dem Ziel der wahren Reformbestrebungen abzulenken. Auch bei den verschiedenen Fraktionen der nationalen Partei fand der Vorschlag gar keinen Anklang: eine größere Versammlung von Abgeordneten der verschiedenen deutschen Volkskammern,

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die am 28. September in Weimar zusammentrat, erklärte sich gegen den Plan einer Delegirtenversammlung, in welcher sie nicht einmal eine Abschlagszahlung erkennen wollte. Nur ein aus freien Volkswahlen hervorgegangenes Parlament könne dem nationalen Bedürfniß genügen. Die Generalversammlung des Nationalvereins, welche am 6. Oktober in Koburg tagte, beschloß zu erklären, daß das deutsche Volk nicht mit einer dürftigen Ausbesserung der Bundesverfassung abgefunden werden könne, deren innerstes Wesen die Zersplitterung und politische Ohnmacht sei. Es könne nimmermehr befriedigt werden durch das Zerrbild der Delegirtenversammlung und ähnlicher Erfindungen, welche die inneren Schäden nur zu verschleiern, nicht zu heilen bestimmt seien. Dem Rechtsbewußtsein der Nation und ihrem Verlangen nach Macht und Freiheit entspreche nur Eines: die Ausführung der Reichsverfassung vom 28. März 1848, sammt Grundrechten und Wahlgesetz, wie sie von den legal erwählten Vertretern des Volkes beschlossen seien. Auf die Verwirklichung dieses Rechts, vor Allem auf die Berufung eines nach den Vorschriften des Reichswahlgesetes gewählten Parlaments mit Erust und Kraft zu dringen, sei die Aufgabe der Nation.

Die regere Thätigkeit der nationalen Partei rief auch bei den Gegnern der Einheit den Entschluß einer Parteiorganisation hervor. Schon längst war von großdeutscher Seite gemahnt worden, diejenigen, welche mit dem Treiben des Nationalvereins und der Anhänger Preußens nicht einverstanden seien, müßten sich auch zusammenthun und eben so eifrig wie der Nationalverein für seine Zwecke, gegen denselben und für eine wahre Reform der Bundesverfassung im Sinne der von den Würzburger Verbündeten angebahnteu Richtung agitiren. Eine derartige Parteibildung wurde durch Versammlungen in Stuttgart und München vorbereitet, und am 28. Oktober 1862 fand am Size des für seine Existenz kämpfenden Bundestages eine großdeutsche Versammlung statt, zu welcher sich etwa 500 Theilnehmer aus allen Ländern Deutschlands einstellten. Eine hervorragende Rolle spielten dabei die Bayern. Der Freiherr G. v. Lerchenfeld, ein Altliberaler, aber dabei entschiedener Particularist, eröffnete die Versammlung und stellte als leitenden Gedanken den Satz auf: „Das ganze Deutschland muß es sein; wir haben kein Recht, einen Theil auszuschließen." Es wurde ein von dem bayerischen Ministerialrath Weis verfaßtes Programm vorgelegt, dessen Hauptsäge folgende waren: „1) Die Reform der Verfassung des deutschen Bundes ist ein dringendes und unabweisbares Bedürfniß, um sowohl die Machtstellung nach außen, als

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