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19. Auguft. Der Pariser Matin" veröffentlicht Unterredungen mit dem elsässischen Reichstagsabgeordneten Guerber und dem Mitgliede des Landesausschusses Petri, die beide erklärten, eine elsaß-lothringische Frage existire nicht.

Petri betont, Frankreich verkenne die wirkliche Lage Elsaß-Lothringens. Man bilde sich dort ein, daß die Elsässer in Permanenz auf der Straßburger Kathedrale Wache hielten und ausblickten, ob Frankreich käme, sie zu befreien. Das sei eine Legende, die im Intereffe beider Länder zerstört werden sollte. Unzweifelhaft hat die Stunde der Resignation geschlagen; wir wünschten zufolge unsrer Sympathie für Frankreich, daß sie auch jenseits der Vogesen schlüge. Unfre Stadt gedeiht, ihre Industrie wird täglich reicher. In Straß burg giebt es nur einige wenige Personen, die um den Preis eines Krieges wieder Franzosen werden möchten. Die große Mehrheit will Frieden und Aufrechterhaltung des jezigen Zustandes. Unser Wunsch ist Einvernehmen zwischen Deutschland und Frankreich. Dies kann nur auf Grund des Frantfurter Vertrags geschehen. Alle andern Lösungen sind Hirngespinste. Das ist die Wahrheit. Ich wünsche, Sie hätten den Mut, sie zu sagen, und die öffentliche Meinung Frankreichs, sie zu begreifen.

22. August. Im Pariser „Figaro" veröffentlicht der französische General Munier mit Namensunterschrift einen Brief mit der Erzählung eines Falles aus dem Kriege von 1870, wonach ein höherer deutscher Offizier in Lothringen bei einer Einquartierungswirtin Wäsche und Schmucksachen aus den Schränken gestohlen habe. (Der siebenundsechzigjährige Munier geriet bei Sedan in Gefangenschaft und ist jeßt außer Dienst.)

Ende August. Der Pariser „Figaro" sagt von den Manöbern an der deutschen Oftgrenze:

Während die Deutschen die Gedenkfeier ihrer Siege laut und lärmend begehen, schickt sich die französische Armee schweigend und in aller Stille an, diese Triumphgefänge mit einer „eklatanten" Manifestation zu beantworten. Nach den Kronstädter Festen haben die Manöver bei Vitry unsern Freunden, den Ruffen, gezeigt, daß unsre Armee wieder auf ihren Füßen steht, zwanzig Jahre nach dem Jahre des Schreckens, bereit, alle ihre Pflichten und Aufgaben auszuführen. Nach den Kieler Festen werden jezt die Manöver im Vogesengebiet Europa beweisen, daß Frankreich fortan ohne Furcht dem verhängnisvollen Problem der Eventualitäten entgegenblickt, die die Zukunft uns bringt. Vor den Augen des Dreibundes schreiten Frankreich und Rußland Hand in Hand einher. Ein neuer Beweis dafür wird dieser Tage gegeben werden.

XI.

Verhältnis zu Italien.

Anfang September. Die französische Regierung kündigt der italienischen Regierung den Handelsvertrag auf, den der Bey von Tunis, Muhamed Efsadar, am 8. September 1868 mit dem

Bevollmächtigten des Königs Viktor Emanuel auf 28 Jahre ge= schlossen hatte, und in den Frankreich eingetreten ist, nachdem Tunis am 12. Mai 1881 durch den Vertrag von Kasr-el-Saïd, ergänzt durch den Vertrag vom 8. Juni 1881, unter französische Schußherrschaft geriet. Der Handelsvertrag sicherte den Italienern sehr weitgehende Rechte und Vorzüge zu, wie Konsulargerichtsbarkeit für italienische Unterthanen, eigne Postanstalten, Krankenhäuser, Schulen, das Recht, Vereine und Genossenschaften zu gründen, wobei alle diese Einrichtungen unmittelbar dem Generalkonsul in Tunis und seinen Agenten unterstellt wurden. In Bezug auf den Handel seßt der Vertrag einen Eingangszoll von 8 Prozent des Wertes der eingeführten Waren fest, wie er auch von andern als italienischen Einfuhrwaren erhoben wird.

XII.

Bertrag mit China.

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Im Juli. Nach dem Ende des chinesisch japanischen Kriegs schließt China mit Frankreich einen Vertrag folgenden Inhalts:

China tritt das linke Ufer des Mekong ab und erschließt Stadt und Hafen Hothoub auf der Insel Hainan. Den Franzosen wird die Bestellung von Konsuln gewährt in Städten, die für die Vertreter andrer Nationen verschlossen sind, unter anderm in Semao im Yunnan, dem großen Stapelplaze für den Theehandel und einem Verkehrsknotenpunkte für die Karawanen aus dem Tibet und Birma; ferner erschließt der Vertrag den Franzosen nicht nur die an Laos grenzenden Staaten bis östlich nach Kuang - Lung (Canton) und gestattet ihnen, sowohl die Eisenbahnen an die chinesischen Linien anzuschließen, als auch den bisher nur bis Luang Prabaug reichenden Telegraphen in das Innere des himmlischen Reiches fortzuführen; er gesteht auch den französischen Unternehmern ein Vorrecht im Betriebe der sehr ergiebigen Blei-, Kupfer- und Silbergruben zu und verpflichtet China, alle Lieferungen für Eisenbahnbauten, Verkehrs- und industrielle Anlagen ausschließlich französischen Werkstätten vorzubehalten.

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Großbritannien und Irland.

I.

Parlament.

6. Juli. Im Oberhause führt der Premierminister Lord Salisbury aus, Lord Rosebery habe jüngst erklärt, er appellire an

das Land, um das geseggeberische Uebergewicht des OberHauses zu beseitigen, und wenn dies geschehen wäre, würden dreierlei Wege eingeschlagen werden, um die Ziele, die dabei im Auge behalten werden, praktisch durchzuführen.

Was meinte Lord Rosebery, fährt der Premierminister fort, mit dem gesetzgeberischen Uebergewicht des Oberhauses? Das Haus der Lords hat herkömmlicherweise nicht an den Vorgängen oder an den Abstimmungen teilgenommen, durch die die Regierungen gestürzt oder aufgerichtet wurden, noch auch an der Beschaffung der Mittel für die Staatsverwaltung. In Bezug auf alle übrigen Angelegenheiten besißt das Oberhaus genau dieselbe gesetzgeberische Befugnis wie das Unterhaus, das ist jedoch keine gesetzgeberische Uebermacht. Lord Rosebery hat gesagt, das Uebergewicht der Lords in der Gesetzgebung lege der liberalen Partei Handschellen an; allein: was hat das Oberhaus während der Amtszeit Lord Roseberys gethan, um der Partei Handschellen anzulegen? Es hat die Vorlage betreffend die vertriebnen irischen Pächter abgelehnt, eine Vorlage, die von ihren eignen Anhängern als undurchführbar und absurd bezeichnet wurde. Das Oberhaus würde auch in Zukunft solche Vorlagen aufs entschiedenste bekämpfen. Was die Unterrichtsstiftungen angeht, so hat das Haus der Lords auf zwei großen Grundsägen bestanden, nämlich daß die Stiftungen für diejenigen bewahrt bleiben sollen, für die sie ursprünglich gemacht wurden, und ferner, daß die Eltern das Recht haben sollen, ihre Kinder in ihrer Religion erzogen zu sehen. Diese Grundsäge werden sie immer festhalten. Das eigentliche Ziel des Hauses der Lords war, die Homerule-Bill zu Falle zu bringen. Dieses sei die Frage, über die das Land in der That bei den bevorstehenden Wahlen zu entscheiden habe. Die einzige Bedingung, unter der große und ernstliche Reformen der Einrichtungen des Landes durchgeführt werden könnten, sei, daß sie von großen Mehrheiten des Landes angenommen würden. Weder die Homerule-Bill noch die Vorlage über die Entstaatlichung der Kirche in Wales sei von der Mehrheit der Nation unterstüßt worden, wenigstens soweit England in Betracht komme. Andrerseits, betont Lord Salisbury, seien Probleme vorhanden, denen die Aufmerksamkeit zugewendet werden solle. Sie seien reich an Schwierigkeiten, aber sie versprächen den Erfolg, der zur Wiederherstellung der Wohlfahrt und zur Minderung des Elends der ärmeren Klassen führe. Er bekenne, daß er keine Panacee für die Notlage der Landwirtschaft besize, doch diese verdiene mehr als cin andrer Gegenstand die höchste Aufmerksamkeit des Parlaments, und es seien die Richtungen gegeben, in denen eine Abhilfe erreicht werden könne. Das Oberhaus verdiene den Dant des Landes für seine jüngste Haltung, und sei es auch nur um deswillen, daß es mit den unfruchtbaren und ärgerlichen Zwistigkeiten aufgeräumt habe, die eine üble Gepflogenheit einiger unter den Gesetzgebern des Landes geworden sei, und daß es sie aufgefordert habe zu der lohnenderen Thätigkeit eines Studiums der Besserung der sozialen Lage des Volkes.

Nachdem hierauf Lord Rosebery die wiederholte Erklärung abgegeben hat, daß die liberale Partei an ihrem Programm festhalte, wird die Expropriationsbill durch alle Lesungen ange= nommen. Hiernach verkündet der Kanzler der königlichen Kommission die Vertagung des Parlaments.

14. Auguft. Nachdem vom 1. bis 29. Juli die Neuwahlen zum Unterhause stattgefunden haben, infolge deren 411 Koalirte

259 Home Rulern entgegenstehen und die Regierung eine Mehrheit von 153 Stimmen besißt, wird das Parlament mittelst Thronrede eröffnet. Diese beginnt mit der Versicherung, daß England zu allen Nationen in friedlichen Beziehungen stehe, spricht sodann die Befriedigung über die Beendigung des chinesisch - japanischen Krieges aus und bringt das tiefe Bedauern über das jüngste Gemeßel unter den Missionaren in China zum Ausdruck, dem die Regierung ge= bührende Beachtung zuwende. Die Thronrede enthält keine speziellen Ankündigungen über die Geseßentwürfe, sondern verschiebt die Darlegung des Regierungsprogramms bis zum Zusammentritt des Parlaments im Februar.

15. Auguft. Im Oberhause spricht sich der Premierminister Lord Salisbury bei Beratung der als Antwort auf die Thronrede zu erlassenden Adresse also aus:

Die Regierung sei der Ansicht, das Aufgeben Tschitrals könnte vom Standpunkt der physischen Strategie verteidigt werden; es wäre aber höchst unklug vom Standpunkt der moralischen Strategie. In Betreff der armenischen Frage bemerkt Salisbury, die Regierung habe bestimmte Zusicherungen, daß Reformen durchgeführt werden würden. Er glaube, daß gegenwärtig keine Gefahr einer Wiederholung der gräßlichen Schandthaten vorliege; aber es sei ihm noch nicht gelungen, eine angemessene Garantie für die Herbeiführung der Reformen zu erhalten, und hierauf müßten die Bemühungen gerichtet sein. Frankreich und Rußland hätten den ernsten Wunsch ausgesprochen, das gemeinsame Vorgehen mit England aufrecht zu erhalten. Der Sultan sei mit einem Aufschub und mit Entschuldigungen hervorgetreten; das erscheine nicht als klug, sondern geschehe aus ciner Furcht heraus, durch die die Pforte sich habe zu lange leiten laffen, nämlich der Furcht, die Pforte fönnte etwas thun, was die Wirkung hätte, die Unabhängigkeit der Türkei zu opfern. Diese Unabhängigkeit bestehe durch das Uebereinkommen mit den andern Mächten, und diese Mächte hätten gleich zu der Zeit, als sie in diese Politik eintraten, das Gefühl gehabt, daß dadurch, daß die Türkei so viel als möglich gegen die ehrgeizigen Bestrebungen der andern Mächte geschüßt wurde, und daß ihr eine Stetigkeit gegeben wurde, die sie auf natürlichem Wege nicht hatte, sie einen Mechanismus stüßen könnten, der nicht für das Glück und den Fortschritt der Menschheit arbeite. Wie lange dieser Stand der Dinge noch aufrecht erhalten bleiben könne, scheine zweifelhafter als vor zwanzig Jahren. Wenn die Notschreie einer Generation nach der andern aus verschiednen Teilen des türkischen Reiches kämen, so könne sich der Sultan nicht der Wahrscheinlichkeit verschließen, daß Europa von Zeit zu Zeit müde würde, sich zur Hilfe anrufen zu lassen, und daß die nur scheinbar bestehende Kraft der Regierung des Sultans aufhören müsse. Keine Regierung sei ängstlicher bedacht auf die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Unversehrtheit des Ottomanischen Reiches, so wie es durch den Berliner Vertrag sichergestellt sei, als England; wenn aber der Sultan aus Furcht vor einem Eingriff in seine nominellen Prärogative sich weigere, den Maßregeln nachzukommen, die ihm die Mächte Europas angeben, um Aufruhr und Anarchie in seinen Besizungen auszurotten, so würde auf die Dauer der Zeit kein Vertrag und feine Sympathie imstande sein, die Macht des Sultans aufrecht zu erhalten. Der Premierminister spricht sodann über den Ausfall der Wahlen und sagt, dieser

Ausfall sei ein Fingerzeig für die liberalen Parteien für die Zukunft, daß fortwährende Umwälzungen keine politische Speise wären, wie sie das Volk wünsche. Das Land wünsche Verbesserungen im Kampfe um das Dasein der Millionen; dies sei die höchste Aufgabe eines jeden Staatsmannes.

19. August. Der Staatssekretär des Kriegsamts, Marquis of Landsdowne macht im Oberhaus die Mitteilung, Lord Wolseley sei zum Nachfolger des Herzogs von Cambridge als Oberbefehlshaber des Heeres ernannt. Der Herzog von Cambridge lege sein Amt am 1. November nieder.

22. Auguft. Im Unterhause erklärt der erste Lord des Schaßes, Balfour: „Ich bin und war stets für ein internationales Uebereinkommen betreffend die stabilste Basis der internationalen Umlaufsmittel, habe aber kein Recht, meine Kollegen in dieser Beziehung zu verpflichten; ich habe keinen Grund, zu glauben, daß gegenwärtig eine internationale Konferenz zu einem internationalen Einvernehmen führen würde." Bei der Beratung des Etats des Ministeriums für Kolonien erklärt der Staatssekretär Chamberlain, der Bau von Eisenbahnen in den Kolonien an der Westküste Afrikas werde von den Kolonien selbst oder von England, nicht aber durch Privatspekulation unternommen werden. Im allgemeinen bedürften die Kolonien zu solchen Unternehmungen keiner finanziellen Unterstüßung, aber es gebe viele Kolonien, die unentwickelt sind, deren Entwicklung aber durch Geldanlagen seitens englischer Kapitalisten im Interesse der Eingebornen und Englands wünschenswert sei, und die er zu empfehlen beabsichtige. Er werde alles thun, um die Einfuhr von Spirituosen nach Afrika zu beschränken, aber solange Frankreich und Deutschland sich den englischen Bestrebungen zur Unterdrückung des Handels mit Spirituosen nicht anschlössen, sei es unmöglich, ihn wirksam zu hemmen. Denn wenn die Eingebornen die Spirituosen in englischen Kolonien nicht haben könnten, so würden sie sie neben andern Waren in deutschen oder französischen Kolonien kaufen.

30. August. Bei der Beratung des Unterhauses über die Bewilligung von 20000 Pfund Sterling zur Vorbereitung des Baues der Ugandabahn teilt Unterstaatssekretär Curzon mit, es sei beschlossen worden, die Bahn von Mombasa bis Uganda zu bauen. Es handle sich um die Entwicklung der Hilfsquellen nicht nur Ugandas, sondern auch der oberen Gewässer des Nils und des Distrikts am Viktoriasee. Ueberdies würde, wenn England nur die Hälfte des Wegs der Bahn baue, Deutschland dieselbe bis zum See bauen.

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