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zeugung muß eine Verbitterung im Gefolge haben, die der Sozialdemokratie zu gute kommt.

Kann man leichtfertiger mit dem Ansehen der Rechtsprechung in diesem Falle derjenigen durch Geschworene

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umspringen!

Es muß wohl noch schlimmer werden, bevor es besser werden kann. So die National-Zeitung." Die Kreuz-Zeitung" verlangt ein entschlossenes Vorgehen der Regierung und sagt: Gleiches Recht soll freilich walten; hier handelt es sich aber in erster Reihe darum, diejenigen zu treffen, die sich selbst mit voller Absicht und vollem Bewußtsein außerhalb der bestehenden Ordnung stellen und deshalb auf den Schuß, den diese Ordnung gewährt, nur als Einzelpersonen, nicht aber als Gesamtheit Anspruch haben. Wenn die „bürgerlichen" Parteien sich entschließen könnten, diese einfache Wahrheit als das zu nehmen, was sie ist, würden die Berge, die sie zu übersteigen hätten, sich schwerlich so ungangbar erweisen, als man jezt vielfach annimmt.

Auch der nationalliberale „Hannov. Courier“ verspricht sich einen Erfolg allein von einem entschlossenen, kraftvollen und ausdauernden Vorangehen der Regierung. -Ueber Maßnahmen, die jezt schon möglich seien, sagt die „Norddeutsche Allgem. Zeitung":

Es ist eine weitverbreitete Ueberzeugung, daß schon jezt von seiten der Polizei und des Staatsanwalts mehr geschehen könnte, um den Uebermut der Sozialdemokratie zu dämpfen und der monarchisch gesinnten Bevölkerung tägliche grobe Aergernisse zu ersparen. Wenn beispielsweise die Sozialdemokraten auch bei ihren Privatbegräbnissen mit roten Emblemen jeder Art, roten Blumen, roten Kleidern, roten Tüchern u. s. w. aufziehen und mit diesen provokatorischen Demonstrationen am unangebrachtesten Ort die Ruhe des Friedhofs stören und die sonst anwesenden Besucher der Gräber ihrer Lieben, die sich stiller Andacht hingeben wollen, in der ärgerlichsten Weise belästigen, ist das nicht grober Unfng“ in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes, ohne jeden Zwang der Auslegung? Warum werden solche Ausschreitungen also geduldet?

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11. September. Ein freisinniges Blatt, sagen die „Hamburger Nachrichten," hat es dieser Tage für einen Mißbrauch der Sedanrede des Kaisers erklärt, wenn man aus derselben die Absicht eines gesetzgeberischen Vorgehens gegen die sozialrevolutionäre Agitation herauslese. Wir halten es umgekehrt für einen Mißbrauch, und zwar einen recht frivolen Mißbrauch der Kundgebungen des Monarchen, wenn man die Annahme zu verbreiten sucht, daß dieselben ein solches Vorgehen ausschlössen. Darüber kann gar kein Zweifel sein, daß auch der Kaiser die Bekämpfung der revolutionären Elemente als die Aufgabe der Staatsgewalt be= trachtet. Was er von dem Einzelnen im Volke erwartet, ist, daß fie die Staatsgewalt unterstüßen, daß sie „treu zu Kaiser und Reich stehen.“ Vor allem aber liegt diese Unterstüßung der Vertretung der einzelnen, dem Parlament ob, und damit steht man vor der Frage, um die schlechterdings nicht herumzukommen ist. Angesichts

des Stettiner Erlasses möchten wir es für unmöglich halten, daß den kaiserlichen Worten nicht eine entsprechende That der Regierung nachfolgen sollte.

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Die Post" hält die Vorbereitung gesetzgeberischer Maßregeln gegen die Sozialdemokratie für zweifellos und bemerkt weiter:,,Vermutlich wird bei weiterer Behandlung der Angelegenheit auch zur Sprache kommen, daß mit einer Aenderung des Vereinsgeseßes allein oder einer Novelle zu ihm in der Sache doch nicht viel erreicht werden dürfte." Die Germania" benußt den Kaiserlichen Dankerlaß vom 8. September, um daraus ihren Widerspruch gegen ein neues Ansnahmegeseß zu rechtfertigen:

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Besonders freut es uns, daß der Kaiser die göttliche Weltordnung so scharf betont und zum Kampfe gegen die Feinde der göttlichen Weltordnung aufgefordert hat. In diesem Kampfe wird der Kaiser uns immerdar auf seiner Seite finden, wie wir bisher stets für die göttliche Weltordnung, d. h. für die christliche Weltanschauung im Gegensaße zur mechanischen Weltanschauung der liberalen Wissenschaft eingetreten sind. Hie Christentum, hie Atheismus! Die moderne liberale Wissenschaft ist es, die den Feinden der göttlichen Weltordrung eine wissenschaftliche" Unterlage zu bieten und ihnen die Wege zu ebnen sucht. Auch gegen diese ist das Wort des Kaisers gerichtet, wie das Wort Kaiser Wilhelms I.: „Dem Volke muß die Religion erhalten werden!"

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Der Vorwärts" benußt vorstehende Auslassung, um die bürgerliche Demokratie aufmerksam zu machen, daß ein „neuer Ton,“ das religiöse Moment" in den Kampf gegen die Sozialdemokratie gebracht worden sei, der sie stußig machen müsse. Der katholische,,Westfälische Merkur“ und die katholische „Kölnische Volkszeitung" lehnen auch eine Verschärfung des Vereinsgesezes in Preußen als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie ab, denn es sei dann zu erwarten, „daß den bürgerlichen Parteien, die sich der Gnade der Minister des Innern und der Justiz nicht erfreuen, wie z. B. das Zentrum, die Veranstaltung von Versammlungen und die Bildung von Vereinen zu berechtigten Zwecken erschwert und gelegentlich unmöglich gemacht werde."

12. September. Die „Berliner Neuesten Nachrichten" sprechen sich also aus: Als der Kaiser bei dem vorjährigen Königsberger Festmahl die patriotische Hilfe der Stände Ostpreußens zum Kampf wider den Umsturz aufrief, knüpften sich an dieses Königswort im Vaterlande weitgehende Erwartungen. Der Berg kreißte und gebar die Umsturzvorlage, ein Paradestück büreaukratischer Juristenarbeit, das auch von denen, die voll bereit waren, zur Erfüllung des Königlichen Wortes beizutragen, nicht unterstüßt werden fonnte. Denn eine Vorlage, die nicht einmal den Mut ihrer Meinung hatte, nicht wagte, die Sozialdemokratie beim Namen zu nennen, war unannehmbar, weil sie ihren Hauptzweck verfehlte,

die Sozialdemokraten nicht traf, dagegen andre Parteien den Zufälligkeiten polizeilicher und staatsanwaltlicher Launen sowie den Gefahren von Richtersprüchen ausseßte, wie wir sie in den leßten Jahren nicht ohne Staunen erlebt haben. Eine Vorlage wider den Umsturz muß klipp und klar eine Vorlage gegen die Sozialdemokratie sein, muß auf die Verführer und ihre Bestrebungen zerschmetternd fallen, sonst hat sie überhaupt keinen Wert und dient nur dazu, die Phrasendrescherei im Parlament zu vervielfältigen und der Sozialdemokratie die Beihilfe andrer Parteien zu sichern. Die vorjährige Umsturzvorlage war eine Entstellung der Königlichen Intention. Die Kaiserlichen Worte von den Festmählern am 2. und am 6. September sowie auch in der Danksagung vom 9. September geben die erfreuliche Gewißheit, daß der Kaiser persönlich entschlossen ist, den Kampf mit der Sozialdemokratie auf alle Weise zu Ende zu führen. Hoffentlich hat die Regierung aber damit auch die Entschlossenheit gewonnen, den Kampf auf alle Folgen hin aufzunehmen.

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13. September. Nach Ansicht der Konservativen Korrespondenz" ist es zunächst Sache des Volkes, den Aufruf des Kaisers zu beherzigen; zu diesem Zweck möchten allerorten Versammlungen stattfinden, die dem Kaiser sagten, daß sie die Kraft in sich fühlten, dem Aufrufe nachzufolgen.

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14. September. Der Reichsbote" behauptet bestimmt zu wissen, daß die Regierung an „große Maßregeln“ gegen die Sozialdemokratie vorerst nicht denke, und bemerkt dazu:

Aber daß man sich nicht weiterhin von der sozialdemokratischen Presse auf der Nase herumtanzen läßt, verlangen alle anständigen Bürger und bedauern es nur, daß die Regierung immer nur erst wieder an diese vaterlandslose Agitation denkt, wenn sie solche Exzesse verübt wie neulich. Nur ein stetiger, nachhaltiger Kampf kann helfen. Wie wenig übrigens von der Initiative des Volkes zu erwarten ist, das zeigt sich schon jest; einige Zeitungen räsonniren über die Sozialdemokratie - aber im Volk regt sich nichts. Die Sozialdemokraten sezen ihr Treiben unter andächtigem Zuhören der großen Masse fort, der „Vorwärts“ wird in Berlin anstandslos auf den Straßen ausgeboten, und er kann sich rühmen, daß seine Auflage die der meisten bürgerlichen Organe bei weitem übertrifft. Uebrigens haben die polnischen Blätter ganz ähnliche Frechheiten gegen die Jubi läumsfeiern verübt. Das Volk thut ihnen ja nichts, sondern liest solche sensationellen Artikel gern. Wann wird die Regierung sich darauf besinnen, daß hier das einzig Richtige ein energisches Handeln ist? In Kiel, Breslau und Leipzig finden polizeiliche und gerichtliche Maßnahmen gegen die sozialdemokratischen Blätter statt. Der Abgeordnete Barth spricht sich in der „Nation" also aus:

Man kann doch die Augen nicht davor verschließen, daß nahezu in allen wichtigern Fragen, die die praktische Politik betreffen und Gegenstand eines ernsthaften parlamentarischen Streits sind, die Sozialdemokraten bei

der Abstimmung auf jener Seite sich befinden, die wir Liberalen für die richtige halten. Daß die Sozialdemokratie daneben allerlei lästerliche Reden führt, die wir mißbilligen, und Ziele verfolgt, die wir bekämpfen, die aber nicht den Schimmer einer Aussicht haben, verwirklicht zu werden, das ist doch noch kein Grund, den Teufel durch Beelezebub zu vertreiben.

16. September. Dazu bemerkt die „Nat.-3tg.":

Wir fürchten, daß die anscheinende Offenheit dieser Darlegung zum Teil eben nur Schein ist, indem ein hauptsächlicher Antrieb für die freisinnige Taktik verschwiegen wird: daß man die sozialdemokratische Hilfe für freisinnige Kandidaten bei Stichwahlen nicht verscherzen will. So weit die obige Argumentation aber die wirkliche Ansicht des Verfassers und seiner Gesinnungsgenossen wiedergiebt, ist sie von erstaunlicher Oberflächlichkeit. Der schlimmste Fehler in der Darstellung Barths ist die Ignorirung der Wirkungen, die die sozialdemokratische Agitation und jeder Triumph derselben im VolksLeben hervorbringt.

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19. September. Die „Münchner Neuesten Nachrichten" schreiben: Wir sind in der Lage, folgende authentische Mitteilung zu machen: Allen Ableugnungen zum Troß ist auf Initiative höhern Orts hin eine gefeßgeberische Aktion gegen die Umsturzpartei und deren Bestrebungen für nahe bevorstehend zu halten, weil sie eine schreiende Notwendigkeit sei.«“ — Im geraden Gegensatze hierzu steht nachstehende Berliner Depesche des Hamburgischen Korrespon= denten": Zwischen den maßgebenden Stellen besteht Einverständnis darüber, daß eine neue Sozialistenvorlage dem Reichstage nicht gemacht wird. Die Krisengerüchte sind demnach gegen= standslos."

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23. September. Unter dem Eindruck der leztern Nachricht fagt die Berliner „Post": Wird das Eisen nicht durch eine konsequente energische Regierungspolitik geschmiedet, so lange es unter dem Eindrucke des Kaiserlichen Mahnrufs warm ist, so steht nach den bisherigen Erfahrungen zu befürchten, daß ein großer Teil unsrer Mitbürger wieder in den schwächlichen, optimistischen Dusel versinkt und der Kampf gegen die Sozialdemokratie nur einigen wenigen energischen, klaren und zielbewußten Männern überlassen bleibt.

4. Oktober. In der Berliner Wochenschrift „Zukunft“ veröffentlicht Reichsgerichtsrat Stenglein einen Artikel über die Umsturzvorlage, worin er die Bedenken gegen Bekämpfung der Sozialdemokratie durch Ausnahmegeseze wie folgt widerlegt:

Kein Vernünftiger wird etwas dagegen einzuwenden haben, daß außerordentliche Zustände oder außerordentliche Gefahren durch außerordentliche Mittel bekämpft werden. Der Zustand, daß ein Teil der Staatsbürger nicht nur die bestehenden Zustände als gänzlich verfehlt, als moralisch unhaltbar, als von der Mehrheit der Minderheit gewalt= sam und rechtswidrig auferlegt, theoretisch darstellt, sondern dieser

Minderheit sogar das Recht beilegt, gewaltsam ihre Utopien zu bestehenden Zuständen zu machen, der Mehrheit also Geseze aufzuerlegen; daß diese Minderheit sich nicht scheut, Zerstörung am Leben und Eigentum andrer als erlaubte Mittel gewaltsamer Propaganda und des Protestes gegen rechtlos Bestehendes zu rechtfertigen, sind Ausnahmezustände, deren Bekämpfung durch Ausnahmegeseße ausschließen zu wollen, sich nur durch eine Art von Begriffsverwirrung erklären läßt. Wie würde man den bezeichnen, der einem Staate, der von einem andern mit Krieg überzogen wird, empfehlen würde, keine Ausnahmezustände eintreten zu lassen, sondern dem Angreifer nur mit den regelmäßigen Mitteln friedlicher Zustände entgegenzutreten? Sozialdemokratie und Anarchismus sind die Angreifer in dem Krieg gegen die bestehenden Zustände. Denen aber, die auf dem Boden dieser Zustände stehen und sie zu verteidigen berufen sind, sollen nur friedliche Mittel gestattet sein; sie sollen ruhig zusehen, wenn die Gegner ihre Angriffe vorbereiten und die Verteidigungswerke des Bestehenden unterminiren.

Der christlich-soziale Parteitag in Berlin beschließt folgende Erklärung:

Der Kampf gegen die Umsturzbestrebungen kann mit Erfolg nur von politischen Gruppen geführt werden, die nicht allein die Irrtümer und agitatorischen Ausschreitungen des Parteitreibens beleuchten, sondern auch mit fester Hand an die gründliche Aenderung der Zustände und Verhältnisse herantreten, aus denen die sozialdemokratische Bewegung hervorgegangen ist. Ausnahmegeseze verschärfen nur die sozialen Gegensäße und begünstigen die Gleichgiltigkeit und Unthätigkeit bei Ausübung der staatsbürgerlichen Pflichten.

8. Oktober. In Betrachtungen zur Frage der Strafbarkeit des Boykotts" spricht die Kreuz-3tg. jezt ebenfalls die Ansicht aus, daß eine wirksame Bekämpfung der Ausschreitungen der Sozialdemokratie auf dem Voden des gemeinen Rechts nicht möglich ist, daß dieselbe vielmehr nur auf dem Boden der besondern Gesezgebung erreicht werden kann. Mit der obigen von den Christlich-Sozialen unter Stöckers Leitung vertretnen Ansicht, daß von einem Ausnahmegeseze nur die Verschärfung der sozialen Gegensäge zu erwarten sei und mit der Unterstellung, daß die Sozialdemokratie die Vertretung der Arbeiterklasse bilde, müsse gebrochen werden.

Es ist schon an sich ein Unding, sagt das Blatt, daß eine Partei, die die Grundlagen unsrer Staats- und Gesellschaftsordnung umzustürzen unternimmt, den Schuß des Staates für sich in gleichem Umfange wie für die übrigen politischen Richtungen in Anspruch nimmt. Noch thörichter ist es, daß man dem Staate das Recht versagen will, durch Abwehrmaßregeln, die ausschließlich gegen jene Partei gerichtet sind, sich seinen Bestand zu sichern.

13. Oktober. Aufs neue wird die Frage der Maßregeln gegen die Sozialdemokratie zu lebhaftester Erörterung aufgerufen infolge des folgenden, vom Kaiser aus Hubertusstock an den Statthalter der Reichslande gerichteten Telegramms:

Ich erfahre soeben aus den Zeitungen die Kunde des abscheulichen Mordes des Fabrikherrn Schwarz in Mülhausen.“ Ich

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