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wisseu wollte. Beust erwiderte am 11. Januar 1862 auf die preußische Depesche: er verzichte darauf, der königlich preußischen Regierung gegenüber die Entgegnungen näher zu entwickeln, zu welchen die gemachten Einwürfe Veranlassung geben, da bei der Entfernung der gegenüberstehenden Standpunkte es schwer fallen müßte einen Anknüpfungspunkt zu finden, durch welchen sich die Anssicht auf sofortige Vereinbarung gewinnen ließe. Vorläufig genüge ihm, die große Frage angeregt zu haben, aber er würde es tief beklagen, wenn die begonnene Auseinanderseßung einen unfruchtbaren Abschluß finden sollte, er werde jeder Aufforderung gern entsprechen, welche dahin gerichtet wäre, durch eine weiter eingehende Besprechung die angeregte Frage mehr und mehr aufzuklären, und entsage keineswegs der Hoffnung, doch zulezt Anknüpfungspunkte für eine Verständigung zu finden.

Die badische Regierung, die sich seit dem Eintritt Roggenbachs in das Ministerium von ihren Würzburger Genossen getrennt hatte, gab am 28. Januar 1862 auch eine Erklärung*) über das sächsische Reformproject ab, welche sich die Aufgabe stellte, einige wesentliche Punkte zu widerlegen. Sie sagte: so lange die angeregte Frage noch von dem Standpunkt der möglichsten Berücksichtigung der vielfach widersprechenden Einzelinteressen, statt von dem anderen der zu erstrebenden höchsten Leistung für die Gefammtheit betrachtet werde, dürfte ein ähnlicher Mißerfolg wie der Dresdener alle Vorschläge treffen, von welcher Seite sie auch ausgehen. Wäre es möglich, die Gegensätze, unter welchen der politische Zustand Deutschlands leidet, blos durch Auffindung einer neuen Formel zu heben, so würde die Aufgabe längst gelöst sein. So lange aber ein Theil der deutschen Staatsmänner mit der ganzen Wärme patriotischer Ueberzeugung ein System zu verwirklichen strebe, von dem der andere Theil keinen Anstand nehme Bürgerkrieg und Einmischung des Auslands vorherzusagen, liege eine wichtigere Aufgabe vor, als die Aufsuchung von Formen, nämlich vor Allem die Unterordnung der vielgespaltenen Einigungsversuche unter den einen allbeherrschenden und allein berechtigten Gedanken eines einigen und mächtigen Vaterlandes. Gegen die Behauptung Beusts, daß der Staatenbund nicht in Frage gestellt werden dürfe, weil die Pflicht bestehe, zu keiner Neugestaltung die Hand zu bieten, welche eine Auflösung des Bundes in sich trage, setzt die badische Note die Behauptung, daß die staatenbundliche Form der Bundesverfassung überhaupt zu keiner

*) Staatsarchiv II. S. 136 u. ff.

Roggenbachs Reformvorschläge.

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größeren Leistungsfähigkeit entwickelt werden könne, als der Bund seit seiner Gründung bewährt habe, und die badische Regierung scheue sich daher nicht, eine Veränderung als nothwendig zu bezeichnen, welche über die Schranken des Staatenbundes hinausgehe. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung bezeichnet Roggenbach die Idee eines engeren Bundes in dem zu erhaltenden größeren Verbande, wie sie Graf Bernstorff in feiner Antwort auf den Beustischen Entwurf angenommen habe, als den Vorschlag, welcher für die Gemeinsamkeit die größten politischen Erfolge verspreche. Auf die Organisation dieses engeren Bundesstaates wird nicht näher eingegangen, sondern nur angedeutet, daß die herzustellende Bundeseinheit keine ausschließliche und unbedingte sein solle, sondern eine solche, die auf dem ganzen Gebiete der inneren Gesetzgebung und Verwaltung die Selbständigkeit der dermaligen Bundesstaaten fortbestehen lasse. Dagegen sollen um so ausschließlicher alle Staatsfunctionen, durch welche politische Macht im Verkehr mit fremden Staaten entwickelt und bethätigt wird, also das ganze Vertheidigungswesen Deutschlands und der diplomatische Verkehr, einer einheitlichen, im Namen aller deutschen Staaten zu führenden Leitung unterstellt werden. Und zwar werde dabei der Grundsatz angewendet werden müssen, daß alle Staatsfunctionen, deren Centralisirung von dem allgemeinen Interesse einmal gefordert werde, auch ganz und mit Ausschließung aller Concurrenz der Einzelstaaten in der Hand der Centralregierung vereinigt werden. Namentlich dürfen alle Kammern der Einzelstaaten ohne Ausnahme in Betreff der gemeinsamen Angelegenheiten keine Competenz haben. Auch in der obersten Spize müsse jede conföderative Mitwirkung, etwa in der Form eines nach Instructionen beschließenden Collegiums, ausgeschlossen bleiben, damit die einheitliche, persönliche und verantwortliche Executivgewalt im Stande sei, einen politischen Gedanken mit der ganzen Kraft der Nation und allen Hilfsmitteln der einzelnen Theile durchzuführen. Diese Idee einer einheitlichen Centralgewalt erschien den meisten Staatsmännern als eine abstracte theoretische Forderung, die von keinem Bundesgliede zugestanden werden könne. Um so größer war das Verdienst der badischen Regierung, daß sie als der erste von allen Bundesstaaten dieser wichtigen Einsicht flaren Ausdruck verlieh.

Preußen unterließ nicht, die identische Note Desterreichs und der Mittelstaaten mit gebührender Schärfe zu beantworten. Schon gegenüber der österreichischen Erklärung vom 5. November gab das preußische Ca

Klüpfel, Einheitsbestrebungen. I.

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binet sein Befremden über die seltsamen Dimensionen zu erkennen, welche Graf Rechberg der Bedeutung des österreichischen Präsidialrechts zu geben versuche, und am 14. Februar*) entgegnete Graf Bernstorff in Betreff der identischen Note mit der Bemerkung, die Sprache dieses Aktenstückes entspreche dem Charakter des von der sächsischen Regierung eingeleiteten Meinungsaustausches so wenig, daß die preußische Regierung sich nicht bewogen finden könne, auf Erörterung der Gegenansichten einzugehen. Uebrigens gab sie auf den Vorwurf, daß Preußen durch Wiederaufnahme der Unionsbestrebungen den Frieden Deutschlands bedrohe, die schlagende Antwort, daß damals nicht Preußens Bestrebungen für eine Reform der Bundesverfassung es gewesen seien, welche nahezu einen Krieg herbeigeführt hätten, sondern das Verhalten derjenigen Regierungen (mit ihren Verabredungen zu Bregenz,) an deren Widerstand die Bestrebungen Preußens scheiterten. Ihnen verdanke Deutschland die Wiederherstellung der alten Bundesverfassung und damit einen dauernden Keim zu ähnlichen Wirren. Was aber die positiven Vorschläge über eine weiter gehende politische Consolidation betreffe, welche Desterreich fordere, so scheine es damit auf eine Verbindung mit außerdeutschen Ländern abgesehen zu sein. Die Unausführbarkeit einer derartigen Reform sei aber längst so erwiesen, daß Berathungen darüber unthunlich wären.

So wenig auch durch diesen Notenwechsel der Regierungen ein sachlicher Fortschritt gemacht wurde, so hatten die verschiedenen officiellen Erflärungen doch den Erfolg, daß das Bedürfniß einer gründlichen Neugestaltung allgemein anerkannt und unter Voraussetzung des guten Willens der Betheiligten dieselbe für ausführbar gehalten wurde. Nicht politische Schwärmer und gelehrte Professoren, sondern erfahrene Staatsmänner formulirten jezt die Bedingungen und Forderungen der Einheit, und sprachen es aus, was die Nation brauche um zu einer Macht zu gelangen, die im Stande wäre, große politische Ziele zu erreichen. Viele meinten, wenn nur Preußen einmal muthig und entschieden vorginge, um das Programm auszuführen, welches Graf Bernstorff in der Antwort auf das sächsische Project aufgestellt hatte, wenn es nur einmal die Gründung eines engeren Bundes versuchen wollte, so würde ihm die öffentliche Meinung gewiß zufallen und ihm die nöthige Unterstützung gewähren. Die Macht des nationalen Bewußtseins würde schon den Widerstand der widerstrebenden, auf Erhaltung ihrer Souveränität erpichten Mittelstaaten

*) Staatsarchiv II. S. 154 u. ff.

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Erklärung des Nationalvereins.

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überwinden. In diesem Sinn sprach sich der am 3. März 1862 in Berlin versammelte Ausschuß des Nationalvereins aus. „Das nationale Bewußtsein ist in ganz Deutschland lebendig geworden. Eine große, gleich reale und ideale Bewegung hat sich der Geister bemächtigt. Der Glaube an die große deutsche Zukunft wächst von Tag zu Tag. Die Unhaltbarkeit der jetzigen Gesammtverfassung und die dringende Nothwendigkeit der Reform wagen selbst ihre bisherigen Vertreter nicht mehr zu verleugnen." ,,Das preußische Volk ist mit Energie in den Kampf um die höchsten nationalen Güter eingetreten. Wenn deutsche Regierungen, die badische, die weimarische, die koburg-gothaische, sich schon herzhaft und rückhaltlos unter dem Beifall der Nation der nationalen Bewegung angeschlossen haben, wie lange wird die preußische Regierung sich ihr noch unthätig entziehen können? Hat doch jetzt Graf Bernstorff die Gründung eines Bundesstaats mit einheitlicher Centralgewalt und deutschem Parlament als Ziel der preußischen Politik aufgestellt. Das Ziel ist nur zu erreichen durch ein Bündniß mit dem einzigen mächtigen und treuen Bundesgenossen, dem deutschen Volke, durch ein entschiedenes und entschlossenes Eingehen auf seine und des eigenen Volkes Bedürfnisse. Wenn dies Jeder im Volke sieht, wie lange wird die Täuschung der Staatslenker Stich halten, daß so große Dinge allein durch diplomatische Verhandlungen mit größtentheils widerwilligen Regierungen zu Ende zu führen seien?" Von der Ansicht ausgehend, daß es allein eines kräftigen Impulses von Seiten des Volkes bedürfe, ruft der Ausschuß des Vereins seinen Mitgliedern zu: Thue doch jeder seine Schuldigkeit. Erobern wir nach und nach alle deutschen Volksvertretungen, gewinnen und organisiren wir alle aufgeklärten und vorwärtsstrebenden Kräfte der Nation durch die Mittel gesetzlicher Agitation, brechen wir durch die schließlich unüberwindliche Macht der öffentlichen Meinung den schon verzagter geleisteten Widerstand der Gegner, bewegen wir die Gleichgültigen und Schwachen, sich für uns zu entscheiden und sich nicht länger dem Ringen der Nation zu entziehen dann ist der Erfolg gesichert." Die preußische Regierung theilte dieses Vertrauen auf die Macht des nationalen Bewußtseins, auf die Wirksamfeit der Vereine nicht, und war der Ueberzeugung, daß die deutsche Reform nicht blos eine Frage der Gesinnung und öffentlichen Meinung, sondern wesentlich eine Frage der realen Macht sei. Und diese Macht schien dem König mit Recht auf einem tapferen, gut ausgebildeten und zahlreichen Heere zu beruhen. Darum glaubte er, nur die von ihm projectirte Militärreform könne Preußen zur Durchführung seiner deutschen

Aufgabe befähigen. Erst wenn das Herr gerüstet dastehe, könne man Desterreichs und der Mittelstaaten Widerwilligkeit brechen. Aber dieser Militärorganisation, deren Durchführung in den Augen des Königs die unerläßliche Vorausseßung einer kräftigen deutschen Politik war, leistete die Fortschrittspartei, welche immer mahnte und drängte, doch die Initiative zu ergreifen, den hartnäckigsten Widerstand.

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