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spruch gegen die Kaisergewalt die Bewegung verlängern wollten, oder vorzogen, durch Unterwerfung zur Herstellung der Ruhe und Ordnung beizutragen. Und selbst die Gefahr des Widerspruchs der auswärtigen Mächte war nicht so schlimm, wenn die Sache rasch durchgesezt werden. fonnte.

Die Deputation der Nationalversammlung *), welche den Auftrag hatte, dem König von Preußen die Nachricht von seiner Wahl zum deutschen Kaiser zu überbringen, reiste langsam, um dem Könige Zeit zu reiflicher Ueberlegung zu lassen. Am 2. April traf sie in Berlin ein. An demselben Tage beschlossen beide Kammern eine Adresse an den König, worin sie ihn baten, gemäß seiner Erwählung die Leitung der Geschicke des Vaterlandes zu übernehmen, dabei aber auch der obwaltenden Schwierigkeiten gedachten. Am 3. April hatte die Deputation Audienz bei dem König, zu welcher sie mit gespannter, mehr ängstlicher als freudiger Erwartung eintrat. Der König erklärte: er erkenne in dem Beschlusse der deutschen Nationalversammlung die Stimme der Vertreter des deutschen Bolkes, dieser Ruf gebe ihm ein Anrecht, das er zu schäßen wisse, und er spreche seinen Dank für dieses Vertrauen aus. „Aber“, fuhr er fort, ich würde ihr Vertrauen nicht rechtfertigen, ich würde dem Sinne des deutschen Volkes nicht entsprechen, ich würde Deutschlands Einheit nicht aufrichten, wollte ich, mit Verletzung heiliger Rechte und meiner früheren ausdrücklichen und feierlichen Versicherungen, ohne das freie Einverständniß der gekrönten Häupter, der Fürsten und freien Städte Deutschlands, eine Entschließung fassen, welche für sie und für die von ihnen regierten deutschen Stämme die entschiedensten Folgen haben muß. An den Regierungen der einzelnen deutschen Staaten wird es daher jetzt sein, in gemeinsamer Berathung zu prüfen, ob die Verfassung den Einzelnen wie dem Ganzen frommt, ob die mir zugedachten Rechte mich in den Stand sehen würden, mit starker Hand, wie ein solcher Beruf es von mir fordert, die Geschicke des großen deutschen Vaterlandes zu leiten und die Hoffnungen seiner Völker zu erfüllen. Dessen aber möge Deutschland gewiß sein, und das, meine Herren, verkündigen Sie in allen seinen Gauen: bedarf es des preußischen Schildes und Schwertes gegen äußere oder innere Feinde, so werde ich auch ohne Ruf nicht fehlen. Ich werde dann getrost den

*) An der Spitze derselben war der Präsident Simson, von den übrigen Mitgliedern nennen wir E. M. Arndt, Dahlmann, Mittermaier, Fr. v. Raumer, Rümelin, v. Soiron, Stenzel, Zachariä von Göttingen.

Weg meines Hauses und meines Volkes gehen, den Weg der deutschen Ehre und Treue."

Diese Erklärung war der Frankfurter Deputation eine schmerzliche Enttäuschung; wenn sie sich auch auf Vorbehalte und Einwendungen gefaßt gemacht hatte, so hatte sie doch nicht erwartet, daß der König der Nationalversammlung die Befugniß, ohne die Fürsten das deutsche Verfassungswerk festzustellen, so gänzlich absprechen würde. Doch einem Mitglied der Deputation konnte diese Ablehnung nicht unerwartet sein. E. M. Arndt hatte in jenen Tagen, in welchen die Erklärungen von Oesterreich und Bayern das Gelingen des Einheitswerkes so sehr in Frage stellten, an den König geschrieben, ihn an sein Wort vom 21. März 1848 erinnert und sich darauf berufen, daß er sich für einen ehrlichen, starken deutschen Bundesstaat, statt des unehrlichen und schwächlichen früheren Staatenbundes erklärt habe, er habe gelobt, alle seine Macht und die Stärke seines Volkes für die Stärke und Macht Deutschlands einzusetzen. Dieses königliche Wort, die starke Bindung dieses Bundes, welcher Preußen und Deutschland in Eins verwandle, sei die einzige Möglichkeit, die Ehre und Herrlichkeit Deutschlands zu retten. Nur wenn der König von Preußen als Halter und Retter Deutschlands sich an dessen Spite stelle, könnten die Listen Oesterreichs, das Deutschlands Ehre und Macht seit drei Jahrhunderten verzettelt und verschleppt habe und es jetzt wieder in's Schlepptau nehmen wolle, und die bei einem Directorium unvermeidliche rothe Republik überwunden werden. In der Weise eines alttestamentlichen Propheten beschwor er den König und machte ihm die Annahme des von der Nationalversammlung angebotenen Berufes zur Gewissenspflicht. Hierauf antwortete der König, in voller Anerkennung des Sinnes, in welchem Arndt zu ihm gesprochen hatte, in einem Schreiben vom 18. März in der Hauptsache Folgendes: „Die große Versammlung, die sich deutsche Reichs- oder Nationalversammlung nennt, von der ein erfreulich großer Theil zu den besten Männern des großen Vaterlandes gehört, hat weder eine Krone zu geben noch zu bieten. Sie hat eine Verfassung zu entwerfen und demnächst mit allen von ganz Europa anerkannten regierenden Herren und Städten Deutschlands zu vertragen. Wo ist der Auftrag, der diese Männer berechtigt, über die rechtmäßigen Obrigkeiten, denen sie geschworen, einen König oder Kaiser zu setzen? Wo ist der Rath der Könige und Fürsten Deutschlands, der nach tausendjährigem Herkommen dem heiligen Reich seinen König kürt, und die Wahl dem Volke zur Bestätigung vorlegt? Ihre Versammlung hat sich der Bildung dieses

Ablehnung der Kaiserkrone.

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'Rathes, der Darstellung der deutschen Obrigkeiten im neuen Centrum der Nation stets widersetzt. Das ist ein ungeheurer Fehler, man darf es eine Sünde nennen jetzt zeigen sich die Folgen dieser Sünde, jezt fühlt Jedermann zu Frankfurt, auch die, denen Ursache und Wirkung nicht klar ist, daß man daselbst bei so viel Verdienst, so großen Mühen und theilweise so reiner Absicht, an einer gewissen Unmöglichkeit laborirt. Glauben Sie, daß Herz und Bein durchschütternde Scenen, Worte und Beschlüsse des Parlaments das Unmögliche möglich machen können? Doch gesetzt, mein theurer Arndt, die Sünde wäre nicht begangen, oder sie würde noch gut gemacht, und der ächt und recht vereinte Rath der Fürsten und des Volkes fürte in der alten Wahlstadt und böte mir die alte, wahre, rechtmäßige, tausendjährige Krone der deutschen Nation nun verweigern und nehmen, hier zu handeln wäre heute thunlich aber autworten würde ich, wie ein Mann antworten muß, wenn ihm die höchste Ehre dieser Welt geboten wird. Doch ach, so steht es nicht! Auf eine Botschaft, wie sie mir aus Frankfurt droht — geziemt mir das Schweigen. Ich darf und werde nicht antworten, um Männer, die ich ehre und liebe, auf die ich mit Stolz, ja mit Dankbarkeit blicke, nicht zu beleidigen, denn was würde mir geboten? Ist diese Geburt des gräßlich kreisenden Jahres 1848 eine Krone? Das Ding, von dem wir reden, trägt nicht das Zeichen des heiligen Kreuzes, drückt nicht den Stempel von Gottes Gnaden" aufs Haupt, ist keine Krone. Es ist das eiserne Halsband einer Knechtschaft, durch welches der Sohn von mehr als 24 Regenten, Kurfürsten und Königen, das Haupt von 16 Millionen, der Herr des treuesten und tapfersten Heeres der Welt, der Revolution zum Leibeigenen gemacht würde. Und das sei ferne! Der Preis des Kleinodes müßte obenein das Brechen meines dem Landtage am 26. Februar gegebenen Wortes sein: „die Verständigung mit der deutschen Nationalversammlung über die zukünftige Verfassung des großen Vaterlandes im Verein mit allen deutschen Fürsten zu versuchen." Ich aber breche weder dieses, noch irgend ein anderes gegebenes Wort. Es will mich fast bedünken, mein theurer Arndt, als walte in Jhnen ein Irrthum, den Sie freilich mit vielen anderen Menschen theilen, als sähen Sie die zu bekämpfende Revolution nur in der sogenannten rothen Demokratie und den Communisten der Frrthum wäre schlimm. Jene Menschen der Hölle und des Todes können ja nur allein auf dem lebendigen Boden der Revolution wirken. Die Revolution ist das Aufheben der göttlichen Ordnung, das Verachten, das Beseitigen der rechten Ordnung, sie lebt und athmet

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ihren Todeshauch, so lange unten oben und oben unten ist. So lange also im Centrum zu Frankfurt die deutschen Obrigkeiten keine Stätte haben, nicht obenan im Rathe sizen, welcher der Zukunft Deutschlands eine Zukunft zu geben berufen ist, so lange steht dieses Centrum unter dem Spiegel des Revolutionsstromes und treibt mit ihm, so lange hat es nichts zu bieten, was reine Hände berühren dürfen. Als deutscher Mann und Fürst, dessen Ja ein Ja vollkräftig, dessen Nein ein Nein bedächtig, gehe ich in Nichts ein, was mein herrlich Vaterland verkleinert und dasselbe dem gerechten Spotte seiner Nachbarn, dem Gerichte der Weltgeschichte preisgibt, nehme ich Nichts an, was meinen angeborenen Pflichten nicht ebenbürtig ist, oder ihnen hindernd entgegentritt. Dixi et salvavi animam meam."

Nach dieser Erklärung konnte Niemand von dem König eine zusagende Antwort auf die Botschaft der Kaiserdeputation erwarten. Arndt aber durfte seinen Collegen weder von seiner Anfrage, noch von dem Brief des Königs etwas mittheilen, da der König ihm die strengste Geheimhaltung zur Pflicht gemacht hatte. Erst nach dem Tode Beider wurde die Correspondenz veröffentlicht.*) Uebrigens muß man wohl annehmen, daß Arndt selbst nach diesem auf eine, wenn auch bedingte, Zusage des Königs nicht ganz verzichtet hatte. Man wollte damals in Berlin wissen, der König habe geschwankt und sei sogar für die Annahme gestimmt gewesen, sei aber Tags zuvor auf einer Jagdparthie, an welcher der österreichische Gesandte, Freiherr v. Prokesch, Theil genommen, von diesem zur Ablehnung bestimmt worden. Dies ist nach obigem Brief mehr als unwahrscheinlich.

*) Zuerst im Halleschen Volksblatt von Stadt und Land, und dann in der Augeburger Allg. Zeitung 1861, 22. Januar oder Nr. 22 Hauptblatt.

Fünftes Kapitel.

Die Nationalversammlung, von Friedrich Wilhelm IV. Ableh= nung der Kaiserwahl, bis zu ihrer Auflösung.

Wie Triumphatoren waren die Abgesandten der Nationalversammlung ausgezogen, sagt ein Geschichtschreiber jener Zeit*), und wie versprengte Flüchtlinge kehrten sie zurück. Es war der Eindruck einer verlorenen Schlacht, einer unzweifelhaften Niederlage, welche die Nationalversammlung erlitten hatte. Der Anspruch, das Verfassungswerk aus eigener Macht zu vollenden, war entschieden zurückgewiesen, und die Verfassung nur als ein Entwurf, als Grundlage für die gemeinsame Berathung der Regierungen behandelt. Diejenigen, welche immer das Vereinbarungsprinzip festgehalten hatten, waren gerechtfertigt und wollten nun Vertagung des Parlaments, um den Regierungen Zeit zur Berathung zu lassen. Die Linke, der es mehr um die Geltung der Grundrechte, um die Befugnisse der gemeinsamen Volksvertretung zu thun war, als um die Centralgewalt, wollte die Verfassung beibehalten und nur die Oberhauptsfrage offen lassen. Die Freunde des Directoriums glaubten, jetzt blihe ihr Weizen, und man dürfe nur statt des Erbkaisers das Directorium als Schlußstein einfügen. Wieder Andere verlangten, der Habsburger solle jezt die vom Hohenzoller zurückgewiesene Krone aufnehmen. So weit diese Ziele auch auseinander gingen, so fanden es doch alle Parteien in ihrem Interesse, die von der Versammlung angenommene Verfassung unverändert festzuhalten, und es wurde in Folge einer Verabredung der Centren und der Linken am 11. April ein gemeinsamer Antrag von Kierulf und Vogt eingebracht und mit 276 Stimmen gegen 159 ange

*) Siehe R. Haym, Die deutsche Nationalversammlung, Schlußbericht S. 27.

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