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physischen Uebels derselben, so wenig die Besses rung, daß vielmehr die Besserung eine Folge dieser Fortdauer ist. Aber die Empfindung die: ses dauernden Uebels muß nicht stetig, muß wes nigstens in ihrer Stetigkeit nicht immer herrs schend seyn: weil es unbegreiflich ist, wie bei dieser herrschenden Stetigkeit auch nur der erste Entschluß zur Besserung entstehen könnte. Herr Eberhard selbst behauptet die Möglichkeit des erstern mit so ausdrücklichen, als nachdrücklis chen Worten. Das Physische der Strafe mag ,,immer bleiben; der besser belehrte Sünder ,,wird es kein Uebel mehr nennen, er wird sich ,,dabei nicht mehr unglücklich dunken, so schmerzhaft es auch immer seiner Sinnlichkeit ,,seyn mag." Was heißt dieses anders; als daß sich der Sünder bessern kann, ungeachtet feine Strafe nie aufhört? Aber wenn sollte er nur den Gedanken fassen, daß das fortdauernde physische Uebel für ihn ein wohlthätiges Uebel sey, wenn sollte er anfangen können, besser bes lehrt zu seyn, falls die Empfindung dieses Ue: bels so intensiv und stetig wäre, als man es

aus einigen figürlichen Ausdrücken der Schrift folgern zu müssen glaubt?

XIII.

Ich sage mit Bedacht, aus einigen figürlis chen Ausdrücken. Denn andere, besonders wenn man die Parabeln mit zu den figürlichen Ausdrücken rechnen darf, leiten auf weit richtis gere Begriffe, mit welchen sowohl die Endlosigs keit der Strafen, als zugleich die Besserung des Bestraften bestehen kann. Daß aber die eine die andere nicht aufhebt, ist nicht allein unter der Voraussetzung begreiflich, daß die Besses rung nicht anders als durch die Fortdauer der Strafen erhalten werden könne: sondern kann auch auf eine andere Weise mehr als wahrs scheinlich gemacht werden. Nemlich, wenn man in Erwägung zieht, daß obschon Strafe und Belohnung etwas positives seyn werden und seyn müssen, dennoch ein Stand von Stras fen und ein Stand von Belohnungen zugleich relative Begriffe sind, welche die nemlichen bleis ben, solange sie in dem nemlichen Verhältnisse abnehmen oder wachsen. Der reiche Mann in

der Hölle mag sich immer bessern; mag sich im mer, von dem ersten Augenblicke der empfunde nen Strafe an, seiner Vollkommenheit wieder zugewandt, und mit jedem folgenden Augen: blicke sich ihr mehr und mehr genåhert haben. Hört er darum auf, in Ansehung des Lazarus, in der Hölle zu bleiben, der von dem ersten Au: genblicke seiner empfundenen Seligkeit an, ins deß um eben so viele Schritte einer höhern und höhern Vollkommenheit zugeeilet ist? - Wer hierwider im Ernste den Einwurf machen kann, daß auf diese Wetse Hölle und Himmel in eines fließen, und sich jeder Sünder sonach trösten könne, über lang oder kurz dennoch eins mal in den Himmel zu kommen: der ist gerade ders jenige, mit dem man sich über dergleichen Din ge in gar keine Erklärung einlassen müßte. Für ihn mag es nur immer bei dem Buchstaben bleiben. Denn auf ihn und seines gleichen, ward gerade bei dem Buchstaben gesehen.

XIV.

Aber einen Mann, wie Herr Eberhard, darf ich fragen, ob jene unzertrennte Fortschreiz

tung, welche beide Stånde, Himmel und Hölle, durch unendliche Stufen verbindet, ohne daß jemals weder der eine noch der andere seine res lative Benennung verliert, nicht schon aus dem System der bessernden Strafen folget? Und ob die gänzliche Scheidung, welche die gemeine Denkungsart zwischen Himmel und Hölle macht, die nirgends grenzenden Grenzen, die auf eins mal abgeschnittenen Schranken derselben, die, ich weiß nicht, durch was für eine Kluft von Nichts, getrennt seyn sollen, diesseits welcher schlechterdings nur lauter solche, und jenseits welcher schlechterdings nur lauter andere Ems pfindungen Statt haben würden: ob alle ders gleichen Dinge nicht weit unphilosophischer sind, als der allergrdbste Begriff von der ewigen Dauer der Strafen nur immer seyn kann? Bet diesem liegt doch noch wenigstens eine große uns streitige Wahrheit zum Grunde: und er wird nur darum so unfinnig grob, weil man jene Uns gereimtheiten mit hineinnimmt, die sowohl mit dem Wesen der Seele, als mit der Gerechtig keit Gottes streiten.

XV.

Daß sie mit dem Wesen der Seele streiten, ist daher klar, weil die Seele keiner lautern Empfindung fähig ist; das ist, keiner solchen Empfindung fähig ist, die bis in ihr kleinstes Moment nichts als angenehm, oder nichts als unangenehm wåre: geschweige, daß sie eines Zustandes fähig seyn sollte, in welchem sie nichts als dergleichen lautere Empfindungen, entweder von der einen oder von der andern Art, håtte, Daß sie aber auch mit der Gerechtigkeit Gottes streiten, dieses, fürchte ich, dürfte vielleicht wes niger erwogen seyn worden, als es verdient. Was heißt indeß offenbarer damit streiten, als annehmen oder zu verstehen geben, daß selbst die Gerechtigkeit Gottes einer Unvollkommens heit bei ihren Strafen nicht ausweichen könne, welche der menschlichen Gerechtigkeit in gewiss sen Fällen unvermeidlich ist? Diese Unvollkom menheit besteht darin, daß die menschliche Ges rechtigkeit, wenn Strafen und Belohnungen colludiren, nicht anders als durch die wenigere Bestrafung belohnen, und durch die wenigere

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