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feinem befriedigenden Ergebniß gelangen werde. Die officiöse Presse gab dem deutschen Volke den Trost, daß, wenn auch keine neue Bundesverfassung fertig geworden, doch durch die Conferenzen viel schätbares Material zu einer solchen geliefert worden sei.

Die ganze Frucht der langen Verhandlungen war die Rückkehr zum alten Bundestag. Schon am 27. März theilte der Minister Manteuffel den früheren Unionsgenossen mit, daß Preußen beschlossen habe, den Bundestag wieder zu beschicken, und am 14. Mai nahm der neue preußische Bundestagsgefandte, v. Rochow, seinen Sitz im Thurn und Taxis'schen Palast ein; auch die Gesandten der Verbündeten Preußens erschienen jezt. Aber unter den preußischen Staatsmännern bildete sich nun die stillschweigende Uebereinkunft, daß der Fluch, der auf dem Bundestag ruhte, nie von ihm genommen werden dürfe, daß er sich nie zu einer gedeihlichen Wirksamkeit entfalten solle. Mit großer Consequenz hielt die preußische Politik unter allen wechselnden Ministerien die Praxis ein, keine Maßregel von nationaler Bedeutung vom Bundestag ausgehen zu lassen. So oft eine der Bundesregierungen einen Antrag stellte, der darauf abzielte, ein nationales Bedürfniß zu befriedigen, so stimmte Preußen beharrlich dagegen, damit es dem Bundestag nie gelinge, auch nur den Schein der Popularität zu gewinnen. Damit eignete sich Preußen die Verfahrungsweise seiner Feinde an, die auch nur zu hindern wußten, und entsagte der ehrlichen, offenen Politik, welche allein seiner würdig war. Aber dieser zähe Widerstand war das einzige Mittel, den Intriguen Oesterreichs die Stange zu halten.

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Siebentes Kapitel.

Von Widereinsehung des Bundestages bis zum Pariser Frieden 1856.

Mit dem erneuten Bundestage beginnt eine Periode der Reaction, welche die deutschen Einheitsbestrebungen gründlich unterdrücken sollte, die aber das Regiment des Bundestags wo möglich noch verhaßter machte, als es vor 1848 war, und Zustände schuf, welche im Jahre 1866 zum Zusammensturz der Bundesverfaussng führten. Da die Fürsten in dem Verlangen des deutschen Volkes nach staatlicher Einheit eine Bedrohung ihres Besizes und ihrer ganzen Existenz sahen, so trugen sie kein Bedenken, selbst Bestandtheile ihrer Souveränität zum Opfer zu bringen, wenn es sich um Maßregeln gegen das verhaßte Einheitsstreben handelte. Sie betrachteten die Bundesverfassung mit dem darin anerkannten Dualismus von Oesterreich und Preußen als eine Versicherungsgesellschaft für die Selbständigkeit der einzelnen Staaten, und ließen sich daher gern das Eingreifen der Bundesgewalt gefallen, wenn sie nur zugleich zum Schutz des Particularismus diente. In zweiter Reihe suchte man die Bundesgewalt natürlich auch gegen die lästigen politischen Freiheiten zu verwerthen, zu deren Anerkennung die gesteigerte Volksmacht des Jahres 1848 genöthigt hatte.

In Betreff des Verhältnisses der Bundesglieder unter einander hatte sich eine stille Verschwörung gegen Preußen gebildet, dessen etwaigen Versuchen sich an die Spitze eines engeren deutschen Bundes zu stellen, die Mittelstaaten einen Riegel vorschieben zu müssen glaubten. Zwar hatte sich Breußen selbst der Reaction angeschlossen, und durch den Mund seines leitenden Ministers Manteuffel das Princip des Bruchs mit der Revo

lution proclamirt, aber man konnte nicht wissen, ob nicht bei einem Regenten oder Ministerwechsel Rückfälle in die nationale Politik eintreten würden. Die Zukunft Preußens, das Streben nach Machterweiterung, welches man bei dem Ehrgeiz des Regentenhauses und der Staatsmänner doch immer vorausseßen zu müssen glaubte, war auf den Zusammenhang mit Deutschland angewiesen, und man konnte erwarten, daß es über kurz oder lang die Unionspolitik des Jahres 1849 wieder aufnehmen würde. Darum betrachteten es die Leiter der Mittelstaaten als Gebot ihrer Selbst= erhaltung, Preußens Einfluß in Deutschland entgegenzutreten und zu verhüten, daß es durch liberale Einrichtungen, durch Erfolge auf dem Gebiete des Zollvereins populär werde. Besonders Bayern und Sachsen, wo ehrgeizige Minister wie v. d. Pfordten und v. Beust an der Spize waren, verfolgten eine solche preußenfeindliche Politik. Durch dieses Streben waren die Mittelstaaten auf die Seite Oesterreichs gedrängt, aber die Freundschaft für Oesterreich war keine aufrichtige, sie war nicht so gemeint, daß sie ernstlich eine Hegemonie Desterreichs gewünscht hätten, welche das Ziel Schwarzenbergs war. Sie wollten von Oesterreich nur Schutz gegen Preußen, und ihr Vertrauen auf diesen Schutz war gemischt mit der Besorgniß, beide Großmächte könnten sich einmal zur Unterdrückung der Kleineren verständigen. Von diesem Gesichtspunkt aus war die Erhaltung des Gegensatzes und der Spannung zwischen Oesterreich und Preußen im Interesse der Mittelstaaten, und dies bedingte ein Hinund Herschwanken, das die Erfolge der einen Macht durch Beziehungen zu der anderen abzuschwächen suchte. Die Furcht vor Oesterreich und Preußen trieb zum Zusammenhalten der soust eben nicht besonders einigen Mittel- und Kleinstaaten, und diese Politik fand dann ihren Ausdruck in der besonders von Bayern vertretenen Jdee des Trias einer Einigung der deutschen Mittelstaaten als einer dritten Macht neben den beiden Großmächten -die aber auch keine feste Gestalt gewinnen konnte, weil das Mißtrauen der Anderen gegen Bayern dazwischen trat. Diese Verhältnisse hinderten die Consolidirung und weitere Entwicklung des deutschen Bundes, welche von einzelnen Staatsmännern wohl aufrichtig angestrebt wurde.

Um die Mitte Juni's 1851 war die Widerherstellung des alten Bundestags vollendet, die Vertreter fämmlicher Staaten hatten sich eingefunden und die Geschäfte konnten allmählich wieder aufgenommen werden. Man schickte sich an, das in Dresden gesammelte schäßbare Material zu verarbeiten und die Maßregeln zur Erhaltung und zur inneren Sicherheit

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der Einzelstaaten zu verabreden und festzustellen. Es wurde beschlossen, hiefür einen eigenen Ausschuß niederzusetzen. Der Antrag dazu wurde gemeinsam von Oesterreich und Preußen eingebracht. Es sei, wurde darin erklärt, nach den in Dresden gepflogenen Berathungen eine der dringendsten Anforderungen, daß der innere Friede Deutschlands befestigt, und den Kräften der Zerstörung, die ihn seit den Ereignissen des Jahres 1848 zerrüttet, Einhalt gethan werde. Zu den wichtigsten Ergebnissen jener Dresdener Berathungen gehöre es, daß sie in Erkenntniß dessen, was zur Erhaltung der inneren Sicherheit Deutschlands nothwendig sei, die den wesentlichen Grundsäßen nach bereits bestehende Uebereinstimmung der Regierungen ausdrücklich beurkunden. Von dieser Erkenntniß für das allgemeine Wohl Gewinn zu ziehen, sie rasch und entschieden zur That zu gestalten, sei unstreitig die nächste Aufgabe dieser hiezu mit dem ganzen Ansehen des Rechts und der Macht ausgerüsteten hohen Versammlung. Auf militärische und polizeiliche Vorkehrungen werde sich aber die Thätigkeit des Bundes nicht beschränken dürfen.*) Dieses Programm der politischen Aufgabe der Bundesversammlung wurde sofort ohne Widerspruch angenommen. Am 10. Juli wurde die Wahl jenes sogenannten politischen Ausschusses, sowie zweier anderer, der Ausschüsse für Handelspolitik und für Errichtung eines Bundesgerichtes, vorgenommen. Der politische Ausschuß bestand aus sieben Mitgliedern; Preußen, Oesterreich, Bayern, Sachsen, Hannover und das Großherzogthum Hessen waren darin vertreten. Der Humor der Diplomaten nannte das Collegium unumwunden den Reactionsausschuß, denn für ganz Deutschland die Reaction ins Werk zu sehen, war ja seine ausgesprochene Aufgabe. Am 16. August erstattete der kgl. sächsische Gesandte v. Nostiz einen ausführlichen Bericht über das Ergebniß der Ausschußberathungen. Er sprach von den Gefahren, durch welche die Ruhe und Ordnung Deutschlands bedroht sei, von den mancherlei Zugeständnissen, die man den Volksforderungen des Jahres 1848 gemacht habe, von den verschiedenen liberalen Bestimmungen, die in die Landesverfassungen aufgenommen worden seien, wodurch die gesammte Staatsgewalt in die Hände einer zufälligen Kammermajorität gelegt und der Landesherr auf Ausübung einiger bestimmter Rechte beschränkt worden sei. Er bezeichnete als solche gefährliche Bestimmungen: die Beschränkung des landesherrlichen Veto; die Einführung des allgemeinen Wahlrechts ohne Census und ständische Gliederung; die Nöthigung,

*) Bundestagsprotokolle 1851. Sizung vom 8. Juli, S. 130 u ff.

die Minister aus der jeweiligen ständischen Majorität zu wählen; die Entscheidung der Competenzconflicte zwischen Ständen und Regierungen durch die Gerichte; die Beeidigung des Militärs auf die Verfassung. Um diesen Uebelständen nun abzuhelfen, sei die Bundesversammlung berechtigt und verpflichtet dafür Sorge zu tragen, daß in keinem Bundesstaat Jn= stitutionen und Zustände bestehen, welche für die innere Ruhe und Ordnung desselben und dadurch für die allgemeine Sicherheit des Bundes bedrohlich seien. Die Bundesversammlung müsse daher die einzelnen Regierungen auffordern, die seit 1848 getroffenen staatlichen Einrichtungen und gefeßlichen Bestimmungen einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen und dann, wenn sie mit den Grundsätzen des Bundes nicht im Einklang seien, die nöthige Aenderung ohne Verzug zu bewerkstelligen. Wenn diese Abänderungen auf Hindernisse stoßen sollten, so müsse der Bundestag Commissäre absenden und dieselben mit Vorkehrung der erforderlichen Maßregeln beauftragen. Außerdem weist der Bericht des sächsischen Gesandten auch noch auf das Bedürfniß einer strengeren Ueberwachung der Presse und Errichtung von Bürgschaften gegen den Mißbrauch ihrer Freiheit hin. Diese Anträge wurden in der folgenden Sizung mit Stimmenmehrheit angenommen, und es wurde am 23. August insbesondere beschlossen, die unter dem 27. December 1848 erlassenen und in der Verfassung des deutschen Reiches vom März 1849 wiederholten sogenannten Grundrechte des deutschen Volkes für aufgehoben zu erklären. Die Regierungen derjenigen Staaten, in welchen die Grundrechte durch besondere Geseze in Wirksamkeit gebracht waren, wurden verpflichtet, die erforderliche Einleitung zu treffen, um jene Gesetze, so weit sie mit den Bundeszwecken in Widerspruch seien, wieder abzuschaffen. Mit der Annahme dieses Beschlusses war sowohl für den Bund im Ganzen als für die Einzelstaaten die Reaction grundsäglich anerkannt. Nicht nur die Aufhebung der Grundrechte wurde in allen Staaten, in welchen sie eingeführt waren, mit großer Einmüthigkeit vollzogen, sondern auch sonst die Verfassungen in conservativer Richtung revidirt und modificirt, in den einen mittelst directer Einmischung des Bundestages, wie in Kurhessen, Holstein, Bremen, Hamburg, Frankfurt, Hannover, in andern durch selbständige Initiative der Landesregierungen.

Der Hauptschauplatz der bundestäglichen Wirksamkeit war Kurhessen und Holstein. Der Kurfürst von Hessen war, wie wir oben gesehen, im Sommer 1850 von der preußischen Union abgefallen und auf die Seite Desterreichs getreten, und hatte dadurch dem begrabenen Bundestag zur

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