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JENA ISCH E

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG.

JUNI 1 8 2 8.

VERMISCHTE SCHRIFTEN.

LEIPZIG, b. Hinrichs: Jahrbücher der Gefchichte und Staatskunft. Eine Monatsfchrift, in Verbindung mit mehreren gelehrten Männern herausgegeben von Carl Heinrich Ludwig Pölitz, kön. Tächf. Hofrathe und öffentl. Lehrer der Staatswif fenfchaft an der Univerfität Leipzig. 1828. Erfier Band. Januar bis Juni incl. 326 S. Juli 112 S. gr. 8. (compl. 6 Thlr.)

,,Nach langem Meinungs- und Parleyen - Kampfe fcheinen endlich fagt der berühmte Herausgeber diefer Zeitschrift in deren Ankündigung die geachtetten Sprecher und Führer der Völker ftillfchweigend zwifchen den beiden Extremen der Revolution und Reaction über das Syftem des allmählichen Fortfchreitens fich vereint zu haben, ein Syftem, das ebenso die Feftigkeit und Heiligkeit der Throne, wie die bürgerliche und politifche Freyheit der Völ ker, gewährleiftet, das eben fo weit von den Gräueln der Volksherrschaft, von den Schreckens fcenen der Revolution, wie von den lichtfcheuen Anfichten der Anhänger des Reactionsfyftems, abliegt. Soll aber das Licht wohlthätig wirken: fo bedarf es in der fittlichen, wie in der phyfifchen Welt eines Mittelpunctes." -Für diefen Zweck nun, d. h. für gefeizmäfsige und rechtliche Begründung des Syflems eines auf gefchichtlicher Unterlage ruhenden Fortfchreitens des inneren und äufseren Staatslebens zum Befferen, find diefe Jahrbücher berechnet; zu deren Herausgabe fich Hr. P. mit mehreren, auf dem Umfchlage jedes lleftes genannten Gelehrten verbunden hat, deren Namen und Theilnahme dem Publicum in diefer Zeitschrift manches allerdings fehr Beachtungswerthe verfpricht; wie denn das ganze Unternehmen fchon um defswillen deffen Aufmerksamkeit mit Recht verdient, weil aller dings eine Zeitschrift in dem oben angedeuteten Sinne, und mit dem für die Jahrbücher bezeichneten Zwecke, längft als dringendes Bedürfnifs gefühlt wurde.

Ihrem formellen Inhalte nach zerfallen die Jahrbücher und die in ihnen enthaltenen Mittheilungen in 1) Abhandlungen und 2) Recenfionen. Von den erften liefern die drey erften Hefte, mit deren Anzeige wir jetzt den Anfang machen, dreyzehen, und von den letzten zwanzig. Vorzüglich mit den erften glau

ben wir unsere Lefer etwas näher bekannt machen zu müssen. Es find folgende:

von Pölitz, eine fehr gediegene Nachweifung, dafs nur das System des allmählichen Fortfchreitens oder der gefetzmässigen Reformen dem Wohle der Regierungen und der Völker wahrhaft zufagt, dafs aber auch diefes im Wefen des Staats wirklich enthalten und von ihm dringend geboten fey. Das Einzige, worin wir mit dem Verf. nicht ganz einverstanden feyn können, ift der, unferer Anficht nach, etwas zu hohe Werth, den er auf die gefchichtlichen Unterlagen bey der Anwendung diefes Syftems legt (S. 6). Nicht ein zu ftarres Beharren beym Alten, wozu jene

Unterlagen leicht hinführen können, fagt dem wahren Zwecke und Geifte des Systems der Reformen zu, fondern nur ein bedächtliches und finniges Fortfchrei ten mit dem Geifte der Zeit, den Bedürfniffen und dem Stande der Cultur der Völker, ein möglichst gleiches Schritthalten mit diefen Grundlagen des Flors des bürgerlichen Wefens, wobey die gefchichtliche Unterlage des Beftehenden blofs mit grofser Vorficht zu beachten feyn mag. Was in dem Bestehenden wirklich veraltet und noch haltbar fey, was mit dem Geifte der jüngeren Zeit vereinigt werden kann, oder demfelben gerade widerftreitet, kann uns weniger die Gefchichte lehren, als richtige Auffaffung und ächle Würdigung der Gegenwart und ihres Geiftes. Folgen wir nicht dem letzten Leitfierne und diefem nur allein, unabhängig von den Daten der Gefchichte aus der Vergangenheit: fo wird uns manches als wohlerworbenes Recht erfcheinen, was genau betrachtet doch nur aus Missbräuchen ftammt. Unfer vom Wefen der Dinge gebotenes Fortfchreiten wird darum nie ein ächtes Fortfchreiten, ein Halten gleiches Schrittes mit dem Zeitgeiste, sondern oft nur ein Nachhinken, vielleicht gar nur ein Nachfchleppen feyn, das uns ftets hinter dem Zeitgeifte zurückhält. Ueberhaupt kann die Gefchichte für den vernünftigen Staatsmann nie zum Leitstern für das dienen, was er thun foll, fondern blofs zur Warnungstafel hinfichtlich deffen gebraucht werden, was er nicht thun foll. Gerade darin, dafs unfere Reformen die gefchichtliche Unterlage des Beftehenden etwas zu fehr beachten, liegt der Grund, warum fie, felbft bey dem beften Willen der Regierungen, fo felten alle Parteyen befriedigen, im

mer nur

Reactionsfyfteme hinführen, das Alles beym Alten gehalbe Mafsregeln bleiben, und zu dem laffen haben will. Die Norm für das, was gefchehen foll, kann nur der Stand der Gegenwart geben, nie der der Vergangenheit. Die mifslichen Folgen der Revolution und ihres Syftems liegen keinesweges

I. Die drey politischen Syfteme der neueren Zeit, darin, dass fie nur die Gegenwart und ihr Bedürfniss

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DRESDEN U. LEIPZIG, in der Arnoldifchen Buchhandl.: Schriften von Guftav Schilling. Zweyte Sammlung. 36-42 Band.

Auch unter den befonderen Titeln:

1) Röschens Geheimniffe, von Guftav Schilling. Dritte verbefferte Auflage. 1826, Erster Theil. 160 S. Zweyter Theil. 126 S. 8. (1 Thlr. 12 gr.) 2) Die Gefchwifter, von Gustav Schilling. 1826. Erfter Theil. 188 S. Zweyter Theil. 220 S. 8. (2 Thlr. 4 gr.)

3) Gebilde, von Guftav Schilling. 1826. 269 S. 8. (1 Thlr. 9 gr.)

4) Stern und Unftern, von Gustav Schilling. 1826. Erfter Theil. 212 S. Zweyter Theil. 244 S. Dritter Theil. 269 S. 8. (3 Thlr. 18 gr.)

[Vgl. Jen. A. L. Z. 1825. No. 207.] Röschens Geheimnisse erscheinen hier zum drit ten Male, von dem forgfamen Vater immer aufs Neue geglättet; indefs die forgfamfte Künstlerhand wird ihre Fundamental - Gebrechen nicht wegzufeilen vermögen. Wohl hat fich, wie die dritte Auflage befagt, die Stimme des Publicums gegen die Anficht des Rec. ausgesprochen, welcher trotz dem aber der Meinung verbleiben wird: ein Roman könne nicht für gut gelten, deffen Heldin unfere Achtung alsbald verliert, und kaum der Theilnahme würdig bleibt. Wollte der Vf. entgegnen, fein Haupzweck fey gewefen, das: Erzittre vor dem erften Schritte, in gefälliger Form, aber eindringlich zu predigen: fo laffen wir es zu vörderft ganz auf fich beruhen, ob der Roman im Allgemeinen folchen Zwecken zu dienen beftimmt fey, und bemerken demnächst, dafs der vorliegende bey phantafiereichen Jungfrauen den ,,erften Schritt" mehr fördern, als hemmen dürfte, wogegen der Satyr durch ihn an ein triviales, aber wahres Sprichwort erinnert wird. Wir erinnern endlich, dass, wenn jene Warnung auf würdige und fruchtbare Weife in den Roman verwebt werden follte, das allgemache Sinken eines viel höher stehenden weiblichen Wefens hätte dargestellt werden müffen; Röschen hat höchftens Werth und Gepräge einer Claurenfchen Tugendhaften, und diefe Heldinnen wiegen denn doch in der fittlichen Wage etwas zu leicht.

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Mit defto grösserem Vergnügen erftatten wir von den Gefchwistern (No. 2) Bericht. Zwar ist die Fabel ein lockeres und lofes Gewebe, aber die Farben find le bendig, die Fäden find gut. Dabey wickelt fich dasselbe auf fo ergötzliche Weife ab, der Wechsel von Luft und Leid, von Ernft und Scherz fpricht so an, dass jeder Lefer, welcher nicht gerade einen Roman ver langt,,,zu fingen in höherem Chor," fich auf das angenehmfte befriedigt finden wird. Aus der bunten Fluth der Ereignille treten einige wohlgelungene Charakterbilder hervor. Wer follte fich nicht an dem lebensfrohen, humoriftifchen Enewold mit feinem unverwüftlichen Jugendmuthe erfreuen? Wen nicht das Ziermännlein, der Hofjunker Pelion, als ein treffendes, wenn auch dem ftarken Gefchlechte keinesweges fchmeichelhaftes Conterfei anfprechen, dessen Originale heutzutag leider in jeder grofsen Stadt zu

finden find?

Die Gebilde (No. 3) find kleine, leichte Erzählungen, wie man fe in Unterhaltungsblättern gern lieft und gelefen hat. Durch das Zufammenftellen in Reih und Glied gewinnt folche flüchtige Waare übrigens felten, und fo geht es auch hier. Der Anfang ist fehr gut; was darauf folgt, auch nicht übel, bis man etwa halben Wegs an ,,den Rofenftock" kommt, wo den Lefer eine gewille Nüchternheit befällt, welche nicht weichen will vor dem Ende.

Stern und Unftern (No. 4) ist ein höchft unterhaltender Roman, welcher in buntem Wechfel Ge müthliches und Komifches, Heroifches und Sentimales an uns vorüberführt. Grämliche Kritiker würden und wohl nicht ganz mit Unrecht bemerken, dafs das Ganze nicht immer recht in einander greift, und mehrere Perfonen beyher laufen, welche gar nich zur Sache gehören, wie denn z. B. Prinz Cafimir ein blofses Raumfüllfel ist. Allein damit werden sie weder die Lefer, welche fich an Schillings Art ergölzen, noch diefen felbft bekehren. Wir möchten ihn dagegen erinnern, dafs Mifstrauen gegen ein tugendliches Weib einer der entwürdigendften Flecken in dem Cha rakter des Mannes ift, und dafs wir defshalb nicht ha ben begreifen können, wie er darauf gekommen, dem mit fichtlicher Vorliebe gezeichneten Mannholm, noch zu guter Letzt im dritten Theile, diefen Flecken an zuhängen, Mg.

KURZE

ANZEIGEN.

SCHÖNE KÜNSTE. Berlin, b. Chriftiani: Charigenia. Ein Kranz von Geburtstags-Gedichten. Gefammelt und herausgegeben v. Dr. Karl Dielitz. 1827 X u. 414 S. gr. 12.

Eine recht verständige und brauchbare Sammlung. Keines diefer Geburts- und Fefttags-Gedichte wird dem

profaischen Geschäftsmanne, der praktischen Hausmutter phantafiereich, keines Leuten von Bildung lappisch m kindifch vorkommen, Höhere Anfprüche an gereimte Wünsche der Art zu machen, wäre Thorheit.

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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG.

JUNI 1 8 2 8.

VERMISCHTE SCHRIFTEN. LEIPZIG, b. Hinrichs: Jahrbücher der Gefchichte und Staatskunft. Eine Monatsfchrift, in Verbindung mit mehreren gelehrten Männern herausgegeben von Carl Heinrich Ludwig Pölitz, kön. Tächf. Hofrathe und öffentl. Lehrer der Staatswif

fenfchaft an der Universität Leipzig. 1828. Erfler Band. Januar bis Juni incl. 326 S. Juli 112 S. gr. 8. (compl. 6 Thlr.)

von Pölitz, eine fehr gediegene Nachweifung, dafs nur das Syftem des allmählichen Fortfchreitens oder der gefetzmässigen Reformen dem Wohle der Regierungen und der Völker wahrhaft zufagt, dafs aber auch diefes im Wefen des Staats wirklich enthalten und von ihm dringend geboten fey. Das Einzige, worin wir mit dem Verf. nicht ganz einverstanden feyn können, ift der, unferer Anficht nach, etwas zu hohe Werth, den er auf die gefchichtlichen Unter lagen bey der Anwendung diefes Syftems legt (S. 6). Nicht ein zu ftarres Beharren beym Alten, wozu jene Nach langem Meinungs- und Parteyen - Kampfe Unterlagen leicht hinführen können, fagt dem wahren fcheinen endlich-fagt der berühmte Herausgeber Zwecke und Geifte des Syftems der Reformen zu, diefer Zeitfchrift in deren Ankündigung die geach- fondern nur ein bedächtliches und finniges Fortfchrei teiften Sprecher und Führer der Völker ftillfchwei- ten mit dem Geifte der Zeit, den Bedürfniffen und gend zwifchen den beiden Extremen der Revolution dem Stande der Cultur der Völker, ein möglichst gleiund Reaction über das Syftem des allmählichen ches Schritthalten mit diefen Grundlagen des Flors Fortfchreitens fich vereint zu haben, ein Syftem, des bürgerlichen Wefens, wobey die gefchichtliche das ebenfo die Feftigkeit und Heiligkeit der Throne, Unterlage des Beftehenden blofs mit grofser Vorficht wie die bürgerliche und politifche Freyheit der Völ zu beachten feyn mag. Was in dem Beftehenden ker, gewährleiftet, das eben fo weit von den Gräueln wirklich veraltet und noch haltbar fey, was mit der Volksherrschaft, von den Schreckensfcenen der Re- dem Geifte der jüngeren Zeit vereinigt werden kann, volution, wie von den lichtfcheuen Anfichten der An- oder demfelben gerade widerftreitet, kann uns wenihänger des Reactionsfyftems, abliegt. Soll aber das ger die Gefchichte lehren, als richtige Auffaffung und Licht wohlthätig wirken: fo bedarf es in der fittli- ächle Würdigung der Gegenwart und ihres Geiftes. chen, wie in der phyfifchen Welt eines Mittelpunctes." Folgen wir nicht dem letzten Leiterne und diefem Für diefen Zweck nun, d. h. für gefetzmäfsige nur allein, und rechtliche Begründung des Syflems eines auf ge- aus der Vergangenheit: fo wird uns manches als I von den Daten der Gefchichte fchichtlicher Unterlage ruhenden Fortfchreitens des in- wohlerworbenes Recht erfcheinen, was genau betrachfind tet doch nur aus Milsbräuchen ftammt. Unfer vom diefe Jahrbücher berechnet; zu deren Herausgabe fich Wefen der Dinge gebotenes Fortfchreiten wird darum Hr. P. mit mehreren, auf dem Umfchlage jedes Heftes ge- nie ein ächtes Fortichreiten, ein Halten gleiches Schrit nannten Gelehrten verbunden hat, deren Namen und tes mit dem Zeitgeilte, fondern oft nur ein NachhinTheilnahme dem Publicum in diefer Zeitfchrift man- ken, vielleicht gar nur ein Nachlchleppen feyn, das ches allerdings fehr Beachtungswerthe verfpricht; wie uns ftets hinter dem Zeitgeilte zurückhält. Ueberhaupt denn das ganze Unternehmen fchon um defswillen kann die Gefchichte für den vernünftigen Staatsmann deffen Aufmerksamkeit mit Recht verdient, weil aller- nie zum Leifern für das dienen, was er thun foll, dings eine Zeitfchrift in dem oben angedeuteten Sinne, fondern blos und mit dem für die Jahrbücher bezeichneten Zwecke, gebraucht werde, was er nicht thun foll. Gerade dar längft als dringendes Bedürfnifs gefühlt wurde. in, dafs unlere Reformen die gefchichtliche Unterlage des Bellehend elwas zu fehr beachten, liegt der Ihrem formellen Inhalte nach zerfallen die Jahr- Grund, warum fe, felbit bay dem bellen Willen der fo felten alle Parteyen Befriedigen, im halbe Malsregeln bleiben, und dem Reactionsme hinführen, das Alles by Alten ge lallen haben will. Die Norm fur das, was gefcho hen, kann nur der Stand der Gegenwart geben, mie der der Vergangenheit. Die milliche Eigen Revolution und ihres Syltems liegen

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ZEITUNG. haft und unbedingt fittlich rechtliche feyn. das, was nach den Gefetzen der Vernunft Sittlichkeit und Rechtlichkeit gebieten, kann die Individualität eines gegebenen Wefens wohl wenig entfcheiden.

ins Auge gefafst, fondern darin, dafs fie diese nicht nüchtern und richtig erfafst haben; dafs die Revolutionsmänner ftets der Gegenwart voraneilen, und, ftalt fich mit der Wirklichkeit zu befchäftigen, den Gebilden ihrer Phantafie folgen, was fie natürlicher Weife dahin führt, dafs fie nicht auf- und fortbauen können, fondern nur umftürzen müssen.

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II. Idee des Staats und der Staatskunft, vom Vicedirector und Profeffor von Weber zu Tübingen; eine gedrängte Zusammenstellung des Inhalts der Einleitung der Grundzüge der Politik des Verf. (Tübingen 1827. 8.); die zwar im Ganzen nichts Neues enthält, aber die Ableitung des Rechts aus der Moral, das Dürfen aus dem Sollen, und beides aus dem Wefen des Menfchen, auf eine fehr klare Weife giebt, übrigens aber den Staat, oder richtiger, den Eintritt des Menfchen in den Staat, als Bedürfniss für die Menschheit und ihre Entwickelung, und als unbedingtes Gebot des Sittengefetzes darfiellt. Den Staat felbft nennt der Verf. (S. 34): diejenige vertragsmässig zu Stande gekommene Verbindung mehrerer Familien zu einem Volke (?), bey welcher die Herrfchaft des Rechts mittelft eines allgemeinen gefetzlichen Zwanges durch die oberfte Gewalt gegründet und gefichert wird; und den Zweck des Staats fetzt er (S. 36) in die Herftellung und Erhaltung der fittlich rechtlichen Ordnung, oder mit anderen Worten, in die allgemeine Entwickelung der Freyheit in allen ihren Beziehungen, fo fern fie überhaupt als Herrfchaft des Geiftigen über das Materielle bezeichnet werden kann. Die allgemeine Herrschaft des Rechts ift (S. 38) zwar der nächste Zweck des Staats, nicht fein alleiniger und höchfter. 'Dafs hienach die Politik bey Weitem höher steht, als man nach der gemeinen wir möchten fagen, aus dem niederen Standpuncte der Cultur der Befchauer des Staatenwefens hervorgegangenen Anlicht den Staat nur als eine Sicherheitsanftalt des Rechtsgebiets des Menschen gegen innere und aufsere Feinde anfieht, brauchen wir wohl nicht erft zu bemerken. Der Verf. fieht in ihr (S. 42) die aus der Vernunft und Erfahrung gefchöpfte Lehre von der Art und den Mitteln, wodurch und wie die Idee des Staates fo weit zu realisiren ist, als es die gegebenen Verhältniffe geftatten; und zur Aufgabe der praktischen Politik macht er demnach (S. 44): den Vernunftstaat in einem gegebenen befonderen Staate möglichst allfeitig zum Dafeyn zu bringen, ohne die Individualität des Staats und das an feine Individualität geknüpfte befondere Leben deffelben zu verkennen und zu zerstören. Wir laffen dahin geftelit feyn, ob diefe. Anficht von einer vernünftigen Politik nicht etwas zu enge fey. Mit der Idee des Verf. vom Staate fcheint uns das hier ausgefprochene Anknüpfen der Politik an die Individualität eines gegebenen Staats nicht ganz vereinbarlich zu feyn. Bey einem Raubftaate möchten fich hienach die Foderungen der Politik nur auf ein etwas verfeinertes und mehr manierliches Raubfyftem befchränken. Die Politik eines Vernunftstaates kann nur eine wahr

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III. Giebt es eine deutsche Gefchichte? vom Prof. Haffe in Dresden. Eine fehr lichtvolle Darftellung der für die Bejahung diefer Frage in der neueften Zeit aufgeftellten Momente. Wie der Vf. (S. 57) fehr treffend be merkt, kann bey der welthiftorifchen Beziehung fowohl der deutfchen Nation auf das Völkerleben in Europa, als auch des deutfchen Staatenbundes auf das Cleichgewicht der Macht und der Feststellung der politifchen Ordnung von Europa, der deutfchen Gefchichte weder ein eigenthümlicher Inhalt, noch ein beftimmter Umfang je fehlen. Mag auch das heilige römisch- deutfche Reich ftets fast mehr in der Idee vorhanden gewefe feyn, als in der Wirklichkeit; und mag auch die unfelige Zerfplitterung unferes deutfchen Staatenwefens, wie fie fich im Laufe der Zeit ausbildete, die Erhaltung der Einheit in unferem deutfchen Volksleben, die deutfche Volksthümlichkeit fehr beeinträchtigt haben: untergegangen ist diefe Einheit, diefe Volksthümlichkeit, doch nie, felbft nicht durch die von fremder Zwingherrfchaft bewirkte Katastrophe. Der eigenthümliche deutsche Volkscharakter und die gemeinfame Sprache haben immer das Band der Einheit erhalten, das von jeher alle Deutfchen als Ein Volk umfchlofs.

IV. Einige Bemerkungen über die Begriffe vom reinen Ertrage und reinen Einkommen in ftaatswirthschaftlicher Beziehung; vom Geh. Conferenzrathe Lotz in Coburg. Der Verf. fucht die Gründe der Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Anfichten vom Wefen des Reinertrags auf, und macht auf die nachtheiligen Folgen aufmerkfam, welche aus diefer Unzulänglichkeit theils für die ftaatswirthschaftlichen Theorieen hervorgegangen find, theils befonders in Hinficht, auf unfer öffentliches Abgabenwefen weiter daraus zu beforgen feyn mögen. Da fich der Ertrag aller wirthschaftlichen Betrieb famkeit des Menfchen nur durch wirkliche, materielle Güter bildet: fo findet der Verf. (S. 67) das Wefen des reinen Ertrags und des reinen Einkommens im Allgemeinen nur in einer während eines gewiffen Zeitraums hervorgebrachten oder dem Naturfonds abgenommenen Gütermalle nach Abzug des Betrags (Werthbetrags) derjenigen Güter, welche wir in diefem Zeitraum auf die Hervorbrin gung oder Gewinnung jener Malle verwendet haben, w bey jedoch, was das reine Einkommen im ftaatswirthfchaftlichen Sinne angeht, weil im gefelligen Verein der betriebfamen, unter fich verkehrenden Menfchheit Alles on der Gefammtheit diefer Vereinten, unter fich Verkehrenden abhängt, das reine Einkommen aus staatswirthschaftlichem Gefichtspuncte betrachtet, — die ganze Berechnung fich blofs auf eine Vergleichung des Betrags unferer hervorgebrachten, oder dem Naturfonds abgenommenen Gülermaffe, mit dem Betrage der auf diese Gewinnung oder Hervorbringung verwendeten Güter, einzig und allein befchränken foll,

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ohne dafs wir genöthigt seyn würden, fo, wie bey einer Berechnung unferes reinen Einkommens im privatwirthschaftlichen Sinne, das Detail der Productionsweise der einzelnen, an jener Production theilnehmenden, Mitglieder der Gefammtheit und die mannichfachen Verkettungen des Ganges ihrer Betrieb famkeit und ihres dabey gemachten Gewinnes zu verfol gen: wefshalb denn hier die in der Berechnung des reinen Ertrags im privatwirthschaftlichen Sinne allerdings fehr zu beachtenden Rubriken, für Arbeitslohn, Grund- und Capital - Rente, ganz übergangen werden können. Denn (S. 77) was der Menfch im wirthfchaftlich gefelligen Vereine aus feinem Grund und Boden zieht, und die Vortheile, welche ihm bey feiner wirthschaftlichen Thätigkeit die Benutzung feiner Capitale gewährt, find doch eigentlich nur Gottesgegefchenke, oder die koftenlofe Frucht einer fchon früher belohnten Betrieb famkeit, alfo etwas, wofür man keinen Aufwand zu machen, und daher auch keinen zu berechnen braucht. Was aber die Rubrik für Arbeitslohn anlangt, fo wird auch diefe wegfallen müssen, weil alle unfere Arbeitserzeugnifle nur Producte äufserer Arbeitsfähigkeit find, diefe Arbeitsfähigkeit aber, eben fo, wie unfer Grund und Boden und feine Ertragsfähigkeit, hier nur als reines Gottesgefchenk betrachtet werden müssen, und wenn wir das aufrechnen, was wir zur Erhaltung diefer Arbeitsfähigkeit in ihrem erfoderlichen Zuliande aufgewendet haben, von einem weiteren Aufwande für unfere Arbeit nicht mehr die Rede feyn kann. Die Folgen diefer Darstellung des Wefens des reinen Ertrags und feine Berechnungsweise hat der Verf. (S. 78 folg.) kürzlich aus einander gesetzt, und wir erfuchen unfere Lefer, welche der Gegenftand intereffirt, die Abhandlung felbft nachzulefen.

V. Die drey Syfteme der Staatswirthschaft in Beziehung auf die Staatsverwaltung im Königreiche Sachfen, von Pölitz. Eine Vorlefung, welche der Verf. bey der Anwefenheit des jetzigen Königs von Sachfen, bey der Huldigung im November des vorigen Jahres zu Leipzig, vor demfelben halten wollte, woran er aber durch den Tod der Königin verhindert wurde. Der Verf. giebt hier zuerft eine gedrängte Darstellung der Hauptfätze der bekannten drey staatswirthschaftlichen Syfteme; doch den interessantesten Theil der Vorlefungen gewähren die Hinblicke auf die Vortheile, welche Sachfen feit der Regierung des Kurfürften Auguft von der Mitte des Techzehnten Jahrhunderts an daraus zog, dafs das Gouvernement der wirthschaftlichen Betriebfamkeit des Volks, ohne Einmifchung im Geifte des Merkantilfyftems, überall möglichst freyen Lauf liefs, und das laiffez faire zur Grundregel feiner Gewerbs- und Handels- Politik machte. Möge fein guter Genius es immer auf dieTer heilbringenden Bahn erhalten! In ihrer umfichtigen und nüchternen Verfolgung liegt der Grundstein für die Ewigkeit und Dauer feines Wohlftandes.

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VI. Andeutungen über die Befirebungen der

darmstädtischen Rathe von Meferitz zu Frankfurt a. M. Enthält beachtungswerthe Betrachtungen über die Nachtheile der fich fo fehr widerftrebenden Tendenzen der Wortführer unferer verfchiedenen politischen Parteyen.

VII. Ueber das gefellschaftliche Leben der Papous - Infulaner; vom kaif. rull. Hofrathe und Ritter D. Tilefius. Eine weitfchweifige und breite Darstellung des Baues der Schädel diefes wilden Infelvolks, die zwar für den Naturhistoriker Werth haben mag, aber zuverläffig nicht für den Freund der Gefchichte und Staatskunft. Er erfährt vom gefellschaftlichen Leben diefer Wilden, alfo von dem, was ihn intereffiren konnte, fo viel, wie nichts.

VIII. Papfithum; vom Prof. Schneller zu Freyburg im Breisgau. Ein kurzer Umrifs der Gefchichte des Papfithums, von feiner Entstehung bis auf die neuesten Zeiten.

IX. Ueber das Steigen und Sinken der europäi fchen Staaten und Völker feit dem Ende des funfzehnten Jahrhunderts, bis zum Ausbruch der franzöfifchen Revolution. Portugal, Spanien, Frankreich; von Pölitz. Ein gut vorgetragener Auffatz, aber leider nur zu allgemeine Andeutungen enthaltend. X. Die Refultate der in den Jahren 1820 bis 1823 gepflogenen Congrefsverhandlungen für die Herfiellung eines gemeinfchaftlichen Zoll- und Handels-Syftems unter mehreren deutfchen Bundesftaaten, von von Meferitz. Nicht die Refultate der Darmstädter Handels-Congrefs - Verhandlungen - denn folche hatten ja jene Verhandlungen bekanntlich nicht

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fondern eine Erzählung des Inhalts jener Verhandlungen in ihrer letzten Periode, namentlich des von Seiten des königl. würtemberg. Bundestagsgefandten durch die Austheilung der Note vom 22 November Sitzung des Congresses am 1 Julius j. J. erfchienene 1822 gemachten Verfuchs, die in der funfzehnten Meinungsverfchiedenheit durch vermittelnde Vorschläge zu vereinigen, und der hierauf, bey den Conferenzen zwifchen den Bevollmächtigten, zwifchen Baiern, Würtemberg, Baden, den beiden Heffen und Nassau, am 22 und 23 Februar und 22 März j. J. über die würtembergischen Vereinigungsplane gepflogenen weiteren Verhandlungen; womit fich bekanntlich der Betrieb jener Angelegenheit fchlofs, indem die gegenfeitigen fchriftlichen Mittheilungen, welche nach der Abrede vom 22 März 1823 Stalt finden follten, nicht Statt gefunden haben, vielmehr, feitdem der grofsherz. Hof zu Darmstadt, der früherhin die Sache am lebhafteften betrieb, in der Circularnote vom 3 Julius 1823 fich von der ferieren Theilnahme daran losgefagt hatte, weitere Verhandlungen nicht mehr vorgekommen find. Obwohl die deutfchen Länder, deren Regierungen den Verein fchliefsen wollten, das Nichtzuftandekommen deffelben zu beklagen haben mögen? Der Verf. hat diefe Frage ganz unberührt gelaffen; hätte er fie aber berührt, er würde fie fchwerlich ganz haben bejahen können. So viel ist

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