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Der Wurfpfeil wird von byzantinischen Taktikern bis ins 9. Jahrhundert erwähnt. Im 8. Jahrhundert heißt er uagtĽoßágßovkov 1) oder μarvuάosovλov 2), am Ende des 9. oaliẞa). Er wurde damals im Köcher getragen). Im Westen) ging der Name plumbata über auf die Kriegswaffe, die wir unter dem Namen Morgenstern kennen. Jedoch mag mit dem alten Wurfpfeil identisch gewesen sein die Jagdwaffe, die sich noch späterhin unter dem Namen. iaculum, altfranzösich javelot, mhd. gabylôt findet. Denn wenn es Parzival (ed. E. Martin) 139,9 heißt: Dô greif der knappe maere zuo sîme, kochaere: vil scharphiu gabylôt er vant, so kann es sich natürlich nur um einen Speer in Größe eines Pfeiles gehandelt haben, sonst wären eben nicht viele in einen Köcher gegangen.

Der Bogen

war bekanntlich ursprünglich keine nationalrömische Waffe. Aber in den ständigen Partherkriegen mußten sich die Römer mit ihm vertraut machen"). So kommt es, daß bei Ammian die sagittarii zu Pferde wie zu Fuß) eine große Rolle spielen (vgl. oben S. 256). Die Not. Dign. zählt eine große Reihe von equites und pedites sagittarii auf, Vegetius verlangt, daß ein Viertel bis ein Drittel der Rekruten im Bogenschießen ausgebildet wird?). Noch viel weiter ist man im 6. Jahrhundert gegangen: jetzt ist fast das ganze Heer), Fußvolk wie Reiterei, mit dem Bogen bewaffnet, die Fechtweise hat somit den altrömischen Charakter abgestreift und ist völlig orientalisiert. Prokop gibt eine begeisterte Schilderung von den Leistungen der Bogenschützen seiner

1) Maurik. (Urbikios) XII 8, 2. 4. 5 u. ö.

*) Leo VII 4 (in der Neuausgabe von R. Vari, Budapest 1917, VII 3: μαρτζυβάςβουλον).

3) Maurikios (Urbikios) XII 8, 5.

*) Das Folgende nach R. Neher S. 29.

5) Kaiser Commodus ließ sich von Parthern im Bogenschießen unterrichten (Herodian 1, 15, 2).

⚫) Erstere häufig, letztere XXXI 12, 2: pedites sagittarii; XXX 1, 11: cum sagittariis mille succinctis et levibus.

7) Veget. I 15 Anf. Wenn er II 23 S. 58, 3ff. die vorzüglichen Schießleistungen der Bogenschützen rühmt, spricht er von einer vergangenen Zeit.

*) Prok. BG. I 27, 27. Der Anon -Köchly setzt voraus, daß das ganze Fußvolk den Bogen führt: z. B. XXXVI 3; XXXVII 8.

Zeit, die im vollen Rosseslauf Pfeil auf Pfeil entsenden, indem sie die straff gespannte Sehne nach dem rechten Ohre hin aufziehen1). Der Köchlysche Anonymus gibt am Schluß seines Buches ein interessantes Schießreglement"), welches zeigt, wie liebevoll diese Kunst in der Zeit Justinians gepflegt wurde.

Leider finden sich nirgends nähere Angaben über Material und Größenverhältnisse der Bogen und Pfeile. Der in den Insignien des magister officiorum des Ostreiches (Or. XI) abgebildete Bogen zeigt eine doppelte Krümmung, eine Form, die wir bereits früher bei römischen Auxiliartruppen nachweisen können3). Denselben Bogen, anscheinend von mittlerer Größe, sehen wir auf der Arcadiussäule 4). Eine Abbildung des Sassaniden Chosrau II. zeigt uns den König, wie er den Pfeil nach dem rechten Ohre hin anzieht"), wie es Prokop (s. o.) beschreibt. Auch das Anziehen nach dem Halse und nach der Brust hin ist bildlich und literarisch nachzuweisen, galt aber für weniger gut®).

Die Streitaxt.

In der Literatur wird die Streitaxt in diesem Zeitalter nur selten erwähnt: einmal bei Ammian und einmal bei Prokop'), bei diesem aber in einer Weise, die auf ihren häufigen Gebrauch schließen läßt. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Insignien beider magistri officiorum (a. a. O.) sowohl einfache wie Doppeläxte zeigen, daß ferner die rinovois securis bei den späteren byzantinischen Taktikern ständig eine große Rolle spielt3).

Im Nydamer Moor haben sich zahlreiche Äxte gefunden, in denen wir eine weit verbreitete Abart der fränkischen Francisca, eine Schmalaxt ohne die für diese typische Krümmung von Klinge und Schaft, wiederfinden). Der Typ Nr. 410 ist aber

1) Prok. BP. I 1, 12-15.

2) Anon.-Köchly S. 198-209.

3) Z. B. bei den Bogenschützen Hyperanor und Monimus, Lindenschmit, Bewaffnung, Taf. V 2 und 3.

4) Reinach a. a. O. Fig. 6; Geffroy a a. O. Spirale 2 und 5 von oben.

5) Diehl, Justinien, S. 209. Bei Jähns a. a. O. 32, 9 irrtümlich als Firuz bezeichnet.

6) Diehl Justinien, S. 99 Fig. 37: Reiter den Bogen zur Brust hin spannend. Anon.-Köchly, ñeqì vožrias I 9 (S. 200).

7) Amm. XIX 6, 7; Prok. BP. II 21, 7.

8) Z. B. Leo tact. VI 25; VII 4 (3 ed. Vari).

9) Müller, Ordning 408-410. Vgl. Lindenschmit, Altertumskunde, S. 192.

auch als spätrömisch nachzuweisen. Wie mir Herr Geheimrat
Schuchhardt liebenswürdigerweise mitgeteilt hat, befindet sich
im Berliner Völkerkundemuseum Nr. I f. 5306 eine Schmalaxt
genau von dieser Form, gefunden in Reichersdorf bei Guben i
d. Lausitz, unzweifelhaft als spätrömisch (3. bis 4. Jahrhundert)
nachzuweisen, da sie sich zusammen mit einem Schwert gefun-
den hat, das den Stempel Natalis trägt (Nr. I f. 5309). Noch
einmal hat sich dieser Typ in einem Urnenfeld zu Hagenow
in Mecklenburg, 4. oder 5. Jahrhundert, gefunden 1).

IV. Die Artillerie.

Im 4. Jahrhundert ist das Palintonon, das Steilgeschütz, ver-
schwunden. Ammian kennt die ballista, unter der er das alte,
zeitweise auch catapulta genannte, Euthytonon versteht, ferner
den onager oder scorpio, den uovάyzwv der Griechen, die schwere
einarmige Riesenschleuder 2). Nach seinen Angaben hat Erwin
Schramm dieses Geschütz rekonstruiert). Vegetius kennt leichte
und schwere Ballisten, den onager und die arcuballista, wohl
die unter dem Namen gastraphetes bekannte griechische Arm-
brust). Diese bezeichnet er als damals besonders üblich. Prokop
nennt ẞalliorga und övaygos, von jener gibt er eine Beschreibung3).
Die alte Ansicht, wonach unsere Zeit eine zweite Artillerieperiode
bildet, in der statt der Kraft der Torsion diejenige stählerner
Bogen verwandt wird), ist seit Schramms Forschungen als

1) R. Beltz, die vorgeschichtl. Altertümer des Großherzogtums Mecklenburg-
Schwerin. Tafelband. Schwerin 1910. Tafel 68, 8.

2) Beschreibung der ballista Amm. XXIII 4, 1–3; ferner XIX 1, 7; 5, 6 f.
XX 7, 10; 11, 20 ff.; XXIV 2, 13; 4, 16; Beschreibung des onager oder scorpio
XXIII 4, 4-7; ferner XIX 2, 7; 7, 6; XX 7, 10; XXIV 4, 16; XXXI 15,
12. XXIV 2, 13 catapultis atque ballistis (?).

3) E. Schramm, Griech.-römische Geschütze. Metz 1910; Die antiken
Geschütze der Saalburg, Berlin, 1918, S. 70ff.

4) Veget. IV 22. scorpio erklärt er hier als eine veraltete Bezeichnung
für manuballista; auch nach Amm. XXIII 4, 4; XXXI 15, 12 ist onager der
damals übliche Name. Der soldatische Sprachgebrauch hat auf diesem Ge-
biete eben sehr geschwankt. Sonstige Belegstellen für die einzelnen Ge-
schütze bei Vegetius s. ed. Lang Index.

5) Balliste Prok. BG. I 21, 14– 17; ferner 22, 21; 23, 11; IV 35, 9. Onager
BG. I 21, 18—19. Die Schicksale dieses Geschützes im späteren Mittelalter
s. bei Jähns a. a. O. S. 472. 501. 638 ff.

6) Köchly-Rüstow, Griechische Kriegsschriftsteller I S. 188. 190 usw.
Grosse, Römische Militärgeschichte.

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erledigt zu betrachten. Die Geschütze Ammians und Prokops
sind Torsionsgeschütze, und während diese im Abendlande nach
dem Sturze Westroms in Vergessenheit geraten, haben die Byzan-
tiner sie anscheinend wenigstens bis ins 10. Jahrhundert bewahrt.
Denn z. B. noch die aus dieser Zeit stammende Strategik des Kaisers
Nikephoros nennt neben dem uάyyavov dies ist der alte onager -
μάγγανον
das στρεπτὸν μετὰ λαμπροῦ). στρεπτόν ist der technische Ausdruck
für ein Torsionsgeschütz, lauлgóv für griechisches Feuer, wir haben
es hier also jedenfalls mit einer Pyroballiste zu tun.

"

Der Anon. de reb. bell. bringt zwei Bilder von Geschützen,
die balista quadrirotis und balista fulminalis (S. 11. 21). Diese
Abbildungen mit ihrem sonderbaren senkrecht stehenden Bogen
sind zunächst ganz unverständlich. Infolgedessen hat E. Schramm
sich bei seiner Rekonstruktion der balista fulminalis auch ganz
über die Zeichnung hinweggesetzt und sich nur an die wörtlichen
Angaben des Anonymus gehalten. Dieses auf der. Saalburg
stehende Geschütz ist nichts als ein gastraphetes, mit stärker
dimensioniertem Bogen, der wie die Euthytona auf eine Basis
gestellt ist❝ 2). Also ganz ähnlich wie jene mittelalterlichen
Bogengeschütze, die nichts weiter als eine verstärkte Armbrust
waren. Demgegenüber hält Neher auf Grund der genaueren
und zuverlässigeren Bilder anderer Handschriften an dem auf-
recht stehenden Bogen fest und erklärt die balista quadrirotis
des Anonymus als eine Kombination von Torsions- und Bogen-
geschütz, indem das Spannervenbündel die Sehne des elastischen
Bogens bildet und durch die Elastizität dieses Bogens in Spannung
gehalten wird. Die balista fulminalis ist nach ihm ein Bogen-
geschütz, doch ist mir seine Erklärung ohne bildliche Darstellung
nicht verständlich geworden. Ob, wie er behauptet, uns die
balista fulminalis in den Beschreibungen Ammians und Prokops
wieder begegnet, sie also eine praktische Bedeutung gehabt hat,
möchte ich sehr bezweifeln). Dies alles wird sich erst beurteilen
lassen, wenn seine Ausgabe des Anonymus mit Bildern er-
schienen ist. Und auch dann wird erst eine Rekonstruktion
die Frage endgültig entscheiden können.

1) Strategika imperatora Nikiphora, ed. Kulakovskij, Petersburg 1908,
S. 5, 3-6 und die Bemerkungen auf S. 33f. (russ.).

2) Neher a. a. O. S. 45 Anm. 4.

3) So schon R. Oehler, Zeitschr. für das Gymn. 66 Jahrg. (1912) S. 229.

Sach- und Namenverzeichnis.

Die Ziffern bedeuten die Seiten, A. bedeutet Anmerkung. Mit C beginnende Wörter suche

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