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Endlich wurde jeder Verkehr mit dem Feinde oder auch mit unbewaffneten aus Paris kommenden Personen auf das Strengste verboten. Niemand sollte herausgelassen und nöthigenfalls durch Gewehrfeuer zurückgescheucht werden. In Folge aller dieser Befehle wurden die Verschanzungen der Vorpostenlinie unter Mitwirkung der dritten Garde-Pionier-Kompagnie ausgebaut und verstärkt, das Schußfeld so viel als möglich freigelegt, zahlreiche Kommunikationen durchgebrochen, endlich auch die Rückseite der Dörfer durch Niederlegen der Umfassungsmauern geöffnet, damit, falls ein Dorf verloren gehen sollte, seine Wiedergewinnung wenigstens erleichtert würde.

7. Kapitel.

Umschau. Der Bug nach La Fère und der artilleristische Angriff auf St. Denis.

Wir haben schon erwähnt, daß nach dem Ausfall auf Le Bourget der Belagerte längere Zeit keine größeren Unternehmungen, machte. Benutzen wir diese Pause, um eine kurze Umschau über die allge= meine Kriegslage zu erhalten, welche zum Verständniß der folgenden Ereignisse nöthig ist.*) Wir müssen allerdings etwas weit ausholen und uns noch einmal in die Zeit nach der Schlacht bei Sedan zurückversetzen.

Nachdem durch diese die letzte noch im Felde operirende Armee der Franzosen mit dem Kaiser selbst in die Gefangenschaft gerathen

*) Im Regiment sind folgende Einzelheiten zu verzeichnen: Am 13. November wurde Lieutenant Graf v. Stillfried und Lieutenant v. Voß zum ErsatzBataillon kommandirt. Am 16. November kamen neue Bekleidungsstücke und Stiefeln an. Am 19. November wurde durch Allerhöchste Kabinets - Ordre vom 17. der Premier - Lieutenant Friedländer vom 2. Garde-Landwehr- Regiment von seiner Dienstleistung beim Regiment entbunden. Derselbe kehrte auf seinen Posten als General-Konsul in Konstantinopel zurück. Am 24. November durch Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 15. November wurde der Sekonde-Lieutenant v. Rabe zum Premier-Lieutenant, Vice-Feldwebel Krebel, Schulze, Pohl, Kohli, Zumpt zu Lieutenants der Reserve des Regiments, Lieutenant Graf Pickler des 2. GardeLandwehr-Regiments zum Premier-Lieutenant befördert. Am 26. November traf Rentier Quittmann mit Liebesgaben der Oranienburger Vorstadt in Graulay ein.

und durch die unblutige Revolution des 4. September in Paris die Familie Bonaparte für alle Zeiten des französischen Thrones verlustig erklärt worden war, hatte sich eine provisorische Regierung unter dem Vorsitz des Generals Trochu gebildet, welche unter dem Namen einer Regierung der nationalen Vertheidigung die oberste Staatsgewalt an sich gerissen und den Krieg à outrance auf ihre Fahnen geschrieben hatte.

Die Hauptpunkte der Organisationen waren im Norden die nordöstliche Festungszone mit Lille, dann Amiens und Rouen; im Westen Le Mans; im Süden die Landschaften hinter der Loire, namentlich Bourges; im Südosten endlich Besançon und Lyon.

Am eifrigsten wurden die Rüstungen hinter der Loire betrieben und auch die besten Truppen dahin gezogen, denn dort hatte sich der, der Einschließung entgangene Theil der provisorischen Regierung in Tours etablirt, auch konnte hinter diesem Strom am ungestörtesten gerüstet und vor allem von hier aus in wenig Märschen der Entsatz von Paris herbeigeführt werden. Schon Ende September hatte die Delegation in Tours, mit Zuhülfenahme einer aus Algier eingetroffenen Division, eine ca. 60,000 Mann starke Armee zusammengebracht und dem General Aurelles de Paladine den Oberbefehl über dieselbe übertragen. Mit Anfang Oktober schritt diese Armee über Orléans hinaus zur Offensive gegen Paris vor und drückte die den Süden beobachtende 4. Kavallerie-Division (Prinz Albrecht Vater) bis in die Linie Authun-Etampes zurück (7. Oktober). Zur Abwehr dieser drohenden Gefahr wurde seitens des Oberkommandos der III. Armee das I. bayerische Korps, die 22. Infanterie- und die 2. Kavallerie-Division unter dem Befehl des Königl. bayerischen Generals v. d. Tann nach Arpayon detachirt. Da der Feind indeß auch am 8. noch nicht über Toury hinaus vorging, wurde General von der Tann angewiesen, denselben über die Loire zurückzuwerfen, was, nach dem Gefecht bei Artenay am 10., durch die am 11. erfolgende Erstürmung von Orléans auch erreicht wurde. Von dieser Stadt aus beobachtete General v. d. Tann die südlich der Loire liegenden Landschaften, während die 22. Division mit der 4. Kavallerie-Division über Chateaudun, welches in blutigem Straßenkampf_den_fanatisirten Franktireurs des Polen Lipowski entrissen werden mußte, nach Chartres rückte und von hier aus Paris gegen Südwesten deckte.

Nach diesem mißglückten Versuche setzten die Franzosen, angespornt durch Gambetta, den heftigsten und energischsten Charakter der

provisorischen Regierung, welcher sich am 10. Oktober per Luftballon von Paris nach Tours begeben hatte, die Rüstungen im größten Maßstabe fort.

Da fiel am 29. Oktober Metz, sieben deutsche Armeekorps standen wieder zur freien Verfügung der obersten Armeeleitung und konnten im Verlaufe von drei Wochen auf allen Seiten von Paris erscheinen, um die Einschließung zu schirmen. Es war französischer seits von der größten Wichtigkeit, vor dem Eingreifen der I. und II. preußischen Armee die Hauptstadt zu entsetzen; glückte es bis dahin nicht, dann war es später sehr viel schwieriger, ja fast unmöglich. In völliger Erkenntniß der Sachlage gab denn auch Gambetta, welcher inzwischen eine geradezu diktatorische Gewalt, selbst über die Armeeführung an sich gerissen hatte, das Signal zum allseitigen Angriff auf die deutschen Armeen vor Paris, trozdem die neu formirten Truppen noch nicht die Ausbildung und den festen Halt besaßen, der zu einer energischen Offensive nöthig war, und trotzdem General Bourbaki offen erklärte, daß der Krieg aussichtslos sei, da selbst die alten Armeen feinen Erfolg gehabt hätten.

So fing es denn am Ende Oktober und Anfang November an, sich überall auf der Grenze des Sicherungskreises der CernirungsArmee zu regen. Im Norden, woselbst noch immer die Detachements des Grafen Lippe*) bei Beauvais und des Prinzen Albrecht Sohn**) an der unteren Oise standen, wurden um den 1. und 2. November die Vortruppen derselben bis Beauvais und hinter die Epte zurückgedrängt. Im Nordwesten sah sich die 5. Kavallerie-Division ebenfalls veranlaßt, am 3. November Mantes zu räumen, jedoch am stärksten war der Andrang im Südwesten, woselbst in den ersten Tagen des November starke, sogar mit Linientruppen vermischte Streitkräfte, auf den Straßen von Le Mans, Tours und Blois gegen den General v. Wittich***) und den rechten Flügel v. d. Tanns†) anrückten. In Folge dessen zog v. d. Tann sein Korps und die 2. Kavallerie - Division bei Coulmiers zusammen und hielt hier in einem siebenstündigen Kampfe den sehr überlegenen feindlichen Kräften Stand. Am Abend zog sich das Tann'sche Korps bis St. Peravy,

*) 2. Garde-Regiment 3. F. und sächsische Kavallerie-Division. **) 27. Infanterie-Regiment und Garde-Ulanen-Brigade. ***) 22. Infanterie-Division und 4. Kavallerie-Division. †) I. bayerisches Korps, 2. preußische Kavallerie-Division.

eine Meile, zurück, woselbst es sich mit dem General v. Wittich und der 6. Kavallerie-Division vereinigte. Der Feind war durch die Schlacht bei Coulmiers so ermattet, daß er nur eine sehr kurze Strecke über diesen Ort hinauszugehen wagte und die Vereinigung nicht störte. Mit diesem einen Gefecht war die Offensivkraft der Franzosen erschöpft und mithin der zweite Entsatzversuch mißlungen.

Deutscherseits hatte Se. Majestät bereits am 7. befohlen, dem Großherzog von Mecklenburg das Kommando der Armeeabtheilung zu übertragen, welche gegen die feindlichen Entsagheere gebildet und aus den Truppen der Generale v. d. Tann und v. Wittich, verstärkt durch die 17. Infanterie - Division, bestehen sollte. Am 12. traf Se. Königliche Hoheit mit der 17. Infanterie-Division*) bei Toury ein und nahm am 14. Stellung bei Allaines und Chartres, um nach Süden wie nach Westen gleichmäßig bereit zu sein. Am 14. Abends meldeten die Kavallerie - Divisionen auf beiden Seiten, bei Artenay wie bei Dreux und Bu auf Houdan zu, das Vorgehen stärkerer feindlicher Truppenmassen aller Waffen.

Von allen Himmelsgegenden schienen jetzt wirklich übermächtige Kräfte heranzustürmen, dem die Einschließungsarmee kaum noch Truppen entgegenzustellen hatte. Obgleich bereits die Garde-LandwehrDivision von Straßburg und die 3. Division von der Meter Armee eingetroffen war, wurden die Linien um die Festung immer dünner und die II. Armee erreichte am 13. November erst die Yonne. Es folgten Tage höchster Spannung. Bei der allgemeinen Kriegslage würde ein Entsatzversuch über Houdan am gefährlichsten gewesen sein, denn auf ihn konnte die II. Armee noch lange keine Wirkung äußern, und außerdem liegt Houdan nur zwei Tagemärsche von Versailles und kaum eine Meile weiter von Villacoublay, dem Orte des Be= Lagerungsparkes, entfernt. Der Großherzog von Mecklenburg wendete sich deshalb auch gegen den hier erschienenen Gegner, bei Chartres die 22. Infanterie-Division, im Süden nur Kavallerie zurücklassend. Auch direkt hatte die III. Armee die 5. Kavallerie-Division durch sechs Batataillone Infanterie verstärkt. Indeß hatte man der Offenfivkraft der Franzosen abermals zu großen Werth beigelegt, über Houdan kam der Feind nicht hinaus, und als die 5. KavallerieDivision, sowie der Großherzog von Mecklenburg nun ihrerseits vor

*) Großherzoglich mecklenburgische Brigade und holsteinische Brigade, jezt General v. Tresckow.

rückten, wurde der Gegner unter täglichen leichten Gefechten nach Westen und Nordwesten bis hinter die Linie Bellême - Le Theil La Ferté Bernard-Authon zurückgeworfen.

Größere Theile der Loire-Armee konnten sich demnach auf dieser Seite des Kriegsschauplates nicht befinden und auch andere Nachrichten bestätigten, daß sich der Gegner direkt im Süden von Paris fortwährend verstärke. Hier war inzwischen aber auch Prinz Friedrich Carl mit dem III., IX. und X. Korps und der 1. Kavallerie-Division eingetroffen und hatte bis zum 20. folgende Aufstellung genommen:

IX. Korps bei Angerville, 1. Kavallerie-Division vor sich bei Bazoches les Gallerandes, die 2. Kavallerie-Division bei Toury. III. Korps bei Pithiviers.

X. Korps bei Montargis. *)

Allerdings zählte diese Armee kaum noch 57,000 Mann mit 270 Geschützen, da keines der drei Armeekorps die Stärke von 17,000 Mann erreichte, während man die in der Linie Patay-Bellegarde stehenden Franzosen auf vier Korps mit einer Stärke von 150,000 Mann schätzte.

Um so viel als möglich dieses Verhältniß auszugleichen, zog Prinz Friedrich Carl den Großherzog von Mecklenburg**) von Le Theil nach seinem rechten Flügel heran und beschloß, vorerst wenigstens, in der Stellung Allaines-Toury (IX. Korps), Pithiviers (III. Korps), Beaune la Rolande (X. Korps) den Angriff des Feindes zu er= warten. Erst am 28. ging der Feind gegen Beaune la Rolande, dann am 30., nachdem schon die Armeeabtheilung des Großherzogs eingetroffen und die Stellung der II. Armee von Allaines bis Or= gères***) besetzt hatte, auf Orgères gegen das 1. bayerische Korps vor, wurde aber nach heftigen Kämpfen, in welchen er das XV., XVI., XVIII. und XX. Korps herangeführt hatte, zurückgeschlagen. Nunmehr beschloß der Prinz Friedrich Carl feinerseits zur Offensive

*) Dem X. Korps fehlte eine Infanterie-Brigade, welche gegen die Festung Langres entsandt worden war.

**) Der Großherzog war unter den Befehl des Prinzen-Feldmarschall gestellt worden.

***) Das IX. und III. hatte links an das X. herangeschlossen, es standen bei Allaines die 17. Infanterie-Division, bei Toury die 22., bei Orgères I. bayerisches Korps, bei Pithiviers IX. Korps, bei Boynes III. Korps, bei Beaune la Rolande X. Korps.

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