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Dr. J. J. Müller, Beobachtungen über die Interferenz des Lichtes bei grossen Gangunterschieden. Vorgelegt von d. w. Mitgliede C. Ludwig.

In meiner Mittheilung über elastische Schwingungen habe ich auf die Wichtigkeit der Frage hingewiesen, ob die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes von der lebendigen Kraft der Schwingung abhängt. Zur Entscheidung dieser Frage schien mir die Methode der Interferenzen bei grossen Gangunterschieden zweckmässig.

Seither habe ich eine Reihe solcher Beobachtungen angestellt. Die Interferenzen wurden entweder durch zwei mit Hülfe eines Quecksilber-Niveau passend einzustellende Linsen oder durch Reflexion an den beiden Ebenen eines planparallelen Glases erzeugt. Das angewendete Licht war das Licht eines im Bunsen'schen Brenner glühenden Dampfes oder einer leuchtenden Gasmenge in einer Geissler'schen Röhre. Prismatisch zerlegt bildeten die Strahlen zunächst ein reines Spectrum auf einem Schirme, durch den Spalt des letzteren trat nur die eine Spectrallinie hindurch, welche die Interferenzen erzeugen sollte. Von ihr entwarf eine Linse ein reelles Bild auf der Hypothenusenfläche eines kleinen Reflexionsprismas, das sich im Brennpunkt einer über den Newton'schen Gläsern oder der planparallelen Glasplatte angebrachten Collimatorlinse befand. Zwischen der letzteren und den Interferenzgläsern war ein Fadenkreuz ausgespannt.

Die Zerlegung des Lichtes ermöglichte auch bei grossen Gangunterschieden Versuche mit relativ grossen Lichtstärken und führte so zur Beobachtung der Interferenzsysteme verschiedener Ordnung. Denkt man sich nämlich das Wellenintervall d einer Spectrallinie in kleine Theilchen höherer Ordnung zerlegt, so bilden zwei solche Theilchen mit den Wellenlängen 2, und 22

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eine resultirende Schwingung, deren Amplitude und Phase periodische Functionen des Weges sind. Die Periode dieser Func21 22 tionen wird nun für zwei unendlich benachbarte Theilchen unendlich gross. Die resultirende Bewegung aller Theilchen enthält also Functionen mit unendlich grossen Perioden, d. h. Amplitude und Phase der resultirenden Bewegung sind unperiodische Functionen des Weges.

Die nähere Discussion zeigt nun leicht, dass, für alle Theilchen dieselbe Helligkeit vorausgesetzt die Interferenzen immer verschwinden müssen, wenn die Distanz der Interferenzflächen die Phasendifferenzin zwei Theilchen des unteren Wellenzuges bei der Rückkunft an der obern Fläche hervorruft, die um 8(4) von einander abstehen; dass die Interferenzen dagegen ein Maximum der Deutlichkeit erreichen für Distanzen, wo die Phasendifferenzin zwei Theilchen auftritt, die um d (3) von einander entfernt sind. Dabei kann v die ganze positive Zahlenreihe durchlaufen; mit jedem höheren Werthe von wird aber die Zahl der zur Interferenz kommenden Theilchen geringer. Da die Variation der Helligkeit in dem Wellenintervalle d wesentliche Verschiedenheiten in diesem Verhalten nicht hervorruft, so ergibt sich die Folgerung: die endliche Breite der Spectrallinien führt zu einem Alterniren der Interferenzen, deren jedes neue Erscheinen mit einer Abnahme der Deutlichkeit verknüpft ist.

Dies zeigte sich nun sehr leicht auf folgende Weise. Wurde bei einer Phasendifferenz von 10000 bis 20000 Undulationen die an den Platindrath geschmolzene Perle des Salzes tiefer in den Saum der Flamme eingeschoben, so verminderte sich die Deutlichkeit der Fransen rasch und ging in ein vollkommenes Verschwinden über. Bei noch tieferem Hineinschieben kamen die Fransen wieder zum Vorschein; sie gewannen zuerst an Deutlichkeit, ohne jedoch die frühern Differenzen zwischen maximaler und minimaler Helligkeit zu erreichen, verloren dann ihre Schärfe wieder und blieben auf immer aus. Bei dem Einschieben der Perle wird nämlich die Masse des glühenden Dampfes vermehrt, und dadurch eine Verbreiterung der Spectrallinie erzeugt. Bei constantem Gangunterschiede muss aber eine solche Verbreiterung zu dem nämlichen Resultate führen, wie

bei constanter Spectrallinie eine Vergrösserung des Abstandes der Interferenzflächen.

Mit den Aenderungen der Deutlichkeit war stets eine Verschiebung der Fransen verbunden: bei Vermehrung der Dampfmenge bewegten sich die Fransen im Sinne einer wachsenden Wellenlänge. Bei einer Phasendifferenz von 10000 Undulationen war diese Verschiebung für Natrium, Lithium und Thallium deutlich wahrzunehmen; sie betrug hier den halben Werth des Abstandes zweier Fransen. Bei 20000 Wellen Gangunterschied ist sie für Natrium noch auffallender zu beobachten sie erreicht hier, entsprechend der Verdoppelung der Phasendifferenz den vollen Abstand zweier Fransen. Dieser Werth ist äquivalent einer Aenderung der Wellenlänge um 0,00005 ihrer eigenen Grösse.

Die Variation der Helligkeit bei constanter Dampfmenge, ergab zwar, wie unten angeführt werden soll, ebenfalls Verschiebungen, allein viel kleinere als die eben angeführten. Daraus folgt, dass die beschriebene Verschiebung jedenfalls zum Theil durch das Hineinschieben der Perle erzeugt ist; und da wesentliche Temperaturunterschiede nicht vorhanden sind, so kann die Ursache nur in der Vermehrung der glühenden Dampfmenge liegen. Bei der letztern verbreitern sich nun die Spectrallinien nach beiden Seiten; daher kann die Verschiebung der Fransen nur auf einer Aenderung der mittleren Brechbarkeit beruhen. Die Helligkeitsvermehrung ist auf der weniger brechbaren Seite grösser, d. h. die Spectrallinien des Natrium, Lithium, Thallium verbreitern sich bei der Vermehrung der glühenden Dampfmenge stärker nach der weniger brechbaren Seite. Zu demselben Resultate ist auch Herr Zöllner auf dem einfachern prismatischen Wege für die weniger brechbare Natriumlinie gelangt. Ausserdem steht es in Uebereinstimmung mit der von Herrn Hennessey beim Sinken der Sonne beobachteten stärkeren Verbreiterung der atmosphärischen Linien des Sonnenspectrums nach der weniger brechbaren Seite hin.

Aus der Asymmetrie in der Verbreiterung der Spectrallinien ergibt sich sofort eine wichtige Regel für die spectralanalytische Bestimmung der Geschwindigkeit der Gestirne. Ist die Lage der Mitte eines dunkeln Spectralstreifen eine Function der Masse des absorbirenden Dampfes, so darf aus einer Aenderung derselben erst dann auf eine Bewegung der Lichtquelle geschlossen

werden, wenn der Einfluss dieser Masse ausgeschlossen ist. Nun wird für verschiedene Spectrallinien dieser Einfluss quantitativ ein verschiedener sein, wenn er auch sehr wohl für alle qualitativ gleich ausfallen kann. Eine quantitative Uebereinstimmung muss aber immer die Bewegung der Lichtquelle haben. Rührt die Verschiebung von einer Bewegung der Lichtquelle her, so muss die Geschwindigkeit der letzteren, aus den Verschiebungen verschiedener Linien berechnet, die nämliche sein.

Nach Herrn Zöllner's Theorie der Abhängigkeit der Strahlenemission von der Dichtigkeit des glühenden Dampfes ist die stärkere Verbreiterung nur möglich nach der Seite hin, wo die grösseren Werthe der Absorption liegen. Fasst man nun letztere als Resonanzphänomen auf, so ergibt sich, dass die grösseren Werthe nur dann auf die weniger brechbare Seite fallen, wenn eine Reibung der ponderabeln Atome gegen die Aethertheilchen vorhanden ist. Bei der Aequivalenz zwischen Dichtigkeit und Dicke ist in dieser Hinsicht die nachgewiesene Uebereinstimmung der Richtung der stärkeren Verbreiterung für eine beträchtliche Anzahl von Spectrallinien bemerkenswerth. Sie würde auf die Existenz einer Reibung im Aether und damit auf die Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes von der Amplitude schliessen lassen.

Bei der Entscheidung der Frage, ob die Wellenlänge sich mit der Amplitude ändert, benützte ich zunächst ebenfalls das Licht glühender Dämpfe. Es war jetzt ersichtlich, dass die Dampfmenge während des Versuchs unverändert bleiben musste. Ich variirte daher die Helligkeit durch absorbirende Plangläser. Die grosse Homogeneität des Lichtes und die physiologische Empfindlichkeit des Auges empfahlen Natrium als Lichtquelle. Bei einer Phasendifferenz von angenähert 20000 Undulationen trat nun bei den Aenderungen der Helligkeit eine zwar kleine, aber doch sicher zu beobachtende Verschiebung der Fransen ein. Die Richtung der Verschiebung entsprach einer Vergrösserung der Wellenlänge bei Vermehrung der Helligkeit. Geschah die Aenderung der Helligkeit im Verhältniss 4:3, so war die Verschiebung allerdings nur 0,1 des Abstandes zweier Fransen; geschah sie aber im Verhältniss 1:10, so erreichte die Verschiebung einen Werth von 0,2 bis 0,3 dieser Grösse. Diese Resultate waren merklich dieselben, mochte der Gangunterschied in Luft oder in Crownglas erzeugt sein.

In einer zweiten Versuchsreihe benützte ich das Licht des glühenden Wasserstoffes in einer Geissler'schen Röhre. Mit Hülfe eines Rheostaten, der eine Nebenschliessung zur primären Rolle des Ruhmkorff bildete, konnte zunächst die Stärke des Inductionsstromes variirt werden. Dabei trat eine kleine Verschiebung der Fransen ein, die ganz gleich war derjenigen, welche bei der entsprechenden Variation der Helligkeit durch absorbirende Gläser erfolgte. Der Ruhmkorff erlaubte eine solche Aenderung im Verhältniss von 1:3. Für die blaugrüne Linie Ha erreichte bei einer Phasendifferenz von näherungsweise 15000 Undulationen die Verschiebung eine Grösse von 0,3; bei der rothen Linie Hg, die bei 25000 Undulationen noch sehr scharfe Fransen gab, überstieg sie 0,05-0,1 des Abstandes zweier Fransen nicht.

Aus dem letzteren Versuche geht hervor, dass nicht etwa die Asymmetrie der Helligkeitscurve diese Verschiebungen hervorgerufen hat. Den Einfluss der Verbreiterung des hellen Theiles einer Franse durch die Vergrösserung der Lichtstärke habe ich durch die Beobachtung der Mitten der dunkeln oder hellen Linien und eine Verschiebung durch die Brechung der Strahlen im absorbirenden Planglas durch Einschalten der letzteren vor den Spalt des Collimators eliminirt. Da eine andere Fehlerquelle, so weit ersichtlich, nicht vorhanden war, so muss die Ursache der Verschiebung wohl in einer Aenderung der Wellenlänge bei Aenderung der Amplitude, d. h. einer Aenderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit bei Aenderung der lebendigen Kraft der Schwingung liegen. Die Aenderung der Wellenlänge wächst dann nach den angeführten Beobachtungen mit der Aenderung der Amplitude; sie ist ausserdem für die grösseren Schwingungszahlen bedeutender. Für Natrium würde sie bei einer Helligkeitsveränderung im Verhältniss 1: 3 den Werth 0,000005, bei einer Aenderung 1:10 dagegen den Werth 0,000010 haben. Eine Aenderung der Helligkeit im Verhältniss 4:3 würde in dem rothen Lichte des Wasserstoffes eine Aenderung der Geschwindigkeit um 0,000004, in dem blauen 0,00002 erzeugen.

Die Kleinheit der beobachteten Verschiebungen fordert allerdings, che an eine nähere Darlegung der vielen interessanten Consequenzen eines solchen Zusammenhanges zwischen Amplitude und Wellenlänge zu denken ist, dass die Beobachtungen unter Verhältnissen angestellt werden, welche grössere

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