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Truppenteile waren, die, gering an Zahl, aber ausgezeichnet bewaffnet und kriegsgeübt, Justinians Vandalen- und Gotensiege erfochten.

Die foederati1).

Im 4. Jahrhundert nannte man Foederaten ausschließlich die Rom verbündeten, zum Schutz seiner Grenzen verpflichteten Nachbarstämme (s. ob. S. 80ff.), und noch im fünften ist das Wort in dieser Bedeutung dauernd nachweisbar2). Aber seit der Zeit des Kaisers Honorius können wir einen Wechsel des Wortsinnes beobachten3): von jetzt an heißen so gewisse aus barbarischen Söldnern bestehende Truppenteile.

Der Ursprung dieser Foederaten ist in Dunkel gehüllt. Noch im Jahre 515 scheinen sie ein Mittelding zwischen staatlichen und Privatsoldaten gewesen zu sein: ausländische Söldner, von Condottieris geworben und unter ihrem Kommando vom Staate übernommen. Denn damals empörte sich Vitalianus, wahrscheinlich comes foederatorum1), weil die unter ihm stehenden Truppen nicht mehr die annonae foederaticae erhalten hatten 5). Hier sehen wir auch das tertium comparationis zwischen den Foederaten im alten und neuen Sinne: beide waren Barbaren, und ihre Führer erhielten für die geleistete Waffenhilfe die annonae foederaticae, die sie an ihre Leute verteilten ®).

In klare Beleuchtung treten die Foederaten aber erst im Zeitalter Justinians. Wenn wir mit unsern eben geäußerten Ver

1) Mommsen, Militärwesen S. 233 241 ff. identifiziert Foederaten und Bucellarier. Dies wurde richtig gestellt durch Lécrivain (Les soldats privés au Bas Empire) und Benjamin (De Iustiniani imp. aetate etc.; Foederati, Pauly-Wissowa VI 2 Sp. 2817f.). Gegenüber B., der noch immer zu stark den privaten Charakter der F. betont, hebt Maspero (Poidspãtoi et otqatiñtai) hervor, daß sie reguläre Staatstruppen waren. Vgl. ferner A. Müller, das Heer Justinians, S. 114ff.

2) Z. B. Nov. Valent. IX (vom J. 440); Nov. Theod. XXIV 2 und 3 (443). Weitere Beispiele Militärwesen S. 217 226 Anm. 5, jedoch fasse ich im Gegensatz zu Mommsen foederati Nov. CIII 3 § 1 im neuen Wortsinne auf. 3) Olympiodor. no. 7; Prok. BV.I 11, 3f.

4) Sein Vater Patrikiolos hatte nach Theophan. Chronogr. a. 6005 (S. 242, 3 Bonn) diese Charge. Ein Areobindos c. f. erscheint schon unter Theodosius I., Malal. S. 364, 13.

❝) Ioh. Antioch. ed. Mommsen, Hermes VI S. 350.
*) Vgl. ob. S. 84.

mutungen recht haben, so müssen sie bald nach dem Aufstand des Vitalianus vielleicht infolge der schlechten Erfahrungen, die man damals mit ihnen gemacht hatte gründlich reformiert worden sein. Denn von nun an erscheinen sie als Staatstruppen, nichts verlautet mehr davon, daß sie privaten Charakter getragen hätten. Allerdings bestanden sie nach wie vor aus barbarischen Söldnern. Möglich ist, daß einzelne Römer unter ihnen dienten1), aber sicherlich nur ausnahmsweise. Wir finden unter ihnen Goten2), Heruler 3), ferner Hunnen, Sclavenen und Anten1), in der Regel werden sie national gemischt gewesen sein"). Infolgedessen hatten sie das Privileg, ihren häretischen Glauben behalten zu dürfen). Trotz ihrer barbarischen Herkunft scheinen sie völlig römisch organisiert gewesen zu sein. Kommandiert waren sie von äggovtes?) also wohl Tribunen- oder comites ) foederatorum. Gelegentlich erfahren wir, daß ein solcher schon vorher den Dukat bekleidet hatte"). Ernannt wurden sie vom Kaiser, und es kam vor, daß ein höfischer Heermeister zugleich agzwv poidɛgáτwv wurde 1o). Wir sehen daran, wie ungemein hoch das Ansehen dieser Truppenteile und ihrer Kommandostellen war, und in der Tat machten diese Offiziere oft schnelle und glänzende Karriere 11). Daß bei ihnen die Zahlmeister, die optiones oder chartularii, eine große Rolle spielten, haben wir schon oben (S, 194) gesehen. Selbstverständlich waren die Regimenter der Foederaten viel vornehmer als die der Reichsarmee, Prokop nennt sie immer an 1. Stelle 12), nur die Scholen stehen ihnen voran 13). Eingeteilt waren sie in

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1) Nach der grundlegenden Stelle Prok. BV. I 11, 4 war dies nicht ausgeschlossen.

2) Cod. Iust. I 5, 12 § 17.

3) Prok. BG. III 33, 13.

4) Prok. BG. I 27, 2 und öfter.

5) Olympiodor. no. 7: Siagógov xaì ovμμiyous πλýdovs. Vgl. Anm. 1.

❝) Cod. Iust. I 5, 12,

2) Z. B. Prok. BV. I 11, 5.

8) Oben S. 280 Anm. 4.

9) Dorotheos Prok. BV. I 11, 5.

10) Artabanes Prok. BG. III 31, 10.

11) Die Laufbahn der 9 άoxovtes 9. Prok. BV. I 11, 5f. s. im Index oder

qei Benjamin, De lustiniani i. aetate etc. S. 11 Anm. 6.

12) Prok. BV. I 11; II 3, 4 ff.; 15, 50.

18) Nov. CXVII 11: Aufzählung von unten nach oben: orgariõtai φοιδεράτοι – σχολάριοι.

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Táyμata1), sie gehörten zur militia armata") und trugen zum Zeichen des kaiserlichen Dienstes die Cúvn (cingulum), deren sie zur Strafe beraubt werden konnten). Sold und annona wurde ihnen aus öffentlichen Mitteln gezahlt').

Im Gegensatz zu den Privatsoldaten, den Doryphoren und Hypaspisten, bildeten sie zusammen mit den orqariwraι den orgatós3). Gelegentlich werden auch beide, Reichstruppen und Foederaten, unter der Bezeichnung orqariwraι zusammengefaßt®). Eine Reihe von Bestimmungen sind für beide in gleicher Weise gültig: es war ihnen verboten, Land zu pachten') und Privatleuten zu dienen ); ihre Frauen durften sich während eines Feldzuges nicht ohne weiteres wieder verheiraten, selbst wenn sie die Nachricht von dem Tode ihres Mannes erhielten 9).

Der Unterschied zwischen orgatiwtai und Foederaten liegt, abgesehen von ihrer verschiedenen Nationalität, auf taktischem Gebiete. Jene waren, wie wir gesehen haben, Garnisontruppen, die vor dem Feinde nur eine ganz untergeordnete Rolle spielten. Die Foederaten waren aber eine stets verfügbare Operationsarmee. Prokop sagt niemals, woher sie kamen, und so hatten sie vielleicht überhaupt keine festen Garnisonen. Bezeichnend ist, daß sie sich in der ruhigen Provinz Ägypten überhaupt nicht mit Sicherheit nachweisen lassen 10). Eine Ausnahme machte nur Konstantinopel: hier lernen wir 54811), 56212) und 57418) einen ἄρχων bzw. κόμης φοιδεράτων kennen. Nicht unwahrscheinlich ist die Vermutung, daß die Foederaten hier die Rolle einer Garde

1) Nov. CXLVIII 2.

2) Nov. CXVII 11.

3) Nov. CXVI.

4) Nov. CXLVIII 2.

5) Prok. BV. I 19, 13.

6) Nov. CXVI, Überschrift; Prok. BG. VI 27, 1f.; III 33, 13.

7) Cod. Iust. IV 65, 35.

8) Nov. CXVI.

9) Nov. CXVII 11.

10) Erst in der Chronik des Ioh. v. Nikiu S. 531 erscheint ein Ptolémée, préfet des barbares, in Alexandria. Vgl. Maspero, L'Égypte byz. S. 61f. 11) Prok. BG. III 31, 10: Artabanes.

12) Theoph. Chronogr. a. 6055 (S. 368, 3 Bonn); Malal. Hermes VI S. 379: Eusebios. Vgl. Benjamin, De Iust. i. aetate etc. S. 17.

13) Theoph. Chron. a. 6074 (S. 387, 16 Bonn): Maurikios.

spielten, nachdem die Scholen bei dem Nikaaufstande völlig versagt hatten.

Endlich waren die orgaτiura in der Mehrzahl Fußsoldaten, die Foederaten, ihrer Vornehmheit entsprechend, ausschließlich Reiter1). Über ihre Bewaffnung erfahren wir nirgends etwas Näheres. Ihre Existenz in späterer byzantinischer Zeit ist fraglich und bedarf noch der Aufklärung, auch auf Grund der orientalischen Quellen 2).

Die bucellarii.")

Wir haben bereits gesehen (oben S. 13 ff.), daß im 3. Jahrhundert die kaiserlichen Protektoren eine Nachahmung des germanischen Gefolgswesens darstellten. Sie verloren bald den ursprünglichen Charakter, aber das kaiserliche Vorbild wurde späterhin ganz allgemein von den Privaten nachgeahmt. Auf diesem Wege gewann das germanische Institut eine so gewaltige Bedeutung, daß wir es erst in seinen Grundzügen darstellen müssen, bevor wir zu der römischen Analogiebildung übergehen.

Das Gefolgswesen beruht auf allgemein menschlichen Verhältnissen: der Schwächere sucht Anlehnung und Schutz bei dem Stärkeren und Angeseheneren und lohnt ihm die Hilfe, die er hier

1) Wenn der ἄρχων φοιδεράτων Ἰωάννης Prok. BV. II 5, 5 einen λόχος neginós führt, so ist dies kein hinreichender Gegenbeweis. Es kann ihm ein Detachement orqatıõrai unterstellt worden sein.

2) Const. Porphyr. de cer. II 52 S. 734, 3: tovoμágyai tãv gißegátæv. Vgl. Gelzer, Themen verfassung, S. 19.

3) Militärwesen S. 233 241 ff. Dazu vgl. ob, S. 280 Anm. 1. Lécrivain, Les soldats privés au Bas Empire, hat die ganz unglückliche Idee, die Privatsoldaten gingen zurück auf die beneficiarii, seien also nur erweiterte officia. Grundlegend war Benjamin, De Iustiniani imp. aetate etc. Der germanische Charakter des Instituts wurde klargestellt durch Seeck, das deutsche Gefolgswesen auf röm. Boden, ferner: Bucellarii, Pauly-Wissowa III 1 Sp. 934ff. Diese fast erschöpfende Zusammenstellung des Quellenmaterials wird in bezug auf ägyptische Verhältnisse ergänzt von Maspero, L'Égypte byzantine S. 66ff. A. Müller, das Heer Iustinians, S. 116ff. gibt eine Darstellung der b. fast nur auf Grund von Prokop und Agathias, ohne Neues zu bieten. Guilhiermoz, l'origine de la noblesse I 1 sieht in den b. eine römische Institution und bekämpft Seecks Auffassung mit sehr beachtungswerten Gründen, von deren Stichhaltigkeit ich mich aber nicht habe überzeugen können. Delbrück, Gesch. der Kriegskunst II S. 470 ff. nimmt eine vermittelnde Stellung ein (vgl. ferner S. 356, 408. 416. 449). Ich gebe im folgenden vor allem Seecks Ausführungen wieder.

findet, mit hingebender Treue. So finden sich ähnliche Einrichtungen bei allen möglichen Völkern, z. B. bei den Kelten. Das germanische Institut kennen wir vor allem aus der klassischen Schilderung des Tacitus in seiner Germania (13. 14) und aus dem Beowulf1). Lateinisch heißen die deutschen „Degen" 2) comites), d. h. die Begleiter ihres Herrn in Kampf und Gefahr, oder auch clientes*), ein Ausdruck, durch den ihre Hörigkeit, die Unterordnung dem Patron gegenüber hervorgehoben wird. Großenteils waren sie aristokratischer Herkunft, es fanden sich unter ihnen aber auch Angehörige aller anderen Stände, die sich einem kriegsberühmten Häuptling gegenüber verpflichteten. Die Größe der Gefolgschaften war verschieden; der Alamannenkönig Chnodomar hatte 200 comites), während Amalafrida, die Schwester des Ostgotenkönigs Theoderich, zu ihrer Hochzeit von 1000 dogvgógor und 5000 streitbaren Knechten geleitet wurde). Die Degen waren verpflichtet, ihren Herrn im Kampfe zu schützen) und ihn unter keinen Umständen zu verlassen; als Chnodomar gefangen wurde, teilten seine Gefolgsleute freiwillig dieses Schicksal. Neben diesen idealen Zügen fehlen natürlich nicht die dunklen Schatten: oft genug wird der Herr seine Mannen auch zu blutigen Geschäften benutzt haben). Ihre soziale Stellung scheint mit der Zeit gesunken zu sein. Während sie ursprünglich die ständigen Tischgenossen ihres Herrn waren, wohnten sie bei den ostgotischen Königen nur noch stehend ihren Mahlzeiten bei, ohne an ihnen teilzunehmen 9). Der Gefolgsherr mußte seinen Leuten Nahrung, Waffen und Pferde geben, außerdem erwarteten sie von seiner „, Milde" (d. h. Freigebigkeit), recht häufige und reiche Ehrengeschenke 1o).

1) A. Köhler, Germania XIII 148.

=

2) Das Wort hat nichts mit der Waffe zu tun (vom mittellatein. dagua = Dolch), sondern ist urverwandt mit tέxvov Knabe, vgl. Wasserzieher, Woher? Etymol. Wörterb. 2. Aufl. S. 22.

3) Tac. a. a. O.; Amm. XVI 12,` 60.

4) Tac. ann. I 57; II 45; XII 30.

5) Amm. XVI 12, 60.

*) Prok. BV. I 8, 12.

7) Tac. Germ. 14; Prok. BG. IV 35, 25; Agath. II 14 (S. 202, 16).

8) Prok. BG. I 26, 1.

9) Prok. BG. III 1, 47.

10) Tac. Germ. 14; Cod. Euric. 310 bei K. Zeumer, Leges Visigothorum antiquiores 13.

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