Äther und relativitäts-theorie: rede gehalten am 5. mai 1920 an der Reichs-universität zu Leiden

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J. Springer, 1920 - 15 Seiten
 

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Beliebte Passagen

Seite 15 - Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist der Raum mit physikalischen Qualitäten ausgestattet; es existiert also in diesem Sinne ein Äther. Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Raum ohne Äther undenkbar; denn in einem solchen gäbe es nicht nur keine Lichtfortpflanzung, sondern auch keine Existenzmöglichkeit von Maßstäben und Uhren, also auch keine räumlich-zeitlichen Entfernungen im Sinne der Physik. Dieser Äther darf aber nicht mit der für ponderable Medien charakteristischen...
Seite 12 - Der Äther der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Medium, welches selbst aller mechanischen und kinematischen Eigenschaften bar ist, aber das mechanische (und elektromagnetische) Geschehen mitbestimmt.
Seite 10 - ... durch die Zeit hindurch verfolgt wird. Es ist indessen wohl bekannt, daß eine solche Betrachtungsweise zu Widersprüchen führt. Verallgemeinernd müssen wir sagen. Es lassen sich ausgedehnte physikalische Gegenstände denken, auf welche der Bewegungsbegriff keine Anwendung finden kann. Sie dürfen nicht als aus Teilchen bestehend gedacht werden, die sich einzeln durch die Zeit hindurch verfolgen lassen. In der Sprache Minkowskis drückt sich dies so aus: nicht jedes in der vierdimensionalen...
Seite 11 - Räume keinerlei physikalische Eigenschaften zukommen. Mit dieser Auffassung stehen die fundamentalen Tatsachen der Mechanik nicht im Einklang. Das mechanische Verhalten eines im leeren Räume frei schwebenden körperlichen Systems hängt nämlich außer von den relativen Lagen (Abständen) und relativen Geschwindigkeiten noch von seinem Drehungszustande ab, der physikalisch nicht als ein dem System an sich zukommendes Merkmal aufgefaßt werden kann. Um die Drehung des Systems wenigstens...
Seite 11 - ... Dingen rechnet, ist für ihn auch die Drehung relativ zu einem absoluten Raum etwas Reales. Newton hätte seinen absoluten Raum ebensogut „Äther" nennen können ; wesentlich ist ja nur, daß neben den beobachtbaren Objekten noch ein anderes, nicht wahrnehmbares Ding als real angesehen werden muß, um die Beschleunigung bzw. die Rotation als etwas Reales ansehen zu können.
Seite 9 - Indessen lehrt ein genaueres Nachdenken, daß diese Leugnung des Äthers nicht notwendig durch das spezielle Relativitätsprinzip gefordert wird. Man kann die Existenz eines Äthers annehmen; nur muß man darauf verzichten, ihm einen bestimmten Bewegungszustand zuzuschreiben, dh man muß ihm durch Abstraktion das letzte mechanische Merkmal nehmen, welches ihm Lorentz noch gelassen hatte.
Seite 5 - Die Entwicklung der Elektrizitätstheorie auf dem von Maxwell und Lorentz gewiesenen Wege brachte eine ganz eigenartige und unerwartete Wendung in die Entwicklung unserer den Äther betreffenden Vorstellungen. Für Maxwell selbst war zwar der Äther noch ein Gebilde mit rein mechanischen Eigenschaften, wenn auch mit mechanischen Eigenschaften viel komplizierterer Art als die der greifbaren festen Körper. Aber weder Maxwell noch seinen Nachfolgern gelang es, ein mechanisches Modell für den Äther...
Seite 6 - Massendichten, Geschwindigkeiten, Deformationen, Druckkräfte), gewöhnten sie sich allmählich daran, elektrische und magnetische Feldstärken als Grundbegriffe neben den mechanischen Grundbegriffen zuzulassen, ohne für sie eine mechanische Interpretation zu fordern. So wurde allmählich die rein mechanische Naturauffassung verlassen. Diese Wandlung führte aber zu einem auf die Dauer unerträglichen Dualismus in den Grundlagen. Um ihm zu entgehen, suchte man umgekehrt die mechanischen Grundbegriffe...
Seite 7 - Raume, so auch im Innern der materiellen Körper war ausschließlich der Äther, nicht aber die atomistisch gedachte Materie, Sitz der elektromagnetischen Felder. Die Elementarteilchen der Materie sind nach Lorentz allein fähig, Bewegungen auszuführen; ihre elektromagnetische Wirksamkeit liegt einzig darin, daß sie elektrische Ladungen tragen. So gelang es Lorentz, alles elektromagnetische Gesehehen auf die Maxwellschen Vakuum-Feldgleichungen zu reduzieren.
Seite 12 - Eigenschaften bar ist, aber das mechanische (und elektromagnetische) Geschehen mitbestimmt. Das prinzipiell Neuartige des Äthers der allgemeinen Relativitätstheorie gegenüber dem Lorentzschen Äther besteht darin, daß der Zustand des ersteren an jeder Stelle bestimmt ist durch gesetzliche Zusammenhänge mit der Materie und mit dem Ätherzustande in benachbarten Stellen in Gestalt von Differentialgleichungen, während der Zustand des Lorentzschen Äthers bei Abwesenheit von elektromagnetischen...

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