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bei Tolmetta auch Truppen der Garnison Derna entnommen wurden und entfalteten seit Mitte April eine lebhaftere Tätigkeit. Die Italiener beobachteten dieses Treiben und hatten bei ihren Rekognoszierungen knapp vor den Befestigungen eine Reihe kleinerer Rekognoszierungsgefechte zu bestehen, von denen jene vom 16. und 22. April hervorzuheben wären, wenn sie auch keine Folgen zeitigten. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Lage vor Derna auch jetzt keine wesentliche Veränderung erfuhr.

Dies geschah erst, als GM. Mambretti am 8. Mai in Derna das Kommando übernommen hatte. Kundschafternachrichten ließen den General vermuten, daß sich Teile der vor den Divisionen D'Alessandro und Tassoni zurückgehenden arabischen Streitkräfte bei Et Tangi, südlich Derna, mit den hier bereits gestandenen Banden vereinigt hätten, die dadurch auf etwa 3000-4000 Mann angewachsen seien. Es kamen auch Nachrichten, daß im Lager von Martuba ein Zuzug von Senussis erfolge. Die in El Abiar gefundenen Geschütze ließen vermuten, daß die Araber den größeren Teil ihrer Artillerie retten konnten, und es schien keineswegs ausgeschlossen, daß die Artilleriedotierung der Aufständischen in Et Tangi erhöht worden sei. Die Rekognoszierungen anfangs Mai ergaben, daß die vorgeschobenen arabischen Kräfte bedeutend verstärkt worden waren und bestätigten scheinbar die über das arabische Gros eingegangenen Nachrichten.

Zieht man in Betracht, daß die arabischen Vortruppen durch ihre geschaffenen Befestigungen im stande waren, den Italienern jeden Einblick zu verwehren, so scheint es, daß Mambretti mit Recht besorgt werden konnte und eine klare Situation herbeiwünschte.

Anderseits muß man annehmen, daß GM. Mambretti über den Verlauf der Operationen D'Alessandro-Tassoni unterrichtet wurde, und dem in späterer Folge allein operierenden GM. Tassoni unterstützen wollte, indem er durch eigene Initiative die bei Et Tangi versammelten Araber hier festhielt. Inwieweit GM. Mambretti bei seinem Tun höheren Befehlen gehorchte und was seiner eigenen Initiative zuzuschreiben ist, kann zurzeit nicht klar getrennt werden; doch muß man es begreiflich finden, wenn GM. Mambretti über die Lage bei Et Tangi ins Klare kommen wollte.

In Durchführung einer gewaltsamen Rekognoszierung größeren Stiles kam es am 16. Mai zu einem größeren Gefecht bei Sidi Garba a (vielfach wird dieses Gefecht auch nach dem Orte Et Tangi benannt).

Die Dispositionen des GM. Mambretti vergegenwärtigt in allgemeinen Umrissen die folgende Skizze 5. Alle Kolonnen hatten um 3h 301 vorm. aufzubrechen.

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Vom Feinde war bekannt, daß er, etwa 2000-3000 Mann stark, im Lager von Et Tangi und Bu Mansur stehe, zur Sicherung nennenswerte Abteilungen auf die Höhen nördlich des Wadi Manhar vorgeschoben habe, die ihrerseits kleinere Abteilungen bis in die Gegend

Martuba
O

Campo Rosso aufklären ließen. Etwa 1000-2000 Mann vermutete man im Lager von Martuba.

In Relation zu dieser Situation beim Feinde glaubte GM. Mambretti, mit den aufgebotenen 7 Bataillonen bei Berücksichtigung des Mehrwertes organisierter und geschulter Truppen das taktische Übergewicht zu besitzen. Tatsächlich erzielten die Italiener im Laufe des Vormittags durchschlagende Erfolge.

Die Hauptkolonne Obst. Madalena stieß am Campo Rosso um 4h 301 vorm. auf schwachen Gegner, der sich aber rasch verstärkte, so daß die Kolonne entwickelt werden mußte. Um 6h vorm. zogen sich die Beduinen in der Richtung auf Sidi Garbaa zurück.

Die rechte Kolonne Mjr. Masella erhielt bald nach 5h vorm. beim Aufstiege auf Braksada Feuer, konnte aber die schwachen feindlichen Abteilungen vertreiben und bis 6h vorm. Braksada nehmen.

Die linke Kolonne Mjr. Spada erreichte während dieser Zeit, ohne auf Gegner zu stoßen, Sidi Aziz, wo sie über den ganzen Tag verblieb.

Indessen setzten die übrigen Kolonnen in stetem engsten Kontakte mit dem Gegner die Vorrückung in Gefechtsformationen fort. Die Hauptkolonne konnte wegen des schwierigen Terrains nur langsam Raum gewinnen, arbeitete sich aber trotz der feindlichen Gegenwirkung ohne Aufenthalt an die feindliche Befestigungslinie Sidi Garbaa-Ras El Ain heran und konnte bis gegen 10h vorm. die Araber aus ihren Stellungen vertreiben. Weniger günstige Verhältnisse fand die rechte Kolonne. Nach der Wegnahme Braksadas setzte Mjr. Masella die Vorrückung in der allgemeinen Direktion Sidi Garbaa fort; wohl konnte er, von kleinen feindlichen Abteilungen stetig belästigt, bereits um 7h vorm. den Msafer durchfurten, wurde aber bei Kasr Kerba in ein hartnäckiges Gefecht verwickelt und von anscheinend überlegenem Gegner bis 10h vorm. hier festgehalten. (Manches spricht dafür, daß die rechte Kolonne erst nachmittags, während das Gros zurückging, den Anschluß an dieses fand.)

So waren nun die Seitenkolonnen für den vormittägigen Kampf des Gros verloren. Hier ordnete GM. Mambretti nach der Wegnahme der Befestigungslinie bei Sidi Garbaa und Ras El Ain eine Rast an. Während nun die Italiener die Verwundeten versorgten, ihre Munition ergänzten und die mitgenommenen Konserven konsumierten, führten die Araber einen wohldurchdachten Gegenangriff auf beide ungeschützten Flanken der Italiener aus. Durch das Tal des Wadi Manhar und Derna schoben sie in kleinen Abteilungen die Streitkräfte für den Gegenangriff vor, sammelten sie in den Niederungen bei Bu Mansur

und westlich Sidi Garbaa, und um 3h nachm., als die auf das Südufer des Manhar zurückgenommene Artillerie der Beduinen ein lebhaftes und wohlgezieltes Feuer (gemessene Distanzen) eröffnete, gingen sie überraschend zum Angriff vor. Gleichzeitig nahmen die noch auf dem Nordufer des Manhar zurückgebliebenen Schützenketten ein mörderisches Feuer auf. Die Italiener scheinen durch diesen konzentrischen Angriff auf die Mitte und beide Flanken völlig überrascht worden zu sein. In rascher Folge traten empfindliche Verluste an Mannschaft und insbesondere an Offizieren ein. Es gelang schließlich dem aufopfernden Eingreifen der Offiziere, eine Panik der auf engem Raume zusammengezogenen Truppen zu verhindern und sie in einer rückwärtigen Stellung ins Gefecht zu bringen. GM. Mambretti war sich der kritischen Lage völlig bewußt; er setzte die Reserve ein und zog aus der Redoute Lombardia auch die zwei 149 cm-Batterien heran. (Es scheint, daß auch 2 frische Bataillone im letzten Augenblicke von Derna herangekommen sind.) Schließlich gelang es, den Angriff der Araber abzuweisen.

Die Italiener haben empfindliche Verluste zu beklagen: 7 Offiziere, darunter Obst. Madalena, fielen, 29 wurden verwundet. An Mannschaft verloren sie insgesamt über 500 Mann (Tote, Verwundete, Vermißte und Gefangene). 4 Geschütze mußten wegen schwerer Beschädigung des Materials zurückgelassen werden, nachdem sie unbrauchbar gemacht wurden. Die Verluste der Araber werden auf rund 500 Mann geschätzt.

GM. Mambretti sah sich mit Rücksicht auf den Zustand der Truppen und den Munitionsmangel bewogen, am 16. Mai nach Derna zurückzumarschieren. (Dieses Vorgehen wurde von den Italienern vielfach auch nach siegreichen Gefechten beobachtet, soferne das Gefecht nicht der Beginn einer ausgreifenderen Offensive war.)

Es scheint, daß die Italiener in eine Falle der Aufständischen geraten sind. Diese fingierten bis zum Gegenangriff stets die Rückzüge und ermüdeten durch die im Rückzuge stetig erneuerten Widerstände die italienischen Truppen, die ihrerseits nach so heftigen Kampfepisoden den Gegner für niedergerungen halten mußten. Dabei kam den Arabern die genaueste Terrainkenntnis sehr zu Nutze. Es wäre weit gefehlt, den unglücklichen Verlauf der letzten Kampfphase mit dem Werte, der Ausbildung und dem Geiste der Truppen Mambrettis in Zusammenhang zu bringen. Diese Truppen hatten den ganzen Tag gefochten, hatten den Gegner geschlagen, hatten ihn sogar aus den Schützengräben bei Et Tangi-Ras El Ain herausgeworfen, was gewiß nicht in den Intentionen der Araber lag, wenn sie auch bis zu dieser Linie zum Teile freiwillig zurückgegangen waren. Die ermüdeten Truppen

gaben sich im Gefühle des Sieges der Ruhe hin, und darin mag vielleicht die Ursache für die mildere Handhabung der Sicherung und Gefechtsaufklärung liegen. Rückschläge in karstigem Gebiete, Überfälle, die dieses Terrain überaus begünstigt, sind leicht durchführbar und bringen dem Bodenfremden stets Schaden, wenn frische Truppen, wie solche die Araber aus dem nahen Lager für den letzten Angriff heranbrachten, gegen ermüdete Bataillone auftreten. Es blieb den Italienern die bittere Erfahrung, die alle Armeen im Karste gegen bodenständige Insurgenten gemacht haben, nicht erspart.

Der Geist, die Opferwilligkeit der Truppen und die Tüchtigkeit der Führer zeigte sich im Rückzuge, und vor allem verdient die Gebirgsartillerie hervorgehoben zu werden, damit wackere Taten, wo immer sie auch vollbracht werden mögen, den Soldaten als Beispiel selbstlosen und über die Pflicht gehenden Heldenmutes erhalten bleiben.

Als sich die erste Überraschung nach dem Überfalle der Araber gelegt hatte und die Infanterie staffelweise zurückging, um sich der Umklammerung zu entziehen, deckten die Gebirgsbatterien Nr. 23, 26 und 27 zuerst aus eigener Initiative, dann im Auftrage Mambrettis die rückgängige Bewegung der Infanterie.

Am rechten Flügel bei Sidi Garbaa stand die Batterie Nr. 23 (Hptm. Pellizzari) unweit der Infanterielinie in Feuerstellung, weiter rückwärts gegen die Mitte die Batterie Nr. 26 (Hptm. Squillione). Als nach dem überraschenden Überfalle der Araber die Infanteriestellung unhaltbar wurde und die Truppen zu weichen begannen, hielt das Feuer der Batterie Nr. 23 die Verfolgung auf und brachte den Arabern schwere Verluste bei. Die Batterie schoß auch noch, als der Gegner, sie selbst angreifend, auf 400 m vor den Kanonen mit mörderischem Feuer die Bedienung dezimierte; sie schoß selbst dann, als die Araber sich auf 100 m herangearbeitet hatten und nur einzelne Geschütze noch feuern konnten, weil die anderen nicht mehr bedient waren. Pellizzari sah seine Batterie verloren. Er, mit dem noch übrigen Offizier und der Mannschaft, entnahm nun den Geschützen die Verschlüsse, die Aufsätze und Richtfernrohre und rettete die Mannschaft. Die Geschütze mußten dem Feinde überlassen werden.

Am linken Flügel bei Ras El Ain scheint, trotzdem das Schwergewicht des arabischen Angriffes hieher verlegt war, die Überraschung keine vollkommene gewesen zu sein.

Wohl mit Verlusten, aber immerhin in guter Ordnung konnte die Infanterie und die Gebirgsbatterie Nr. 27 zurückgenommen werden.

So hatte nun die Batterie Nr. 26 nach dem tragischen Ende der Batterie Pellizzari die Aufgabe, das Vordringen der Araber auf beiden

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