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28. April. Die Regierung der Repulik protestirt gegen diese Gewaltthat, die deren Würde und Unabhängigkeit verlege, und be= steht auf Anrufung eines Schiedsgerichts.

1. Mai. Durch Vermittlung der Regierung der nordamerikanischen Union wird der Streitfall dahin geschlichtet, daß Nikaragua die ver= langte Entschädigung leistet und England seine Truppen zurückzieht.

2. Mai. Die Regierung von Nikaragua annektirt das Mosquito gebiet, dem der Namen Zelaya beigelegt wird.

Ende September. Drei der fünf Republiken, nämlich Nikaragua, Honduras und San Salvador, vereinigen sich zu einem Bunde unter dem Namen „Republica Mayor de Centro-America.“ Sobald Guatemala und Costarica hinzutreten, soll die Vereinigung den Namen „Republik Zentral - Amerika" annehmen. Gomez, der für Nikaragua diesen Staatsakt vollzieht, äußert über Zweck und Ziel der Union:

Zwei große Ziele stehen uns vor Augen: eine dauernde Einigung der fünf Republiken herbeizuführen und deren auswärtige Interessen zu verschmelzen und sodann zur Sicherung des Friedens innerhalb der fünf Glieder die wirtschaftliche Hebung unsrer Länder zu fördern, da wir dann Kapital und auch Zuzug von Einwanderern erwarten können. Für die auswärtigen Angelegenheiten wie auch die Beziehungen der Mitglieder des Staatenbundes wird ein Rat eingeseßt, der aus den Ministern des Auswärtigen und Konsuln besteht, und dessen Beschlüsse bindend sind. Ein Reichstag, in dem auf drei Jahre gewählte Abgeordnete sizen, und der abwechselnd in jeder Hauptstadt tagt, berät die innern Angelegenheiten. Für gewisse Entscheidungen, über die Uneinigkeit herrscht, sollen die Vereinigten Staaten als Schiedsrichter angerufen werden.

Diese Einheitsbewegung ist verschieden von der durch den Präsidenten Barrios von Guatemala im Jahre 1885 angestrebten (1885 II. S. 305) und ist durch Englands Beseßung Corintos hervorgerufen.

Colombia.

Ende Januar. In der frühern Republik Neu-Granada, die fich seit 1861 Colombia nennt, bricht ein Aufstand aus, dessen Herd das durch die Verfassung von 1886 zum Bundesland erklärte Departement Cundinamarca bildet, auf dessen Gebiet die Hauptstadt Bogotà liegt. Der Aufstand erstreckt sich sodann auch auf die Departements Bolivar, Magdalena und Antioquia.

Gründe des Aufstands: Eine lange Reihe von Revolutionen und die Ueberhandnahme des Tabakbaues bewirkten einen wirtschaftlichen Rüdgang, die Ergiebigkeit der Minen ließ nach, das fremde Kapital wurde aus dem Lande gezogen. In den sechziger Jahren verfiel Präsident Mosquera auf den Gedanken, unterwertiges Silbergeld in Umlauf zu seßen. Die Folge war das Verschwinden des Goldes und des höherwertigen Silbergeldes aus dem Lande. Der spätere Präsident Nunez mußte eine Anleihe aufnehmen und die Panamaeisenbahn zum Pfand geben, um das Defizit zu decken, das nur eine Zeit lang durch den Maffenexport von Chinarinde gedeckt werden konnte. Als auch dieses Mittel versagte und eine neue Revolution das Land verheert hatte, ließ die Regierung halbwertiges Silbergeld ausprägen und führte den Zwangskurs für Papiergeld ein. Einen schweren Schlag erlitt das Land mit dem Scheitern des Panamakanal-Unternehmens, auf das es die größten Hoffnungen gesezt hatte. Vor einiger Zeit erging ein Dekret betreffend die Einführung des Tabakmonopols, deffen Harte Bestimmungen allgemeinem Widerstande begegneten.

Anfang Februar. General Salmiento, Führer der Aufständischen, ergiebt sich in Tolima mit 1500 seiner Anhänger. Andre Aufständische werden bei Corozal geschlagen.

Anfang März. Die Aufständischen, neu vermehrt durch_zahlreiche Arbeiter, die infolge des trostlosen Standes der PanamakanalAngelegenheit außer Brot gesezt sind, bedrohen die Stadt Colon oder Aspinwall, den nördlichen Endpunkt der Panama-Eisenbahn.

27. März. Die Aufständischen werden von den Regierungstruppen bei Boyaca geschlagen.

Venezuela.

Mitte Januar. Truppen der Republik beseßen den auf dem Gebiete von Britisch-Guyana, nahe der Grenze liegenden Ort Uryan und führen die dortigen britischen Polizeinspektoren gefangen fort, werden aber vom Präsidenten Crespo, zum Zeichen der Mißbilligung dieses Uebergriffs, alsbald freigelassen.

7. März. Die Regierung schickt den Gesandten von Frankreich und Belgien die Pässe zu, weil sie sich beteiligt haben an der Unterzeichnung eines im Januar im italienischen diplomatischen Grünbuche veröffentlichen Schriftstücks, durch das die Regierung sich beleidigt fühlt.

Die diplomatischen Vertreter Frankreichs, Belgiens, Spaniens und Deutschlands hatten im April 1893 dieses Schriftstück aufgeseßt und unterzeichnet, in oem, unter kritischer Darlegung der damaligen Verhältnisse in Venezuela, die Ansicht vertreten war, daß sich eine gemeinsame Behandlung der aus dem Bürgerkriege von 1892 herrührenden Ansprüche fremder Staatsangehörigen empfehle. Ein jeder der Unterzeichner sollte das Schriftstück seiner Regierung einreichen und den darin enthaltenen Vorschlag bei ihr befürworten. Die über die Veröffentlichung in Caracas entstandne Mißstimmung bestimmte die venczuelanische Regierung zu jener Maßregel.

Anfang April. Der Streitfall wird infolge der Rücksprache eines besondern italienischen Gesandten mit dem Präsidenten bei= gelegt. - An den obigen Vorfall im Januar schließt sich eine Erneuerung des alten Streits mit Großbritannien über die Grenze von Britisch-Guyana. Auf Einsprache Nordamerikas gegen eigenmächtige Handlungen Großbritanniens in jenen Gegenden erwidert die englische Regierung, daß fie in dieser Grenzfrage ein Dazwischen= treten der Vereinigten Staaten nicht dulden werde. Darauf wird ein nordamerikanisches Geschwader unter Admiral Meade in La Guayra von der Bevölkerung mit Begeisterung begrüßt und die Mannschaft in feierlichem Aufzuge nach der Hauptstadt Caracas geleitet, wo sie vom Präsidenten Crespo ausgezeichnet wird.

Das bei diesem Streite in Betracht kommende Gebiet war bis 1810 spanisch, allein nachdem die Kolonie sich für unabhängig erklärt und der westliche Teil von Holländisch - Guyana 1814 von den Niederlanden an Großbritannien abgetreten war, haben die Engländer langsam ihre Grenzen vorgeschoben. Noch während Venezuela um seine Unabhängigkeit gegen Spanien fämpfte, überschritten britische Kolonisten von Demarara aus den Essequibofluß und errichteten Handelsfaktoreien an der atlantischen Küste, westlich vom Effequibo. 1827 waren die britischen Ansiedlungen bereits bis zum Marokkofluß vorgedrungen. Venezuela hatte in der nächsten Zeit mit sich selbst genug zu thun, als aber die englische Regierung unter Palmerston Ende 1840 den Ingenieur Schomburgt beauftragte, die Grenze Britisch-Guyanas durch Vermessung festzustellen, erhob Venezuela Protest. So entstand die sogenannte Schomburgflinie, die anfangs nur die Ansprüche Englands markiren sollte, später aber von London aus als Rechtstitel benuzt wurde. 1857 bewog die Regierung von Venezuela den damaligen Premier Lord Aberdeen, die Öberhoheit Venezuelas über den Küstenstrich zwischen dem Orinoko- und Morokkofluß anzuerkennen. Der englische Minister schlug dann eine Grenzlinie vor, die an der Küste beträchtlich hinter der Schomburgtschen zurückbleibt. Die Verhandlungen kamen jedoch ins Stocken und wurden erst 1876 wieder aufgenommen. Allein noch während der Verhandlungen, Ende 1880, erschienen zwei englische Schiffe an der Mündung des Orinoko, um Materialien zur Errichtung eines Telegraphen in dem streitigen Gebiet auszuschiffen. Damals mischten sich die Vereinigten Staaten von Amerika offen in den Streit ein, doch begnügten sie sich 1882 damit, ein Schiedsgericht zu empfehlen. Lord Granville erklärte sich damit einverstanden, allein Lord Salisbury, der bald darauf zur Regierung kam, desavouirte 1885 seinen Vorgänger. Lord Rosebery, der Nachfolger Salisburys, war zu einem Kompromiß bereit, aber während noch verhandelt wurde, erschien wieder eine aus Marineoffizieren und Zivilisten bestehende englische Expedition am Orinoko, die an Punkten, die niemals

vorher von England als Gebietsteile Britisch-Guyanas beansprucht waren, Plakate mit der Unterschrift des britischen Gouverneurs von Demarara anbrachten, des Inhalts, daß dort die britischen Geseße in Kraft seien. Präsident Blanco verlangte die Wiederherstellung des Zustandes von 1850, es wurden eine Menge Noten gewechselt, jedoch ohne Erfolg, sodaß Venezuela am 20. Februar 1887 die diplomatischen Beziehungen zu England abbrach. Darauf erlich der Gouverneur von Guyana eine Proklamation, in der er das ganze Gebiet bis zum Caronifluß für britisches Eigentum erklärte. Nun mischte sich auch die Regierung in Washington wieder ein, allein Rosebery gab keine Erklärungen ab. Alle spätern Versuche Venezuelas in London und der Washingtoner Regierung, das Londoner Kabinett zur Annahme eines Schiedsgerichts zu bewegen, sind an der Bedingung Englands gescheitert, daß nur das Gebiet westlich von der Schomburgklinie in Betracht kommen dürfe. Nun trat der obige Grenzvorfall ein, wofür England 60000 Dollars Entschädigung verlangte; allein da die Regierung in Caracas befürchtet, durch die Zahlung derselben zugleich anzuerkennen, daß das Gebiet, auf dem die englischen Polizisten gefangen genommen wurden, zu Britisch-Guyana gehöre, so suchte Venezuela die Verhandlungen in die Länge zu ziehen und gleichzeitig rief es die Hilfe der Vereinigten Staaten von Amerika an.

Im Juli. Die Regierung der nordamerikanischen Union macht in einer nach London gerichteten Note die sog. Monroe-Doktrin, d. h. den Grundsaß geltend, daß keiner europäischen Macht gestattet sei, von einem Gebiete auf dem amerikanischen Kontinent Besiß zu ergreifen oder ihre dort schon vorhandnen Besizungen mit Gewalt zu vergrößern. (S. darüber die obige Botschaft des Präsidenten Cleveland vom 2. Dezember, S. 374.)

Im Oktober. Der britische Premierminister Lord Salisbury tritt diesen Ansprüchen Nordamerikas entgegen und lehnt den Vorschlag eines Schiedsgerichts ab. (Ueber diese englische Note s. die Botschaft Clevelands vom 17. Dezember, S. 375.)

Ecuador.

Ende April. Im Norden der Republik bricht ein Aufstand aus. Die Aufständischen bemächtigen sich der von der Landeshauptstadt Quito nur 200 Kilometer entfernten Hafenstadt Esmeraldas, wo sie die Kasernen mit Dynamit in die Luft sprengen.

Anfang August. Die Aufständischen bleiben Sieger und erheben den Radikalen General Alfaro zum Präsidenten.

Peru.

Im Januar. Die Regierung des Generals Caceres befindet fich in finanziellen Nöten, obgleich sie die Steuern für das erste Semester 1895 im voraus eingezogen hat. Auf Grund der ihm vom Kongreß erteilten außerordentlichen Vollmachten hatte der Präsident Bonds zu je 100 Dollars ausgegeben, allein dieselben wurden vom Publikum so schlecht aufgenommen, daß sie nur mit 75 Prozent Verlust unterzubringen waren. Darauf bescheidet der Präsident alle in Lima wohnenden reichen Peruaner zu sich in den Palast und verlangt, daß jeder von ihnen 10000 Dollars kaufe. Da die meisten nicht darauf eingehen, behält der Präsident alle als Gefangne eine Zeit lang zurück.

Im Februar. Drei Präsidentschaftskandidaten verbinden sich zum Sturze des Präsidenten Caceres: die Parteigänger des Demokraten Pierola, die eines frühern Ministers und die del Solars, der durch Caceres verdrängt war. Die Aufständischen bemächtigen sich zahlreicher wichtiger Orte im Innern.

20. März. Die Aufständischen greifen die Hauptstadt Lima an und stürzen nach einem grauenvollen Straßenkampfe den Präsidenten Caceres, an dessen Stelle eine aus Mitgliedern mehrerer Parteien bestehende provisorische Regierung mit Candamo als Präfidenten tritt.

Anfang Juli. General Pierola wird zum Präsidenten der Republik gewählt.

Brafilien.

Anfang Februar. Durch Schiedsspruch des Präsidenten der nordamerikanischen Union wird im Streit Brasiliens mit Argentinien über die Zugehörigkeit des unter der Leitung von Jesuiten kultivirten fog. Missionsgebiets an der Südwestgrenze Brasiliens zu Gunsten dieses Landes entschieden.

Im Juli. Die englische Regierung giebt ihre auf die brasilianische Insel Trinidad erhobnen Ansprüche wieder auf.

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