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waadtländischen Nationalität, um sie der erst zu begründenden helvetischen zu opfern. Größere Bedenklichkeit zeigten freilich die freiburgischen Waadtländer, welche sich einstweilen trennen zu müssen glaubten, bis sie sich mit den Ansichten ihres Volkes über diese neue Wendung der Dinge bekannt gemacht hätten. *) Auf einen neuen, von Paris aus von den Abgeordneten Monnod und Laflèchere erhaltenen Wink, wurde demungeachtet noch die Unabhängigkeit des waadtländischen Volkes einen Tag später ausgerufen. Wäh rend noch am 2. Februar der Anwalt Secretan mit edler und schlagender Beredtsamkeit die Beschlagnahme der Güter der abwesenden Berner und Freiburger verhindert hatte, fand sie Ende Februars dennoch statt. Brüne, der jest statt des nach Korsika abgehenden Generals Menard den Oberbefehl über die im Waadtlande stehenden Truppen führte, und dessen Absichten nichts weniger entsprechen konnte, als Wiederherstellung der Eintracht unter den Schweizern, und besonders unter den Einwohnern des Kantons Bern, vernachläßigte unterdessen kein Mittel, den Bürgerkrieg herbei zuführen.

Hatte doch auch Berns eigene demokratische Umgestal tung vor den französischen Angriffsbehörden Mengaud und Brüne keine Gnade gefunden. Vergebens hatte man daselbst Abgeordnete des Volkes in die Versammlung der Räthe be rufen, vergebens die Aufstellung einer verbesserten Staatsverfassung beschlossen, in welcher die Repräsentation des Volkes in der Regierung, durch selbstgewählte Stellvertreter, als Grundlage gelten, die Besoldung aller Aemter, nach dem Verhältnisse ihrer Beschwerden und Arbeiten, bestimmt wurden, und jeder Staatsbürger das Recht haben würde, zu allen Stellen der Regierung und Verwaltung des Staats zu gelangen. Eben so wenig half es, daß man alsobald einen Verfassungsausschuß von einem Präsidenten und zwölf Mitgliedern niederfette, der sofort seine Arbeiten auf den in jener Verordnung gegebenen Grundlagen vornehmen sollte. Einige Bewegungen zu Aarau und im deutschen Theile des

Kantons hatten vielmehr dem sich jezt mehrentheils in Basel aufhaltenden Geschäftsträger Mengaud Veranlassung gegeben, sich auch hier einzumischen.") Schon am 5. Februar hatte, bei Anlaß des unbedeutenden und unaufgeheiterten Ereignisses von Thierens, das französische Vollziehungs-Direktorium dem Rathe der Fünfhundert eine Botschaft zugesandt, die man als eine Art von Manifest gegen die Kantone Bern und Freiburg betrachten konnte. "Die helvetische Oligarchie," so lautete der Anfang jener Zuschrift, „die seit dem Anfange der Revolution an allen Versuchen gegen die Frei„heit, und an allen zum Umsturze der fränkischen Republik „geschmiedeten Komplotten so thätigen Theil nahm, macht „nun das Maß ihrer Frevel voll, indem sie in der Person „mehrerer unserer tapfern Waffenbrüder die heiligsten Ge„seße des Völkerrechts verleßt." Von Luzern, wo die Regierung ihre bisherigen Unterthanen beinahe nöthigen mußte, die angebotene Freiheit und Gleichheit anzunehmen, wurde Vinzenz Rüttimann mit dringenden Vorstellungen an den fränkischen Minister Mengaud abgesandt. Luzern wolle den Frieden und mit der alten Regierung sei auch jeder Vorwand für Frankreich gefallen. Würde ein Kanton angegriffen, so wäre es die ganze Schweiz, und die ganze Schweiz würde die Waffen ergreifen und einen Nationalkrieg führen, Frankreich aber durch sein Betragen ganz Europa empören. Alsobald entgegnete der schlaue Fürsprecher Frankreichs, das Direktorium habe nie den Gedanken gehegt, das Schweizergebiet mit einem Kriegsheere zu überziehen, und die Bewegungen der Armee, welche diese Gerüchte veranlaßt hätten, seien blos eine Folge der Maßregeln, die man habe ergreifen müssen, um die Anschläge des Kantons Bern gegen die Freiheit des Waadtlandes zu vereiteln. Wenn Frankreich den Wunsch äußere, daß sich die Regierung der Schweiz der französischen Form nähere, so geschehe es in keiner andern Absicht, als um sich auf das engste mit der Schweiz zu verbinden, der Widerstand aber, den eine solche Aenderung finde, rühre blos von den Ränken Englands

her, welches sich mehr als jemals Mühe gebe, den Streich abzuwenden, der es zu zernichten drohe. Luzern und Basel möchten sich bei Solothurn und Bern, wo noch eine kleine Anzahl durch das allverderbende englische Gold bestochener Magistratspersonen herrschten, verwenden, daß sie die demokratischen Grundsäße, welche sie dem Scheine nach anerkennten, auch wirklich in Ausübung sezten. Sobald sie dieß gethan haben würden, sollten die französischen Truppen, welche nur gegen diese zwei Kantone Befehle hätten, durch ihren Rückmarsch einen neuen Beweis liefern, daß das Direktorium keine andern Absichten habe, als die mangelhafte Form der Oligarchie zu zerstören, keineswegs aber das Gebiet oder die Souveränität des Schweizervolkes zu verlezen, welches es immer als einen freien und unabhängigen Staat anerkennen würde.°) Und doch hatten die Franzosen schon zwei Tage früher Biel befeßt, und sich dadurch eines zweiten eidgenössischen Bundesglieds, und zwar eines solchen bemächtigt, das mit allen Ständen im Bunde war.

In Basel ging jezt die demokratische Umgestaltung ihren ruhigen Weg. Stürmischer sah es in Freiburg aus, wo doch die Regierung gleichfalls eine Erklärung zur Einführung von Freiheit und Gleichheit erließ. Das Nämliche geschah in Solothurn, obgleich die daselbst versammelten Volksrepräsentanten, nach eröffneten Instruktionen, darauf gedrungen hatten, die alte Regierung in allen ihren Theilen beizubehalten. 7) In Schaffhausen kam die Staatsveränderung, welche die Landschaft seit acht Tagen begehrt hatte, am 6. zu Stande. Die Bürgerschaft gab ihre Privilegien gegen die Landleute 2 auf, und die Regierung ließ Freiheit und Gleichheit der Rechte auf das feierlichste erklären. Heftiger und andauernder waren die Wehen der politischen Wiedergeburt in dem vorörtlichen Stande Zürich selbst gewesen. Hier hatte nämlich der große Rath in der Sizung vom 3. Februar eine Regierungskommission niedergefeßt, welche, vereinigt mit Abgeordneten der Bürgerschaft und des Landes, Alles berathen sollte, was zur Herstellung der Ruhe und Eintracht zwischen

Stadt und Land beitragen und zu Befriedigung aller mit dem Wohl des Ganzen verträglicher Wünsche dienen könnte. Noch che sie jedoch zusammengetreten war, ging man zwei Tage später, mit Einwilligung der Konstaffel und Zünfte, schon weiter, indem man einmüthig Freiheit und gleiche politische und bürgerliche Rechte für Stadt und Land annahm und sich selbst für provisorisch erklärte, bis die neue Verfassung angenommen und ins Leben getreten wäre. Die Landeskommission aber erhielt jezt den veränderten Auftrag, einen für Stadt und Land gemeinsamen neuen Verfassungsentwurf zu bearbeiten. Aber nur ein Theil der Abgeordneten des Landes kam in die Stadt, während andere durch Mißtrauen, gehässige Gesinnungen und Aufreizungen Mengaud's und seiner Agenten verleitet, sich in Stäffa vereinten, so daß man, nach mancherlei Unterhandlungen, erst am 21. Februar zusammentrat. Als man sich in der Landeskommission über die Worte der vorgeschlagenen Eidesformel, ohne Einwirkung fremder Gewalt eine neue Staatsverfassung einzuführen, entzweite, drangen am 26. einige Hundert Landleute, mit dicken Stöcken und Prügeln bewaffnet, in die Stadt, um die Eidesleistung zu hindern, ließen sich aber durch Vorstellungen und durch den Anblick eines sich bereitenden Widerstandes wieder nach Hause weisen. Unterdessen wurde sowohl der kleine Rath als die wichtigsten Kammern mit Abgeordneten des Landes ergänzt.) Weniger bereitwillig, als die Städte, zeigten sich die Länder, auf die bisher bewahrten Souveränitätsrechte Verzicht zu leisten; zwar bot die Regierung von Schwyz der Landschaft March ansehnliche Freiheiten an, allein diese leßtere verlangte aus dem Grunde, daß viel größere Stände ihren Unterthanen freiwillig die Freiheit geschenkt, daß die Erwerbung der Landschaft March dem Stande Schwyz weder Geld noch Blut gekostet, und daß die Landleute in der March zu den Eroberungen der Schwyzer tüchtig beigetragen, gänzliche Unabhängigkeit, welche, durch die Vorgänge im Kanton Luzern ermuntert, Küßnacht gleichfalls in Anspruch nahm. Schwyz entgegnete mit einer Warnung vor den noch

nicht allgemein bekannten Plänen der Ochs’schen Verfassung, welche sowohl die freisinnigen Einrichtungen des Landes als die heilige Religion der Väter bedrohten. 9) So hatte Basels öffentliche Entsagung auf seine Rechte über die itatalienischen Vogteien auch die übrigen gemeinen Herrschaften desto aufmerksamer auf Benüßung der günstigen Umstände gemacht. Die Schnsucht nach Befreiung war auch im Thurgau im Stillen aufgekeimt. Auf einer aus zweitausend Mann bestehenden, von Ulrich Kesselring, aus Boltschhausen, und Paul Reinhard, aus Weinfelden, geleiteten Volksversammlung zu Weinfelden am 1. Februar, an der man die Fragen → erörterte, ob man sich mit der bisherigen Landesverfassung ferner begnügen, oder ob man die regierenden Stände um Abhilfe einiger Beschwerden ansuchen, oder endlich, ob man dieselben geradezu um die Freiheit und um Aufnahme in den eidgenössischen Bund zu bitten gesinnet sei, hatte man sich, mit einstimmigem Beifallrufen, für das leztere entschieden. Einige Tage später erhielt ein Ausschuß von neunzehn Mitgliedern den Auftrag, eine Bittschrift um Freilassung an die regierenden Stände einzugeben und mit Nachdruck zu betreiben. Wirklich wurde der nach Zürich geschickten Abordnung von der vorörtlichen Behörde eine gefällige Aufnahme zu Theil, und sie erhielt die Zusicherung, daß nächstens eine in Frauenfeld zusammentretende Lagsaßung dem thurgauischen Volke die Erfüllung seines Wunsches gewähren würde. Mittlerweile versprachen die Abgeordneten im Namen der Landesausschüsse an Eides statt, die hohen und niedern Beamten in bisheriger Kraft und Wirksamkeit verbleiben zu lassen. Am 26. erhielt dann Thurgau durch eidgenössische, in Frauenfeld versammelte Abgeordnete auch wirklich urkundliche Be kräftigung der thatsächlich bereits eingetretenen Freiheit. In Verlegenheit, wie man zur bevorstehenden Kriegsrüstung Baarschaft finden sollte, hatte der Ausschuß beschloffen, also, gleich ein Verzeichniß des Vermögens der zahlreichen thurgauischen Klöster aufnehmen und jedes derselben durch 24 Mann bewachen zu lassen. Im benachbarten Rheinthale

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