Goethe's Gedichte: erläutert und auf ihre Veranlassungen, Quellen und Vorbilder Zurückgeführt nebst Variantensammlung, Bände 1-2

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Conradi, 1876
 

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Beliebte Passagen

Seite 90 - Es war getan fast eh gedacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgetürmter Riese, da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah.
Seite 235 - Denkweise genug haben; als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pantheist hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andere. Bedarf ich eines Gottes für meine Persönlichkeit, als sittlicher Mensch, so ist dafür auch schon gesorgt. Die himmlischen und irdischen Dinge sind ein so weites Reich, daß die Organe aller Wesen zusammen es nur erfassen mögen.
Seite 339 - Völkern erregt uns peinliche Gefühle, über welche ich auf jegliche Weise hinwegzukommen suche; und in der Wissenschaft und in der Kunst habe ich die Schwingen gefunden, durch welche man sich darüber hinwegzuheben vermag: denn Wissenschaft und Kunst gehören der Welt an, und vor ihnen verschwinden die Schranken der Nationalität...
Seite 352 - Die Überzeugung unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinen Geist nicht ferner auszuhalten vermag.
Seite 278 - Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen ! Und Einen Herbst zu reifem Gesange mir, Daß williger mein Herz, vom süßen Spiele gesättiget, dann mir sterbe ! Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heilge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen, Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinabgeleitet; Einmal Lebt...
Seite 43 - Doch rede sacht! denn unter diesem Dach Ruht all mein Wohl und all mein Ungemach: Ein edles Herz, vom Wege der Natur Durch enges Schicksal abgeleitet, Das, ahnungsvoll, nun auf der rechten Spur Bald mit sich selbst und bald mit Zauberschatten streitet Und, was ihm das Geschick durch die Geburt geschenkt, Mit Müh und Schweiß erst zu erringen denkt.
Seite 30 - Sie lächelte, sie sprach: Du siehst, wie klug, Wie nötig war's, euch wenig zu enthüllen! Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug, Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen, So glaubst du dich schon Übermensch genug, Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen! Wie viel bist du von andern unterschieden ? Erkenne dich, leb mit der Welt in Frieden!
Seite 350 - Wirken wir fort, bis wir, vor oder nacheinander, vom Weltgeist berufen in den Äther zurückkehren! Möge dann der ewig Lebendige uns neue Tätigkeiten, denen analog, in welchen wir uns schon erprobt, nicht versagen! Fügt er sodann Erinnerung und Nachgefühl des Rechten und Guten, was wir hier schon gewollt und geleistet, väterlich hinzu, so würden wir gewiß nur desto rascher in die Kämme des Weltgetriebes eingreifen. Die entelechische Monade muß sich nur in rastloser Tätigkeit erhalten; wird...
Seite 294 - Ich habe bemerkt daß ich den Gedanken für wahr halte der für mich fruchtbar ist, sich an mein übriges Denken anschließt und zugleich mich fördert...
Seite i - Bürden liebend teilest, du, die ich frühe sucht' und fand. Und du, die gern sich mit ihr gattet, wie sie der Seele Sturm beschwört: Beschäftigung, die nie ermattet, die langsam schafft, doch nie zerstört, die zu dem Bau der Ewigkeiten zwar Sandkorn nur für Sandkorn reicht, doch von der großen Schuld der Zeiten, Minuten, Tage, Jahre streicht.

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