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Schwimmschulen, Exerzierplätze bereit. Die Truppenkommandanten sind angewiesen, Offiziere zur Verfügung zu stellen, die teils bei interessanten militärischen Übungen als Führer dienen sollen, teils die früher erwähnten Einrichtungen der Truppe, wie Feldtelephon, Fahrküchen etc., demonstrieren können. Zur Hebung der Wanderlust der Jugend wurde die Einrichtung getroffen, daß wandernde Schüler natürlich unter Führung des Lehrers vorübergehend in Kasernen untergebracht und gegen eine minimale Vergütung verköstigt werden können. Auch der Bezug von Konserven zum Regiepreis wurde der Jugend zugestanden, der Bezug von Karten zu besonders ermäßigten Preisen. So ist dem Ziehen in der Natur samt all dem Reizvollen, das es hat, Vorschub geleistet. Der Lehrer hat es in seiner Macht, den Tag während einer Wanderung abwechslungsreich zu gestalten, sei es auf dem Gebiete der Schule durch Unterstützung des Unterrichtes in der Naturgeschichte, Erd- und Heimatkunde und anderer Gegenstände, sei es außerhalb des eigentlichen Schulunterrichtes durch Pflege des militärischen Spieles, durch Gewöhnung der Knaben an Selbständigkeit während des Lagerns u. dgl.

So läßt sich die militärische Jugendvorbereitung zwanglos und organisch mit der beruflichen Tätigkeit des Lehrers verbinden, ohne sie zu behindern, im Gegenteil, sie wiederholt wirksamst unterstützend. Wenn es mir gelungen sein sollte, nur zum Nachdenken über diese Frage anzuregen, so wird der Erfolg nicht ausbleiben. Denn jener Lehrer würde seinen eigenen Vorteil verkennen, der diese ganze Reihe von Mitteln ablehnt, seinen starken persönlichen Einfluß auf die Schüler zu sichern und diese dadurch zu starken Persönlichkeiten zu machen. Daß diese Erziehung aber auch militärischen Interessen dient, möge vergessen werden, wenn man der Behauptung zustimmt, daß die Wehrund Mannhaftigkeit eines Volkes Selbstzweck und nicht Mittel zum Zweck ist.

Die Physiologie des Festungsangriffes.

Von Hptm. Johann Hanika des Festungsartilleriebataillons Nr. 1, Lehrer der Artilleriekadettenschule.

Vorliegende Arbeit ist eine Erweiterung der Studie des Hptm. Glatter,,Beitrag zum Studium des Angriffs auf Port Arthur"*), die ich mit regem Interesse und großer Freude gelesen habe. Aus einem Gusse bestehend, ohne Wenn und Aber, ohne Vorbehalte und Verklausulierungen wird in derselben die Situation beurteilt, der Entschluß gefaßt und in Befehlsform gekleidet. Sie engherzig kritisieren zu wollen, käme einem Verkennen der behandelten Materie und der Veränderlichkeit des Krieges gleich. Wir haben es mit einem konkreten Beispiel zu tun und es ist klar, daß verschiedene Temperamente und Auffassungen zu verschiedenen Resultaten gelangen müssen. Jedenfalls kann der von Hptm. Glatter konsequent ausgearbeiteten Lösung unter Festhalten an den gegebenen Umständen volle Aussicht auf Erfolg zugeschrieben werden. Wer jedoch bestrebt wäre, aus ihr feststehende Grundsätze abzuleiten, hätte nicht zu vergessen, daß ihn der Autor in das Angriffsgelände Port Arthurs versetzt und zu bedenken, daß sich mit dem Milieu und den tausend Absonderheiten, welche die Lage bedingen, auch das Wesen der Sache ändert.

Durch haarspalterisches Deduzieren entstehen jene redseligen Wissenschaften, die mit dem blutigen Abwägen der Kräfte nichts gemein haben, hingegen die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen und die gesunde Willenskraft lähmen. Lassen wir jedem Kriege sein Gepräge, jedem Falle seine Eigenheit.

Die Strategie nannte Moltke ein System verschiedenartiger Aushilfen; die Taktik ist das gleiche. Was früher unbewußt nur in betreff des Feldkrieges gesagt wurde, gilt sinngemäß im vollsten Maße auch für das Gefecht im Festungskampfe.

Es ist der 24. Oktober 1904.

*) Siehe Streffleurheft, September 1911.

Streffleur 1914, II.

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General Baron Kitua Nogi, Kommandant der 3. japanischen Armee, steht vor der Ausarbeitung der Befehle zur Durchführung des dritten allgemeinen Sturmes auf Port Arthur. Weder der erste in der Zeit vom 19. bis 24. August, noch der zweite in den Tagen vom 19. bis 22. September unternommene Angriff brachte einen Erfolg, der mit den Verlusten in Einklang gestanden wäre. Japans öffentliche Meinung ist erregt. Nun soll Port Arthur am 3. November dem Mikado als Geburtstagsgeschenk vor die Füße gelegt werden.

Durch die leichte Einnahme des Platzes in dem Kriegsjahr 1894/95 irritiert, wurde die Kampfkraft der russischen Festung augenscheinlich weit unterschätzt. Die unfertigen Werke sind in baulicher Hinsicht widerstandsfähiger, als man es sich gedacht hatte. Der Verteidiger ist in Anbetracht des für den Angriff in Frage kommenden Teiles des Gürtels stark zu nennen. Es war bisher nicht möglich, seine Hauptkampfstellung auch nur an einem Punkte dauernd zu durchbrechen. Man hat es diesesmal mit einem Gegner zu tun, dessen Kriegstüchtigkeit und Tapferkeit jener der eigenen Truppen nicht im mindesten nachsteht. Der Angriff muß sich mit improvisierten Artillerieparks behelfen. Geschützzahl und Geschützwirkung sind unzureichend, sonach weder im stande, einen größeren Gürtelabschnitt sturmreif zu machen, noch mehrere Werke innerhalb derselben gleichzeitig ausreichend zu schüttern. Durch die bisherigen tagelangen Beschießungen wurden zwar die Wälle und die auf diesen postierten Geschütze zerstört, aber die Sturmangriffe der Infanterie mußten jedesmal an der ungebrochenen Nah- und Grabenverteidigung zerschellen. Die blutige Erfahrung zwingt uns, den bisher gehegten und von der Theorie überlieferten Gedanken in breiter Front in den Gegner einzudringen, aufzugeben und uns zunächst auf die Eroberung des taktisch wichtigsten Punktes zu beschränken. Zur gleichen Erkenntnis gelangt man nach Berücksichtigung der Tatsache, daß im Kampfe mit permanenten Forts nur auf die Wirkung weniger Geschütze, der 18-28 cm-Haubitzen, zu zählen sei.

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Der uns durch die Verhältnisse aufgedrungene Angriffsplan kulminiert in folgender Forderung: Konzentrierung der artilleristischen Kampfmittel. Strikteste Feuervereinigung der 18-28 cm-Haubitzen gegen das Werk Nordkikwanschan. (Dieses soll, insoweit es überhaupt treffbar ist, durch tagelange unausgesetzte Beschießung zertrümmert werden.) Sichere Einnahme des taktisch wichtigsten Punktes, hierauf Aufrollen der feindlichen Gefechtslinie an Stelle der bisher erfolglosen Versuche, in breiter Front einzudringen.

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Der vorerwähnte Fall läßt sich noch prägnanter illustrieren!
Ein Monat später ist es der 24. November.

Das ausgelaufene baltische Geschwader soll den Japanern die Herrschaft zur See wieder entreißen. Die in der zweiten Novemberhälfte aus Tokio eingelangten gemessenen Weisungen drängen zur letzten äußersten Aufbietung der Kräfte, um ohne Rücksicht auf Verluste Port Arthur zu nehmen oder die im Hafen eingeschlossenen russischen Flottenreste zu vernichten. Die japanische Armee steht vor dem vierten Hauptangriff.

Am 27. November erläßt General Nogi nachstehenden Befehl*): 1.) Zum Angriff auf den Hohen Berg setzt die 3. Armee alles ei n.

2.) Die Belagerungsartillerie eröffnet sofort das Feuer gegen denselben. Zur Zerstörung der feindlichen Befestigungen auf dieser Höhe sollen ausschließlich 28 cm-Haubitzen verwendet werden.

3.) Sobald sich die Artillerie wirkung fühlbar gemacht haben wird, hat die 1. Division den Hohen Berg zu stürmen und zu nehmen.

4.) Auf den übrigen Fronten, hauptsächlich auf jener der jüngsten großen Gefechte, sind die Belagerungsarbeiten fortzusetzen und Demonstrationen zu dem Zwecke durchzuführen, den Verteidiger zu hindern, im Kampfe um den Hohen Berg Gegenangriffe zu unternehmen.

Nach dem Vorigen wurde das Ringen um die Entscheidung von der Ost- auf die Westfront verschoben. Der Hohe Berg ist der Hauptangriffspunkt. Zur Zerstörung feldmäßiger Befestigung werden die allerschwersten Geschütze eingesetzt. Es ist nicht klar, ob sich Punkt 2 auf die Feuervereinigung sämtlicher 28 cm-Haubitzen oder nur auf jene bezieht, welche den Hohen Berg momentan im Schußbereiche liegen haben. Warum versuchte man, da der dritte, wieder in breiter Front gegen die Ostfront gerichtete Angriff abermals ergebnislos verlief, es nicht noch ein viertes Mal mit der Absicht nach dem Zusammenfassen der Wirkung der schwersten Geschütze wenigstens einen Punkt in Besitz zu nehmen? Hatte man die Hoffnung, ein permanentes Werk im Sturme erobern zu können oder den Glauben an die Wirkung des vereinigten Artilleriefeuers, bzw. an die Möglichkeit, ein solches zu erzielen und längere Zeit zu unterhalten, aufgegeben? Es blieb dem

*) „Japanische Berichte über die Kämpfe, die zur Einnahme der Landbefestigungen Port Arthurs führten." Deutsche Übersetzung von Obstl. Ritter v. Ursyn-Pruszyński.

Minenkriege vorbehalten, dem Kampfe auf der Ostfront im Laufe des Dezember ein Ende zu bereiten.

Neben den operativen und taktischen Erwägungen waren es besonders rechnungsmäßige Betrachtungen, die Hptm. Glatter den Gedanken,,Die artilleristischen Angriffsmittel zu konzentrieren", nahe legten. Von der Annahme ausgehend, daß ein permanentes Werk, um sturmreif zu sein, auf jeden Quadratmeter der erreichbaren Fläche einen Bombentreffer erhalten müsse, folgert er:

Nordkikwanschan, 90 m breit, 80 m tief, hat 7200 m2 Grundfläche. Bei 45 km Schußdistanz und günstigster Lage des mittleren Treffpunktes, sind 72% Treffer zu erwarten. Um obige Forderung zu erfüllen, müssen daher 10.000 Schüsse abgegeben werden.

Nordkikwanschan soll am 3. November in unserem Besitze sein

10.000

Zur Beschießung stehen 8 Tage zur Verfügung. Es sind sonach 8 X 80 15 Haubitzen gegen dieses Fort einzusetzen. Von den restlichen drei hätten zwei das Werk Erlungschan, eine die Batterie Ostkikwanschan niederzuhalten.

Die Zahlen sind bestechend. Durch die Berechnung scheint man den mathematischen Beweis für die Erreichbarkeit des angestrebten Zieles erbracht zu haben. Wie aber wird der Krieg mit den von uns Theoretikern ausgeklügelten Werten verfahren? Es steht uns nicht zu, die Möglichkeit des Eintretens der erhofften günstigen Umstände zu verneinen; die Siegesgöttin ist zuweilen überraschend gnädig gesinnt; meist dürfte jedoch berechtigter Zweifel am Platze sein. Kein Gebäude ist labiler, als das auf die Treffwahrscheinlichkeit vor dem Feinde gegründete. Zu den Zufällen, die im Wesen der Wahrscheinlichkeit an und für sich liegen, kommen die mannigfachen Friktionen, die mit den unzutreffenden eigenen Maßnahmen, dem Verhalten des Gegners, den Schwankungen während tagelanger Beschicßungen und Beobachtungsfehlern zusammenhängen, hinzu. Wahrlich, die Wirkung im Kriege und die Treffwahrscheinlichkeit im Frieden sind zweierlei Dinge. Ich sage nicht, daß deshalb die Feuervereinigung der 28 cmHaubitzen unzweckmäßig wäre; im Gegenteile, ich sehe in dieser die mächtigste Förderin für das Gelingen des Sturmangriffes. Jedenfalls ist es sicher, daß die Zahl und die Wirkung in der Praxis selten übereinstimmen. Den theoretischen Großsprechereien bleiben die bittersten Enttäuschungen selten erspart.

Daß exakte Rechnungen auf dem Gebiete des Krieges zuweilen zu den sonderbarsten Ergebnissen führen, sei an der Hand der Schriften des genialen, seinerzeit piemontesischen GLt. Giovanni Cavalli, des

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