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Verstandes, gründet *). Selbst den Saß, daß die Sünde deswegen unendlich bestraft werde, weil sie ein unendliches Wesen beleidige, hat er nirgends verworfen, oder auch nur gemißbilligt. Er sagt zwar an einem Orte, daß einmal eine Zeit gewesen, als er diesen Sah noch nicht genugsam untersucht hatte, um darüber ein „Urtheil zu fållen **)." Ich finde aber nicht, daß er es nachher gefällt; ohne Zweifel weil er nachher, als er ihn genugsam untersucht hatte, erkannte, daß sich schlechterdings nichts darüber

*) Cette espèce de juftice, qui n'a point pour but l'amendement, ni l'exemple, ni même la réparation du mal. Hobbes & quelques autres n'admettent point cette justice punitive, qui eft proprement vindicative. Mais elle est toujours fondée dans un rapport de convenance, qui contente non feulement l'offenfé, mais encore les fages qui la voyent; comme une belle mufique, ou bien une bonne architecture contente les efprits bienfaits. Theod. II. §. 73.

Theod. III. §. 92.

bestimmen lasse. Denn wenn jene råchende Gerechtigkeit Gott wirklich zukömmt: welcher endliche Verstand kann ihre Gränzen bezeich nen? Wer darf zu entscheiden wagen, was für einen Maaßstab sie bei diesen ihren Stras fen anzunehmen habe, und was für einen nicht? Der Maaßstab ihrer eignen Unendlichkeit ist wenigstens eben so wahrscheinlich, als jeder

andere.

IV.

Aber wozu dieses alles? Will ich Leibnizen in noch größern Verdacht bringen, daß er den Orthodoxen nur geheuchelt habe? oder will ich ihn in allem Ernste, bis zum Aergerniß unsrer Philosophen, orthodox machen? Keines von beiden. Ich gebe es zu, daß Leibnitz die Lehe re von der ewigen Verdammung sehr erotes risch behandelt hat; und daß er sich esoterisch ganz anders darüber ausgedruckt haben würde. Allein ich wollte nur nicht, daß man dabei ets was mehr als Verschiedenheit der Lehrart zu ses hen glaubte. Ich wollte nur nicht, daß man ihn geradezu beschuldigte, er sey in Ansehung

der Lehre selbst mit sich nicht einig gewesen; ins dem er sie öffentlich mit den Worten bekannt, heimlich und im Grunde aber geläugnet habe. Denn das wäre ein wenig zu arg, und liesse sich schlechterdings mit keiner didaktischen Poliz tik, mit keiner Begierde, allen alles zu werden, entschuldigen. Vielmehr bin ich überzeugt, und glaube es erweisen zu können, daß sich Leibnitz nur darum die gemeine Lehre von der Verdams mung, nach allen ihren exoterischen Gründen, gefallen lassen; ja gar sie lieber noch mit neuen bestärkt håtte; weil er erkannte, daß sie mit els ner großen Wahrheit seiner esoterischen Philos sophie mehr übereinstimme, als die gegenseitige Lehre. Freilich nahm er sie nicht in dem rohen und wüsten Begriffe, in dem sie so mancher Theologe nimmt. Aber er fand, daß selbst in diesem rohen und wüsten Begriffe noch mehr wahres liege, als in den eben so rohen und wüs ften Begriffen der schwärmerischen Vertheidiger der Wiederbringung: und nur das bewog ihn, mit den Orthodoxen lieber der Sache ein wenig zu viel zu thun, als mit den leßtern zu wenig.

V.

Herr Eberhard hat diese Meinung von ihm, und seiner esoterischen Philosophie, geras de nicht. Er glaubt, der vornehmste Grundsaßs derselben, von dem besten Zusammenhange der Dinge, erhalte erst alsdenn seine größte Evls denz, wenn man annimmt, daß alle vernünftige Wesen endlich einmal zur Glückseligkeit gelans gen.,,Dieses," sagt er, hat Leibniz wohl ,,gefühlt, und ungeachtet er, wie ich oben bes ,,merkt habe, seine Philosophie auch der entges ,,gengeseßten Meinung anzupassen suchte: so ,,hat er doch seine eigene Mißbilligung dersels ,,ben nicht undeutlich zu verstehen gegeben. Einer seiner geschicktesten Schüler und Vers theidiger, (Vattel) erkennet dieses ohne Bes ,,denken. Das mildere Schicksal der Sünder

ist auch seinen Grundsäßen zu tief eingegras ,,ben, als daß man die leßtern annehmen, und ,,das erstere verwerfen könnte; wofern man ihs „re ganze Kraft und Ausdehnung kennt, und ,,die innersten Geheimnisse derselben erforscht ,,hat. Er fennet keinen Stillstand, keine Ruhe Werm, Schr. VII. TO.

,,in der Welt; alles ist, bis im Kleinsten, in steter Bewegung, und zwar zu mehrerer Ausdehnung. Diesen Wachsthum zieht er ,,augenscheinlich der gleichmäßigen Vollkom ,,menheit vor; man mag ihn übrigens durch „die Ordinaten der Hyperbel oder des Drey; ,,ecks erklären *)." Ich muß, mit Erlaubniß des Herrn Eberhard, hier anmerken, daß, wenn er sich', in Ansehung dieses letztern aus der Leibnitischen Philosophie gezogenen Grun des, nicht überhaupt irret, er sich doch wenigs stens, in Betracht der dafür in der Note anges führten Stelle, gewiß ganz vergriffen hat. Leibniz sagt daselbst: Je ne vois pas encore le moyen de faire voir demonftrativement ce qu'on doit choifir par la pure raifon. Dieses scheinet Herrn Eberhard von der dop, pelten Hypothes, die immer wachsende Vollkommenheit des Ganzen entweder durch die Ordinaten der Hyperbel oder des Dreyecks zu

*) Leibnitz, Lettre à M. Bourget, Opp. T. II. P. 332.

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