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gewesen. Diese principielle Opposition gegen die Vorschläge Preußens wollte man noch für eine Annäherung an dasselbe ausgeben. Letzteres mußte sich daher überzeugen, daß auf eine treue Bundesgenossenschaft der Mittelstaaten nie zu rechnen sein würde.

Der Wunsch, mit Oesterreich sich zu verständigen, welchen der Prinzregent von Preußen gegen die deutschen Fürsten in Baden ausgesprochen hatte, war von demselben ernstlich gemeint. Als der König von Bayern sich erbot, eine persönliche Zusammenkunft zu vermitteln, ging der Prinz bereitwillig darauf ein. Am 26. Juli kamen beide Monarchen in Teplitz zusammen, und besprachen sich besonders über die italienischen Angelegen= heiten. Der Prinz erkannte an, daß der Besitz Venetiens für Desterreich sehr wichtig sei, und stellte in Aussicht, daß wenn Frankreich sich bei einem neuen Angriff Italiens auf Oesterreich betheiligen würde, auch Preußen lezterem seine Unterstüßung leihen wolle. Mißtrauische Hüter der preußischen Interessen fürchteten schon, Preußen sei zu weit gegangen. Ein Berliner Freund schrieb damals an Bismarck: „Wir sind in Teplit mit Wiener Gemüthlichkeit glänzend über den Löffel balbiert, für Nichts, nicht einmal für ein Linsengericht verkauft." Der frohlockende Ton der officiösen österreichisch gestimmten Presse schien diese Auffassung zu bestätigen.

Zehntes Kapitel.

Die Fortschritte des Einheitsgedankens und das sächsische

Reformproject.

Während Preußen das Drängen der nationalen Partei vorsichtig zurückwies, machte die Einheitsbewegung in Italien reißende Fortschritte. Der Stillstand, welchen der Frieden von Villafranca der piemontesischen Bolitik auferlegt hatte, wurde durch die gemeinsamen Anstrengungen des italienischen Volkes und seiner Staatsmänner in furzer Frist überwunden. Zwar wollte der Friedenscongreß, der im Spätherbst 1859 in Zürich zusammentrat, die hemmenden Schranken noch vervollständigen. Es wurde am 10. November die Uebereinkunft unterzeichnet, durch welche sich Frankreich und Desterreich verpflichteten, die Errichtung eines italienischen Staatenbundes zu befördern oder vielmehr einzuleiten. Die beiden Mächte hatten damit eine Anstalt wie der deutsche Bund im Auge, der sich als Hemmschuh der freiheitlichen und nationalen Entwickelung so trefflich bewährt hatte. Desterreich sollte Mitglied dieses Bundes werden und dadurch die Hand in den italienischen Angelegenheiten behalten. Auch den vertriebenen Fürsten wurden ihre Rechte vorbehalten, damit sie, wenn wie man hoffte ihre ehemaligen Unterthanen sie zurückberufen würden, ungehindert ihre Throne wieder einnehmen könnten. Nur mit Waffengewalt, gegen den Willen der Bevölkerung sie wieder einzusetzen, dazu wollte man sich nicht verbindlich machen. Auch hegte Napoleon die Hoffnung, für seinen Vetter den Prinzen Napoleon das Großherzogthum Toscana herauszuschlagen. Aber jetzt zeigte sich der Patriotismus, der Gemeinsinn und die politische Disciplin der Italiener in ihrem schönsten Lichte. Sie wollten von keinem Bund etwas wissen, der Oesterreich das

Recht geben würde, Einfluß auf italienische Angelegenheiten auszuüben; sie ließen sich auch nicht durch Umtriebe für die entthronten Fürsten und den Prinzen Napoleon verführen, sondern sie waren alle darin einverstanden, daß man die mittelitalienischen Provinzeu für die Einverleibung in Piemont sichern müsse, um dadurch die Grundlage eines Einheitsstaates zu gewinnen, dem auch Rom und Venedig zufallen müßten. Ricasoli und Farini organisirten Toscana, die Romagna, Modena und Parma nach piemontesischem Muster, im Januar 1860 ergriff auch Cavour, der nach dem Frieden von Villafranca schmerzlich verzichtend abgetreten war, wieder das Steuerruder als leitender Minister,. und nahm seine alten Plane wieder auf. Jn März sprach sich Toscana, Modena und Parma durch Volksabstimmung für den Anschluß an Piemont aus, was der nördliche Theil des Kirchenstaates, die sogenannte Emilia, schon im September 1859 gethan hatte. Ein großer nord- und mittelitalienischer Einheitsstaat war damit eine vollendete Thatsache. Freilich bestand jetzt auch Napoleon darauf, daß ihm der in Biarritz ausbedungene Lohn bezahlt werde, und Cavour mußte sich mit schwerem Herzen entschließen, am 24. März einen Vertrag zu unterzeichnen, durch welchen Savoyen, die Wiege des sardinischen Königshauses, und Nizza an Frankreich abgetreten wurden. Daß bei einer in Scene gesetzten Volksabstimmung eine große Mehrheit für die Einverleibung in Frankreich sich ergab, wußten französische Agenten schon zu machen. Dagegen traf man jezt Anstalt, die Einheitsbewegung auch nach Süditalien auszudehnen, das ursprünglich in dem Plane Cavours nicht mit in Rechnung genommen war. In Sicilien brach, nachdem der junge König Franz II., welcher im Mai 1859 seinem Vater Ferdinand II. auf dem Throne gefolgt war, das Ansinnen, er solle seinem Lande eine Verfassung verleihen und eine Allianz mit Piemont schließen, zurückgewiesen hatte, ein Aufstand aus, und der kühne Freischaarenführer Garibaldi war alsbald entschlossen, den fortschreitenden Sicilianern Hilfstruppen zuzuführen. Am 6. Mai fuhr er mit einer Freiwilligenschaar von 1000 Mann auf zwei Dampfschiffen von Genua ab, ohne daß ihm die piemontesische Regierung Hindernisse in den Weg legte; am 11. landete er glücklich in Marsala in Sicilien, vereinigte sich dort mit den zerstreuten Haufen der aufständischen Bevölkerung und übernahm im Namen Victor Emanuels die Dictatur in Sicilien. Ohne großen Widerstand bemächtigte er sich Palermo's und war bald Herr auf der ganzen Jusel. Nun setzte er, Anfangs August, auch auf das Festland über, und schon am 7. September zog er als Sieger in Neapel ein. Vald

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folgten ihm die königlich sardinischen Truppen, und am 9. October erließ Victor Emanuel ein Manifest an die Völker Mittelitaliens, worin er den Gang der Dinge darlegte und seinen Beruf Italien zu einigen verkündete. Vierzehn Tage später erklärte die englische Regierung ihre offizielle Anerkennung der in Neapel und Sicilien bewirkten Umwälzung, und eine veranstaltete Volksabstimmung ergab eine großartige Majorität für die Annexion an Piemont, die im November vollzogen ward. Diese Erfolge der nationalen Einheitsidee machten natürlich in Deutschland das größte Aufsehen. Man sah, was ein einmüthiges Volk im Verein mit muthigen nnd nationalgesinnten Heerführern und Staatsmännern ausrichten kann. Man beneidete Italien und Viele dachten und sagten es wohl auch: hätten wir doch auch einen deutschen Cavour und Victor Emanuel!

Daß in Deutschland die Verhältnisse anders liegen, daß Preußen nicht so rücksichtslos zugreifen könne und dürfe wie Piemont, sagte man sich wohl auch; aber etwas kühner und kräftiger, meinten Manche, könnte Breußen wohl vorgehen. Ein großer Unterschied war schon das, daß die Deutschen noch weit davon entfernt waren, sich so entschieden und einmüthig an Preußen anzuschließen, wie die Italiener an Piemont. Nicht nur die particularistischen Feinde der Einheit, nicht nur die großdeutschen Freunde Oesterreichs waren dagegen, sondern auch der Nationalverein wagte nur schüchtern und bedingt, die Führerschaft Preußen anzubieten, und sprach anstatt von Anschluß an Preußen davon, daß sich auch Preußen der idealen, noch gar nicht vorhandenen deutschen Centralgewalt unterwerfen sollte. So die Generalversammlung des Nationalvereins, die am 3. September 1860 zu Koburg zusammentrat und in ihren Beschlüssen aussprach: „Der Nationalverein erwartet, daß jeder deutsche Volksstamm willig die Opfer bringen werde, die zur Erreichung der Größe und Einheit Deutschlands nöthig sind. Das preußische Volk vor allem muß darthun, daß es troß seiner glänzenden Geschichte und troß der Großmachtstellung des preußischen Staats sich als Theil des deutschen Volkes fühle und daß es gleich jedem andern Staat Deutschlands der deutschen Centralgewalt und Volksvertretung sich unterordne. Wenn die preußische Regierung die Interessen Deutschlands nach jeder Richtung thatkräftig wahrnimmt und die unerläßlichen Schritte zur Herstellung der deutschen Macht und Einheit thut, wird gewiß das deutsche Volk vertrauensvoll die Centralgewalt dem Oberhaupt des größten rein deutschen Staates übertragen sehen."

Man forderte von Preußen, daß es sich der Interessen Deutschlands thatkräftig annehme, daß es die unerläßlichen Schritte zur Herstellung der deutschen Macht und Einheit thue. Sehen wir näher zu, was man denn eigentlich damit meinte. In dem Programm, dessen Ausführung die liberale Partei von der preußischen Regierung verlangte, stand in erster Reihe die Erledigung der schleswig-Holsteinischen und der kurhessischen Angelegenheit. Bei ersterer Frage handelte es sich darum, Preußen solle die seit 1858 ohne Erfolg vom Bundestag angedrohte Execution gegen Dänemark zum Vollzug bringen. Die dänische Regierung zögerte nämlich, in der Gesammtstaatsverfassung, welche sie dem ganzen Reiche verliehen hatte, diejenigen Modificationen eintreten zu lassen, welche Holstein eine gewisse Selbständigkeit verbürgen konnten, und wollte vollends von einer Ausdehnung solcher Ansprüche auf Schleswig gar nichts wissen. Die öffentliche Meinung in Schleswig-Holstein und in einem großen Theil des übrigen Deutschlands ging nun dahin, Preußen solle durch Beseßung Holsteins und Schleswigs die dänische Regierung zwingen, beiden Ländern eine selbständige, die Erhaltung deutscher Nationalität sichernde Stellung zuzugestehen und sie von der Gesammtstaatsverfassung frei zu lassen, und das Land so lange als Pfand bejezt halten, bis Dänemark jene Forderung gewährt hätte. Da nun aber Preußen im Londoner Vertrag Dänemark als ein untheilbares Ganze anerkannt hatte, so war es schwer, gegen die Gesammtstaatsverfassung, die doch eine natürliche Consequenz hievon war, mit Waffengewalt einzuschreiten.

Der zweite Punkt war die Widerherstellung der mit Hilfe des Bundestags von dem Kurfürsten von Hessen aufgehobenen Verfassung des Jahres 1831 und des Wahlgesetzes vom Jahre 1849. Der Kurfürst sollte gezwungen werden, diese Herstellung zu verfügen, und Preußen sollte einen dahin gehenden Beschluß am Bundestag durchsetzen. Man glaubte nämlich, wenn Preußen diesen Antrag ernstlich stellte, so würde es an einer Majorität dafür nicht fehlen und der Beschluß könnte ausgeführt werden, wenn auch Desterreich nicht bei der Majorität wäre.

Nicht minder wichtig waren aber die Anforderungen, die man in Betreff der inneren Politik an Preußen machte. Die liberale Presse verlangte, daß die Regierung moralische Eroberungen mache durch freisinnigen Ausbau der Verfassung, d. h. daß sie der Theilnahme der Volksvertretung an Verwaltung und Gesetzgebung möglichst weiten Spielraum gewähre, daß sie das reactionäre Herrenhaus durch einen Pairsschub reformire, oder durch geeignete Anträge an die Kammer die Hand zu

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