Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Die Staaten von Afrika.

Die auf beiläufig 200 Millionen Seelen geschätzte Bevölkerung dieses vielfach noch unerforschten, weil schwer zugänglichen Erdtheiles steht, in unabhängige Stämme zertheilt, unter einheimischen Herrschern, oder unter der Botmässigkeit europäischer Nationen.

Die unabhängigen Stämme bilden eine sehr grosse Menge abgesonderter, mehr oder minder geregelter Gemeinden mit den verschiedenartigsten Regierungsformen, die im Allgemeinen entweder patriarchalische Verbindungen oder rohe Despotien sind. Die unter fremden Herrschern stehenden Länder sind theils Vas allenstaaten der Türkei, theils Besitzungen europäischer Nationen und des Imam von Maskat.

Bei der sehr unvollständigen Kenntniss des Erdtheiles im Allgemeinen ist die Kenntniss der Begrenzung der einzelnen Staaten begreiflich höchst mangelhaft; eine Eintheilung Afrika's nach politischen Beziehungen ist demnach nicht ausführbar. Nur die geographische Vorführung der Länder gibt einen übersichtlichen Zusammenhang.

I. Vicekönigreich Aegypten.

A. Aegypten. · - Das unter türkischer Oberhoheit stehende Vicekönigreich Aegypten besteht aus dem eigentlichen Aegypten mit einer Fläche von beiläufig 9000 Meilen und einer Bevölkerung von 3 Millionen, und aus Nubien (mit Senaar und Kordofan) mit nahezu 19.000 Meilen und etwa 1 Million Einwohnern. Die Grenzen des Vicekönigreiches sind: im Osten das rothe, im Norden das mittelländische Meer, im Westen die lybische Wüste und im Süden die Negerländer am obern Nil. Das eigentliche Kulturland ist das etwa 112 Meilen lange, im Osten und Westen von öden, wasser- und pflanzenlosen Gebirgen begrenzte Nilthal; diesem Flusse verdankt das Land seine ganze Bedeutung. Durch die auf 15-16 steigende Ueberschwemmung (Juli - September) wird die Thalsohle reich befruchtet; zahlreiche Kanäle, Dämme und Bassins, theils aus älterer Zeit stammend, theils ausgeführt durch Pascha Mehemet-Ali, der sich grosse Verdienste um das Bewässerungssystem erworben, leiten das Wasser in die entfernteren Gegenden und verhindern den zu raschen Abfluss. Unter den Kanälen ist der Mahmudieh-Kanal von grosser Wichtigkeit; er beginnt am westlichen Nilarme (Rosette), endigt bei Alexandria, und leitet in dieser Art den Handel nach Alexandria. Das Land hat mehrere kleine Seen,

darunter den Karun (Möris) und einige Natron-Seen westlich vom Nil in Unterägypten. Das Klima ist im Nilthale sehr warm; Südägypten, mit dem trockenen, heissen, fast fortwährenden Sommer, gehört zu den heissesten Ländern der Erde; in Unterägypten regnet es in der kühlen Jahreszeit (April bis October) häufig. Landplagen sind: der aus dem Süden kommende gefährliche Wind Chamsin; in Unterägypten häufig die Pest, sowie Heuschreckenschwärme, Augenentzündungen u. s. w.

Die Mehrzahl der Bewohner sind muhamedanische Araber, grösstentheils Ackerbauer (Fellahs), nur zum kleineren Theile nomadisirende Beduinen; ausserdem gibt es Kopten, Nachkommen der alten Aegypter, dann Türken, Juden und christliche Europäer. An der Spitze der Regierung steht der Pascha oder Vicekönig von Aegypten mit unumschränkter Macht, dem auch die Verwaltung von Nubien, Senaar und Kordofan übertragen ist, und der an die Pforte einen jährlichen Tribut von 60.000 Beuteln (= 3,600.000 Gulden) bezahlt. Die Statthalterschaft ist erblich in der Familie des gegenwärtigen Vicekönigs.

Politische Eintheilung.

1. Unterägypten: Alexandria (über 170.000 Einwohner, darunter an 15.000 Franken), Hauptstapelplatz Aegyptens für den auswärtigen Handel und einer der wichtigsten Handelsplätze im Oriente. Sitz der fremden Handelskonsulate. Dampfschifffahrtsverbindungen mit den Ländern des Mittelmeeres (Marseille, Triest, Konstantinopel, Smyrna) und Verbindungsglied in der englisch-ostindischen Route. Eisenbahu über Kairo nach Suez. Damiette (37.000) am östlichen und Rosette (18.000) am westlichen Nilarm. Zwischen diesen beiden Hafenstädten liegt das NilDelta, eine unübersehbare, von unzähligen Kanälen durchschnittene, höchst fruchtbare und gut angebaute Ebene mit vielen Ortschaften. Weizen, Mais, Reis, Hirse, Hanf, Flachs, Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr, Datteln, Feigen und andere Südfrüchte gedeihen in grösster Fülle. Indigofabriken, sowie die Baumwollen- und Seidenkultur liefern eine starke Ausfuhr Zwischen Rosette und Alexandria liegt

das historisch merkwürdige Dorf Abukir.

2. Mittelägypten: Kairo (Kahira, 265.000 Einwohner), die grösste Stadt in Afrika, Residenz des Vicekönigs, mit grossen Plätzen (aber engen, ungepflasterten Strassen); prachtvollen Moscheen (an 300), über 700 öffentlichen Bädern, Cisternen u. s. w.; einer polytechnischen Schule mit europäischen Lehrern. Mittelpunkt des ausserordentlichen Verkehrs mit Landesprodukten und den Industrie-Erzeugnissen dieser fabrikreichen Stadt, sowie des Handels mit den afrikanischen Ländern, mit Arabien und Indien. Fast der gesammte Handelsverkehr bewegt sich in der Vorstadt Bulak, wo sich nebst grossen Kornhäusern, Seiden- und Kattunfabriken befinden, sowie der Nilhafen und die Magazine für Waaren, die aus den südlichen Ländern kommen und dann nach Alexandria oder nach Damiette und Rosette gehen. Gegenüber von Kairo am Nil liegt der gewerbreiche Ort Gizeh, in dessen Nähe die drei höchsten der noch vorhandenen Pyramiden und die grosse Sphynx. Die ganze Umgegend ist ein weites Mumienfeld mit Grotten, in Schutthügel verfallenen Pyramiden. Suez, eine kleine Hafenstadt (mit 2000 Einwohnern) am rothen Meere, bedeutend wegen der Dampfschifffahrts -Verbindung der englischen Route BombayAlexandria *). Fayum (Arsinoë, 15.000 Einwohner) in der schönen und frucht

*) Die Landenge von Suez ist nur 17, Meilen breit und die schon im Alterthume angeregte Durchstechung derselben zur Verbindung des rothen Meeres mit dem mittelländischen ist in neuester Zeit wieder ernstlich aufgegriffen worden. Der projektirte Kanal würde 23 Kilometer lang werden, in einen künstlichen Hafen im Mittelmeere münden und etwa 200 Millionen Francs kosten. Der Weg nach Ostindien würde um etwa die Hälfte abgekürzt und die Frachtkosten verminderten sich um beiläufig 48 Francs per Tonne.

baren, durch die Rosenkultur und das Rosenöl berühmten Landschaft gleichen Namens am linken Nilufer; in der Nähe die Ruinen des Labyrinthes und der Riesendämme des Sees Moeris.

3. Oberägypten: Siut (20.000), Sammelplatz der Karawanen aus Nubien und Sudan; dessgleichen Esneh am linken Nilufer. Kosseir am rothen Meere, der Assuan, Einschiffungsort für Mekkapilger; ansehnlicher Handel mit Arabien. die südlichste Stadt in Aegypten; die letzten Nil-Katarakten, welche indess bei hohem Wasserstande beschifft werden. Bei den Dörfern Luxor und Karnak die grossartigen Ruinen des „hundertthorigen Theben."

In der wüsten Ebene von Westägypten kommen mehrere Oasen vor, reich an Datteln und Edelfrüchten, und als Stationsplätze für die Karawanen bemerkenswerth. Die sesshafte Bevölkerung lebt hauptsächlich von Datteln, zahlt damit ihren Tribut und treibt auch damit Handel. Die wichtigsten Oasen sind: die grosse oder Oase von Chardscheh (die südlichste); die kleine oder Oase von Bacherieh (nördlicher); die Oase von Siwah (im Alterthum mit dem Orakel des Jupiter Ammon), die westlichste.

B. Nubien mit Senaar und Kordofan. Die grosse Hochebene, welche sich von Oberägypten bis zum Alpenlande Habesch zwischen dem rothen Meere und der lybischen Wüste ausbreitet, und in welche das Nilthal ziemlich tief eingegraben ist, hat im Süden hinreichende Bewässerung, eine reiche Vegetation mit dichten Waldungen; Mittel- und Nordnubien dagegen sind eine unermessliche Sandwüste, die heissesten, regenlosen Landstriche auf der Erde (monatelang ist die Tageshitze +35 bis 45° R.). Der Nil, welcher das Land durchfliesst, ist wegen des starken Gefälles und der vielen Katarakte zur Schiffahrt wenig geeignet; durch seine Ueberschwemmungen befruchtet er jedoch, wie in Aegypten, nicht sehr breite Thal. Die Bevölkerung gehört dem muhamedanischen Nuba-Stamme an, doch gibt es auch andere nomadische, meist eingewanderte Stämme arabischer Abkunft.

Bemerkenswerthe Orte sind:

das

Charum (30.000 Einwohner,) am Zusammenfluss des weisen und blauen Nil, Sitz des Gouverneurs, eines österreichischen Konsulates und einer katholischen Missionsanstalt; der bedeutendste Handelsplatz für Nubien und dem Süden; (am Nil): Metemmeh, Stationsplatz der Karawanen zwischen Chartum und Dongola, mit Leder- und Indigo-Manufakturen; Schendy, ansehnlicher Sklavenmarkt; - Damer am Einflusse des Atbala in den Nil; Neu-Dongola, bedeutender Handelsplatz; Korosko, der nördliche Ausgangspunkt der Karawanen durch die grosse nubische Wüste. Am rothen Meere ist Suakim ein wichtiger Hafen für den Handel mit Arabien. Im Senaar liegt die ehemalige Hauptstadt Senaar am blauen Nil; in Kordofan die bedeutende Handelsstadt El Ōbëid (20.000 E.).

[ocr errors]
[ocr errors]

Kulturbild.

[ocr errors]

Die wichtigste Nahrungsquelle der Bewohner dieser Landstriche ist der Ackerbau, obwohl in Aegypten kaum 10% der Area eigentliches Kulturland sind; auch in Nubien ist die Bodenkultur auf das Nilthal beschränkt und auf die Ueberschwemmung des Flusses angewiesen. Ehemals bildeten Weizen und Gerste, welche in ungeheuerer Menge gewonnen und nach Italien und Griechenland ausgeführt wurden, die Hauptprodukte; jetzt ist der Ertragswerth der Baumwollen- und Reispflanzungen ein grösserer, obgleich der Getreide-Export noch immer bedeutend ist. Die Baumwollpflanzungen nehmen gegenwärtig den ersten Rang ein, der Ertrag derselben hat sich seit dem amerikanischen Kriege verzehnfacht. Bei dem herrschenden Systeme, dass der Pascha als Besitzer alles

Grundeigenthums und der Fellah nur als Bewirthschafter angesehen wird; dass die Regierung gegen einen von ihr festgesetzten Preis die Ablieferung des Ertrages verlangen kann; dass sie bestimmen kann, welche Produkte gebaut werden sollen u. s. w., ist die Lage der Ackerbauer trotz des günstigen Klimas und des fruchtbaren Bodens eine höchst dürftige. Nebst den erwähnten Hauptprodukten sind Indigo, Zucker, alle Hülsenfrüchte, Tabak, Hanf und Flachs, Safran, Saflor, Krapp, Gummi, Datteln und edle Südfrüchte wichtige Produkte. - Von animalischen Produkten bilden Häute und Felle, Straussfedern, Elephantenzähne nennenswerthe Exportartikel. Von Mineralien kommen in den Handel Salpeter, Salmiak, Salz, Natron; grossen Reichthum hat das Land an schönem Granit, Porphyr und Sandsteinen; Gold und andere Metalle fehlen fast ganz.

Die Industrie verdankt (sowie der ausgedehnte Landbau) dem verstorbenen Pascha Mehemet Ali ihr Entstehen. Er legte Fabriken, besonders Baumwollen-, Leinwand-, Wollen- und Seidenfabriken in grossem Massstabe an, von denen jedoch einige bereits eingegangen sind; aber es bestehen noch einige Staatsfabriken für Indigo, Zucker, Rum, Alaun, Salpeter. Bei dem Mangel an Metallen und an Heizmaterial und dem Monopol der Regierung nimmt übrigens die künstlich hervorgerufene Industrie nicht den gehofften Aufschwung.

Die Lage des Landes ist dem Handel äusserst günstig; es ist die natürliche Niederlage zwischen Europa und dem gesammten Oriente. Alexandria und Kairo gewinnen im Welthandel wieder an Bedeutung, seitdem das Abendland dem Wege über Suez nach Indien seine Aufmerksamkeit zuwendet. Alexandria vermittelt den Verkehr mit Europa, Damiette mit Syrien, Suez ist Stationsplatz für Indien und Kosseir für Mekka und Arabien. Nächst dem Seehandel ist der Landhandel von Bedeutung. Grosse Karawanen bringen aus den westlichen und südlichen Ländern die Produkte nach den grösseren Stapelplätzen, welche theils auf Nilbarken, theils mittelst Karawanen nach den Hauptsitzen des Handels befördert werden. Die bedeutendsten Exportartikel sind: Baumwolle, Reis, Weizen und Gerste, Hülsenfrüchte, Indigo, Hanf und Flachs, Datteln, Salpeter und die früher erwähnten Produkte. Importirt werden (aus Europa): Bau- und Brennholz, Bergwerksprodukte, alle Arten von Fabrikserzeugnissen, besonders Webewaaren, Porzellan, Glas, Kurzwaaren; (aus Asien): Seide, Shawls, Balsam, Kaffee; aus dem Inneren Afrikas: Elephantenzähne, Datteln, Wachs, Tamarinden, Gummi u. a. m.

Sowie Mehemet Ali durch Einführung von Fabriken europäische Zustände hervorzurufen suchte, so erstrebte er dasselbe Ziel, indem er Schiffswerften und Arsenale errichtete, Dampfschiffe anschaffte Hospitäler, Schulen und Buchdruckereien gründete, junge Aegypter zur Ausbildung nach Europa schickte, und die Armee mehr oder weniger auf europäischen Fuss setzte. Im Ganzen hat das Land in den letzten vierzig Jahren eine gewisse Kultur, Selbständigkeit und grössere kommerzielle Bedeutung erlangt.

II. Habesch oder Abyssinien.

Im Süden von Nubien und westlich vom rothen Meere erhebt sich als der nordöstliche Vorsprung des grossen südafrikanischen Hochlandes das Alpenland Habesch oder Abyssinien. Die Grösse wird zwischen 10- und 15.000 Meilen, die Bevölkerung auf 4 bis 5 Millionen geschätzt. Auf 6-10.000 hohen Grasflächen erheben sich Gebirge mit Gipfeln über 14.000'; im Osten fällt das Bergland zur schmalen, heissen Küstenebene Samhara ab, im Westen und Nordwesten ist es von der Sumpf- und Waldregion Kolla begrenzt. Unter den Alpenseen ist der grösste der Tsana - See auf dem Plateau von Dembea; von den zahlreichen Flüssen sind bemerkenswerth der blaue Nil, der Takazze und der Atbara, welche hier ihre Quellen haben. Das Klima ist in den Thälern und an der Seeküste sehr heiss; in den mittleren Gebirgsgegenden und auf den Hochebenen gemässigt, angenehm milde und sehr gesund; im Hochgebirge ist es rauher. Die tropischen Regen, oft von furchtbaren Hagelwettern begleitet, bewirken Ueberschwemmungen der Flüsse.

Im Norden wohnen die braunen Abyssinier kaukasischer Race; das herrschende Volk sind jedoch die aus dem Süden vordringenden Galla-Stämme. Erstere sind koptische Christen, letztere theils Moslim, theils noch Heiden; die wildesten sind die Schangalla Neger in der Sumpf- und Waldregion, welche Fetischdiener sind. Am Takazze wohnt seit Jahrtausenden ein zahlreicher Stamm Israeliten. Die alten Königreiche Tigrè, Gondar und Schoa wurden in neuester Zeit vereinigt, und der neue Beherrscher „Kaiser Theodor I." ist Regent von ganz Habesch. Er befördert den Landbau und ist für Verbreitung der Civilisation und des Christenthums sehr thätig.

Das Land ist im Ganzen sehr fruchtbar, der Ackerbau jedoch stark vernachlässigt. Cerealien, Tabak, Baumwolle, Farbhölzer und Droguen sind die wichtigsten Produkte; die Landschaft Kafa (im Süden) soll dem Kaffee, der hier vorzüglich gut gedeiht und hier sein Vaterland haben soll, den Namen gegeben haben. Die Viehzucht ist in diesem Alpenlande bedeutend; dagegen die gewerb liche Industrie kaum nennenswerth. Verhältnissmässig am stärk sten sind der Bergbau auf Eisen, die Verarbeitung der Metalle und Leder. Das Land hat keine Heerstrasse, keinen schiffbaren Fluss und nur die von Türken besetzten Hafenplätze Arkiko und Massuah am rothen Meere; dessungeachtet ist der Zwischenhandel, so wie die Ausfuhr eigener Produkte (Baumwolle, Kaffee, Droguen, Elfenbein) ziemlich ansehnlich; importirt werden Manufakte, Glaswaaren, Zucker.

Bemerkenswerthe Orte sind:

(In der Landschaft Amhara): (Gondar 10 000 E.), Residenz des Abuna („unser Vater"), das ist des geistlichen Oberhauptes der Christen in Abyssinien.

(In der Landschaft Tigrè, durch den Takazze von der vorigen getrennt): Adowa (8000 E.), die lebhafteste Handelsstadt mit sehr geschätzten Baumwollwebereien. Westlich davon die Ruinen der alten Hauptstadt Axum.

(In der Landschaft Schoa, im südöstlichsten Theile): Angolla (4000 E.) und Ankober.

Der Küstenstrich Samhara versorgt Habesch mit Salz; die Hafenplätze des Landes sind bereits oben genannt worden.

« ZurückWeiter »