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gehalten

im Bethsale

des Dessauischen Philanthropins

von

Christian Gotthilf Salzmann.

Dritte Sammlung.

Frankfurt und Leipzig.

1 7 8 3.

5940

8018

v. 3-4

Fünf und zwanzigste Verehrung.

Frank L.

Gemeine.

Erheb uns zu dir, du, der ist,
Und war, und feyn wird, Ewiger!
Du Unerforschter! und Bekannter !
Du aller Himmel Erstaunen!

Vor dem sein Knie der Cherub beugt,
Und nieder seine Krone wirft!

du, vor dem bald Sünder weinen,
Bald Lobgefang zu stammeln wagen,
Unendlicher! Unendlicher!

enn ich, meine lieben! sehe, wie schön und ordnungsvoll alles in der Welt gemacht die große Kunst und Weisheit betrachte, die Dauf den Bau meines Körpers verwender ist, wie

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Gottesverehr. 3. S.

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chen sich bewegen und fortarbeiten, ohne daß ich etwas dazu beytrage, wie viel tausenderley Bewes gungen ich mit dieser meiner rechten Hand vorneh, men kann, was für Kunst aus dem Bau meiner Zunge, Augen und Ohren hervorleuchtet! Wenn ich über mich selbst nachdenke, wie ich mir abwes fende Dinge, långst verstorbene Freunde, als gegens wårtig, vorstellen kann; wenn ich die Milbe betrachte, die so unmerklich ist, daß sie mein Auge kaum entdecken kann, und doch alle Gliedmaßen befizt, die zu Erhaltung ihres Lebens ndthig sind; und dann meine Augen an heitern Abenden richte, an den unermeßlich großen Raum, der über mir ausgespannt ist, wo Weltkörper, wie Meeressand, ausgestreuet sind, o da entstehet oft in mir ein heisses brennendes Verlangen, den allmächtigen, liebevollen, Geist, der dieß alles gemacht hat, nåher kennen zu lernen! Ja dieß Verlangen verwandelt sich oft in Trauren, wenn ich daran denke, daß ich nun so lange in der Welt lebe, so lange von meinem Vater erhalten worden bin, so viele Freuden aus seiner Hand empfieng, allenthalben,

wohin ich nur schaue, ihn wirken sehe, und doch, doch noch nicht ihn so kenne, wie ich wünsche, immer wie im dicken Nebel wandeln muß, ohne durchschauen zu können zu dem, der in Licht ges kleidet ist.

Darüber werdet ihr euch nicht wundern, meine Lieben! Stellet euch vor, daß einer von euch, in seiner ersten Kindheit, von seinem Vater wåre, aus besondern Absichten, entfernet, und nun so viele Jahre unter lauter Fremden erzogen worden, bekäme nur von Zeit zu Zeit einige dunkele Vers ficherungen, daß sein Vater noch an ihn denke, ihn noch liebe, und für sein Glück sorge, ohne von ihm nähere Nachrichten erfahren zu können, würde er sich nicht nach dem Vater sehnen? Würde er nicht oft mit nassen Augen wünschen: o wann kommt die glückliche Stunde, da ich ihn umarmen, da ich ihm auf das herzlichste meine kindlichen Empfindungen ausdrucken kann!

Wie kann es also anders seyn, als daß ders jenige, der mit Vernunft über sich und die Welt

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