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erfolgt (z. B. Galizien). Jedenfalls sind die einheimischen Kriegskarten ähnlichen Maßstabes bezüglich Beschreibung von Ortschaftsnamen fast ebenso inhaltsreich wie die Flemmingschen Karten, ganz abgesehen von dem Plus an Schrift für die chorographischen Verhältnisse, deren Darstellung doch in keiner Kriegsschauplatzkarte geringerer Verjüngung etwa bis 1 1,000.000 fehlen darf.

Die „Kriegskarte" (?) für das westliche Rußland 1: 2,000.000 ist das Blatt Nr. 13 der Verkehrskarte eines Verlages in Lissa i. P. Durch den großen Aufdruck des Wortes,,Kriegskarte“ wird die Karte nur umgetauft, bleibt aber eine gewöhnliche Eisenbahnkarte mit recht auffallend gedruckten Bahnlinien. Bloß im russischen Teile sind die ,,Landstraßen" eingezeichnet.

Eine kleine Kartenskizze, die zur leichten Verfolgung eines Vortrages über die Geographie des östlichen Kriegsschauplatzes dem Sonderabdruck beigeschlossen ist, macht wohl nicht Anspruch auf eine Kriegskarte! Der interessante Vortrag des Berliner Professors Dr. Tiessen ist aber sehr aktuell gehalten und gibt ein recht gutes Bild der schwierigen geographischen, eigentlich geologischen und der politischen Verhältnisse auf dem östlichen Kriegsschauplatze. Das Kärtchen enthält natürlich nur jene Namen, die im Vortrage erwähnt sind und ist ein kleiner Klischee-Schwarzdruck.

Bloß der Vollständigkeit wegen seien auch jene ,,Karten" besprochen, welche wohl nur aus rein geschäftlichem Interesse auf den Markt geworfen werden und kartographisch ganz ohne Wert sind. Sie sind autographisch, also mit gewöhnlicher lithographischer Fettinte gezeichnet und durch Verwendung von zwei Farben beim Druck etwas leichter lesbar gemacht. Die ,,Seekriegskarte" und die „Übersichtskarte vom westlichen und östlichen Kriegsschauplatz" enthalten nur ein schütteres Netz von Eisenbahnen, die größeren Städte und ein blau gedrucktes Flußnetz. Nur der billige Preis dieser Erzeugnisse 30 Pfennige - gibt nachzudenken. Er allein wird diese Karten den weniger geübten Kartenlesern in die Hände spielen. Eine gute Karte kann um diesen Preis nicht hergestellt werden. Durch derartige Erzeugnisse des Geschäftsmannes ist man als Kartograph eigentlich beschämt, wenn der Aufdruck,,Nachdruck, auch auszugsweise, verboten" nicht zum Lachen reizen würde.

Unwillkürlich drängt sich bei der Betrachtung solcher Blätter der Vergleich mit den Karten längst vergangener Zeiten auf. Insbesondere vom Gebiet des ,,noch nicht verlorenen Polens" bestehen eine Reihe wunderschöner Karten, die gleichzeitig eine deutliche Geschichte dieses Landes sind. Diese prächtigen Karten unserer Ahnen sind offenbar für unseren modernen Kartographen sehr vorbildlich und anregend. In der

,,Karte von Polen und nach dem Frieden von Tilsit eingeteilt" hat schon im Jahre 1810 Ingenieur Stanislaus Bendziny die Grenzen Polens ebenso eingezeichnet, wie dies Dr. K. Peucker bei seiner Bearbeitung der Freytagschen Karte tat!

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Auch die ein Jahr früher 1809 bei T. Mollo & Comp. in Wien erschienene,,Postkarte durch ganz Teutschland, Italien, Frankreich, Niederland, Preußen, Polen und Ungarn" enthält bei fast gleichem Maßstab wie die 30-Pfennig-Karte mehr Ortsnamen wie diese! Fast ehrfurchtsvoll schlägt man den Atlas Scholasticus aus dem Jahre 1752 auf und siehe! Das Blatt 24 Mappa Geographica Regni Poloniae enthält fast ebensoviele lagerichtig dargestellte Ortschaften, wie die jüngsten Erzeugnisse eines modernen Geschäftsgeistes! Selbst die noch einmal so stark verjüngte Karte von Europa aus dem Jahre 1743, gezeichnet von Professor Johann Mathias Has, das zweite Blatt dieses über 160 Jahre alten Atlasses enthält mehr Details, als die,,Seekriegskarte 1914"... Damit seien diese Erzeugnisse erledigt.

So wie die Zeit der französischen Revolution und der Napoleonischen Kriegszüge einen unerhörten Bedarf an Karten hervorrief, ist es auch heute. Vor 100 Jahren stand Napoleon auf den besten Übersichtspunkten der Schlachtfelder und lenkte das Schicksal der Heere. Aber wir kennen ein Bild des Kaisers, wo er über eine Karte gebeugt dargestellt ist, wie er mit bunten Nadeln Stellungen markiert, während zu seinen Füßen der König von Rom spielt. Heute ist es auch den Feldherren unmöglich, die Schlachtfelder zu überblicken. Die Landkarte ist das Fernrohr, mit dem nur die ungeheuren Fronten überblickt werden können. Die besten Karten sind da eben gut genug, und wenn die Fähnchen auf den Kriegskarten 1914 nur selten und um kurze Entfernungen verschoben werden können, so erklärt eine gute, inhaltsreiche und richtige Karte durch Darstellung aller maßgebenden Verhältnisse der Erdoberfläche die Ursachen des Verlaufes der Operationen.

Es wolle Gott, daß recht bald eine Karte erscheinen möge, welche die Früchte der ungeheuren Anstrengungen und Opfer für eine gerechte Sache verzeichnen kann!

Das Volk in Waffen.*)

Von Hptm. Johann Hani k a.

Fünf Jahre sind seit dem Abschlusse des gewaltigen ostasiatischen Kriegsdramas vergangen. Eine plastische Schilderung desselben, welche die Ursachen und deren Folgen, sowie die Wechselbeziehung aller auf den Verlauf der Ereignisse einwirkenden Kräfte klar erkennen läßt, fehlt noch immer. Jeder Krieg, der als ein Ganzes ins Auge gefaßt, einfach zu sein scheint, wird, von physiologischen Gesichtspunkten aus betrachtet, unendlich kompliziert. Man sieht sich einem fast unlösbaren Probleme gegenübergestellt. Durch die Formulierung des Kausalgesetzes, das jede Handlung als die zwingende Folgeerscheinung eines jeweilig in ganz bestimmter Art sich beeinflussenden Kräftekomplexes erklärt, haben wir in reeller Beziehung nicht viel gewonnen. Wo ist die Maßeinheit, welche es uns ermöglichen würde, die seelischen, intellektuellen und physischen Kampffaktoren, ferner die sonst auf das Gefecht bezughabenden Umstände zum Zwecke eines Wertigkeitsvergleiches in einwandfreien Größen auszudrücken? Nie sind die Kräfte in Ruhe; sie steigen, fallen, summieren sich und heben sich auf. Nur ein inmitten der Ereignisse stehender, allgegenwärtiger, alles erkennender Beobachter könnte sehen, wie die Spannungen wachsen, die Drücke sich überwinden, wie die Fäden reißen und das Zünglein an der Wage, welche Sieg und Niederlage trägt, zu Gunsten des einen Gegners verschoben wird. Schwer ist es, das Geschehene aus der Vergangenheit emporzuheben und in seiner Gänze, der vollen Wahrheit entsprechend, in unsrer Phantasie wieder aufleben zu lassen. Unsere Betrachtungen dürfen, selbst wenn man den ernstesten Forscherwillen und strengste Objektivität voraussetzt, nur selten Anspruch auf absolute Richtigkeit erheben. Wie oft sind wir nicht gezwungen, Voraussetzungen zu machen, Lücken in der Überlieferung durch einen kombinierenden Gedankengang auszufüllen, Deckfarben zu entfernen, um die tiefer liegende

*) Diese Studie ist im Jahre 1910 geschrieben worden.

Die Redaktion.

Wahrheit von dem Blendwerke der Berichterstattung zu trennen. Chamberlain schrieb in seinem Werke „Die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts":,,Ich bezeuge, daß in den verschiedenen Ländern selbst die bestverbürgte Geschichte, die der letzten drei Jahrhunderte gänzlich verschieden dargestellt wird. Ich darf daher ohne Übertreibung behaupten, daß das Prinzip des geschichtlichen Unterrichtes noch heute überall bei uns in Europa die systematische Entstellung sei. Indem die eigenen Leistungen immer hervorgehoben, die Errungenschaften der anderen verschwiegen oder vertuscht, gewisse Dinge immer ins hellste Licht gerückt, andere im tiefsten Schatten gelassen werden, entsteht ein Gesamtbild, welches sich in manchen Teilen nur für das subtilste Auge von der nackten Lüge unterscheidet. Die Grundlage aller echten Wahrheit, die gänzlich uninteressierte Gerechtigkeitsliebe, fehlt fast überall..." Chamberlains Worte gelten besonders der allgemeinen Geschichte Deutschlands, Frankreichs und Englands. Über die oft zu findende Eigenart der militärischen Berichterstattung spricht sich GLt. Sir Jan Hamilton, der in der Armee Kurokis die mandschurischen Feldzüge mitgemacht hat, in seinem „,Tagebuch eines Generalstabsoffiziers" folgend aus:,,Es steht fest, daß alle Rangstufen nach Beendigung eines Gefechtes dazu neigen, die Geschichte ihrer Heldentaten in eine Form umzugießen, die ihrem Charakter, bzw. ihrer Empfänglichkeit für nationale oder soldatische Großsprecherei entspricht. Für den eifrigen Historiker ist es dann schon zu spät, ans Werk zu gehen. Er kann die erlassenen Befehle und die daraus folgenden Bewegungen buchen, sowie Theorien und Lehren aus ihnen ableiten; aber die Hoffnungen und Sorgen, welche diese Befehle hervorriefen, bleiben ihm verborgen; das Lebendige, das eigentlich Wertvolle, das Walten der menschlichen und militärischen Seelenkräfte tritt in den Hintergrund. Am Schlachttage kann die Wahrheit durch Fragen ermittelt werden, am nächsten Morgen wird sie schon ausgeschmückt.“

Trotz Anführung vorstehender Zitate bitte ich nicht mißverstanden zu werden, denn nichts liegt mir ferner, als die Herabsetzung der Bedeutung des geschichtlichen Studiums und der operativen und taktischen Besprechungen jüngst vergangener Feldzüge. Ich wollte nur betonen, daß unsre militärwissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete des wechselvollen Krieges nicht allumfassend sein kann, daß sie vielmehr, weil sie jeweilig nur spezielle Richtungen ins Auge faßt, eine Bruchstückarbeit im Clausewitzschen Sinne ist. Als eine Bruchstückarbeit muß auch die folgende Studie angesehen werden.

Ich stelle mir die Aufgabe, die physiologische Grundlage, auf welcher der Krieg zum Ausbruche kam und zur Entscheidung drängte, einer Würdigung zu unterziehen. Diese ist auf russischer Seite zu

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